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1574 PAPIER-ZEITUNG. Verfahrens bei der Anwendung des § 20 führt, welche unter Umständen verhängnissvoll werden kann. Uns erscheint es als das allein Richtige und dem Ansehen des Deutschen Reichs Entsprechende, wenn in dem Gesetz die Bestimmung niedergelegt wird, dass jede vexatorische Maassregel einer auswärtigen Regierung gegen den deutschen Export unbedingt und sofort eine ent sprechende Gegenmaassregel zur Folge hat. Im weiteren möchten wir den Wunsch aussprechen, dass die Be stimmung des § 20 auf alle Maassregeln ausländischer Regierungen aus gedehnt werde, welche unsere Ausfuhr zu schädigen geeignet sind. Äusser der Vorschrift, die einzuführenden Waaren mit der Bezeich nung des Herkunftslandes zu versehen, sind noch andere Maassregeln möglich und zum Theil vorhanden, welche eine grosse Belästigung für die Importeure bedeuten und häufig noch erheblicheren Schaden ver ursachen. So ist z. B. die Einfuhr von Rollendruckpapier in England den unangenehmsten Erschwerungen unterworfen. Derartiges Papier wird nämlich vielfach von den englischen Zollbehörden angehalten und erst dann zur Einfuhr zugelassen, wenn eine Bürgschaft von hoher Summe zur Deckung der Untersuchungskosten hinterlegt ist, und die Untersuchung darüber, ob in den Rollen etwa Dynamit enthalten ist, stattgefunden hat. Diese Untersuchung besteht noch dazu theilweise darin, dass das Rollenpapier, wenigstens von je 5 Rollen eine, mit einem scharfen Instrument durchstochen wird, wodurch selbstverständlich das Papier erheblich entwerthet wird. Wir haben in mehrfachen Eingaben Euer Excellenz den hierdurch der deutschen Papier-Industrie ugefügten Schaden dargestellt, und nach gewiesen, dass eine solche Untersuchung vollständig ungerechtfertigt ist. Wir glauben daher an dieser Stelle auf die Angelegenheit nicht näher eingehen zu sollen, vielmehr uns auf diesen Hinweis beschränken zu können. Jedenfalls beweist diese Thatsache, dass es noch viele andere Mittel äusser der Vorschrift der Herkunftsbezeichnung giebt, durch welche eine auswärtige Regierung in der Lage ist, dem deutschen Export handel auf indirektem Wege grosse Schwierigkeiten zu bereiten, und dass es deshalb auch für die deutsche Regierung im Interesse der ein heimischen Industrieen nothwendig erscheint, sich die Möglichkeit zu wahren, alle derartigen Erschwerungen mit entsprechenden Gegen- maassregeln zu beantworten. Ausserdem möchten wir bitten, die Be- fugniss, Gegenmaassregeln anzuordnen, nicht dem gesammten Bundes- rath, sondern dem Reichskanzler allein zu übertragen, weil die Ver hältnisse oft ein rasches Eingreifen der Regierung erheischen, und dies unzweifelhaft besser möglich ist, wenn der Entschluss in den Händen einer einzelnen Person, des Reichskanzlers, ruht, als wenn derselbe eine Berathung und Beschlussfassung im Bundesrath erfordert. Demnach befürworten wir, dem § 20 etwa die nachfolgende Fassung zu geben: »Soweit deutsche Waaren im Auslande bei der Ein- oder Durch fuhr der Verpflichtung unterliegen, eine Bezeichnung zu tragen, welche ihre deutsche Herkunft erkennen lässt, ist durch Verfügung des Reichs kanzlers den fremden Waaren bei ihrem Eingang nach Deutschland zur Ein- oder Durchfuhr eine entsprechende Auflage zu machen und für den Fall der Zuwiderhandlung die Einziehung der Waaren anzuordnen. Ebenso sind von dem Reichskanzler für alle sonstigen Maassregeln, welche im Auslande zur Erschwerung der Ein- und Durchfuhr deutscher Waaren getroffen werden, entsprechende Gegenbestimmungen für die Ein- und Durchfuhr der fremden Waaren bei ihrem Eingang nach Deutschland zu erlassen. Die infolge derartiger Bestimmungen vorzunehmende Beschlagnahme kann den Zoll- und Steuerbehörden übertragen werden. Die Festsetzung der Einziehung erfolgt durch Strafbescheid der Verwaltungsbehörde (§ 459 der St. P. 0.)