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No. 67. PAPIER-ZEITUNG. 1345 Unerheblich ist die von der Beklagten in dieser Instanz aufgestellte Be hauptung, dass das von dem Kläger in seiner Fabrik angewendete Verfahren und die Einrichtung derselben unbrauchbar gewesen sei, und dass sie sich daher entschlossen habe, ihre Fabrik im wesentlichen nicht nach dem Muster jener Fabrik einzuricbten. Denn da die Beklagte nach Anlernung des Ver fahrens des Klägers und Mittheilung der Fabrikeinrichtungen und des Fabrik betriebs desselben nicht innerhalb der ihr in § 3 des Vertrags zur Prüfung der Brauchbarkeit seines Verfahrens ertheilten Frist die Anwendung desselben abgelehnt hat, vielmehr mit der Errichtung einer Cellulosefabrik nach den Rathschlägen des Klägers vorgegangen ist, muss angenommen werden, dass sie die bezüglichen Leistungen des Klägers gebilligt habe. Die Anwendung eines theilweise andern Verfahrens und theilweise anderer Einrichtungen, als derjenigen des Klägers, käme aber im Hinblick auf die Bestimmung des § 6 des Vertrags, dass die Beklagte das Verfahren des Klägers in keiner Weise ausserhalb des Vertrags verwerthen dürfe, nicht in Betracht. Ferner ist der Kläger seiner Verpflichtung aus § 2 des Vertrags, innerhalb des daselbst bezeichneten Bezirks an keine weitere Fabrik die Berechtigung seines Verfahrens zur Cellulosegewinnung zu überlassen und die Anlage weiterer Cellulosefabriken, als der bereits bestehenden, nicht zu genehmigen, nachgekommen. Wenn in dem Sperrbezirk der Beklagten seit der Vernichtung des Patents des Klägers weitere nach dem System des letztem arbeitende Fabriken ohne Zuthun, ja, wie vom Kläger behauptet wird, gegen dessen Widerspruch, angelegt worden sind, so kann dem Kläger hieraus nicht der Vorwurf der Vertragswidrigkeit gemacht werden, da nicht behauptet worden ist, dass dem Kläger ein gesetzliches Mittel, den Betrieb jener Fabriken zu untersagen, zu Gebot stehe. Insbesondere kann der Kläger nicht dafür verantwortlich gemacht werden, dass der Ingenieur Winter, welcher Bevollmächtigter des Klägers bei der Anlegung von Cellulose fabriken gewesen sei, die im Sperrbezirk der Beklagten gelegene Cellulosefabiik in Scheer angelegt habe, da die Beklagte nicht behauptet hat, dass Winter hierzu vom Kläger beauftragt worden sei, und da Beklagte auch nicht dargethan hat, dass den Kläger ein Verschulden in der Aufstellung und Beaufsichtigung jenes Bevollmächtigten treffe. Ohne Grund wird ferner dem Kläger eine Ver letzung seiner vertragsmässigen Verpflichtung zur Last gelegt, weil derselbe durch Veröffentlichung seines Verfahrens in dem in den Vereinigten Staaten von Nordamerika unter der No. 284 319 genommenen Patent dritte Personen in den Stand gesetzt habe, auch innerhalb des Sperrbezirks der Beklagten Fabriken, in welchen jenes Verfahren angewendet werde, zu errichten. Denn nach dem zitirten § 2 hat der Kläger keine Verbindlichkeit übernommen, sein Verfahren auch ausserhalb jenes Sperrbezirks geheim zu halten Endlich hat der Kläger sich auch erboten, seinen sonstigen vertragsmässigen Verpflichtungen, soweit dieselben fortlaufende sind, nachzukommen. Hat aber die Beklagte, wie sich aus Vorstehendem ergiebt, die vertrags mässigen Leistungen, soweit solche vom Kläger gemacht worden sind, angenommen, so kann sie die Aufhebung des Vertrags vom 28 März 1883, eben weil derselbe theilweise bereits erfüllt ist, nicht verlai gen. Ob die Beklagte hierzu dann befugt wäre, wenn sie den Werth jener Leistungen dem Kläger zurückerstatten würde, kann dahingestellt bleiben, weil von der Beklagten ein bezügliches Anerbieten nicht gemacht worden ist. Hiernach scheint es als unerheblich, ob die Beklagte den gedachten Vertrag nicht eingegangen haben wüide, wenn zur Zeit des Abschlusses desselben die nachmalige Vernichtung des Patents des Klägers in Aussicht zu nehmen gewesen wäre, oder ob das Fortbestehen dieses Patents die Voraussetzung für die Eingehung jenes Vertrags gebildet habe. 2. Dagegen lässt sich auch nicht annehmen, dass die infolge der Ver nichtung des Patents des Klägers eingetretene Unmöglichkeit eines Theils der Leistungen des Klägers keinen Einfluss auf den Betrag der Gegenleistung der Beklagten habe. Für die Erheblichkeit der Leistungen des Klägers, welche sich auf das vernichtete Patent desselben bezogen haben, sprechen nachstehende Erwägungen. Der Kläger hat selbst geltend gemacht, dass bei dem von ihm entdeckten Verfahren der sog. doppeltschwefligsaure Kalk als Lösungs- und