Volltext Seite (XML)
No. 75. PAPIER-ZEITUNG. 229S geeigneten Farbenspielen auf Grund der Hoffmann’schen Farben skalen Vormerkung zu machen. Dies kann auf folgende Weise geschehen. Im Notiz- oder Skizzenbuch entwirft man eine freie Zeichnung passender Blätter, oder man legt das abzuzeichnende Blatt fest aufs Papier und zeichnet die Konturen mit dem Blei stift nach. Dann begrenzt man die Absetzungen oder Farbenringe der Vorlage auf der Kopie durch leicht andeutende Striche und schreibt in die einzelnen Felder die Nummer der Farbe des Originals. Wer sich die sechs Erst- und Zweitfarben (Roth, Orange, Gelb, Grün, Blau, Violett) nebst ihren Brechungen nach der Hoffmann’schen Skala merkt, was nach einigen Versuchen ganz leicht ist, der kann selbst feinere Farben-Abstufungen im Freien in Zahlen aufschreiben, ohne die Skala mit sich führen zu müssen. Die Schattirung des Blattes, seine Helligkeits-Abstufungen, werden am besten auf einer zweiten Zeichnung mit dem Stift flüchtig angegeben. Auge und Hand zu üben, giebt es kein besseres Mittel, als derartige Skizzen zu machen. Die ersten Versuche werden meist nicht nach Wunsch ausfallen, bei den nächsten aber geht’s schon besser, und endlich hat man viele reine Freude an solchen Studien. Wer mit dem Tuschkasten bewaffnet auf die Streife nach köst lichen Farbenspielen geht, der ist noch besser dran, aber ich weiss, dass den meisten Accidenzlern schon der Zeichenstift zu schwer in der Hand liegt, und will deshalb von Malversuchen nichts weiter sagen. Sehr lohnend ist auch das Sammeln von geeigneten Pflanzen theilen. Für uns, die wir Farben-Vorlagen brauchen, ist der Herbst die beste Zeit hierfür. Man stelle sich nicht vor, dass dies kostspielig sei. Nichts ist billiger und lohnender, als die Anlage eines Pflanzen-Herbariums. Man nimmt nur ein Buch mit vielen weichen Blättern (ungeleimtes Druckpapier oder weiches weisses Löschpapier ist am besten hierfür) mit sich, legt die des Aufhebens werthen Blätter oder sonstigen Pflanzentheile etwas geordnet hinein, klappt zu und sammelt weiter. Ueber die fernere Behandlung der gesammelten Pflanzen zu Hause giebt Dr. Ludwig Staby in der Zeitschrift »Natur und Haus« folgende Rathschläge: Bevor man die Pflanzen wohl geordnet und gefällig und richtig ausgebreitet zwischen trockene Papierlagen legt, um sie endgiltig zu trocknen, müssen sie erst ganz genau bestimmt werden, denn es ist viel leichter, eine frische Pflanze nach Gattung und Art zu bestimmen, als eine getrocknete. Die Anordnung der Pflanzenarten geschieht am zweck mässigsten nach dem natürlichen System und infolgedessen auch das Bestimmen der einzelnen Pflanzen nach einem Buche dieses Systems. Will man nur Pflanzen der engern Heimath sammeln, so benutze man die Flora der entsprechenden Provinz, so z. B. für Brandenburg die Flora von Prof. Ascherson, für Schlesien die von E. Fiek, für West falen die von Karsch usw., will man ein grösseres Gebiet behandeln, so benutze man die entspreshenden, dieses Gebiet behandelnden Floren. Hat man die Pflanze genaider Art nach bestimmt, dann schreibt man auf einen kleinen, viereckigen Zettel den Namen der Pflanze (lateinisch und deutsch), das Datum und den Ort des Fundes, sowie den Namen des Finders. Diesen Zettel legt man zu der zu trocknenden Pflanze in den Papierbogen. Sind nun alle Pflanzen bestimmt und in den Bogen untergebracht, dann legt man zwischen die einzelnen Pflanzenbogen mehrere Lagen Papier, beschwert das