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1956 PAPIER-ZEITUNG. No. 65. wird, ist jetzt »ice cream soda«. Das hierzu nöthige Speise-Eis, d. h. gefrorene Sahne, wird in grossen Mengen fabrikmässig so vorzüglich hergestellt, dass sich z. B. die Hamburger Dampfer für die Hin- und Herreise in New York damit versehen. Es wird in Pappschachteln geliefert und hält sich, auf rohes Eis gelegt, mehrere Wochen lang. Von solchem, stets sahneweissem Eis wird ein grosser Löffel voll in ein grosses Glas gegeben, auf dieses lässt der Verkäufer, nach dem Geschmack des Bestellers, Erdbeer-, Himbeer-, Ananas- oder andern Saft fliessen und füllt dann mit Sodawasser auf. Ein langer Löffel wird mit verabreicht und ermöglicht Umrühren und Aufessen des nach dem Austrinken übrigen ice cream. In der Ausstellung, in jedem Eisenbahnwagen, in jedem Gast hof stehen ausserdem Tonnen mit Eis wasser kostenfrei Jedermann zur Verfügung. Wer dieses nicht mag, kann sich in der Aus stellung durch Einwerfen von 1 Cent (4 Pf.) in einen Automaten ein Glas mit kühlem reinem Quellwasser verschaffen. Gutes helles einheimisches Bier ist überall für 5 und 10 Cents das Glas zu haben, in der deutschen Speisewirthschaft des Manufacturing Buil ding auch vorzügliches Münchener Löwenbräu für 25 Cents (1 M.) das Seidel. Obst in reicher Auswahl, Apfelsinen von Florida, Bananen, Pfirsiche, Birnen, Pflaumen, Aprikosen und prächtige kalifornische Kirschen werden an vielen Stellen, und zwar meist von italienischen Händlern, feilgehalten. Als ich vor 20 Jahren Amerika verliess, gab es nur solche Obstsorten, die massenweise gezogen wurden, wie Pfirsiche, Erd beeren und dergl.; Pflaumen, Aprikosen usw. -waren unbekannt. Hierin wie im Trinkgeldwesen ist Amerika europäischer geworden. Damals wurden den Gästen auch nicht wie in Europa die Stiefel geputzt, wenn sie dieselben im Gasthof vor die Thür stellten, man musste dies vielmehr selbst thun, oder sie anziehen und nachher unten oder auf der Strasse für 10 Cents aufglänzen »shine« lassen. Jetzt werden sie geputzt, wenn man sie abends heraussetzt, der damit Beauftragte ist aber zu 10 Cents für jedes Paar berechtigt und fordert dieselben, wenn sie ihm nicht frei willig gegeben werden. Die Unlust der Amerikaner, viel zu Fuss zu gehen, mag theil weise in der drückenden Sommerhitze begründet sein, jedenfalls ist es Thatsache, dass sie auch kurze Wege wenn irgend möglich fahrend zurücklegen. In den öffentlichen Parks ist deshalb in erster Linie für Fahrstrassen gesorgt und nur nebenher für Fuss pfade. Auch der besser gestellte Arbeiter miethet ein Buggy oder anderes Fuhrwerk, um sich einen vergnügten Tag zu machen. Seit den letzten Jahren giebt es auch, was vor 20 Jahren ganz unbekannt war, an öffentlichen Stellen bereitstehende Wagen aller Art, die für bestimmte Taxe zu haben sind. Die Abneigung gegen Treppensteigen scheint aber noch grösser als gegen das Gehen zu sein, denn ich habe seit meiner Ankunft im Lande kaum eine Treppe zu sehen bekommen. In Gasthöfen und öffentlichen Gebäuden aller Art, z. B. in den nur 3 Stock hohen Verwaltungsgebäuden der Ausstellung, in zwei stöckigen Speisewirthschaften wird der Verkehr auf und nieder ausschliesslich durch zwei nebeneinanderstehende hydraulisch bewegte Aufzüge bewirkt. Da dieselben sich sehr rasch bewegen und fortwährend in Thätigkeit sind, so geht keine Zeit mit Warten verloren, und man gelangt in wenigen Augenblicken — jedenfalls viel rascher als auf einer Treppe — in ein beliebiges Stockwerk hinauf oder hinab. Treppen sind zwar vorhanden, werden aber nicht benutzt und sind infolgedessen auch weniger bequem und angenehm, als sie sein könnten. Diese Leichtigkeit des Verkehrs auf und ab macht es auch erklärlich, dass man keinen Anstand nimmt, 12 bis 16 Stock hohe thurmartige Häuserkolosse zu bauen und in deren obern Theilen zu wohnen, oder sie als Geschäfts räume zu benützen. Die obern Stockwerke werden sogar ihrer freien Lage und bessern Luft wegen vielfach vorgezogen. Sonntag, 23. Juli, wurde in Milwaukee ein Turnfest abgehalten, bei dem 3000 deutsch-amerikanische Turner in Reih und Glied standen. Es that der allgemeinen Fröhlichkeit keinen Eintrag, dass infolge der seit etwa 10 Tagen herrschenden Finanzkrisis eine Reihe dortiger Banken ihre Zahlungen eingestellt hatte. Fabrikanten, deren Besitz auf Millionen geschätzt wird, konnten das Geld zum Betrieb und zur Zahlung der Leute nicht beschaffen und haben das ganze Personal entlassen, sodass augenblicklich in Milwaukee allein 15 000 Arbeiter