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1866 PAPIER-ZEITUNG. Ho. 65. Büchertisch. Kartuschen und Umrahmungen von Hugo Gerard Ströhl. Wien und Leipzig. Verlag von Jos. Heim. Dieses Werk ist ein Seiten stück zu der auf Seite 1661, Jahrgang 1886, von uns besprochenen, im gleichen Verlage erschienenen Vorlagensammlung: „Hundert Kartuschen von Ferd. Wüst.“ Die Kartusche ist eine Lieblingszierform des Renaissance- und Barockstils und wegen ihrer vielseitigen Anwendbarkeit ausserordentlich beliebt. Ueberall, wo ein Ruhepunkt geboten, zart wirken des Rankenornament durch kräftigere Form unterbrochen, oder Raum für eine Inschrift geschaffen werden soll, bietet sich die Kartusche als ge eignetste Verzierung dar. Bei ihrer Ausbildung ist grosse Mannigfaltigkeit möglich. Man kann sie hoch und querstehend entwerfen, einem Kreise, einer Ellipse u s. w. einfügen, man kann sie am Kopf, in der Ecke und als Sehlussstück anbringen; kurz es giebt fast keine Gelegenheit, bei welcher der dekorative Zeichner nicht mit Vortheil eine Kartusche an wenden könnte. Gute Vorlagen sind aus diesem Grunde sehr begehrt, und die Herausgabe neuer, hübsch gezeichneter Entwürfe kann bei Litho graphen, Musterzeichnern u. s. w. stets auf Beifall rechnen. Wenn man die beiden Kartuschensammlungen von Wüst und Ströhl nebeneinanderhält, so tritt sofort der kennzeichnende Unterschied in der Eigenart der beiden Meister zu Tage. Wüst’s Zeichnungen sind vorzugsweise flott, elegant und lejcht; Ornamente und Figuren von gleich vollendeter Grazie. Ströhls Entwürfe sind ebenfalls zierlich, aber doch markiger in der Ausführung, und vor allem ist es eine besondere Art der Akanthusbehandlung, an welcher man Ströhl sofort erkennt. Bei Wüst überwiegt das malerische Element, bei Ströhl das ornamentale. Auf den 24 Grossoktavblättern der neuen Sammlung ist eine erstaun liche Menge schöner und reicher Formen vereinigt, und bei allen zeigt sich Ströhl's vollendete Meisterschaft in Federtechnik und in geschickter Benutzung schwarzer, schraffirter, punktirter und geschrotener Hintergründe zur Erzielung farbenreicher Wirkung. Ströhl pflegt die strenge Dürersche Federtechnik. Seine Linien sind ziemlich kräftig, aber stets von wunder barer Reinheit und Klarheit, und in den Schatten sitzt Strich an Strich so klar und schön, wie ein Holzschneider es nur zu stechen vermöchte. Das vorstehend abgedruckte Beispiel lässt diese Vorzüge zur Genüge erkennen. Diese Zeichenmanier zu üben ist für junge Ornamentzeichner ausser ordentlich lehrreich, denn sie ist unentbehrlich für das Wiedergabemittel der Zukunft: die photochemische Uebertragung. Ströhl gehört zu den wenigen Zeichnern, welche die hierzu erforderliche strenge Technik be herrschen , und aus diesem Grunde ist das Studium der vorliegenden Sammlung allen Zeichnern für Vervielfältigungstechnik dringend zu empfehlen. Da sich fast alle Zeichnungen des Ströhl’schen Werks zur Verwendung in Buchdruck eignen, giebt die Verlagshandlung Klischees zum Preise von 15 Pfg. der Quadratcentimeter ab. Typographische Neuigkeiten der Schriftgiesserei Benjamin Krebs Nachf. in Frankfurt a. M. Von dieser mehrfach besprochenen Veröffentlichung ist das fünfte Heft erschienen. Es enthält Anwendungs proben der „Bismarck-Fraktur“, der markigen Antiquaschrift „Romana“ und einiger neuer Reihen-Einfassungen von gefälliger Zeichnung. Eine „Cursiv- Mediaeval" und die mit Lorbeerblättern durchflochtene Zierschrift „Laureata" bieten eigenartige Schriftformen wahrscheinlich amerikanischen Ursprungs. Ein vorausgeschickter Aufsatz behandelt „Die Töne in der Accidenz". Was der Verfasser, Herr R. Winkler, über Anwendung ge stumpfter Falben bei gi össeren Flächen sagt, ist verständig und zutreffend. Dagegen wird sich bei grösserer Praxis bald herausstellen, dass die von ihm mit Zähigkeit festgehaltene Theorie von der harmonischen Wirkung zusammengestellter Komplementärfarben unhaltbar ist. Dass man mit dieser Theorie nur auf Abwege geräth, weiss jeder erfahrene Farben- Ornamentiker, sei er Dekorationsmaler, Chromolithograph oder Farben drucker. Die Zusammenstellung von Komplementärfarben kann gelegentlich von guter Wirkung sein, wenn die Farben entweder nach orientalischer Art auf kleine von Gold, Weiss oder Schwarz begrenzte Flächen vertheilt sind, ferner, wenn eine von ihnen, oder auch beide zugleich stark getrübt und gebrochen wurden. Der erste Fall kommt im Buchdruck fast gar nicht vor, und die Nothwendigkeit der Abstumpfung bei grössern Flächen hat der Herr Verfasser richtig herausgefühlt. Dagegen scheint er sich noch gegen die Thatsache zu sträuben, dass oft ganz nahe aneinander liegende Farben