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PAPIER-ZEITUNG. 2553 Mikrophotographie im Dienste des Papierfaches. Früher stand den gelehrten Naturforschern zur bildlichen Darstellung der sie interessirenden Gegenstände nur das unbe waffnete Auge und eine meist geringe zeichnerische Handfertigkeit zur Verfügung. Nach Erfindung der Lupe (Vergrösserungsglas oder einfaches Mikroskop) wurde nach der Auffassung des Auges und mit mehr oder weniger Geschick das vergrösserte Bild freihändig ent worfen und zeigte mancherlei Fehler und Mängel. Erst mit Erfindung und Vervollkommnung des zusammengesetzten Mikro- skopes, besonders in unserm Jahrhundert, wurden die von gelehrten Forschern vergrösserten Bilder deutlicher und richtiger. Man war indess immer noch ganz von der subjektiven Auf fassung und der Handfertigkeit des Zeichners abhängig, sodass die uns erhaltene alte Literatur bis in die dreissiger Jahre unsers Jahrhunderts kaum ein richtiges Gegenstandsbild enthält. Erst nachdem man gelernt hatte, das mikroskopische Bild und die Spiegelung eines neben das Mikroskop gelegten Zeichen blattes durch ein sogenanntes Zeichenprisma im Auge zu ver einigen, konnte man, durch Nachfahren mittels Zeichenstifts, die Konturen des gesehenen Bildes auf dem Papierblatt festhalten. Die Zeichenprismen sind aber unvollkommene Behelfe, sie geben wegen schiefer Projektion des Zeichenblattes ein etwas verzerrtes Bild, strengen das Auge an und stellen an die Geduld und Aus dauer des Zeichners hohe Ansprüche. Abgesehen von einer, je nach der Ausdehnung des Bildes entstehenden, geringern oder grössern Verzerrung wird das Bild relativ richtig nur erhalten, wenn die vom Auge gesehenen Bild punkte, Zeichenstiftspitze und Glasprismenkante in sich deckende Lage gebracht werden. Beim Nachfahren von schief zur Prismen kante und krumm verlaufenden Bild-Linien muss der Zeichner also fortwährend nicht nur die Lage des Stiftes mit der Hand, sondern auch die des Auges mit dem Kopf fortwährend verändern. Der um die Wissenschaft durch die Vervollkommnung der optischen Instrumente hochverdiente Professor Abbe hat nun in den letzten Jahren einen Zeichenapparat konstruirt, der beim Auf nehmen mikroskopischer Bilder ausgezeichnete Vortheile gewährt. Der Apparat wird von der optischen Werkstätte C. Zeiss, Jena, in vorzüglicher Ausführung als Tubus-Aufsatz für Mikroskope geliefert. Fig. 1 giebt ein Bild dieser Vorrichtung: Ein durch Schrauben Fig. 1. Zeichen-Apparat für Aufnahmen mikroskopischer Bilder, am Tubus centrirbarer und feststellbarer Ring R trägt ein Schar nier S, an dessen obern drehbaren Theil das Prismengehäuse P mit Rauchgläsern G und ferner ein Arm A mit grössern einstell barem Planspiegel Sp befestigt sind. Der ganze Obertheil des Apparates ist durch das Scharnier umlegbar, um das Wechseln des Oculars und eine bequeme, scharfe Einstellung des mikroskopischen Bildes zu ermöglichen. Nach Herunterklappen des Obertheils in die eigentliche Arbeitsstellung wird die Zeichenfläche durch zweimalige Reflexion an dem Planspiegel Sp und an der versilberten Fläche eines kleinen Prismas des Prismengehäuses im Augenpunkt des Oculars sichtbar gemacht. Das mikroskopische Bild wird durch eine kleine Oeffnung in der Versilberung des genannten Prismas direkt gesehen. Durch die Rauchgläser G kann man der gespiegelten Zeichenfläche die für das mikroskopische Bild passende Helligkeit geben. Man sieht eine kleine Kreisfläche des mikroskopischen Bildes und der Zeichenfläche vereinigt und kann ohne Schwierigkeit und Anstrengung die Konturen des Bildes mit einem Stift auf der