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Buchgewerbe. Druckindustrie, Buchbinderei, Buchhandel. sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme, Mitarbeiter und Korrespondenten erhalten angemessenes Honorar. Eingesandte Werke finden Besprechung. Kunstgewerbe-Ausstellung in München Eigener Bericht. 1. Allgemeines. Seit Mai dieses Jahres ist in München äusser der Internationalen Kun st-Ausstellung die mehrfach erwähnte Deutsch-nationale Kunst gewerbe-Ausstellung eröffnet. Sie liegt am linken Isar-Ufer zwischen Zweibrückenstrasse und Mariannenplatz, gegenüber dem sanft an steigenden, vom Prachtbau des Maximilianeum überragten Gelände der Vorstadt Haidhausen. Die vorübergehend errichteten Gebäude sind in eigenthümlicher Barockarchitektur aus Holz aufgeführt, weiäs getüncht und mit seltsamen Kuppelbauten, Obelisken • und verschnörkelten Giebeln gekrönt. An einzelnen Stellen sind lebende Lorbeerbäume zur Kennzeichnung der Ecken in das architektonische Bild des Daches hin eingezogen, und dieser ungewöhnte Anblick verstärkt den befremdlichen Eindruck. Weiss ist der Anstrich der langgestreckten Gebäude, weisslich ist der Sand der engen Uferfläche, und weissgrün sind auch die kleinen Wellen der unheimlich rasch vorbeischiessenden Isar, so dass die überall vortretenden kalkig-hellen Farben im Verein mit einer gewissen glatten Künstlichkeit der Gartenanlagen zunächst erkältend wirken. Der erste Eindruck, welchen man von aussen empfängt, ist also kein besonders günstiger. Auch die dürftigen, in der wenig ansprechenden Farbe des Düsseldorfer Mostrich ausgeführten Ornamente der Vor hallen sind noch nicht geeignet, Stimmung zu erwecken. Desto vortheilhafter aber wirkt die Formen- und Farbenpracht im Innern, die angemessene Vertheilung und oft bis zu künstlerischer Leistung gesteigerte Ausgestaltung der einzelnen Gruppenanordnungen. Die Ausstellungsgegenstände sind nicht nach ihrer technischen Zusammengehörigkeit, sondern nach Ursprungsländern geordnet. Diese Maassregel, welche das Zurechtfinden und die fachtechnische Bericht erstattung erschwert, kann nur durch das Bestreben des Komitees erklärt werden, die Leistungen. der Münchener Kunstindustrie im Zusammenhang zu zeigen und ihre Ueberlegenheit auf einzelnen Gebieten recht anschaulich darzuthun. Infolge dieser Anordnung muss man sich die Erzeugnisse eines bestimmten Fachs aus allen Ecken zusammensuchen. Eine kleine Erleichterung ist nur mit Bezug auf Erzeugnisse der graphischen Industrie geschaffen worden, von welchen eine grössere Anzahl in besonderem Hallenraum, rechts vom Haupt-Eingang, unter gebracht wurde. Diese »Graphische Abtheilung«, in welcher Buch- und Steindruckereien, Graviranstalten, Schriftgiessereien, Reproduktions anstalten u. s. w. vertreten sind, umfasst aber noch keineswegs alles, was an graphischen Arbeiten vorhanden ist. In den Gruppen-Aus- stellungen einzelner Länder und Städte ist vielmehr noch manches verstreut, und namentlich die von der Direktion der Deutschen Reichs druckerei veranstaltete Gruppen-Ausstellung graphischer Anstalten Preussens bildet ein sehr beachtenswerthes Seitenstück zur eigentlichen »Graphischen Abtheilung«. Dass in letzterer nicht alle einschlägigen Arbeiten vereinigt wurden,, lässt sich nur durch den unzureichenden Raum in der graphischen Halle erklären. Von den übrigen in der Papier-Zeitung vertretenen Gewerben, deren Erzeugnisse in den Rahmen einer Kunstgewerbe-Ausstellung passen, hat die Tapeten-Industrie garnichts und die Buchbinderei fast nur Pracht- und Paradestücke geboten. Einige Tapetenmuster sind allerdings ausgestellt, aber nicht von Tapetenfabriken, sondern von kunstgewerblichen Musterzeichnern. 2. Buchgewerbe. Im graphischen Hallenbau und in den übrigen Theilen der Aus stellung ist das deutsche Buchgewerbe durch Leistungen ersten Ranges vertreten, ohne dass jedoch auch nur annähernd Vollständigkeit er reicht wäre. Viele grosse Anstalten, namentlich Norddeutschlands, haben sich fern gehalten, so dass der bedeutsame Antheil, welchen die graphischen Fächer an der Entwickelung des Kunstgewerbes nehmen, nicht klar genug zur Anschauung kommt. Vielleicht ist diese Zurückhaltung dadurch veranlasst, dass nach dem ursprünglichen Programm graphische Arbeiten nur insoweit zugelassen werden sollten, als sie kunstgewerbliche Gegenstände dar stellten. Wie ein Leipziger Fachmann dem Berichterstatter versicherte, hat es viel Mühe gekostet, beim Komitee mit der Auffassung durchzu dringen, dass die auf Grund künstlerischer Entwürfe mit Heranziehung aller modernen Hilfsmittel geschaffenen Buch- und Steindruckarbeiten als selbständige kunstgewerbliche Leistungen zu gelten hätten. Die infolge dieses Einspruchs veränderte Auffassung des Komitees ist leider nur wenigen Anstalten zu gut gekommen, und von den Firmen, welche z. B. in