Aufschluss mittel für die Holzfaser eine Hauptrolle spiele, und das unter Nr. 4179 Z. 1 patentirte Verfahren als seine Haupterfindung, welche von eminenter Ertrags fähigkeit sei, und als das Prinzip seines Verfahrens bezeichnet, zu dessen nutzbringender Verwerthung eine Reihe von Momenten und Apparaten von ihm ersonnen worden sei. Uebereinstimmend hiemit haben die in dieser Instanz vernommenen Sachverständigen erklärt, dass die den Gegenstand des Patents bildende Anwendung von sog. doppeltschwefligsaurem Kalk das Wesentliche, das Grundprinzip des Verfahrens sei, an welches sich die übrigen nicht patentirten Theile des Verfahrens, die Einrichtungen und der Betrieb, anschliessen So lange daher das Patent des Klägers bestand, konnte dieser in Deutschland jedem Unberechtigten die Anwendung eines Verfahrens, bei welchem der sog. doppeltschwefligsaure Kalk als Mittel zur Aufschliessung der Holzfaser ver wendet wurde, also die Herstellung der sog. Sulfitcellulose untersagen und demgemäss auch der Beklagten, gemäss § 2 des Vertrages, den versprochenen Patentschutz in dem Sperrbezirk gewähren. Dies hatte selbstverständlicher Weise zur Folge, dass auch die übrigen nicht patentirten Theile des Ver fahrens, die Einrichtungen und der Betrieb, welche nur unter dem Schutz des Fabrikgeheimnisses standen, selbst wenn letzteres an Dritte verratben worden wäre, von diesen nicht benützt werden konnten, weil sie überhaupt nur bei gleichzeitiger Anwendung obigen durch das Patent geschützten Grundprinzips für die Cellulosefabrikation von Werth waren. Es leuchtet daher ein, welche Bedeutung das Patent des Klägers für die Lizenznehmer desselben; und so auch für die Beklagte, gehabt hat. Mit dem Fallen des Patents ist das .erwähnte Grundprinzip gemeinfrei geworden, und es war nunmehr Jedermann in Deutsch land befugt, dasselbe bei der Fabrikation der Cellulose zur Anwendung zu bringen. Freilich konnte letzteres, wie auch die Sachverständigen angenommen haben, in nutzbringender Weise nur dann geschehen, wenn in ähnlicher Weise, wie solches der Kläger gethan hat, weitere Verfahrensbestandtheile, Einrichtungen, und ein besonderer Fabrikbetrieb ersonnen wurden. Allein hiezu war nun eben für die Techniker ein Anlass gegeben, nachdem die Anwendung des sog. doppelt schwefligsauren Kalks zur Herstellung der Cellulose allgemein gestattet war. Dieser Anlass wurde denn auch nach dem Gutachten der Sachverständigen von andern Technikern zur Erfindung von Methoden, welche mit der des Klägers Aehnlichkeit haben, unter Anwendung des dem letztem patentirt gewesenen Prinzips benützt, und es sind eine Reihe von Fabriken, welche das Verfahren des Klägers nachgeahmt haben, in Deutschland und so insbesondere auch im Sperrbezirk der Beklagten, in welchem die Sulfitcellulosefabriken in Baienfurth und Scheer errichtet wurden, entstanden. Die Gründung dieser Konkurrenz fabriken in dem Sperrbezirk der Beklagten, auf deren Verbietung die letztere beim Fortbestehen des Patents des Klägers gegen diesen ein vertragsmässiges Recht gehabt hätte, war nun aber geeignet, den Absatz der Fabrik der Be klagten und die von derselben zu erzielenden Verkaufspreise zu beeinträchtigen. Auch ist von den Sachverständigen bestätigt worden, dass schon durch die mit der Vernichtung des Patents eingetretene Furcht vor der Konkurrenz und noch mehr durch die Errichtung von Fabriken, welche das System des Klägers nachgeahmt haben, ein Sinken der Cellulosepreise verursacht worden sei. Diese Annahme der Sachverständigen wird nicht widerlegt, auch wenn die Behauptung des Klägers richtig sein sollte, dass sich die Produktion der nach dem System des Klägers arbeitenden Cellulosefabriken in den Jahren 1883—1885 in dem von ihm behaupteten Umfang vermehrt habe. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass sowohl diese vermehrte Produktion, als jene von den Sachverständigen angegebenen Umstände zu dem Sinken der Cellulosepreise beigetragen haben. Inwieweit aber das eine und das andere diese Wirkung gehabt habe, lässt sich der Natur der Sache nach, wie auch die Verhandlungen ergeben haben, nicht ermitteln. Eben darum kann auch obige Ansicht der Sachverständigen nicht deshalb als unrichtig bezeichnet werden, weil sie den Prozentsatz, bis zu welchem das Sinken der Preise auf die Vernichtung des Patents zurückzuführen sei, nicht anzugehen vermocht haben. Dem Ausgeführten zufolge kann den infolge der Vernichtung des Patents des Klägers unmöglich gewordenen Leistungen desselben im Verhältniss zu dessen übrigen Leistungen keine so untergeordnete Bedeutung beigelegt werden, dass der Wegfall der ersteren Leistungen keinen Einfluss auf den Betrag der Gegen leistung der Beklagten haben könnte. 