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No. 54. PAPIER-ZEITUNG. 1077 Natron- und Sulfat-Zellstoff-Fabrikation. Die Cellulosefabrik G. Schultz & Cie. in Gernsbach (Baden) musste um Genehmigung zur Verwendung von schwefelsauerm Natron, d. i. Sulfat, an Stelle von Natron einkommen. Diese Verwendung wurde ihr gestattet, falls sie die ihr zur Bedingung gestellten Vorsichtsmaass- regeln sachgemäss zur Ausführung bringen würde. Der Murgthäler und Gernsbacher Bote vom 6. Juni veröffentlichte mit Bezug darauf nachstehendes Gutachten der Sachverständigen-Kommission, bestehend aus dem grossh. Fabrikinspektor, den beiden Beamten der grossh. chem.-techn. Prüfungs- und Versuchsanstalt, sowie dem von der Gemeinde beigezogenen Fabrikanten H. Hahn aus Obergruna. Gutachten. Karlsruhe, 8. Mai 1888. Auf Veranlassung Gr. Bezirksamts Rastatt haben die unterzeichneten Sachverständigen unterm 5. und 7. v. M. eine gemeinschaftliche Besich tigung und Prüfung der Einrichtungen der Cellulosefabrik von G. Schultz & Cie. in Gernsbach vorgenommen und sind heute zu einer Berathung zu sammengetreten, als deren Resultat das nachstehende gemeinschaftliche Gut achten vorgelegt wird. Die mit bezirksräthlichem Bescheid vom 6. Mai v. J. genehmigten und seit einiger Zeit in Betrieb befindlichen Neueinrichtungen wurden den in Ziffer I jenes Bescheids vorgeschriebenen Konzessionsbedingungen in allen wesentlichen Punkten entsprechend befunden. Kleine nachträglich genehmigte Abänderungen in den Dispositionen waren hierbei zu konstatiren, doch sind dieselben ohne jeden Einfluss auf den beabsichtigten Effekt der umgeänderten Fabrikanlage. Anderseits sind von der Fabrikleitung, aus eigener Initiative, mehrere Einrichtungen getroffen worden, welche über das durch amtliche Bedingungen vorgeschriebene Maass theilweise erheblich hinausgehen. Die Quellen der Belästigungen, welche Gegenstand der Beschwerden seitens der Einwohner der Stadt Gernsbach sind, waren bei wiederholten früheren Expertisen, so namentlich bei den Untersuchungen, welche dem gemeinschaftlichen Sachverständigengutachten vom 3. Mai v. J. zu Grunde lagen, einerseits in Dämpfen, welche bei dem Kochprozess aus der Ein wirkung der ätzenden Laugen auf das Holz und bei der Weiterbehandlung dieser Laugen sich entwickeln, gefunden worden, anderseits in den Gasen, welche bei dem Kalzinirprozess auftreten und durch den Fabrikschornstein ins Freie geführt wurden. Zur Beseitigung der übelriechenden Dämpfe ist nun durch die Neu anlage Einrichtung getroffen, dass der fertiggekochte Stoff (Cellulose) in geschlossenen Gefässen durch ein systematisches Aus wasch verfahren von der anhaftenden Kocherlauge befreit wird und geruchlos aus den Ausblase- cylindern austritt. Die während des Kochprozesses sich entwickelnden Ueberdruckdämpfe werden durch einen besondern Apparat grösstentheils kondensirt, die dabei abgeschiedenen Stinköle abgezogen, in abgeschlossenen Gefässen gesammelt und, gleichwie die hier nicht kondensirten Gase, in einer Feuerung ver brannt; das nöthig bleibende kondensirte Wasser wird hierauf nochmals ausgedämpft und nach nochmaliger Austreibung und Verbrennung der hierbei sich bildenden Dämpfe zum Ansetzen der kaustischen Laugen wieder verwendet. Die vom Stoff getrennten Ablaugen werden in geschlossenen Rohr systemen nach den Konzentrateuren und von da nach den Oefen geleitet, wo Kalzinirung und Wiedergewinnung der Soda unter Verbrennung der aus dem Holz aufgenommenen organischen Stoffe stattfindet. Die Ver brennungsprodukte werden durch den Fabrikschornstein abgeführt. Zur Beseitigung einer weiteren zur Zeit noch vorhandenen kleinen Geruchsquelle, welche sich beim Entweichen