«. Schliesslich halten wir es für wünschenswerth, dass die Recht sprechung bezüglich der Zeichenanmeldung, der Priorität des Besitzes usw., analog dem Verfahren in Patentsachen, dem Patentamt übergeben werde. Dieses Amt dürfte in diesen Angelegenheiten, welche meist hervorragende technische und handelsgebräuchliche Kenntnisse erfordern, die sach verständigste Behörde sein. Euer Excellenz bitten wir ganz ergebenst um geneigte Berück sichtigung vorstehender Ausführungen. In ehrerbietiger Hochachtung und Ergebenheit Der Vorstand des Vereins Deutscher Papierfabrikanten. (gez.) Karl Drervsen, Vorsitzender. Seiner Excellenz dem Reichskanzler Herrn Grafen von Caprivi Berlin. Die an den Reichstag gerichtete Eingabe ist Ende Mai d. Js. zurückgekommen mit dem Bemerken, dass sie infolge Auflösung des Reichstages nicht mehr zur Berathung und Beschlussfassung gelangt ist. B. Infolge einer Aufforderung des Preussischen Herrn Ministers für Handel und Gewerbe vom 26. August v. Js. hat der Vorstand unterm 20. Oktober dem Herrn Minister einen Bericht über die Lage der Papier-Industrie erstattet, welcher lautet, wie folgt: Verein Deutschen Parisrfabrikanten Lachendorf b. Celle, 20. Oktober 1892. Seiner Excellenz dem Königl. Preuss. Staatsminister und Minister für Handel und Gewerbe Herrn Freiherrn von Berlepsch Berlin. Ew. Excellenz beehren wir uns auf den Erlass vom 26. August d. Js. ergebenst Nachstehendes zu erwidern. Als im Jahre 1879 der deutsche Lumpen-Ausfuhrzoll aufgehoben wurde, fürchteten viele deutsche Papierfabrikanten, dass nun eine schlimme Zeit für sie hereinbrechen würde, aber die gleichzeitige Er höhung der Papier-Eingangszölle (von 6 M. auf 10 M. pro 100 kg Schreib und Druckpapier usw.), sowie die Erfindung und rasche Ausbreitung des Sulfit-Zellstoffes verhinderten nicht nur den befürchteten Nieder gang, sondern bewirkten einen ungeahnten Aufschwung der deutschen Papier-Industrie. Geschützt durch die erhöhten Papierzölle gegen die vorher sehr empfindliche Konkurrenz des Auslandes, namentlich Oesterreichs in feinem Papieren und Belgiens in billigem Sorten, im Besitze eines vorzüglichen Rohstoffs — des Sulfit-Zellstoffs — für mittelfeine und — in Verbindung mit Holzschliff — für ordinäre Schreib- und Druck papiere, entwickelte sich die deutsche Papierfabrikation im Vertrauen auf die Stabilität dieser günstigen Verhältnisse in ganz rapider Weise. Während im Jahre 1879 die Zahl der Papiermaschinen in Deutsch land 697 und die Jahresproduktion 6 Millionen Centner betrug, arbeiten heute 975 Papiermaschinen, darunter viele Schnellläufer mit grosser Leistung, deren Jahresproduktion etwa 9 600 000 Centner (von 50 kg) betragen mag. Natürlich war der Absatz dieser grossen Produktion im Inlande nicht möglich, wir waren auf den Export angewiesen, und dieser hat sich denn auch — besonders in ordinär Zeitungsdruck — zu einer sehr bedeutenden Höhe, von 326/10 Millionen Mark im Jahre 1880 auf 55 Millionen Mark im letzten Jahre, emporgeschwungen. Alle Papierfabriken florirten, an Absatz fehlte es nicht, Zellstoff und Holzschliff war in jeder Menge zu haben, die Vergrösserung der Produktion war leicht ausführ bar, man