3. Wenn daher der Kläger auch noch von dem Zeitpunkt der Vernichtung seines Patents an den vollen Betrag der in § 4 des Vertrags festgesetzten Ab gabe fordert, so steht diesem Verlangen die Einrede entgegen, dass derjenige Kontrahent, welcher von dem andern Kontrahenten die volle Gegenleistung be anspruche, ohne seinerseits vollständig erfüllen zu können, vertragswidrig handle. Hienach ist es Sache des Klägers, darzuthun, welcher Theil jener Abgabe auf die infolge der Vernichtung des Patents nicht weggefallenen Leistungen des Klägers zu berechnen sei, weil der Anspruch des letzern auf die Gegenleistung der Beklagten von der Erfüllung seiner vertragsmässigen Leistung abhängt. In dieser B<ziehung kommt in Betracht, dass die Wirkung der Leistungen des Klägers zur Zeit des Bestehens des Patents eine wesentlich andere gewesen ist, als nach der Vernichtung desselben. Während nämlich diese Leistungen, so lange das Patent in Kraft war, sich auf ein Verfahren, dessen Grundprinzip patentirt war, und dessen übrige Bestandtheile ebenso, wie die Einrichtungen und der Betrieb der Fabrik, durch die Verpflichtung zur Geheimhaltung ge schützt waren, bezogen, hat es sich nach der Vernichtung des Patents um ein Verfahren, bei welchem jenes Grundprinzip nunmehr gemeinfrei, und welches im übrigen in gleicher Weise, wie die Einrichtungen und der Betrieb, durch das Fabrikgeheimniss geschützt war, gehandelt. Ob nun der Erwerber bei der Verschiedenheit der Wirkungen eines theils patentirten, theils geheimgehaltenen, und eines theils gemeinfreien, theils geheimgehaltenen Verfahrens für das letztere überhaupt eine laufende Abgabe, und bejahenden Falls, welchen Bruchtheil der für das erstere Verfahren bedungenen Abgabe er für das letztere Verfahren bezahlt haben würde, entzieht sich der Kognition. Denn dass aus dem Ab schluss von Verträgen über die Ertheilung der Erlaubniss zur Benützung des Verfahrens des Klägers in Ländern, in welchen kein Patentschutz besteht, unter ähnlichen Bedingungen, wie solche in dem Vertrag vom 28. März 1883 festgesetzt worden sind, kein Schluss auf den vorliegenden Fall gezogen werden kann, ist bereits bemerkt worden. Es haben nun auch die Sachverständigen erklärt, dass sie jenen Bruchtheil nicht festzustellen vermögen, und beigefügt, dass der Kläger nach dem Fallen des Patents nür eine nach objektiver Schätzung zu ermittelnde Vergütung für ein nicht patentirtes Verfahren verlangen könne. Desgleichen ist von dem Kläger anerkannt worden, dass derartige Erfindungen, wie die in Rede stehende, keine alltäglichen Handelsartikel seien, sondern zu den grössten Seltenheiten gehören, daher ein eigentliches ,,sachverständiges“ Wissen in Bezug auf die Werthschätzung derselben ausgeschlossen sei, da es für die Erwerbung und Ausübung solchen Wissens" weder ein Fachstudium, noch einen Lebensberuf gebe. Die hienach sich ergebende Annahme, dass durch Sachverständige diejenige Quote der Abgabe des § 4 des Vertrags, welche auf die Leistungen des Klägers nach der Verrichtung des Patents ent falle, nicht ermittelt werden könne, findet ihre Bestätigung in den Erfahrungen des gewerblichen Lebens. Denn es lässt sich nicht beurtheilen, in welchem Umfang die Anwendung des Verfahrens des Klägers im Fall des Fortbestands des Patents bis zum Ablauf seiner in der Patentschrift bestimmten Dauer sich entwickelt hätte, und es kann daher auch der Einfluss, welchen die Vernichtung des Patents auf diese Entwicklung gehabt hat, nicht ziffermässig festgestellt werden. Es war somit dem Antrag des Klägers, weitere Sachverständige darüber zu vernehmen, ob nicht für die Leistungen des Klägers die vertragsmässige Abgabe, oder welcher Theil derselben, entrichtet worden wäre, wenn die Kon trahenten gewusst hätten, dass der Patentschutz in dem Sperrbezirk der Beklagten schon am 28. Oktober 1884 sein Ende erreiche, keine Folge zu geben, weil nach dem Ausgeführten angenommen werden muss, dass die Sachverständigen keine genügende Grundlage zur Beantwortung dieser Frage haben. Von einer An wendung des § 260 der C. P. O. könnte im vorliegenden Fall schon darum keine Rede sein, weil es sich hier nicht um die Feststellung des Betrags eines Schadens oder eines zu ersetzenden Interesses handelt. Dagegen ergiebt sich aus dem Vertrag vom 28. März 1883, welcher Ge-