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No. 4. PAPIER-ZEITUNG. 61 Buchgewerbe. Druckindustrie, Buchbinderei, Buchhandel. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme, Mitarbeiter und Korrespondenten erhalten angemessenes Honorar. Eingesandte Werke finden Besprechung. Halbfranzbände. Der Halbfranzband zeichnet sich vor allen anderen Bucheinbänden durch grösste Haltbarkeit aus. Diese ist die Folge der ihm eigen- thümlichen Bindeweise, durch welche das Haupterforderniss eines guten Bandes: die innige Verbindung von Buch und Deckel, nach Möglichkeit erfüllt wird. Die einzelnen Bogen des gedruckten Buches werden bekanntlich auf Bindfaden geheftet, um welche der Heftzwirn, der die einzelnen Bogen festhält, geschlungen wird. So liegen in entsprechenden Entfernungen über jedem Buchrücken je nach der Grösse des Buches 3—4 Heftbindfaden, von denen jeder vom Heftfaden um schlungen und dadurch mit jedem einzelnen Bogen fest verbunden ist. Diese Bindfaden heissen die »Bünde« des Buches. Dieselben werden nach erfolgtem Heften nicht glatt am Buche weggeschnitten, sondern bleiben in 4—6 cm langen Enden je an der vorderen und hinteren Seite des Buches überstehen. Die überstehen den Enden werden »aufgeschabt«, d. h. der zusammengedrehte Bind faden wird in seine Einzeltheile aufgelöst, so dass er als fächer förmige, aus dünnen Hanffasern bestehende Fläche auf die Papp deckel geklebt werden kann. Durch das Befestigen dieser das ganze Buch zusammenhaltenden Faden an den Pappdeckeln wird die Verbindung zwischen innerem Buch und äusserer Decke hergestellt. Je inniger und fester diese ist, desto grössere Gewähr wird für die Haltbarkeit des Einbandes geboten. Das innere Buch stellt sich nach dem Heften, Beschneiden und Abpressen auf folgende Weise dar: a — a sind die vier über den Rücken laufenden Bindfaden, a,—a,1 die vier überstehenden und aufgeschabten j Enden. Diese liegen auf dem Vorsetzblatt und f werden beim Ansetzen der Pappdeckel mit diesen F*° auf verschiedene Weise verbunden. Beim Papp- L- a,, band, Kalikoband und der steifen Broschur werden “ sie an die innere Seite der Deckel zwischen diese und das Vorsetzpapier geklebt; beim Halbfranz- “N. band auf die Deckel, zwischen diese und den aM- Lederrücken. 4 Bei b b spreizt der Rücken nach den Aussen- * Seiten auseinander und bildet eine Verbreiterung, F: । welche an jeder Seite des Buches als scharfe Er ¬ höhung vorspringt. Diese Erhöhungen werden durch Abpressen erzeugt, indem sie der Arbeiter mittels des Hammers an das eingepresste Buch anklopft. Sie heissen die »Falze« und er heben sich so viel über die Fläche des Buches, als die Dicke der Pappe, welche als Deckel dient, beträgt. Beim fertigen Buche sitzen die Deckel in diesen Falzen und finden an ihnen einen Stützpunkt. Das Abpressen des Buches muss beim Halbfranzbande mit be sonderer Sorgfalt geschehen, damit die Falze kräftig und scharf vor springen und zur Fläche des Buches genau einen rechten Winkel bilden. Die Pappdeckel werden hier scharf an die Falze angeschoben und müssen von ihnen genau eingeschlossen werden. Fig. 3 zeigt einen angesetzten Halbfranzband vom Schnitt aus. Die Deckel schliessen bei demselben fest an die Falze an und füllen diese aus. Bei_Fig. 2, welche einen Pappband zeigt, ist das nicht der Fall. Hier liegt zwischen Rücken und Deckel noch ein freier Raum, der dem Durch messer der Deckelpappe entspricht. Dieser Raum ist zum glatten Auflegen des Buches erforderlich, da die Heft bünde bei Pappbänden im Innern der Deckel liegen und dieselben dadurch beim Aufschlagen in ihrem Durch messer nach aussen drängen. Hierin zeigt sich schon der äussere Unterschied zwischen einem auf tiefen Falz angesetzten Halbfranzband und einem gewöhnlich gearbeiteten Pappband. Der Hauptunterschied liegt aber in der verschiedenartigen Ver bindung der Bünde und der Deckel, oder in der Art des »Ansetzens«, wie der technische Ausdruck lautet. Dieses geschieht entweder nach deutscher, oder nach französischer Art. Letztere verdient den Vor zug, da die Bünde nicht nur auf die Deckel geklebt, sondern durch dieselben durchgezogen werden. Die Arbeitsweise nach deutscher Art ist folgende: Das Buch wird auf guten, haltbaren Hanf bindfaden geheftet, dessen Dickeje nach der Grösse des zu bindenden Buches gewählt wird. Die einzelnen Bogen sollen durchaus geheftet und das Vorsetz mit einem Kaliko- oder Lederfalz