Volltext Seite (XML)
No. 65. PAPIER-ZEITUNG. 1865 flachliegenden Rechtecks gelten. Diese Gesetze, welche besonders Gottfried Semper in seinem bedeutsamen Werk »Der Stil« mit be sonderer Rücksicht auf Teppich-Ornamentik aufstellte, oder richtiger: an den besten alten Kunstwerken aufdeckte, fordern für Rechteck- Anordnungen, in welchen eine bestimmte Richtung nicht betont wer den soll, die Gliederung in zwei Hauptbestandtheile: »Saum« oder Einfassung einerseits, und »Spiegel« oder Innenfläche anderseits. Die Kunst des Musterzeichners besteht nun besonders darin, diese bei den Theile mit einander nach räumlicher Ausdehnung der Gesammt- formen, nach Maassstab, Form und Färbung der darin verwendeten Ornamente in angenehme Wechselbeziehung zu bringen. Diese Auf gabe ist bei den vorliegenden Bänden in verschiedenartiger aber immer reizvoller Weise gelöst. Band 1 besteht eigentlich aus 3 ineinandergefügten und durch Bandwerk mit einander verknüpften Rahmen, welche mit prächtigem Arabesken-Ornament gefüllt sind. Das Mittelschild, welches nach altem Herkommen auf den meisten Buchdecken-Entwürfen ausgespart wird und zur Aufnahme des Titels dient, ist hier mit einer frei schwebenden Ornamentform gefüllt. Die Decke wurde nach einem alten Vorbild von dem Architekten Weidenbach in Leipzig ent worfen und ist für Golddruck bestimmt. Band 2 ist zunächst durch die kräftige äussere ringsumlaufende Borte bemerkenswerth. Ein schmales einfach verziertes Band folgt nach innen und umschliesst das reiche Bandgeschlinge, zwischen wel chem leichtes Rankenornament die Lücken fühlt. Die Decke ist für Golddruck bestimmt, müsste aber auch in farbiger Ausführung mit Gold vortrefflich wirken. Band 3 gehört zu den sogenannten »Phantasie-Bänden«, welche sich von strengen Regeln lossagen und von vielen Käufern wegen der flotten, leichten und stimmungsvollen Verzierung, wie man sie bei grösserer Bewegungsfreiheit erzielen kann, bevorzugt werden. Diese Ausstattungsart birgt aber die Gefahr der Ausartung ins Bizarre und Phantastische in sich, und auf dem Büchermarkt giebt es bereits ge nug Deckenbilder, welche nur durch recht auffallende und ungewöhn liche Anordnung zu wirken suchen. Besonders Amerika liefert darin kennzeichnende Beispiele. Einen Phantasieband wie den vorliegenden kann man sich da gegen noch recht gut gefallen lassen. Bei aller Freiheit herrscht Ordnung und weises Maasshalten, und hinter der scheinbaren Regel losigkeit ist doch Achtung vor dem Gesetz zu erkennen. Die An ordnung und Ausführung der einzelnen schmückenden Theile, sowie die treffliche Vertheilung der vornehmen Farben bekundet grosses Feingefühl. Es ist ganz erstaunlich, was hier aus den vier Farben: Schwarz, Gold, Roth und Grau gemacht wurde. Besonderer Beach tung werth ist die schön gezeichnete Schrift, die auf untergelegten : schildförmigen Goldverzierungen trefflich zur Geltung kommt. Dieser von L. Theyer und J. Schmid entworfene Band ist zweifellos der künstlerisch bedeutsamste der vorliegenden Sammlung. Figur 4 giebt die Deckenzeichnung eines reichen Bandes wieder, welcher als Festgabe der Stadt Dresden zur Silberhochzeit des Säch sischen Königspaares eine »Silber-Chronik« umschloss. Die Ausfüh rung dieses Bandes, welcher nur in einem Exemplar angefertigt wurde, geschah in Leder-Intarsia mit reicher Handvergoldung. 