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PAPIER-ZEITUNG. 1277 No. 64. Buchgewerbe. Druckindustrie, Buchbinderei, Buchhandel. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme, Mitarbeiter und Berichterstattererhalten angemessenes Honorar. Ein gesandte Werke finden Besprechung. Kunstgewerbe-Ausstellung in München. Eigener Bericht. (Schluss zu No. 62.) Die beiden grossen Buchdruckereien Kölns, J. P. Bachem und M. Dumont-Schauberg., welche vermöge annähernd gleicher Leistungsfähigkeit in eifrigem Wettbewerb mit einander stehen, sind mit ihren Arbeiten in gemeinsamem Rahmen vereinigt. Die hier gezeigten Drucksachen beider Druckereien für gewerblichen und privaten Bedarf stehen auf ziemlich gleicher Höhe. Tüchtige Kräfte für Satz und Druck wirken in beiden Anstalten, und wenn man kennzeichnende Unterschiede angeben will, so könnten dieselben nur in einer grösseren Unbefangenheit und Treffsicherheit der Bachem’schen Druckerei bei der Farbenwahl gefunden werden. Bachem ist jeden falls ein sehr bedeutender Farbendrucker, und seine Drucksachen sind stets von harmonischer, freundlicher Wirkung, ohne dass irgendwo etwas Gekünsteltes vortritt. Otto Elsner in. Berlin hat ebenfalls tüchtige Arbeiten in Farben-Buchdruck geliefert. Dieselben hängen aber etwas hoch und sind dadurch der Einzelbetrachtung entzogen. Der kunstgewerbliche Verlag von Ernst Wasmuth in Berlin ist durch sehr bedeutsame Werke vertreten. Auf einer grossen Tisch fläche liegen die bekannten und geschätzten Bücher dieses Verlags: Lessing, Bau-Ornamente; Gurlitt, Möbel deutscher Fürstensitze; Licht, Architektur Deutschlands, und viele andre. Der Säulenbau für die preussische Gruppe zeigt eine Wand verkleidung, die ihrer Eigenart wegen einige Worte verdient. Es sind sogenannte Gobelin-Stofl'tapeten, deren rohes, mit einfarbig-derbem, aber . schön gezeichnetem Muster bedrucktes Flachsgewebe auf den grossen Wandflächen sehr günstig wirkt. Der natürliche goldige Ton des Stofls tritt dabei in sehr angenehmen Gegensatz zu den dunklen indigofarbigen Ornamenten. Diese Stoff-Tapeten werden nach paten- tirtem Verfahren von der Firma Joseph Heimann in Berlin her gestellt und fanden für grössere Räume schon mehrfach passende Verwendung. . Das Wirthshaus zum Franziskaner in Berlin, unter den Stadtbahnbögen an der Friedrichstrasse, ist z. B. mit solchen Gobelin- Tapeten bekleidet. An buchbinderischen Erzeugnissen, feineren Leder- und Porte feuille-Arbeiten findet sich noch manches in der Ausstellung verstreut. Namentlich der beliebte Lederschnitt ist häufig zu sehen. Das allmälige Vorschreiten der in dieser Technik auszuführenden Ar beiten veranschaulicht H. Hirschwald in Berlin an einem hohen und schmalen Füllungs-Ornament. Unter den sonstigen Arbeiten dieser Firma fällt ein grosses Prunkschild mit heraldischem Greif durch gediegene Arbeit auf. Georg Hulbe in Hamburg und Berlin hat diesmal keine Buchdecken ausgestellt, sondern nur Stuhlbezüge und Wanddekorationen mit schön gezeichneten und trefflich herausgearbeiteten Reliefs. Unter den zahlreichen Taschenbüchern, Rahmen und Mappen von A. Stöckl in München finden sich Lederarbeiten in eigen artiger, nicht oft geübter Technik. Auf den Lederdecken der Bücher sind Ornamente und naturalistische Blüthenzweige mit Gold-Umrissen aufgedruckt. Die Flächen innerhalb dieser Umrisse sind mit bieg samen Deckfarben gefüllt, so dass vermöge der sichtbar bleibenden goldenen Linien der Eindruck von Emailmalerei erzeugt wird. Aug. Vollrath, Hofbuchbinder in Erlangen, zeigt einen gothischen Band alten Stils mit werthvollen Schliessen und Beschlägen, F. X. Vierheilig in Würzburg stellt hauptsächlich fein verzierte Schweinslederbände aus, J. G. Kugler in Nürnberg Prachtbände in Leder-Intarsia und Lederschnitt mit reichen Metallbeschlägen. Im Ausstellungsbereich der Reichslande Elsass und Lothringen findet sich in besonderm Zimmerchen eine viel bewunderte Zusammen stellung der besten und interessantesten Arbeiten von Gebr. Adt in Forbach. Was diese Firma in lackirten Oelpappwaaren herstellt, wurde erst in Nr. 11, Seite 203, geschildert, und da die Ausstellung ein ziemlich vollständiges Musterlager darstellt, kann auf den ge nannten Aufsatz verwiesen werden. In.der Kollektiv-Ausstellung der Nürnberger Gewerbetreibenden zeigt Karl Kempe, Nürnberg, ‘ausgewählte Stereotypie-Materialien und damit • hergestellte « Abgüsse, namentlich solche für Rotations stereotypie. Eine daneben gestellte ältere Gipsmatrize lässt den in der Papierstereotypie liegenden Vortheil noch deutlicher vortreten. Galvanische Niederschläge in verschiedenen Entwickelungsstufen zeigen den Gang bei Herstellung eines galvanischen