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1744 PAPIER-ZEITUNG. No. 59. Buchgewerbe. Druckindustrie, Buchbinderei, Buchhandel. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme, Mitarbeiter und Korrespondenten erhalten angemessenes Honorar. Eingesandte Werke finden Besprechung. Alte Bucheinbände aus der kgl. öffentlichen Bibliothek in Dresden. Die interessantesten und werth vollsten Bucheinbände der Dresdener Bibliothek werden gegenwärtig im Verlage von E. Twietmeyer in Dresden vervielfältigt und veröffentlicht. Wir haben das von Karl Zimmermann, Expedienten der Dresdener Bibliothek, herausgegebene Sammelwerk auf Seite 1533 besprochen und auf dessen Bedeutung für kunstgewerbliche Sammlungen wie für künstlerische Buchbinde technik hingewiesen. Heut sind wir in der Lage, einen der schönsten Bände aus der ersten Lieferung in autotypischer Wiedergabe zu zeigen. Er umschliesst ein lateinisches Andachtsbuch: „Martinus Moller, Altera pars meditationum ex sanctis patribus“ und ist in dunkelm Kalbleder ausgeführt. Die reichen Verzierungen sind, wie jeder Fachmann auch an unsrer Aetzung noch erkennt, durch Handvergoldung aufgetragen; nicht in Goldpressung, wie der in technischer Hinsicht unzuverlässige Begleittext sagt. Der Band stammt, wie die Jahreszahl unterhalb des Medaillonbildes angiebt, aus dem Jahre 1592 und ist nach Ansicht des Herausgebers von einem kursächsischen Meister angefertigt worden. Die wirksame Anordnung der einfachen Rankenverzierungen, ihre Verbindung mit dem Mittelschild und die regelrechte, organische Anfügung der Blätter und Sprossen bekunden reifes Kunstverständniss, wie es im Ausgang des 16. Jahrhunderts auch in Deutschland noch häufig genug zu finden war, bis es im Anfang des 17. Jahrhunderts durch die Greuel des grossen Krieges vernichtet wurde. Vermöge seiner ruhigen und klaren Gliederung ist das Deckenmuster als Vor bild für moderne Einbände gut geeignet. Auch auf den übrigen Tafeln des jetzt bis zur 6. Lieferung vorgeschrittenen Sammelwerkes finden sich mehrere Muster, die zur Benutzung bei modernen Ent würfen brauchbar sind. Die Verlagshandlung hat diese Verwendung für die Praxis in dankenswerther Weise dadurch erleichtert, dass sie jede Tafel einzeln zum Preise, von 1 Mk. 50 Pf. abgiebt. Bei Benutzung dieser Einrichtung können auch kleinere Geschäfte sich die trefflichen Arbeiten alter Meister zu Nutze machen und ihre Sammlungen um geeignete Vorlageblätter bereichern. Abzieh-Vorrichtungen. Zum Abziehen einzelner Kolumnen und ganzer Satzformen werden an Stelle der Handpresse, welche in manchen Druckereien garnicht vorhanden, und oft im Augenblicke des Bedarfs nicht frei ist, verschiedene einfachere Vorrichtungen angewendet. Die be kanntesten davon sind die beiden Verlegenheitswerkzeuge des Buch druckers: Bürste und Klopfholz. Bürstenabzüge, deren Name vielen Nichtfachleuten geläufig, deren Herstellungsart aber nur Wenigen bekannt ist, werden auf folgende Weise erzeugt. Der geschlossene oder fest ausgebundene Satz wird mit einer Handwalze eingefärbt, und das einseitig gefeuchtete Papier mit der trockenen Seite aufgelegt. Es muss feucht sein, weil der schwache elastische Druck der Borsten sonst nicht hinreichen würde, um die Farbe abzunehmen. Nun drückt man mit der linken Hand das Papier an zwei Stellen fest an, so dass es sich nicht verschieben kann, und schlägt mit der Borstenseite der in der rechten Hand gehaltenen Bürste mässig kräftig auf alle Stellen der Papierfläche, welche vom Satz berührt werden. Die Schläge müssen möglichst senkrecht geführt werden, damit das Papier die Farbe gut abnimmt und nicht verschoben wird. Da hierbei das weiche Papier sich stark in die Vertiefungen einsetzt, so zeigen