des in den Rezipienten ein geschlossenen Luftquantums bemerklich macht, ist aus eigener Veranlassung des Fabrikanten bereits Vorsorge getroffen worden, und auch dieser Uebel stand wird in einigen Tagen durch Ableitung der bezeichneten Luft in eine Feuerung zum Verschwinden gebracht werden. Infolge des vorstehend skizzirten Ganges der Fabrikation, wie er nach Fertigstellung der Neueinrichtungen zur Zeit in einer mit den Vor schriften der Konzessionsbedingungen vollkommen übereinstimmendenWeise geführt wird, haben sich, entsprechend den im obenerwähnten Sachver ständigengutachten vom 3. Mai v. J. ausgesprochenen Erwartungen, nach unsern Wahrnehmungen und Erhebungen thatsächlich die Hauptquellen der Belästigungen durch übelriechende Dämpfe aussergewöhnlich vermindert, und ein Erfolg muss auch von den Umwohnern der Fabrik konstatirt werden können. Gleichzeitig haben wir festgestellt, dass bei der geschilderten Art des Betriebs und bei Benützung der vorhandenen Einrichtungen eine Vermehrung der Produktion über die im Genehmigungsbescheid gestattete Grenze von 8 Kochungen pro Tag hinaus nicht möglich ist. Ein absolutes Verschwinden jeglichen Geruchs aus der Umgebung der Fabrik sowohl, als auch in den Fabrikräumen und dem Fabrikgebiet selbst kann der Natur der Sache nach nicht erwartet werden. Ein jedes Gewerbe und eine jede Fabrikation ist mit einem ihr eigenthümlichen Geruch behaftet, welcher schon durch die verarbeiteten Materialien, durch kleine an und für sich kaum wahrnehmbare Undichtigkeiten und dergleichen bedingt wird. Der bei der Gernsbacher Fabrik sich noch zeitweise in der Umgebung bemerklich machende Geruch übt aber im jetzigen Stadium der Betriebs führung keine erheblichen Belästigungen mehr aus und kann noch weniger als gesundheitsschädlich betrachtet werden, da den Ausdünstungen der Fabrik die stinkenden Stoffe entzogen sind, welche die früheren Belästigungen verursachten. Was die auch noch in letzter Zeit hin und wieder aufgetretenen inten siveren Gerüche betrifft, über welche Klage geführt wurde, so halten wir dafür, dass dieselben mit der Neuheit der Anlage und der Schwierigkeit Zusammenhängen, mit den neuen Apparaten gleich von vornherein in ganz tadelloser und vollständig normaler Weise zu arbeiten. Diese Vorkommnisse dürften daher auf entstandene Undichtigkeiten der Apparate und Rohr leitungen zurückzuführen, sein und thatsächlich haben auch, durch das Heraustreiben der Dichtungen aus den Flanschen Verschlüssen während des Betriebs, Ausströmungen von Dämpfen ins Freie stattgefunden, wodurch die früheren Belästigungen vorübergehend wieder eintreten mussten. Bei der grossen Anzahl von Apparaten, Gefässen, Rohrverbindungen, Hähnen und Ventilen muss die Möglichkeit, dass ab und zu einmal eine Dichtung herausgetrieben und dadurch eine vorübergehende Geruchsbelästigung verursacht wird, als fortbestehend angesehen werden. Eine absolute Vermeidung solcher Störungen ist hier ebensowenig wie in den Betrieben anderer Industrieen zu erreichen; derartige Fälle werden sich aber bei eingearbeitetem und normalem Betrieb im Laufe der Zeit immer noch mehr vermindern, und der Fabrikant wird schon durch sein eigenes Interesse gezwungen sein, dafür Sorge zu tragen, dass Störungen nach dieser Richtung so selten als mög lich vorkommen. Hinsichtlich der Zerstörung der aus den Kalziniröfen ausströmenden Gase sind wir zu der Ueberzeugung gelangt, dass die nach Maassgabe. der Konzessionsbedingungen angebrachten Endfeuerungen, in welchen jene Gase vor ihrem Austreten durch den Fabrikschornstein verbrannt werden, ihrem Zweck in ausreichender Weise entsprechen, indem bei richtiger Be schickung und Regulirung dieser