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442 PAPIER-ZEITUNG.Wo. 22 Arbeiterheim. Als Zweig des Deutschen allgemeinen Hauptvereins gleichen Namens besteht in Bielefeld der Lokalverein „Arbeiterheim.“ Derselbe stellt sich die Aufgabe, am äussern Umfange der Stadt billige und gesunde Arbeiter wohnungen mit Gärten zu schaffen und hat bereits 27 Häuser an Hand werker und Arbeiter vergeben. Das Unternehmen, bei welchem irgendwelche geschäftliche Interessen völlig ausgeschlossen sind, verfolgt den Grundsatz, die Bewohner und späteren Eigenthümer zur Mitarbeit heranzuziehen. Wer ein Haus zu beziehen wünscht, hat 1/12 vom Werth des Gesammt- grundstücks anzuzahlen und eine Miethe zu entrichten, welche ausreichende Amortisation in sich schliesst. In 10 —12 Jahren wird der Betreffende dann Eigenthümer des Grundstücks. Auf drei verschiedenen Stellen im nächsten Umkreis der Stadt hat der Verein Grundstücke im Umfang von 5 Hektar erworben. Der Preis derselben schwankt zwischen 5500 und 7500 M. der Hektar. Die Grösse der einzelnen Gartengrundstücke, die jedem Hause zugetheilt sind, beträgt 8—18 Ar. Die Entfernung der Häuser von den gewerbtreibenden Stadt- theilen ist so, dass die Arbeiter 15—20 Minuten bis zur Werkstatt oder Fabrik zu gehen haben, also das Mittagmahl zu Hause einnehmen können. Die neugebauten Häuser selbst, welche bis auf eins nach den Wünschen der Miether und Erwerber für je 2 Familien eingerichtet sind, kosteten einschliesslich der bei allen vorhandenen Stallgebäude 3800 bis 7000 M. Davon kommen etwa 5—600 M. auf die Stallgebäude. Sämmtliche Einzel wohnungen haben mindestens 4 Wohnräume, darunter 2 heizbare. Der Miethszins, welcher satzungsgemäss 31/, % vom Anschaffungspreis als Kapital-Zins und 2% als Amortisation beträgt, stellt sich für Haus und Garten bei jeder Doppelwohnung auf 26 bis 40 M. monatlich, also für die Familie auf 13 bis 20 M. Rechnet man den Ertrag des Gartenlandes zu 2 M. der Ar und zieht man die Zinsen der Stallmiethe ab, welche sich durch Gelegenheit zur Viehzucht bezahlt macht, so kommt für Wohnung und Amortisation noch nicht der Preis heraus, welcher jetzt anderweitig für Miethe allein aufgewendet wird. Die Betheiligung der Miether und Erwerber an der Verwaltung des Unternehmens geschieht in der Weise, dass sämmtliche Theilnehmer eine Genossenschaft bilden. Dieselbe hat allerdings nicht die Rechte einer ein getragenen Genossenschaft, aber auch nicht deren Pflichten, durch welche jedem Theilnehmer eine unter Umständen drückende Verantwortung auferlegt würde. Eine beschränkte Haftpflicht besteht nur insofern, als die jährliche Miethe Schwankungen unterliegen kann, je nachdem die Lage des gemeinsamen Vermögens sich ändert, oder im Zinsfuss des Garantiefonds Veränderungen ein treten. Demgegenüber werden dem Theilnehmer aber auch werthvolle Rechte eingeräumt. Er kann sich an der Wahl des Grundstücks betheiligen, inner halb gewisser Grenzen das Haus nach seinen eignen Wünschen bauen lassen, er hat. Sitz und Stimme in der Genossenschaft und Antheil an den Wohl fahrtseinrichtungen derselben, z. B. am Konsumverein. Während der Dauer des Miethsverhältnisses hat sich das Patronat für gewisse Fälle das Einschreitungsrecht Vorbehalten und ist befugt, die Miethe zu erhöhen, wenn Jemand