von verschiedener Helligkeit und verschiedener Sättigung vortrefflich zusammen stimmen. Bei der ausserordentlichen Wandlungsfähigkeit der Farben, bei der Ab hängigkeit ihrer Wirkung von der Grösse der eingenommenen Fläche, von Schattirung, Helligkeit, Sättigung und Trübung lässt sich keine Zauber formel finden, um etwa auf Grund einer gegebenen Farbe die andern harmonirenden zu ermitteln. Den einzigen brauchbaren Maassstab bildet ein an guten Vorbildern geschultes Auge. Dass der gegenwärtige Stand der Farbenpbysiologie die Möglichkeit einer Aufstellung allgemein giltiger Regeln für Farbenharmonie als un wahrscheinlich erscheinen lässt, ist allerdings bedauerlich. Es ist aber immerhin schon eine Errungenschaft, wenn man eine bisher für richtig gehaltene Regel als falsch erkannt hat. Als gute Vorbilder für farbige Ornamentik der graphischen Gewerbe sind die Tafeln des „Maler-Journals“ besonders empfehlenswerth. Die Dekorationsmalerei blickt auf eine alte tüchtige Praxis und viel reichere Erfahrung zurück, als z. B. der Farbenbuchdruck. An ihren reifsten Werken, die theilweise in den Jahrgängen der genannten Zeitschrift nieder gelegt sind, kann daher der Farbendrucker viel lernen. Er wird dabei zu bessern Ergebnissen gelangen, als bei Benutzung der bestechenden, aber trügerischen Scheingesetze des Farbenkreises. Der Aufsatz „Farbiger Accidenzdruck“ auf Seite 1164 enthält Näheres über diesen Gegenstand. A. H. Buchgewerbe in Südamerika. Die neueren Erzeugnisse einzelner graphischer Anstalten in Südamerika stehen schon auf beachtenswerther Höhe. Der Einfluss des Deutschthums macht sich dabei in unverkennbarer Weise bemerkbar, denn die leistungsfähigsten Anstalten sind entweder in deutschen Händen oder arbeiten mit deutschen Angestellten und Werk zeugen. Ein erfreuliches Beispiel für die Fortschritte des amerikanischen Südens bot uns neuerdings ein illustrirter Kalender in spanischer Sprache, welchen unser Landsmann Herr Jakob oder Jacobo Peuser in Buenos- Ayres herausgiebt und uns zusandte. Dieser „Almanaque Peuser“ ist ein vornehm ausgestattetes Buch in Grossoktav, dessen biegsamer Kalikodeckel mit bogig gerundeten Ecken verständnissvolles Eingehen auf neueste, als zweckmässig anerkannte Einrichtungen von Gebrauchsbüchern bekundet Auf der Vorderdecke sind die Titelworte nebst dem Monogramm des Herausgebers in Blattgolddruck angebracht, dessen feiner Metallglanz sich sehr gut von dem dunkel olivenfarbigen Kalikostoff abhebt. Der Inhalt des 256 Seiten umfassenden Buchs bringt äusser dem Kalendarium zahl reiche Erzählungen, Gedichte, Anekdoten, Landschaftsschilderungen, und vor allem eine grosse Anzahl Abbildungen, die fast sämmtlich durch Phototypie hergestellt sind. Der Druck des Buches ist ganz vortrefflich, und in den verschiedenen Theilen desselben von gleicher Schwärze. Sein gutes Aussehen wird wesentlich unterstützt durch das prächtige, gut satinirte Papier, aus welchem alle „Schattirung“ durch sorgfältiges Pressen entfernt ist. Die Mehrzahl der Vorlagen zu den Abbildungen wurde ersichtlich durch geschickte Benutzung schraffirten und punktirten Schabepapiers hergestellt. Dasselbe ist seitens der Zeichner mit grosser technischer Sicherheit behandelt und hat namentlich den Landschafts bildern mehrfach zu überraschender Wirkung verhelfen, die durch ver- ständnissvolle Zurichtung kräftig unterstützt wird. In mehreren Fällen wurde das vorgedruekte Linienmuster diagonal benutzt und stark ver kleinert, so dass der Eindruck von Autotypie entstand, und ein geübtes Auge dazu gehört, um die wirkliche Herstellungsart zu erkennen. Der einzige Mangel, welcher dem Buch anhaftet, ist bei Anwendung der Initialen und bei setzerischer Aneinanderreihung von Ornamenten zu be merken-! Zu der Mediaevalschrift des Textes sind mehrfach gothische Ini tialen verwendet, und dem Setzer, der Kopfleisten und Initialumrahmungen aus Friebel’schen Verzierungen baute, sind die Regeln der Ornamentik noch nicht recht geläufig. Der Gesammteindruck des Buches ist nichts destoweniger vortrefflich, und wir verstehen es, wenn die Zeitschrift „ElDiario" über den hierin bekundeten Fortschritt der Druck-Industrie von Buenos-Ayres in Entzücken gerieth. Auch das deutsche Buchgewerbe kann mit Genugthuung auf diesen Fortschritt blicken, denn Papier, Farbe und ein grosser Theil der Schriften sind deutschen Ursprungs. Die Illu strationen wurden in Leipzig (von W. Aarland & Sohn) ausgeführt und, wie wir hören, von deutschen Druckern gedruckt. Briefsammler. 2 Mechaniks zu Biblorhaptes sowie Anfertigung von Massen-Artikeln in jedem Metall liefert die Mechanische Werkstatt von Klein & Vielitz seg smtss. 25.