ganze Pflanzenpaket etwas, oder schnürt es fest zwischen zwei Gitter. Die sogenannten Pflanzenpressen kann man auch benutzen, doch hüte man sich vor zu starkem Druck, der die Pflanzen zerquetscht. Die zwischenliegenden Papierlagen müssen nun täglich so lange gegen trockene umgewechselt werden, bis die Pflanzen vollständig trocken sind. Wollte man nun die Pflanzen in das Herbarium einlegen, so würde die Freude daran nicht zu lange dauern, denn gar zu leicht kommen Insektenlarven in das Herbarium, die unter den Pflanzen arge Zer störungen anrichten. Um diese Feinde abzuhalten, muss man die Pflanzen vergiften, was dadurch am besten geschieht, dass man die voll ständig trocknen Pflanzen mittels einer langen Hornzange einen Augen blick in eine schwache Sublimatlösung taucht, die aus achtzig Theilen Alkohol und einem Theil Sublimat besteht. Die Pflanzen trocknen bei der schnellen Verdunstung des Alkohols sehr rasch wieder vollständig. Will man dieses Mittel wegen der Giftigkeit des Sublimats nicht anwenden, dann bringt man die Pflanzen so in das Herbarium und legt hier und da zwischen die Herbariumblätter mit Naphtalin gefüllte Briefumschläge, dadurch werden die Insekten auch abgehalten. Grasartige Gewächse und Farrnkräuter brauchen diese Schutzmaassregeln nicht, da sie nur wenig oder garnicht von Insekten zu leiden haben. Die Pflanze wird nun mittels schmaler, gummirter Papierstreifen auf ein Blatt, und zwar ein rechtsseitiges des Herbariums, geklebt, Samen und andere kleine Dinge in kleinen Papierkapseln daneben, und der Zettel mit Namen und Fundort in die rechte Ecke des Blattes, damit ist die Arbeit gethan. Es ist selbstverständlich, dass die Arten einer Gattung auch zusammen in einer Abtheilung liegen, die den Gattungsnamen trägt. Eine auf solche Weise angelegte Pflanzensammlung ist ein schöner und werthvoller Besitz, sie führt uns in schönster Weise die Flora eines bestimmten Gebietes vor Augen und trägt sehr dazu bei, die Liebe zur Natur zu wecken und zu erhalten, denn es ist selbstverständlich, dass der Naturfreund, welcher die blühende Gottes welt rings um sich' herum mit Interesse betrachtet und jede Pflanze kennt oder kennen zu lernen wünscht, viel mehr Genuss und Freude auf seinen Spaziergängen und Ausflügen hat, als ein Mensch, der das auch Alles sieht, dem aber das Meiste so unbekannt ist, dass er es nur unter dem schrecklichen, seine Unwissenheit völlig verrathenden Namen > Unkraut« zusammenzufassen vermag. Dass die vorstehenden Winke auf die Anlage eines förmlichen Herbariums Bezug haben, zu welchem die Pflanzen mit den Wurzeln ausgehoben und gesammelt werden, thut nichts, deshalb sind sie doch auch für unsere Zwecke, die wir Farben sammeln wollen, beachtenswerth. Der Accidenzler möge aber, ehe er die Pflanze mit dem Pflanzenheber aushebt, sich die freie Stellung der Blätter usw. mit dem Stift merken. Ehe er ein Blatt ins Sammelbuch legt, skizzire er, wie der Stiel am Blatte sitzt, und wie, wenn ein Stückchen Ast, das man nicht mitsammeln kann, abgetrennt werden muss, die Verbindung zwischen diesem und dem Blattstiel ist. Werden diese nöthigen Ergänzungen pünktlich vorgenommen, so wird der fleissige Sammler mit Staunen wahr nehmen, wie sehr sein Blick sich schärft, und er hat erhöhte Freude an der schönen Natur. Dabei wird ihn die Sicherheit in der Beherrschung der Pflanzenformen sehr bald befähigen, in Mussestunden dekorative Blatt-Anordnungen für Accidenz-Aus stattung in