der Buchhändlerhaus-Ausstellung zu Leipzig vertreten waren, sind nur wenige zu finden. Im Hauptraum der graphischen Abtheilung sind Verlagsbuch handlungen, Buchdruckereien, Schriftgiessereien und chromographische Anstalten in bunter Mischung vereinigt Gleich bei der Thür zeigt Julius Klinkhardt in Leipzig in einem prächtigen Aufbau die zahlreichen Erzeugnisse der in seiner graphischen Anstalt vertretenen Geschäftszweige. Die Leistungen der Schriftgiesserei werden durch Stempel und Matrizen, sowie durch Guss proben verschiedener Neuheiten, insbesondere von Germania-Einfassung, Merkur-Kanzlei und verschiedenen andern Einfassungen, veranschau licht Unter den Arbeiten der Klinkhardt’schen Buchdruckerei verdienen besonders die trefflich ausgeführten Probenbücher und Probenblätter, sowie der erste Band des glänzend ausgestatteten Fachblatts »Graphische Künste« Erwähnung. Stereotypplatten für Mehrfarbendruck mit ausge stochenen und ausgefrästen Stellen veranschaulichen die Art, wie das von uns imjahrg. 1887, Seite 715, beschriebene Verfahren der Farben druck-Stereotypie in der Praxis angewendet wird, und gebogene, cylindrisch hintergossene galvanoplastische Abformungen zeigen, wie Galvanoplastik auch zum Rotationsdruck benutzt werden kann. Karl Stücker, Lithographische Anstalt in München, zeigt Plakate in Farbendruck, August Müller in St. Gallen die bisher erschienenen 4 Bände der von Rudolf Schneider begründeten, vom Aussteller geschickt weitergeführten Schweizer Graphischen Mittheilungen. A n t o n H a 1 a u s k a in FI a 11 e i n ist in der Buchdruckerwelt bekannt durch seine Selenotypdrucke, welche nach ähnlichem Verfahren wie die im Jahrgang 1884, No. 43, beschriebene Chaostypie hergestellt werden. Einzelne mit selenotypischen Streifen und Rändern versehene Druckarbeiten sind von glänzender Wirkung, und namentlich die metallschimmernden Drucke auf schwarzem und dunkelbraunem Karton sind von bestechender Pracht. Farbige Schmetterlinge und Pfauen federn, die von Earhardt in Columbus-Ohio schon vor Jahren mit Erfolg als Zierstücke verwendet wurden, sind auf mehreren Empfehlungs karten in frischen Farben gut ausgeführt. Die Firma scheint überhaupt mit Vorliebe den von Amerika gegebenen Anregungen zu folgen. T. A. Pecht, Lithogr. Anstalt in Constanz, bringt gute Ent würfe zur Anschauung, welche den Einfluss des grossen Gerlach’schen Werkes »Allegorieen und Embleme« erkennen lassen. Rümmler & Jonas in Dresden, die bekannte Lichtdruck firma, zeigt Lichtdrucke verschiedenster Art in hoher technischer Vollendung. Besonders bemerkenswerth sind auf den Darstellungen die klaren und weissen Lichter, deren Reinhaltung bei Lichtdruck bekanntlich nicht leicht ist. August Hochstätter, München, lieferte Entwürfe zu Hand drucktapeten nebst ausgeführten Mustern. Martin Rommel & Co., Lichtdruckanstalt in Stuttgart, zeigen prächtige Arbeiten, auch in Farbenlichtdruck. Die Ausstellung der Lithographischen Anstalt von Max Seeger, Stuttgart, ist mit grossem Geschmack angeordnet In einem riesigen vergoldeten Rokoko-Rahmen sind verschiedene gut ausgeführte Farben drucke so zusammengestellt, dass sie durch entsprechende, mit schrägem Facetten-Goldschnitt versehene Oeffnungen eines grossen schwarzen Kartonbogens sichtbar werden. Trotz der Verschiedenheit der Formate und der bei der Druckausführung angewendeten Mittel wirkt diese Zusammenstellung fein und harmonisch. Das Geheimniss dieser Wirkung liegt darin, dass man es vermied, weisse Ränder zu zeigen. Der deckende schwarze Karton, dessen Ausschnitte nur die eigentlichen Bilder, aber nicht die Papierränder vortreten lassen, mildert in freund lichster Weise die sonst vielleicht grelle Farben Wirkung. Nach ganz ähnlichen Grundsätzen sind die Farbendrucke von A. Gatternicht in Stuttgart angeordnet, und aus diesem Grunde erzielen sie auch ähnlich günstige Wirkung. Julius Hoffmann in Stuttgart bringt Tafeln aus seinen be kannten Verlagswerken: Ornamentschatz, Japanische Vorbilder und Schriften-Atlas zur Anschauung. W. Spemann-Stuttgart zeigt verschiedene Verlagswerke, darunter »Vom Fels zum Meer« und »Deutsches Maler-Journal«, und die Deutsche Verlagsanstalt in Stuttgart beweist durch gelungene Farbendrucke von Zinkätzungen, wie Tüchtiges in dieser Technik schon geleistet werden kann. Illustrirte Prachtwerke veranschaulichen den Eifer und die Leistungsfähigkeit der Firma in Veranstaltung künstlerischer Buchausgaben. Eine der reizvollsten und interessantesten Gruppen-Ausstellungen der Graphischen Abtheilung hat die Verlagsbuchhandlung Gerlach & Schenk in Wien in eigner Koje veranstaltet. Hier sind die bekannten grossartigen Verlagswerke der Firma ausgelegt, vor allem »Allegorieen und Embleme« und das womöglich noch bedeutendere, im Erscheinen begriffene Werk des Prof. Seder: »Die Pflanze«. Welch grosse Sorgfalt