alle Bürstenabzüge sehr starkes Relief (»Schattirung«), Zum Abziehen luftiger Accidenzformen mit freistehenden Zeilen ist daher die Bürste fast garnicht geeignet, da solche Stellen das Papier zerreissen. Die grösseren, mit Stegen und dergleichen gefüllten Vertiefungen nehmen beim Einschwärzen leicht Farbe an und geben dieselbe beim Klopfen an das Papier ab. Zum Abziehen solcher Formen benutzt man daher in der Ver legenheit lieber das Klopfholz. Dies ist ein kleines dickes Brett, in Oktavformat, dessen niedrige Seitenflächen mit einer Rinne versehen sind, so dass man es gut ergreifen und halten kann. Das Klopfholz dient für gewöhnlich zum Niederdrücken hochstehender Buchstaben und wird mittels eines Hammers bearbeitet. Der Drucker weiss es mit einem gewissen Rythmus über die gelockerte Form zu führen, und wer sich einige Zeit im Buchdruck-Maschinensaal aufhält, lernt auch das bezeichnende taktmässige Rasseln des Klopfholzes kennen. Damit die Schrift nicht durch allzukräftige Schläge verletzt wird, legt man gewöhnlich einige Blatt Papier lose über die untere Fläche, überzieht dieselbe wohl auch ganz mit dichtem feingewebtem Stoff. Bei Benutzung des Klopfholzes zum Abziehen muss die Unter seite besonders weich gepolstert sein. Man legt daher mehrere Lagen weichen Papieres auf, dessen Enden von den Fingern der linken Hand festgehalten werden. Auch der gefeuchtete Abziehbogen kann mit einigen Schutzbogen bedeckt werden. Das Abziehen erfolgt durch kurze, rasch folgende und möglichst senkrecht geführte Hammer schläge unter fortgesetzter Weiterführung des Klopfholzes über alle Theile des Satzes. Diese Art des Abziehens erfordert noch mehr Geschick als das Abziehen mit Bürste, weil sich der gefeuchtete Bogen sehr leicht verschiebt, wenn er sich nicht gut anschmiegt und die Schläge nicht genau senkrecht fallen. In beiden Fällen kann man sich von dem Erfolg durch Aufheben einer Ecke überzeugen, die man wieder fallen lässt, wenn das Aussehen des Abzugs noch nicht befriedigte. In vergangenen Jahrhunderten wurde noch ein anderes sehr merkwürdiges Abziehmittel angewendet. Gleich den Weinbauern auf Madeira ersetzten unsere Urgrossväter den Druck der Presse durch das Gewicht ihres eigenen Körpers. Sie legten die geschlossene und eingeschwärzte Form auf den Fussboden, den Abziehbogen nebst einigen Schutzbogen darauf, dann zogen sie Schuhe und Strümpfe aus und trampelten eine Weile vergnügt auf der Form herum. Die Schwere des menschlichen Körpers sorgte für kräftiges An drücken des Bogens, und die fleischige Hülle der Fussohle ver hinderte eine Verletzung der Buchstaben. Das immerhin barbarische Verfahren nannte man »Abtreten« der Form. Die Einführung der elastischen Walze zum Einfärben und der unelastischen Walze, — des Cylinders — zur Druckausübung führte dazu, ähnliche Werkzeuge auch zum Abziehen zu verwenden. Das Abziehen mit Klopf holz und Bürste gleicht dem Tiegeldruck;—jetzt wurde auch der in mancher Beziehung vortheilhaftere Cylinderdruck für das Abziehen mit der Hand verwerthet. Eine alte Farbwalze, die ihre Zugkraft verloren hat, ist schon ein ganz brauchbarer Abziehapparat. Frische Massewalzen sind natürlich nicht geeignet, denn ihre zum Farbauftragen vortreffliche zähe und elastische Klebrigkeit, d. h. ihre »Zugkraft«, würde ver anlassen, dass das Papier an der Walze hängen bleibt. Um eine Massewalze zum Abziehen verwenden zu können, muss man sie daher ihrer Zugkraft berauben. Dies besorgt die Zeit ganz von selbst, und wenn man den Vorgang beschleunigen will, dürfte ein Alaunbad die erforderlichen Dienste thun. Eine solche Walze ist derb und fest, und nur in dem Maasse elastisch, um sichere Ein wirkung auf alle Bildflächen zu gewährleisten.