Zeichenfläche nachziehen. Sehr schwierige und verworrene Bilder lassen sich aber auch bei Benutzung dieses vorzüglichen Apparates nur bei grosser Uebung im mikroskopischen Sehen und bei klarstem Verständniss der körperlichen Formen des Objektes von geschickter Hand unter Aufwendung grosser Geduld und viel Zeit nachbilden. Selbst der mit allem Vorstehenden ausgestattete Zeichner wird oft, ohne es zu wollen, Fehler zu Gunsten seiner Auffassung in das Bild bringen. Unschätzbar bleibt dieser Zeichenapparat immerhin für klare, schematische Darstellungen charakteristischer mikroskopischer Unterschiede, wenn man dieselben auf ein nicht zu umfangreiches Bild zusammendrängen will. Frei von Fehlern, naturtreu und ohne Opferung kostbarer Zeit und Augenkraft arbeitet die photographische Platte. Die Mikrophotographie kann daher auch unserm Fach eine höchst fördernde, zuverlässige Gehilfin werden. Erstaunliches wird schon heut mit der Mikrophotographie für die Wissenschaft geleistet. Herr Dr. Roderich Zeiss in Jena giebt in einem Sonder- Katalog für Mikrophotographie, März 1888, ausführliche Beschrei bungen sehr vollkommener Apparate zur Ausübung dieser neuen Kunst, und die Reproduktionen seiner photographischen Negative (Lichtdrucke) zeigen durchaus scharfe Bilder bei verschiedenen, bis nahezu 5000fachen linearen Vergrösserungen. Diese naturtreuen Wiedergaben mikroskopisch stark ver- grösserter Bilder mit allen Feinheiten, Schwarz auf Weiss gedruckt, übertreffen weit die kühnsten Erwartungen der Physiologen. Aller dings bietet der Anschaffungspreis und die schwierige Handhabung der für so starke Vergrösserungen nöthigen Hilfsapparate wohl für Anwendung in unserm Fach unübersteigbare Schranken. Glücklicherweise ist es für unsere Zwecke aber auch nicht nöthig, so starke Vergrösserungen anzuwenden. Für Erkennen des feinern Baues unserer Rohstoffe und der Veränderungen, die unsere chemischen und mechanischen Prozesse an den Stoffen bewirken, genügt eine 10- bis 400-fache lineare Vergrösserung, und diese lassen sich bei einiger Uebung, unter Anwendung gewöhnlicher Tageslicht-Beleuchtung, oder bei Petroleumlicht, mit nebenstehend dargestellter billiger Einrichtung leicht photographiren. Fig. 2 zeigt die Aufstellung des bekannten zusammengesetzten Mikroskopes M mit Kamerabalg 0 P Q R am Stativ B S. Ein Lichtverschlussring L bildet eine lichtdichte Verbindung zwischen Kamera und Mikroskop, welche aber das Einstellen des Mikroskopes nicht behindert. Die Einrichtung ist (ohne Mikroskop) mit Doppelkassette für die photographischen Platten für 75 M. beziehbar. Meine jüngsten Erfahrungen beim Herstellen mikroskopischer Bilder mit diesem Apparat gebe ich gern bekannt. Man stellt das Mikroskop je nach der Lichtstärke des Tages lichtes oder der gutleuchtenden Petroleumlampe 11/2 bis 3 m weit von dem hellen (nicht besonnten) Fenster, oder von der Lampe auf einen festen Tisch und stellt das mikroskopische Bild eines Objektes je nach gewünschter Ver grösserung, mit Plan oder Hohl spiegel beleuchtet, scharf ein. Dann zieht man das Ocular aus dem Mikroskop-Tubus, schiebt den Lichtverschlussring L über das freiwerdende Tubus-Ende, steckt das Ocular wieder ein und stellt nun das Stativ mit dem Kamerabalg so auf, dass der an der untern Kameraplatte 0 befestigte geschwärzte Blechring so im Verschluss ring einsteht, dass eine geringe Verstellung des Mikroskop-Tubus nach oben und unten möglich ist. Bei Q R wird nun eine helle oder mattgeschliffene Glasplatte (diese Platten werden in polirtem Rahmen mitgeliefert) an der Stelle eingeschoben, wo später die Fig. 2.