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1156 PAPIER-ZEITUNG. No. 58. und ernten hoffentlich auch die dankbare Anerkennung ihrer vier tausendköpfigen Familie. Der Rundgang durch die Fabriken nebst Zubehör hatte ohne Unterbrechung von 2—61/4 Uhr gedauert, Herr De Naeyer hatte unermüdlich erklärt und alle Fragen beantwortet, bis auch seine kräftige Natur versagte, und er schliesslich Herm Ober-Ingenieur Stein den Vortrag überlassen musste. Auch die Besucher fühlten sich geistig abgespannt und folgten gern der Einladung zur Tafel, die auf 61/, Uhr angesetzt war. Das herrschaftliche Wohnhaus hält die Mitte zwischen einem Schloss und einer Villa, ist an vier Ecken mit spitzen Thürmchen geziert und hat einen prächtigen, in den Garten vorspringenden Altan. Der das Flaus umgebende Garten erstreckt sich bis an die Fabrik und findet seinen Abschluss in mit Dampf geheizten Treibhäusern, die das ganze Jahr hindurch grossbeerige Weintrauben für Herrn De Naeyers Tafel liefern, die auch wir zu kosten Gelegenheit hatten. Gegenüber dem Wohnhaus, am andern Ende des Gartens, befindet sich ein etwa 25 m hoher Berg, der aus den Kalkrückständen der Fabrik entstanden ist. Er wurde entsprechend hergerichtet, mit Erde bedeckt, bepflanzt und sein Gipfel mit einem Thurm gekrönt, der eine Rundsicht über das ganze Anwesen bietet. Von diesem Thurm aus strömt, von einer Pumpe gefördert, ein Bächlein in Windungen und Wasserfällen in den Garten. Thurm, Wasserfälle, Garten und Haus sind elektrisch beleuchtet. Aus den ferneren Abfällen wird an anderer Stelle ein zweiter Berg geschaffen. In den Wohnräumen wurden die Gäste von Frau De Naeyer, deren Schwester und Schwager, Herrn und Frau Irasusta, in liebens würdiger Weise empfangen, und machten daselbst auch die Bekannt schaft des schon längere Zeit zum Besuch anwesenden Herrn Lloyd aus London nebst Familie. Das gedruckte »Menu«, welches bei jedem Gedeck lag, wird von den meisten Anwesenden mitgenommen worden sein zur Erinnerung an den Tag und die Genüsse, welche Küche und Keller boten. Wir haben selten ein so künstlerisch vorzügliches und von so edlen Weinen begleitetes Mahl genossen. Die Tafel war von etwa 30 Personen besetzt, und Herr De Naeyer bewillkommnete dieselben in französischer Sprache, indem er sie bat auf das Gedeihen der Papier-Industrie zu trinken. Herr Philipp Dessauer dankte, ebenfalls in französischer Sprache, im Namen der Gäste und feierte die gastfreundlichen Wirthe, Herrn und Frau De Naeyer. Herr Melchers brachte in vlämischer Sprache ein Hoch auf Belgien. Herr Direktor Sembritzki erinnerte in deutscher Sprache an die Verwandtschaft der österreichischen und belgischen Herrscher häuser und endete in Anknüpfung daran, dass die österreichische Kronprinzessin, eine Belgierin, sich im Sturm die Herzen aller seiner Landsleute erobert habe, mit einem Hoch auf die Damen. Herr Carl Hofmann erzählte in französischer Sprache, dass er in den vielen von ihm besuchten Ländern und Fabriken manche grossartige Gast freundschaft genossen, aber nirgends so freimüthige Aufnahme aller Fachgenossen und solche offene Mittheilung aller gemachten Er fahrungen wie hier getroffen habe. Mehr als dies sei es jedoch an zuerkennen, dass Herr De Naeyer neben seiner umfangreichen Thätig- keit noch Zeit finde, sich das Wohl der Arbeiter derart angelegen sein zu lassen, wie die Gäste es soeben gesehen haben. Er brachte deshalb sein Hoch dem praktischen Sozialisten, Herrn De Naeyer. Dieser erhob sich sofort tief ergriffen und antwortete mit einem Hoch auf Herrn Hofmann, der für die Papier-Industrie so sehr viel mehr ge leistet habe. Herr Pagenstecher, New York, feierte in englischer Sprache die Genossin und tüchtige Mitarbeiterin Frau De Naeyer. Bei jedem Gedeck lag äusser der Speisenfolge ein Programm der »Societe d’Harmonie. Les Jeunes Ouvriers de la Papeterie Willebroeck« für das nach dem Essen im Garten stattfindende Konzert. Dasselbe zeigte, dass wahrhaft künstlerische Leistungen bei gutem Willen von gewöhnlichen Arbeitern erzielt werden können. Wie immer, so war auch an diesem Abend der Garten für alle Arbeiter und deren Familien geöffnet, und es war ein Vergnügen zu sehen, wie gesittet sich die grosse Menge aufs einfachste gekleideter Männer, Frauen und Kinder verhielt, und wie sie gleich den Gästen auf- und abspazierend der Musik zuhörten. Herr De Naeyer ver sicherte auch, dass am Tage nach den Konzerten keinerlei Be schädigung, keine gebrochene Blume, kein abgerissener Strauch im Garten zu finden sei. Nach 10 Uhr verkündete Herr De Naeyer, dass ein Extrazug bereit stehe, um die Gäste nach Mecheln zu führen, von wo sie theils nach Brüssel, theils direkt über Maastricht nach Köln weiter fuhren. Alle