der Form richtig zu entwerfen, und der Nutzen, den diese Sammlungen haben, ist doppelt. Endlich kommt noch die hygienische Seite des Naturstudiums in Betracht. Gerade dem Buchdrucker, den sein Beruf die Woche hindurch an die staubige Arbeitsstätte fesselt, ist nichts dienlicher, als jede freie Stunde draussen in der Natur zuzubringen. Der Aufenthalt im Walde soll aber nicht als lästiger Zwang, als Medizin betrachtet werden, die man erst nimmt, wenn alles Pillen schlucken vergeblich ist. Innerer Drang muss den Menschen hinaus treiben, er muss Freude und Genuss an der Beobachtung der Natur haben, damit ihm diese nicht langweilig werde und er sich nach der’ nächsten Bierbank sehne. Wer im Walde nichts anzufangen weiss, wem Käfer und Mücken erschaffen scheinen, den Menschen zu ärgern, der ist naturblind und von Herzen zu bedauern. So lange die Sonne am Himmel steht, sollten namentlich Städter, wenn sie Zeit haben, diese im Freien zubringen. Zum Skatspiel oder zum »Schafskopf« ist noch hinreichend Gelegenheit, wenn die Lampen brennen; dafür den schönen Sommertag zu be nutzen, heisst unverantwortlich an sich selbst gesündigt. Büchertisch. Das Sternenzelt. Von Professor Dr. Carl Titus. Mit 70 Abbil dungen im Text und 3 doppelseitigen Karten. Verlag des Vereins der Bücherfreunde^ Berlin. 379 Seiten Oktav, Preis gebunden 5 M. 75 Pf. Das Werk macht es sich zur Aufgabe, unter theilweiser Benutzung von Aufsätzen von Arago und Dr. Carl Cranz eine volksthümliche Himmelskunde nach den neuesten Forschungen in leicht verständlicher Form zu bieten. Die Hypothesen über die Sonnensubstanz, welche durch die Spektral-Analyse beweiskräftig werden, wie auch die Darlegungen über die Entwicklung des Planetensystems sind sehr lesenswerth. Die Beobachtungen des uns zunächst interessirenden Planeten »Mars« und die Schlüsse auf seine Bewohnbarkeit, Atmosphäre usw., nach langjährigen Forschungen, bringen viele interessante Aufklärungen. Auf hohe Intelligenz der vorausgesetzten Bewohner dieses Planeten wird aus den Ungeheuern fast geraden Kanälen geschlossen, die mit geeigneten Instru menten von der Erde aus deutlich wahrnehmbar sein sollen. Abbildungen dieser Kanäle nach Photogrammen werden gegeben. Lesenswerth ist auch der Abschnitt: »Einwirkung des Mondes auf die Erde«, der viele hierüber im Volke bestehende Anschauungen theils richtigstellt, theils sie bekräftigt und durch bildliche Vorführungen anschaulich macht. Das Buch erfüllt seinen Zweck umsomehr, als langathmige, von Gelehrsam keit triefende Darlegungen darin vermieden werden, und Laien, die sonst kein Interesse an den Vorgängen ausserhalb des Sandkorns »Erde« haben, doch zum Weiterlesen veranlasst werden. Die Verne’schen Schilderungen haben die gleiche Aufgabe wohl auch in trefflicher Weise gelöst, eine solche Einführung in die Wunder des Himmels hätte aber zu wenig Stoff geboten, und man wäre mit dem »Sternenzelt« nicht in hundertmal soviel Seiten, als das Buch fasst, fertig geworden. Die Darstellung ist aber, trotzdem ihr das Phantastische fehlt und Paare, die sich lieben, excentrische Engländer oder sonstige Romanscherze nicht darin vorkommen, fesselnd und anregend. Die zahlreichen Abbildungen im Text sind vortrefflich und sehr geeignet, das Interesse wach zu erhalten. Das Vorgehen des Vereins der Bücherfreunde, seinen Mit gliedern auch wissenschaftlich belehrende Werke in angemessener Form zu bieten, ist verdienstlich und darf auf Anerkennung rechnen.