Rostfeuerungen der Hitzegrad und die zugeführte Luft zu einer totalen Verbrennung aller organischen Stoffe und damit zur Zerstörung der letzten Antheile von Riechstoffen vollständig genügt. Schon bei den Versuchen im Frühjahr vorigen Jahres hatte die Prüfung der Schornsteingase auf schwefelhaltige und riechende Stoffe ein negatives Resultat ergeben und auch in einer diesmal wieder, am 7. v. Mts. dem Schornstein entzogenen Gasprobe liess sich nicht der geringste üble Geruch wahrnehmen. Die Herstellung der in Ziffer I 10 des Bescheides vom 6. Mai v. J. vorgesehenen Regenerativfeuerung als Ersatz für die sich etwa als unge nügend erweisende Endfeuerung mit Rost erscheint hiernach als über flüssig. Selbstverständlich ist es der Natur der Sache nach nicht ausgeschlossen, dass bei unregelmässiger und fehlerhafter Bedienung der Endfeuerungen eine nur unvollständige Verbrennung stattfindet, und dann riechende Stoffe auch durch den Schornstein in die Umgebung getragen werden. Im Sinne des vorjährigen Sachverständigengutachtens sowie des Bescheides vom 6. Mai v. J. wird jedoch in dieser Richtung durch eine noch einige Zeit fortgesetzte Ueberwachung durch den Gr. Fabrikinspektor und die chemisch technische Prüfungs- und Versuchsanstalt Alles geschehen, um Unregelmässig keiten beim Funktioniren der Endfeuerung auszuschliessen. Was die Frage der Verwendung von Sulfat als Wiederersatz der bei der Fabrikation verloren gehenden Soda betrifft, so haben die seit Jahres frist durch die mitunterzeichnete Versuchsanstalt häufig vorgenommenen Kontrollprüfungen ergeben, dass sich der Gehalt an Schwefelnatrium immer innerhalb der in Ziffer I 11 des Bescheids vorgeschriebenen Grenzen hält. Aus den Analysen der Ofen- und Schornsteingase im vorigen Jahre, sowie der Prüfung der letzteren bei gestriger Expertise geht ferner hervor, dass die Sulfatverwendung in der vorgeschriebenen Beschränkung keinen Einfluss auf die Zusammensetzung der Schornsteingase ausübt. Schliesslich fügen wir noch an, dass die Fabrikleitung, äusser den ihr durch die Konzessionsbedingungen gemachten Auflagen, noch freiwillig und mit erheblichen Kosten einige Verbesserungen angebracht hat, welche auf eine Verminderung von noch vorhandener Geruehsbelästigung abzielen. Hierher gehört eine Kondensationseinrichtung mit Wassereinspritzung zur Abscheidung der bei der Entleerung der Kocher sich entwickelnden Dämpfe, ferner der Verschluss der Misch-Apparate mit eisernen Deckeln, verbunden mit Absaugung durch einen Ventilator und Kondensation der hier sich entwickelnden Dämpfe. Die Ausführung der, der Fabrik mit Bescheid vom 6. Mai v. J. ge machten Auflagen muss in allen Theilen als eine sorgfältige und solide be zeichnet werden; sie zeigt nach jeder Richtung hin das Bestreben, den Uebelständen nach Möglichkeit abzuhelfen. Nach dem Vorstehenden sind in der fraglichen Fabrik von G. Schultz & Cie. alle Vorrichtungen angebracht, welche die heutige Technik kennt, um die mit dieser Fabrikation verbundenen Belästigungen auf das geringste Maass zu reduziren. Wir sind deshalb nicht in der Lage, weitere Ver besserungen in Vorschlag bringen zu können und glauben, dass bei regel mässigem Betrieb und unter geeigneter Ueberwachung desselben im Laufe derZeit vielleicht noch eine weitere Besserung des jetzigen Zustandes sich von selbst einstellen wird. Karlsruhe, 8. Mai 1888. gez. G. Hahn. gez. Dr. Bunte. „ Woerishoffer. „ R. Haass. F. W. Keferstein, Sinsleben b. Ermsleben Cellulosepapier- und Strohpapierfabriken arbeitet rohe und gefärbte Cellulose-Pack- und Düten- Papiere 35522] satinirt und mit Hochglanz, alle Sorten Doppelpapiere 0. Zuckerpapiere gelbe, braune, grüne, rothe Strohpapiere.