unbeschäftigt sein sollen. Hierzulande herrscht die Gepflogenheit, dass man kein Geld zu Hause hat, sondern jeden grössern Betrag, sogar Zahlungen an Bäcker, Fleischer und dergl., mit Anweisungen auf die Bank begleicht, bei der man seine Gelder niederlegt und Rechnung hat. So kommt es, dass eine Bank, die nur 100 000 Dollar Kapital besitzt, häufig den dreifachen Betrag an Depositen-Geldern hat. Um etwas zu verdienen, leiht sie dieses Geld auf Wechsel oder andere Unterlagen aus, hat also nur einen mässigen Vorrath an baarem Geld. Wenn sich nun plötzlich der Bevölkerung Miss trauen bemächtigt und alle Kunden gleichzeitig ihre Einlagen fordern, werden solche Banken gezwungen, ihre Zahlungen ein zustellen, da sie in Krisis-Zeiten auch auf gute Unterlagen häufig das erforderliche Geld nicht beschaffen können. Der Fall einer Bank in Milwaukee wurde z. B. dadurch veranlasst, dass ein Fabrikant seine 600 Leute mit Anweisungen bezahlte, und diese 600 Mann auf der Strasse eine lange Linie bis zur Kasse der Bank bildeten. Hierdurch wurde die Aufmerksamkeit der Vor übergehenden erregt, die Leute wurden ängstlich, und die Bank hatte schliesslich äusser diesen kleinen so viele grössere Zahlungen zu leisten, dass sie nicht mehr mitkommen konnte. Der Sturz der Banken wird ohne Zweifel den vieler Geschäfte nach sich ziehen, und noch weiss Niemand, wie diese Zustände, die durch den Silbersturz hervorgerufen wurden, gebessert werden sollen. Ein Theil der Bevölkerung giebt der McKinley Bill Mitschuld und verlangt vom Präsidenten Cleveland die zugesagte Ermässi gung der Eingangszölle, die künftig nur als Finanzzölle betrachtet, d. h. so bemessen werden sollen, dass sie der Vereinigten Staaten- Regierung viel einbringen. Dienstag, 25. Juli, abends 8 Uhr, gab der durch Professor W. Hartmann hier vertretene Verein Deutscher Ingenieure im Germania - Club den Associated American Engineers einen Fest- Kommers, zu dem auch viele deutsche Preisrichter geladen waren. Um 9 Uhr nahmen etwa 150 Personen an einem kalten Abend brot mit Bier theil, und um 10 Uhr wurde nach Abräumen der Tische der Kommers eröffnet. Ein den Gästen vorliegendes gedrucktes Heft enthielt neben bekannten auch einige für die Gelegenheit verfasste Lieder. Reden in englischer und deutscher Sprache wechselten mit Musikvorträgen einer deutschen Militär kapelle, mit Vorträgen des Männerquartetts Germania und gemeinsam gesungenen Liedern. Der Vertreter des nach Europa zurück gereisten Reichskommissars, Herr Regierungsrath Richter, feierte die Ingenieure als Pioniere der Kultur. Für die anwesenden Amerikaner war der Kommers etwas ganz Neues und höchst interessant, und alle Anwesenden nahmen eine angenehme Erinne rung davon mit. Carl Hofmann. Sulfitverfahren. Forts, zu Nr 64. Frage II: Ist zu erwarten, dass durch die Einrichtung einer zweiten Fabrik die Luft in der Umgebung merklich verunreinigt werden wird? Mit den Ausführungen zu Frage I beantwortet sich auch gleichzeitig Frage II: Da die jetzige Fabrik die Luft nicht ver unreinigt, so ist zu erwarten, dass bei guter Einrichtung und Aufsicht auch eine Verunreinigung der Luft der Umgebung nicht eintritt, wenn der bisherige Betrieb um etwa 75 pCt. durch Errichtung einer neuen Anlage vergrössert wird. * * Frage III: Ist der Gehalt an schwefliger Säure in den Fabrik räumen so gross, dass dadurch irgend welche Schädigungen der Arbeiter zu erwarten sind? Um eine solide Grundlage zur Beantwortung dieser Frage zu gewinnen, wurde an 2 Tagen, am 5. Januar und 21. Januar 1893, während des vollen Betriebes die Luft im Kocherraum untersucht. A. Die Verhältnisse im Kocherraum. Der Kocherraum besitzt 3 Etagen, auf denen sich Arbeiter aufhalten, eine untere zu ebener Erde, eine mittlere und eine obere. Die Temperatur in diesen 3 Räumen ist sehr verschieden. Am 5. Januar herrschte bei einer Aussentemperatur von — 4°: oben eine Temperatur von + 3— 4° in der Mitte „ „+ 25—29° unten „ „ + 8— 9° Es erklärt sich dies leicht dadurch, dass der mittlere Raum ohne direkte Ventilation ist und die Kocher in ihrer Mitte umgiebt. Der obere Raum hat durch Dachluken, der untere durch die Thür Verbindung mit der Aussenluft. Der Gehalt an schwefliger Säure war für den Geruch deutlich als von unten nach oben zunehmend zu erkennen, was sich ebenfalls sehr leicht erklärt. Es waren oben einige undichte Ventile vorhanden, durch welche SO 2 entwich, ausserdem war die Temperatur im untern Raume höher als im obern, sodass die im untern Raum heiss entweichende schweflige Säure direkt