unordentlich wirthschaftet. Gegen etwaige Bestrebungen, den erworbenen Besitz durch Spekulation auszunutzen und damit die Absichten der Begründer zunichte zu machen, dienen folgende Bestimmungen: 1) das zehnjährige Verkaufsrecht des Patronats; 2) die im Grundbuch eingetragene Verpflichtung, dass Niemand ohne Bewilligung des Nachbars mehr als 3 Meter an das Nachbargrundstück heranrücken kann; 3) das strenge Verbot, eine Branntweinschenke zu errichten. Gegenwärtig wird die Errichtung einer zweiten Kolonie in einer andern Stadtgegend geplant, und 80 Hausväter haben sich bereits zur Betheiligung gemeldet. Die unterstützenden Mitglieder des Vereins, welche Kapital un verzinslich oder für geringen Zins hergaben, zählen nach Hunderten und sind über ganz Deutschland verbreitet. In der letzten Generalversammlung in Bielefeld wurde der Vorstand beauftragt, die nöthigen Schritte zu thun, um Korporationsrechte zu erwerben. Die gemeinnützigen Bestrebungen des Vereins „Arbeiterheim“ verdienen die Beachtung aller Gewerbetreibenden, und seine Erfolge sollten zur Ver wirklichung ähnlicher Bestrebungen an andern Orten aufmuntern. Die Gelegenheit zur allmäligen Erwerbung eines eigenen Heims ist geeignet, die oft verbitterten und muthlosen Arbeiter zu gesunder, wirthschaftlich fruchtbarer Thätigkeit zu veranlassen und somit die allmälige friedliche Lösung der sozialen Frage vorzubereiten. Rechtsentscheidungen. Der Schutz der §§. 115 ff. der Reichs-Gewerbeordnung, betr. die Baar zahlung der Arbeitslöhne, erstreckt sich nach einem Urtheil des Reichs gerichts, I. Strafsenats, vom 17. November v. J., auch auf Arbeiter, welche für mehrere bestimmte Gewerbetreibende ausserhalb der Arbeitsstätten, in ihren eigenen Wohnungen dauernd beschäftigt sind. Ein Gläubiger, welcher von seinem Schuldner einen Wechsel nicht an Zahlungsstatt, sondern zahlungshalber, also nicht behufs Tilgung seiner Forderung, sondern behufs Befriedigung seiner Forderung, aus der event. eingehenden Wechselsumme angenommen hat, ist nach einem Urtheil des Reichsgerichts, II. Civilsenats, vom 23. Dezember v. J., dennoch ver pflichtet, die wechselrechtlich erforderlichen Schritte zur Einziehung der Wechselsumme zu thun und überhaupt, falls er Kaufmann ist, hierbei die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns anzuwenden. Vermag er nicht dar- zuthun, dass er diese Pflicht hinsichtlich des nicht honorirten Wechsels er füllt habe, so kann er nicht seine ursprüngliche Forderung geltend machen. Die Strafbestimmung des §. 211 der Reichs-Konkursordnung, betreffend die Gläubigerbegünstigung, findet nach einem Urtheil des Reichs gerichts, III. Strafsenats, vom 24. November v. J-, auch dann Anwendung, wenn es überhaupt nicht zur Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Schuldners, welcher seine Zahlungen eingestellt hat, gekommen ist; ferner kann die strafbare Gläubigerbegünstigung nicht nur gegenüber den persönlichen Gläubigern, welche als Konkursgläubiger auftreten oder auf treten können, sondern auch ausschliesslich zum Nachtheil von absonderungs berechtigten Gläubigern, selbst wenn sie nur für die Grundschulden mit verhaftete Gläubiger sind, verübt werden. Das beneficium competentiae, d. h. die einem Schuldner einge räumte Rechtswohlthat, soviel behalten zu können, als er zum nothwendigen Lebensunterhalt braucht, bewirkt nach einem Urtheil des Reichsgerichts, III. Civilsenats, vom 2. Dezember v. J./10. Januar d. J., keine Befreiung von der Schuld, sondern nur einen Aufschub der Zahlungspflicht während der Zeit der Nothlage; zahlt der bedürftige Schuldner freiwillig dennoch die Schuld, so ist dies zwar als Zahlung einer noch nicht fälligen Schuld, nicht aber eine unentgeltliche, im Konkurse des Schuldners aus §. 