wurden aufs freundlichste zum Wiederkommen eingeladen und schieden mit dem Gefühl, einen der schönsten und interessantesten Tage verlebt zu haben. Jeder, der die De Naeyer’schen Werke und Anlagen mit offenem Sinn betrachtet, wird die Empfindung mitnehmen, dass hier durch Alles ein grossartiger, jedes kleinliche Bedenken überwindender Zug geht. In der Fabrik ist möglichste Einfachheit der Verfahren und Erzeugung aus den Grundstoffen durchgeführt, aus der Fürsorge für die Arbeiter leuchtet das Bestreben, deren Loos über das gewöhnliche Maass hinaus so weit als irgend thunlich zu verbessern. Alles trägt überdies ein so eigenartiges Gepräge, steht so sehr im Einklang, dass man darin stets die gross angelegte Natur des Urhebers, Herrn De Naeyer, erkennt. Dass er keinerlei Wettbewerbung fürchtet, dass er die Fachgenossen willkommen heisst und ihnen nichts verbirgt, entspringt ebenso seinem innersten Wesen wie sein Versuch einer Lösung der sozialen Frage. Er erstrebt Freiheit auf allen Gebieten, in Handel und Gewerbe, wie in der Berechtigung des Lebensgenusses und schwärmt für diese Grundsätze mit der Bescheidenheit des gereiften Mannes und dem Feuer des Jünglings. Man mag daran zweifeln, ob sich seine Ideale verwirklichen lassen, wird aber doch die Hingebung und das Geschick bewundern, mit denen er sein Ziel vorerst bei der von ihm abhängenden etwa 4000 Seelen zählenden vlämischen Bevölkerung zu erreichen sucht und sein Verfahren in weitere Kreise verbreitet. Der Beifall der ganzen Menschheit ist ihm gewiss, und das Papierfach hat Grund, auf den Fachgenossen De Naeyer stolz zu sein. Rechenstab. Unter einem Rechenstab versteht man ein Hilfsmittel zur Ausführung der einfacheren Rechenoperationen, insbesondere der Multiplikation und Divisen, und zur Lösung einfacher Gleichungen. Der Rechenstab von Julius Post in Hamburg, dessen Anwendungs weise in der Beilage zur heutigen Nummer eingehend, aber leider nicht sehr verständlich, beschrieben ist, besteht aus einem 26 cm langen Lineal, dessen Oberseite mit eigenthümlicher Skalen-Eintheilung versehen ist. ■ Der mittlere Theil ist beweglich, und wenn man den sauber eingefügten Schieber seitlich verstellt, so lassen sich bestimmte Verhältnisse von Zahlen der oberen und unteren Reihe zu den Zahlen der mittleren Reihe feststellen. Der Grundgedanke des Rechenstabs lässt sich am besten folgender maassen erläutern. Man denke sich zwei in gleiche Theile getheilte Maassstäbe so, wie vorstehend angegeben, mit Zahlen versehen, welche nicht fortlaufen, sondern von welchen jede immer das Doppelte der vorhergehenden angiebt. Wenn man nun diese beiden Lineale gegen einander verschiebt, so dass andere Theilstriche als die ursprünglichen zusammenfallen, so ist das Ver- hältniss der oberen zur unteren Ziffer überall das gleiche, also z. B. = 2 zu 1: Die Zahlen sind um soviel mal grösser, als das untere Lineal gegen das obere verschoben worden ist. Es hat, mit andern Worten, eine Mul tiplikation sämmtlicher Zahlen um den Betrag der Längsverschiebung stattgefunden. Wollte man also, um nur Zahlen zu nehmen, welche in den Beispielen angegeben sind, die Multiplikation 4X8 ausführen, so würde man die eine Zahl auf dem oberen Maassstab, also z. B. die 4, über die 1 schieben, wie im letzten Beispiel, und könnte über der 8 des unteren Maassstabes das Ergebniss = 32 auf dem oberen Maassstab ablesen. Umgekehrt hätte mau bei der Division: 32/8, die 8 unter die 32 zu stellen und bei 1 das Ergebniss = 4 abzulesen. Denkt man sich nun auf den beiden Maassstäben auch die übrigen Zahlen aufgetragen und die Räume zwischen diesen Zahlen wieder durch Theilstriche eingetheilt, soweit deutliche Ablesung möglich bleibt, so hat man den Rechenstab oder Rechenschieber. Die Werthe auf demselben sind theils durch Ziffern, theils durch Theilstriche angegeben, und man muss sich daran gewöhnen, aus diesen graphischen Angaben Zahlen herauszulesen. Eine bestimmte Stelle des Maassstabs kann also z. B. 3,25, oder 32,5 oder 325 bedeuten, und es wird bei dem Benutzenden eine hinlängliche Vor stellungskraft mit Bezug auf Zahlengrössen vorausgesetzt, um Verwechse lungen zu vermeiden. Mit Bezug auf die einzelnen Anwendungsarten muss auf die Beilage verwiesen werden. Der Rechenstab ist sehr sauber in Mahagoniholz ausgeführt und mit Celluloidplatten belegt, in welche die Skalen-Eintheilung gravirt ist. Ein beweglicher metallener Zeiger dient zur Bezeichnung der maassgebenden Stellen. Die niedrigen Längsseiten tragen Celluloidmaassstäbe in cm und mm, und ein ebensolcher Maassstab ist unter dem Schieber angebracht. In der beigegebenen Anleitung ist die Umrechnung von Riesgewicht auf das Quadratmeter-Bogengewicht besonders berücksichtigt.