Klischees. In dem selben Raum zeigt die Schriftgiesserei Ch. J. Zänker, »die . älteste Schriftgiesserei Deutschlands«, namentlich Erzeugnisse ihrer sehr leistungsfähigen galvanoplastischen Anstalt. Was die für die Ausstellung bestimmten Drucksachen anlangt, so ist über den Katalog leider dasselbe zu sagen, was auf Seite 1035 an dem der Brüsseler Ausstellung getadelt werden musste. Dem an sich schon dickleibigen Werk ist ein umfangreicher Anzeigentheil angehängt, so dass sich der Katalog zu der stets erwünschten Unter bringung in der Rocktasche nicht mehr eignet. Die beiden Plakate der Münchener Ausstellung dürften ziemlich bekannt sein. Es sind tüchtige Leistungen der Chromolithographie. Das von Rudolf Seitz entworfene Plakat der Kunstgewerbe - Aus stellung wirkt erfreulicher als die Vorankündigung der Kunstausstellung mit dem seitlich auf einer Schautafel hockenden verrenkten, lang beinigen Genius von Gysis. Beide Plakate sind bei Gebr. Obpacher in München gedruckt. Als kleines Meisterwerk typographischen Farbendrucks verdient die Speisekarte des Ausstellungs-Wirthshauses Erwähnung. Die selbe ist nach einem Entwurf von Prof. Seder in fünf Farben aus geführt. C. Consee in München besorgte die autotypische Aetzung, Dr. Huttler’s Druckerei den Druck. In einem Vorraum der Kunstgewerbe-Ausstellung findet eine eigenthümliche Verloosung statt, welche wegen ihrer Beziehungen zur Schreibwaaren-Industrie Erwähnung verdient. In einem Kästchen, dessen starke Bodenplatte zahlreiche Löcher aufweist, stecken in regelmässigen Abständen metallene Körper, die wie polirte Stahlstifte aussehen. Die dabeistehende junge Dame belehrt die Zuschauer, dass dies metallene Schraubstifte seien, von welchen einige im Innern Anweisungen auf einen Gewinn enthalten. Wer 50 Pfennig opfert, darf einen solchen Stift ziehen. Nachdem man eine Verschlussplombe entfernt und den Stift aufgeschraubt hat, findet man entweder eine Gewinnnummer und erhält einen kleinen kunstgewerblichen Gegenstand, oder man findet im Innern einen kurzen Stift. In letzterem Fall, der als Nietenziehung aufzufassen ist, hat man für seine 50 Pfennige immer noch einen sehr brauch baren Taschenbleistift. Die Bestandtheile dieses sogenannten »Glücks hafens« sind von der Firma Johann Faber in Nürnberg geliefert. In Nr. 60, Seite 1196, war gesagt, dass die Tapeten-Industrie nichts zur Ausstellung gesandt habe. Wie ein Schreiben der Firma Gebr. Scherers Papier- und Tapetenfabrik Scherer & Dierstein in Bammenthal, Baden, uns belehrt, ist dies insofern unrichtig, als diese Firma als einzige Vertreterin der Tapeten-Industrie eine Wandfläche mit Tapeten-Dekorationen ausgestellt hat, deren Entwürfe vom Professor Bär in Karlsruhe herrühren. Auch das Papier und die Druckwalzen zu den Tapeten sind eigenes Erzeugniss. Die Firma wurde zur Ausstellung ihrer Arbeiten vom Badischen Kunstgewerbeverein in Karlsruhe veranlasst. Gestrichenes Papier zum Illustrationsdruck. Bei Besprechung amerikanischer illustrirter Druckwerke nahmen wir mehrfach Veranlassung, auf das zu diesen Arbeiten oft verwendete, für Illustrationsdruck sehr geeignete dünn gestrichne Papier hinzu weisen. Zuletzt erwähnten wir dasselbe in No. 9, Seite 166, und sprachen dabei das Bedauern aus, dass solches Papier anscheinend in Deutschland nicht gefertigt und nicht angewendet werde. Vor einigen Tagen erhielten wir von der Firma. Melly, Lang & Co. in Lindenau-Leipzig aus deren eigner Anstalt Proben solcher Papiere in verschiedene Grösse und Beschaffenheit, matt und hochsatinirt. Dieselben zeigen ziemlich genau das Aussehen der amerikanischen Muster, und der überaus zarte und gleichmässige Baryt-Aufstrich lässt vermuthen, dass sie sich ebenso gut bedrucken lassen wie diese. Von dem unangenehm stumpfen Griff, welcher bei manchen Glacepapieren auffällt, ist bei den vorliegenden nichts zu bemerken. Sie erregen zwischen den Fingern angenehmes Gefühl und machen wegen des überaus dünnen Aufstrichs eher den Eindruck kräftig satinirtpr Kupferdruckpapiere. Da derartig gestrichene Papiere namentlich beim Druck von Autotypieen allen andern überlegen, sind, dürften wohl bald deutsche Verleger und Drucker von der hier gebotenen Bezugs-Gelegenheit Gebrauch machen. Von den ver schiedenen Sorten scheinen namentlich die matt satinirten Papiere für illustrirten Bücherdruck werthvoll zu sein. Sie zeigen nur mässigen Glanz, und es bedarf einer genaueren Untersuchung, um sie als »gestrichne« Papiere zu erkennen. Wir sind der festen Ueberzeugung, dass erst durch Anwendung solcher Papiere der' Autotypiedruck so zur Geltung kommen. wird, dass auch ein künstlerisch befriedigender Eindruck, der heut noch oft vermisst wird, entsteht.