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geworden sei; 2) um welchen Betrag demgemäss die vertragsmässige Ab gabe herabzumindern sei? Mit andern Worten: die Sachverständigen sollten ausrechnen, wie viel die sämmtlichen Leistungen des Klägers exklusive Patentschutz im Sperrbezirk vom 28. Oktober 1884 bis 4. Fe bruar 1890 werth seien, wenn sie vorher inklusive Patentschutz vom 28. Oktober 1884 bis 4. Februar 1890 die vertragsmässige Abgabe werth gewesen waren. Zu Sachverständigen wurden die Herren Professoren Dr. v. Marx in Stuttgart, Hofrath Engler in Karlsruhe und Papierfabrikant Dr. Müller in Mochenwangen ernannt, und diese Herren haben ein Gut achten abgegeben, dessen Ergebniss, soweit es für die Beurtheilung des Prozesses wesentlich ist, sich in folgende Sätze zusammenfassen lässt: Durch die infolge der Patentverniehtung eingetretene freie Konkurrenz sind die Cellulosepreise gefallen. Es lässt sich zwar nicht ermitteln, ob diese Preise nicht infolge anderer Faktoren der Preisbildung auch dann gefallen wären, wenn das Patent bestehen geblieben wäre, noch weniger lässt sich sagen, welcher Theil des Preisrückganges der Patentvernichtung zuzuschreiben ist — etwas hat die Patentverniehtung jedenfalls ausgemacht. Damit hat sich die Rentabilität, folglich der Werth der von Prof. M. seinen Kon trahenten gemachten Leistungen vermindert, und somit ist die erste der gestellten Fragen zu bejahen. Die zweite Frage erklärten die Sach verständigen nicht beantworten zu können, weil ihnen jede ziffermässige Grundlage dafür fehle. Die Gründe zum Urtheil des Oberlandesgerichts Stuttgart, soweit sie von allgemeinem Interesse sind, lauten folgendermaassen: I. Die Leistungen, zu welchen sich der Kläger in §§ 1 und 2 des Ver trags verpflichtet hat, beziehen sich auf das Verfahren des Klägers zur Bereitung von Cellulose, auf die Fabrikeinrichtungen und auf den Fabrikbetrieb bei demselben. Jenes Verfahren setzt sich aus einer Reihe einzelner Vorgänge zusammen, von welchen einer, bestehend in der Anwendung einer Lösung von sogenanntem doppelt schwefligsauerm Kalk zur Aufschliessung der Holzfaser, dem Kläger unter der No. 4179 im Deutschen Reich patentirt worden ist. Dass letzteres Patent den eben bezeichneten beschränkten Inhalt hat und sich nicht auf die übrigen Bestandtheile des Verfahrens des Klägers, auf die Fabrik einrichtungen und den Fabrikbetrieb bei demselben erstreckt, erhellt aus der Präzisirung des Patentanspruchs am Schluss der Patentschrift und aus dem Inhalt des Urtheils des Reichsgerichts vom 28. Oktober 1884 in dem Patent streit zwischen dem Kläger und dem Papierfabrikanten Behrendt, sowie auch aus dem Gutachten der in dieser Instanz vernommenen Sachverständigen, wo nach die den Gegenstand des Patents bildende Anwendung von sogenanntem doppeltschwefligsauerm Kalk das Grundprinzip des Verfahrens des Klägers bildet, und sich hieran die übrigen nicht patentirten Theile des Verfahrens, die Einrichtungen und der Betrieb, anreihen. Soweit nun die Leistungen des Klägers nach den erwähnten Vertrags bestimmungen das patentirte Verfahren desselben zum Gegenstand haben, stellen sie sich als Ausfluss eines Lizenzvertrags dar. Nach demselben hat der Kläger, unter Verzicht auf das ihm nach § 4 des Patentgesetzes zustehende Recht des Einspruchs, seiner Mitkontrahentin die Erlaubniss zur Benutzung der Erfindung des Verfahrens zur Bereitung von Cellulose mittels Anwendung obiger Lösung ertheilt und sich gleichzeitig verpflichtet, innerhalb des in § 2 des Vertrags bestimmten Bezirks anderen Fabriken, als den bereits bestehenden, die Ausübung des patentirten Verfahrens nicht zu gestatten und gegen die widerrechtliche Ausbeutung seiner Erfindung den Patentschutz zu gewähren. Die übrigen Leistungen des Klägers, welche sich auf die nicht patentirten Bestand theile des Verfahrens, die Fabrikeinrichtungen und den Fabrikbetrieb, beziehen, sind nun keine sog. natürlichen Bestandtheile jenes Lizenzvertrages, sondern im Verhältniss zu den aus letzterem sich ergebenden Verpflichtungen des Klägers als selbständige Leistungen anzusehen. Denn nach dem Lizenzvertrag hat der Lizenzgeber dem Lizenznehmer eben die Benutzung seiner Erfindung auf Grund der Patentschrift, in welcher die Erfindung nach § 20 des Patent gesetzes so genau zu beschreiben ist, dass deren