versehen sein, der je um den ersten und letzten Bogen herumgeheftet wird. Die Bünde werden in einer Länge von ungefähr 5 bis 6 cm abgeschnitten und gut aufgeschabt. Hier auf wird das Buch sorgfältig abgepresst, wobei man auf scharf vor tretende Falze, die der Pappstärke der Deckel entsprechen, sehen muss. Auf den Schmutzfalz des Vorsetzes wird vor dem Abpressen ein Streifen kräftiges Papier geklebt, welches den Zweck hat, zu festes Anschliessen der Deckel an das Buch zu hindern und den Raum zu schaffen, der infolge des Auftragens der verschiedenen Klebstoffe und des bunten Vorsetzpapieres erforderlich ist. Nach dem Abpressen werden die Pappdeckel entweder sofort in entsprechende Grösse geschnitten, oder auch mit etwas überstehen den Kanten, die späteres Formiren ermöglichen. Um den Deckeln gefälliges Aussehen zu sichern und das Werfen nach aussen zu ver hindern, klebt man auf die inneren Seiten derselben mit Kleister ein gleich grosses Stück dünnes Papier ein. Dadurch wölben sie sich leicht nach aussen. Hierauf zieht man die aufgeschabten Bünde hoch, giebt auf den Falz des Vorsetzes je oben und unten einen Tupf Kleister, legt den Deckel mit der gefütterten Seite auf das Buch und drückt ihn mit der hinteren Kante fest in den angepressten Rückenfalz des Buches. Nun streicht man die Oberfläche des Deckels vom Rücken aus etwa 7—8 cm breit mit Kleister an und klebt die vorher hochgezogenen Bünde fest auf den Deckel, indem man sie mit dem Falzbein dabei glatt auseinander streicht. Fig. 4 zeigt den Band in dieser Verfassung. A ist der Buch deckel, der fest in den Rückenfalz geschoben ist und von diesem umschlossen wird. Vom Rücken aus greifen die Bünde wie Scharniere auf den Deckel A über und sind auf diesem breit auseinander gestrichen. Ueber diese ausgestrichenen Bünde und den Deckel wird ein Papierstreifen gelegt, der die mit Kleister be strichene Fläche bedeckt, damit beim folgenden Einpressen die Deckel nicht an den Pressbrettern kleben bleiben. Sind auf diese Weise beide Deckel angesetzt, so wird das Buch zwischen zwei Bretter gelegt, die am Rücken genau mit den Pappdeckeln gleichstehen und den Rückenfalz frei lassen. Zwischen diesen Brettern wird das Buch in die 18- 4 Presse gesetzt, hierauf der Falz mit dem Hammer nochmals nach den Deckeln zu niedergezogen, dann das Kapital band befestigt und schliesslich der Rücken mit haltbarem Papier oder mit Shirting überklebt. Nach dem Trocknen werden die auf die Deckel als Schutz ge legten Papierstreifen an den Stellen abgerissen, an welchen sie nicht kleben. Infolge des Abreissens verlaufen die Papierstreifen allmälig nach dem Deckel zu und treten nicht, wie dies bei einem scharfen Schnitt der Fall wäre, als bemerkbarer Absatz auf. Nun ist das Buch bis zum Formiren und Ueberziehen fertig. Der Einlegerücken, d. i. der Papprücken, welcher zum besseren Halt in den Lederrücken eingelegt wird, wird aus haltbarer, dünner Pappe in genauer Breite des Buchrückens geschnitten, so dass er denselben von Falz zu Falz einschliesst. Um einen gefälligen Ueber- gang nach den Deckeln zu erzielen, schärft man ihn an den Seiten gewöhnlich leicht ab, ebenso die hohen Bünde, welche auf den Ein legerücken geklebt werden. Die scharfen Ecken der Deckelkanten, welche sich leicht durch den Lederrücken bohren könnten, werden ebenfalls etwas abgestumpft und nach dem Rücken zu schräg ge schnitten. Die sogenannten hohen Bünde, durch welche der Rücken des Halbfranzbandes in Felder getheilt wird, sind keine willkürlichen Verzierungstheile, sondern sie entsprangen der früheren Art des Buchbindens. In früherer Zeit wurden die Bücher am Rücken nicht mit Einsägelöchern versehen, in denen die Bünde versenkt liegen, sondern letztere, welche gewöhnlich aus ziemlich starkem Bindfaden bestanden, wurden hochliegend auf dem Rücken umstochen und bildeten Erhebungen. Beim Ueberziehen wurde das Leder um die Bindfaden herum eingerieben, und so bildeten sich die »hohen Bünde«. Jetzt, wo die Heftfaden im eingesägten Rücken versenkt liegen, ersetzt man die natürlichen Bünde durch künstliche, indem man zwischen Einlegerücken und Lederüberzug an den Stellen, wo die Heftbünde liegen sollten, schmale Pappstreifen klebt. Ihrer Bestim mung ‘gemäss sollten diese ungefähr die Breite des Bindfadens haben, um die Nachahmung natürlich zu gestalten. Der ursprüngliche Zweck ist aber theilweise in Vergessenheit gerathen und die hohen