25 Z. 1 der Konkursordnung anfechtbare Verfügung zu erachten. Handelsverkehr der Niederlande. Antheil der hauptsächlichsten Länder an dem Verkehr in 1885 und 1886. Hiervon kommen auf Deutschland bei der Einfuhr 315 478 552 Gid. „ „ „ „bei der Ausfuhr 414 313180 „ Aus bezw. nach Einfuhr z. Verbrauch Ausfuhr aus d. freien Varkehr 1886 Gid. 1885 Gid. 1886 Gid. 1885 Gid. Afrika (Westküste) . . 4 765 548 5 938 762 1 779 552 2 687 273 Belgien 157 959 860 161585 315 137 589 095 127 829 698 Britisch-Indien .... 36 423 484 37 264 262 39 415 57 099 Centralamerika .... 69 600 6 880 676 3 397 1210 Columbien, Ecuador und Venezuela 2 270 932 1 527 383 91043 4 456 Dänemark 984 401 519 843 4 951 698 7 806 354 Deutschland und zwar: Bremen 1 725 229 1 142 085 785 467 912 067 Hamburg 17 836 568 21 821289 16 759 356 16 136 071 Lübeck 598 422 219 635 — — Mecklenburg .... 940 526 196 896 — — Oldenburg 39 760 — — — Preussen 294 338 047 274 518 092 396 768 357 383 997 097 Donaufürstenthümer . . 9 060 490 5 188 296 3 044 303 5 306 728 Frankreich 17 975 028 18 874 529 10 310 698 8 976 157 Grossbritannien . . . 262 133 218 269 045 705 255 405 561 229 274 482 Guiana (Niederländisch) . 1 755 505 1 224 363 2 058 450 1 827 825 Haiti 1 251 062 1 206 730 737 —- Italien 4 875 496 4 803474 10 364 433 14 575 866 Japan 4 761554 305 269 327 783 — Java und sonstige Nieder- ländisch Ostindische Be- Sitzungen 90 187 741 97 031 210 44 825 755 45 216 548 Norwegen 4 971 553 4 288 333 3 032 442 3 131 964 Oesterreich 541 879 713 550 1 441 678 1 337 999 Peru und Bolivien . . 8 126 800 6 433 123 — — Portugal 1 454 017 1 290 936 1 376 005 1 601 284 Russland 74 715 410 76 802 523 4 897 679 4 779 689 Schweden 5 922 356 4 894 136 4 633 516 4 862031 Spanien 15 819 034 17826018 576 867 1948 219 Türkei 8 624 879 8 694 116 291 739 204 962 Verein. Staaten v. Amerika 66 973 497 55 609 290 45 755 659 26 399 437 Einschliessl. minder wich- tiger Länder zusammen 1 102 693 328 1 091487 883 949 488 578 891 036 294 949 488 578 Ueberschuss der Einfuhr in 1886 153 204 750 Deutschland bezog von den Niederlanden in 1886 mehr als es dorthin einführte; für 98 834 628 Gid. Der Antheil des deutschen Papiergewerbes betrug: Einfuhr Ausfuhr Gid. Gid. Preussen: Bücher 1 054 430 197 195 „ Lumpen 589 844 521550 „ Papier 807 727 296 063 „ Tapeten, Karduspapier u. s. w. • 262 124 — Hamburg: Papier 375 765 — „ Pappe und Kartonpapier . . . .—357 153 Zusammen 3 089 890 1 371961 £371961 Ueberschuss der Einfuhr über die Ausfuhr 1 717 929 Gid. Aus vorstehender Zusammenstellung geht hervor, dass die Niederlande in 1886 für 153 204 730 Gid. mehr nach Deutschland ausgeführt als von demselben bezogen haben. Erfreulicher Weise giebt aber die Gegenüber stellung des Papierverkehrs einen Ueberschuss von 1 717 929 Gid. zu unsern Gunsten.