Benutzung durch andere Sach verständige möglich ist, zu gestatten. Dagegen ist er auf Grund des Lizenz vertrages, wenn es sich um ein aus patentirten und nicht patentirten Bestand- theilen zusammengesetztes Verfahren handelt, nicht verpflichtet, dem Lizenz nehmer irgendwelche Mittheilungen bezüglich der letzteren Bestandtheile zu machen. Noch weniger ergiebt sich aus dem Lizenzvertrag die Verbindlichkeit des Lizenzgebers gegenüber dem Lizenznehmer zur Anlernung seines Gesammt- verfahrens, zur Bekanntmachung mit den Einzelheiten der Einrichtungen und des Betriebs einer Fabrik, zur technischen Unterstützung bei der Anlage einer Fabrik, zur Mittheilung aller später etwa herausgefundenen Vervollkommnungen und Verbesserungen seines Verfahrens und zur Uebernahme der Garantie für die Herstellung eines gewissen Produkts, welche sämmtliche Leistungen der Kläger in dem Vertrag vom 28. März 1883 seiner Mitkontrahentin versprochen hat. Hiernach bestehen die Leistungen des Klägers aus diesem Vertrag noch in einer Reihe weiterer ausserhalb der Patentlizenz gelegener Verpflichtungen. II. Was nun den Einfluss der Vernichtung des Patents des Klägers zunächst auf den als Lizenzvertrag anzusehenden Theil des Vertrages betrifft, so kommt in Betracht, dass das in gesetzmässiger Form ertheilte Patent die in § 4 des Patentgesetzes bestimmte Wirkung hat, so lange das Patent nicht für nichtig erklärt worden ist, und dass daher der Patentinhaber, welcher einen Lizenz vertrag abgeschlossen hat, so lange auch die auf Grund desselben versprochenen Vortheile gewähren, d. h. auf den ihm nach dem zitirten § zustehenden Ein spruch gegen die Benutzung der Erfindung durch den Lizenznehmer verzichten und den demselben versprochenen Patentschutz zu Theil werden lassen kann. Hiernach hat die Vernichtung des Patents des Klägers auf dessen Leistungen aus dem Lizenzvertrag bis zum Ausspruch dieser Vernichtung durch das reichs gerichtliche Urtheil vom 28. Oktober 1884 keinen Einfluss gehabt. Dagegen sind dem Kläger von der Erlassung des letztem Urtheils an jene Leistungen insofern unmöglich geworden, als das dem Kläger patentirte Verfahren zur Bereitung von Cellulose mittels Anwendung einer Lösung von sogenanntem doppeltschwefligsauerm Kalk gemeinfrei geworden ist, und daher der Verzicht des Klägers auf den Einspruch gegen die Benutzung dieses Verfahrens durch die Beklagte seine rechtliche Bedeutung verloren hat, und als ferner der Kläger nicht mehr in der Lage ist, der Beklagten innerhalb des ihr bewilligten Sperr bezirks Patentschutz gegen den unberechtigten Gebrauch jenes Verfahrens zu gewähren. Soweit der Lizenzvertrag die Benutzung des in dem Patentanspruch Z. 2 von No. 4179 bezeichneten Verfahrens für die Cellulosefabrikation zum Gegen stand hat, wird er durch das reichsgerichtliche Urtheil vom 28. Oktober 1884 nicht berührt. III. Die dem Ausgeführten zufolge nachträglich eingetretene theilweise Unmöglichkeit der Erfüllung des Lizenzvertrages begründet nun aber keine Verpflichtung des Klägers zur Leistung des Interesses. Von der Haftung wegen Entwerthung kann nämlich keine Rede sein, da eine solche nur Platz greift bei auf Entäusserung einer Sache abzielenden Verträgen, vermöge deren dem Erwerber ein Recht an der Sache, durch das er das Haben derselben erlangt, verschafft werden soll. Dies ist bei dem Lizenz vertrag nicht der Fall, durch welchen sich der Lizenzgeber dem oben Bemerkten zufolge nur zum Gestatten des Genusses und zu einem Thun verpflichtet. Es ist daher jener Vertrag analog nach den Grundsätzen über die Miethe zu beurtheilen, zufolge deren der Kontrahent, dessen Leistung nachträglich ohne sein Verschulden unmöglich geworden ist, nur den Anspruch auf die Gegen leistung verliert, dagegen dem andern Kontrahenten nicht für das Interesse haftet. Eine Verschuldung des Klägers an der durch die Vernichtung des Patents eingetretenen Unmöglichkeit der Leistung läge aber nur vor, wenn derselbe bei Eingehung des Lizenzvertrags gewusst hätte, dass seine patentirte Erfindung nicht neu im Sinn des § 2 des Patentgesetzes sei. Denn andernfalls ist es im Hinblick auf die Schwierigkeit der Beurtheilung der Frage, ob die patentirte Erfindung letztere Eigenschaft habe, und im Hinblick darauf, dass der Patent inhaber zu der Annahme berechtigt ist, es würde das aus Sachverständigen