brauchte nur neue Papiermaschinen aufzustellen, viel Trieb- und Arbeitskraft war nicht erforderlich zur Herstellung dieser Surrogat papiere (Papiere aus Zellstoff und Holzschliff), so steigerte sich denn die Produktion immer mehr und mehr. Dies ging solange gut, wie der Export florirte. Allmälig entwickelte sich aber in Schweden-Norwegen und Finnland eine gefährliche Kon kurrenz. Begünstigt durch grosse Wasserkräfte, billige Wasserfrachten und Arbeitslöhne, sowie durch billiges Holz, welches dort kaum die Hälfte, vielleicht nur ein Drittel soviel wie in Deutschland kostet, ent standen dort zunächst viele grosse Holzschleifereien, welche dann nach und nach, als der Absatz des Holzstoffs infolge eigener Ueberproduktion schwieriger wurde, sich in Papierfabriken verwandelten. Auch Zellstoff fabriken entstanden dort in grosser Zahl und wurden ebenfalls bald in Papierfabriken erweitert. Diese nordischen — besonders skandinavischen — Papierfabriken haben Deutschland schon seit einigen Jahren grosse Konkurrenz auf dem Weltmärkte bereitet, sie haben einen grossen Theil unseres Exports durch billigere Preise an sich gerissen und drohen dies immer mehr zu thun. England und seine Kolonieen, Spanien und andere Länder be ziehen einen grossen Theil ihrer Zeitungsdruck- und Packpapiere aus Schweden-Norwegen. Selbst im Inlande machen uns die nordischen Fabriken Konkurrenz, indem sie seit Herabsetzung unserer Papierzölle durch die neuen Handelsverträge namentlich viel Braunholz- und Pack papier, aus Zellstoff bestehend, nach Deutschland liefern. Dazu kommt, dass infolge verschiedener Ursachen der Export überhaupt darnieder liegt, dass auch im Inlande, weil fast alle Geschäfte schlecht gehen, weniger Papier verbraucht wird, usw. usw., kurz, die Papierfabrikation ist in eine sehr bedenkliche Phase der Ueberproduktion eingetreten; die Fabriken können nicht allein, sondern sie müssen, um ihre Leute zu beschäftigen und um ihre Unkosten zu decken, mehr produziren als der Markt gegenwärtig aufzunehmen vermag. Die Natur des Artikels gestattet indessen nicht grosse Vorräthe von fertigem Papier auf Lager zu halten, denn kein Papier wird durch Lagern besser, vielmehr vergilbt jedes Papier mehr oder weniger und wird dadurch entwerthet. Zudem sind nur wenige Schreibpapiersorten derart eingeführt, dass man sie aufs Lager hinlegen kann, die. grosse Masse der Druck- und sonstigen Papiere wird in so vielen verschiedenen Formaten und Gewichten verlangt, dass es nicht möglich ist, diese anders als auf Bestellung anzufertigen. Die Folge ist, dass die an Aufträgen Mangel leidenden Fabriken den Markt mit ihren Angeboten überschwemmen, und infolge dieses zu grossen und zu dringenden Angebots sind die Papierpreise im Inlande so tief gesunken, dass nur die bestsituirten Fabriken mühsam noch einigermaassen befriedigende Erträgnisse erzielen, viele nichts mehr verdienen oder gar zusetzen. Ziffermässige Belege hierfür beizubringen, ist allerdings schwierig, da nur die Aktiengesellschaften ihre Bilanzen veröffentlichen. Wenn es hiernach hauptsächlich die zu rasche und zu grosse Aus dehnung der inländischen Papierfabriken ist, welche den jetzigen bedenk lichen Zustand herbeigeführt hat, so mag zu ihrer Entschuldigung dienen, dass sie diese bedeutende Entwicklung der skandinavischen Konkurrenz kaum voraussehen konnte, und dass sie zu ihrer Ausdehnung einiger maassen durch den Glauben verleitet oder angeregt ist, die im Jahre 1879 erfolgte Erhöhung der Papierzölle werde eine dauernde sein. Die