200 weitere Exemplare der Silber-Chronik, welche .an hohe Persönlichkeiten, Bibliotheken u. s. w. abgegeben wurden, erhielten einen andern Band, welcher auf ungefärbtem Kalblederpapier nachstehende Zeichnung in Blindpressung trug. Band 5 zeigt eine sehr reiche, mit Rankenornament durchfloch- tehe und von kräftigem Rahmen umgebene Bandverschlingung auf braunem Kaliko. Die abgeschlossenen Einzelfelder des Rahmens wurden sämmtlich mit Silber grundirt. Die Narben des Kaliko sind beim Einpressen des Silber-Vordruckes entfernt, so dass die später aufgedruckten glänzend schwarzen Verzierungen eine glatte Fläche fanden. Diejenigen Einzelfelder, welche gleich den Eckfiguren helle Zeichnung auf dunklem Grund zeigen, haben noch einen den Orna ment-Umrissen folgenden stahlblauen Aufdruck erhalten, wodurch an den betreffenden Stellen ein eigenartiger Metallschimmer erzeugt wurde. Auch das Mittelfeld ist mit Silber grundirt und in Schwarzdruck aus geführt, während die reizvollen Ranken-Omamente, welche in der Abbildung weiss auf schwarz erscheinen, sich im Urbild in der Kaliko-Grundfarbe von kräftig niedergepresstem Goldgrund abheben. Figur 6 zeigt einen vollständig in Handarbeit ausgeführten Band zu Victor v. Scheffel’s »Trompeter von Säkkingen«, Derselbe wurde auf Grund eines vom kunstgewerblichen Verein zu Frankfurt a. M. erlassenen Preisausschreibens angefertigt und mit dem ersten Preis aus gezeichnet. Die Ausführung erfolgte in dunkelblauem Leder mit mehrfarbiger Lederauflage und reicher Vergoldung. Ganz prächtig in Entwurf und Ausführung ist auch Band 7. Derselbe zeigt eine jener vortrefflichen Nachahmungen von Leder Intarsia durch Farbendruck, welche unser Mitarbeiter Gr. auf Seite 854 als willkommene und stilistisch berechtigte Neuerung bezeichnete. Auf rehbraunem Kaliko ist das zierlich verschlungene Hauptband in Silber ausgeführt, während die Blatt-Ornamente in Gemsfarbe mit leichter Schattirung in Lederbraun gehalten wurden. Alle Band- und Blatt formen sind mit kräftigen Goldlinien umsäumt, so dass das Muster in reizvoller, theils an echte Leder-Intarsia, theils an Emaille erinnern der Zeichnung vertritt. Die schräg schraffirten Stellen sind in blau grüner Farbe ausgeführt. Auch die Bände 2, 4, 6 und 7 sind von dem Zeichner der No. 1, Herrn Architekt Weidenbach in Leipzig, entworfen. Se 8, Die Anstalt von Hübel & Denck wurde im Jahre 1875 in kleinem Umfang begründet. Trotz mannigfacher Schwierigkeiten, welche sich dem Unternehmen im Anfang entgegenstellten, gelang es der entschiedenen und sachkundigen Leitung, das Geschäft zu der gegenwärtigen ansehnlichen Höhe zu bringen. Der gesunde Grund satz, eine bestimmte Höhe der Leistungen unter allen Umständen festzuhalten und den Verlockungen zur Anfertigung billiger Schleuder arbeit zu widerstehen, fand Anerkennung und führte unter anderm zu zahlreichen Verbindungen mit dem Auslande, selbst mit Amerika und Australien. Gegenwärtig ist die Anstalt eine der grössten und leistungsfähigsten Deutschlands. Die Zahl der in ihr beschäftigten Arbeiter beträgt durchschnittlich 150. Im abgelaufenen Jahre wurden denselben nach Angaben der Firma etwa 140 000 Mk. Arbeitslohn gezahlt. Die Zahl der im gleichen Zeitraum gebundenen Bücher betrug rund 530 000, die Zahl der für Buchhändler gefertigten Einbanddecken 450 000. Entsprechend sind die Ausgabeziffern für Sammet, Seide, Leinwand, Metall beschläge u. s. w. Als dankbare Sonderrichtung pflegt die Firma die Herstellung von Einbänden zu Preislisten, Katalogen und Musterbüchern, auf deren sorgfältige Ausstattung grössere Geschäfte jetzt mit Recht Werth legen. Anderseits liefert die Firma auch fast für alle illustrirten Zeitschriften Deutschlands künstlerisch schöne Einbanddecken. Ihrer trefflichen Ausführung wegen würden sich mehrere derselben zur Wiedergabe an dieser Stelle gut eignen, doch sahen wir davon ab, weil sie ziemlich allgemein bekannt und Jedermann leicht zugänglich sind. Wir erinnern nur unsere Leser, welche Einbanddecken zu Illustrirte Zeitung, Gartenlaube, Schorers Familienblatt und Haus freund besitzen, daran, dass diese trefflich ausgeführten Bände der Anstalt von Hübel & Denck ihre Entstehung verdanken. Durch solche und ähnliche Arbeiten hat sich die aufstrebende Firma in Verlegerkreisen Ansehen und Ruf verschafft und sich um die Verbreitung guten Geschmacks im deutschen Volk unbestrittenes Verdienst erworben.