bestehende Patentamt, welches vor der Ertheilung des Patents auch die Neuheit der angemeldeten Erfindung zu prüfen und die Anmeldung derselben zum Zweck der Geltendmachung von Einwendungen auch gegen die Neuheit der Erfindung bekannt zu machen hat (Patentgesetz §§ 22—24), die Erfindung nicht patentirt haben, wenn es nicht von deren Neuheit überzeugt gewesen wäre, dem Kläger nicht zur Schuld zuzurechnen, dass er im Vertrauen auf das Zurechtbestehen des ihm formgiltig ertheilten Patents dasselbe zum Abschluss von Lizenz verträgen benutzt hat. Wenn nun auch der Kläger zur Zeit der Eingehung des Vertrags vom 28. März 1883 das Tilghman’sche Verfahren, mit welchem nach der reichs gerichtlichen Entscheidung vom 28. Oktober 1884 das dem Kläger patentirte Verfahren zur Bereitung von Cellulose im wesentlichen übereinstimmt, gekannt hat, so kann hieraus doch nicht mit Sicherheit darauf geschlossen werden, dass der Kläger das letztere Verfahren damals nicht für neu im Sinn des § 2 des Patentgesetzes gehalten habe. Denn einmal konnte er ja annehmen, dass das Patentamt bei der ihm obliegenden Prüfung der Neuheit der vom Kläger angemeldeten Erfindung auch das Tilghman’sche Verfahren berücksichtigt habe. Sodann aber kommt in Betracht, dass nach dem reichsgerichtlichen Urtheil vom 28. Oktober 1884 die damals von dem Kläger geltend gemachten wesent lichen Unterschiede zwischen seinem und dem Tilghman’schen Verfahren darum als nicht entscheidend angenommen worden sind, weil sie theils auf Momenten, welche nicht zu dem ersteren Verfahren gehören, theils auf unhaltbaren Hy pothesen beruhen, und dass durch jenes Urtheil festgestellt worden ist, dass der Kläger das Tilghman’sche Verfahren wesentlich verbessert habe, diese Ver besserungen zwar nachrichtlich in der Patentschrift erwähnt, aber nicht zum Gegenstand des Patentanspruchs gemacht worden seien. Es liegen daher ge nügende Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger zur Zeit des Abschlusses des Vertrages vom 28. März 1883 von der Neuheit seiner patentirten Erfindung überzeugt gewesen sein kann. Hiernach liegen keine genügenden Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass der Kläger die theilweise Unmöglichkeit der Erfüllung des Lizenzvertrags verschuldet habe, und es kann daher dahin gestellt bleiben, ob und welchen Schaden die Beklagte dadurch erlitten hat, dass jene Unmöglichkeit eingetreten ist. Da sodann insoweit, als letzteres der Fall ist, vom Kläger die Erfüllung des Lizenzvertrags nicht verlangt werden kann, erledigt sich auch die hierauf gestützte Einrede des nicht erfüllten Vertrags. IV. Was sodann den Einfluss des nachträglichen Eintritts der Unmöglichkeit eines Theils der vertragsmässigen Leistungen des Klägers auf die Gegenleistung der Beklagten betrifft, so könnte 1. die vollständige Befreiung der letztem von ihrer Gegenleistung nur dann in Frage kommen, wenn die Beklagte den Vertrag vom 28. März 1883 mit allen seinen Wirkungen rückgängig zu machen vermöchte. Dies ist nun aber nach dem Ergebniss der Verhandlungen nicht der Fall. Denn es ist der Kläger seinen Verpflichtungen aus dem Lizenzvertrag bis zum 28. Oktober 1884 nachgekommen, und er ist bereit, von letzterem Zeitpunkt an den durch die reichsgerichtliche Entscheidung von diesem Tage nicht be rührten Theil jenes Vertrags, welcher die Benutzung des Anspruchs Z. 2 des Patents Nr. 4179 und die in Beziehung hierauf nach § 2 obigen Vertrags übernommene Verbindlichkeit zum Gegenstand hat, zu erfüllen. Ferner hat der Kläger, wie in voriger Instanz festgestellt worden ist, seine Verpflichtung zur Anlernung seines Verfahrens und Mittheilung der Fabrik einrichtungen und des Fabrikbetriebs an die von der Beklagten abgeordnete Persönlichkeit, sowie zur Anleitung zur Errichtung der Fabrik in Unterkochen erfüllt. Auch ist weiter festgestellt worden, dass die Beklagte das Verfahren des Klägers als Grundlage ihrer Fabrikation benutzt, nämlich sog. doppelt schwefligsauren Kalk als Aufschlussmittel anwendet und denselben in dem vom Kläger angegebenen Absorptionsthurm herstellt, auch die Cellulose nach der klägerischen Methode wässert und trocknet. Die Anfechtung dieser Feststellungen in zweiter Instanz verdient keine Beachtung, weil die Beklagte nicht dargethan hat, dass ihr diesfallsiges Zugeständniss auf einem Irrthum beruhe.