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PAPIER-ZEITUNG. No. 21. Buchgewerbe. Druckindustrie, Buchbinderei, Buchhandel sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme, Mitarbeiter und Korrespondenten erhalten‘angemessenes Honorar. Eingesandte Werke finden Besprechung. Ausstellung vou Graveur-Arbeiten. Im Mittelraum des Berliner Kunstgewerbemuseums, wo in fast ununterbrochener Folge Sonderausstellungen verschiedener Kunst gebiete stattfinden, sind gegenwärtig ältere und neuere Erzeugnisse der Metallgravirung nebst einigen Beispielen verwandter Kunstzweige ausgestellt. Die kleine Ausstellung, welche von Mitgliedern des deut schen Graveur-Vereins veranstaltet ist, und zu welcher nur wenige Firmen von bekannter Leistungsfähigkeit herangezogen wurden, gewährt bei weitem kein vollständiges Bild von dem Stande und den Leistungen der Berliner Gravir-Industrie, ist aber doch geeignet, den Besuchern einen Begriff von der Vielseitigkeit dieser alten Kunsttechnik zu ge währen. Die Gravirkunst steht in mannigfaltigen Beziehungen zu Papier industrie und Buchgewerbe. Sie liefert Prägformen für Briefbogen verzierungen, Wunschkarten, Stanzbilder, Kotillonorden, Spitzenpapiere und viele andere Erzeugnisse der Luxuspapier-Industrie. Sie bietet dem Buchbinder Prägeplatten und Fileten, dem Schriftgiesser und Buchdrucker Stahlstempel, sowie Patrizen für Vignetten und Initialen in dem leichter zu bearbeitenden Schriftmetall; kurz: sie bildet noch immer trotz zahlreicher anderer mechanischer Wiedergabeverfahren einen wichtigen Zweig der graphischen Kunst. Ein Besuch der Ausstellung ist daher für Fachgenossen lohnend und lehrreich. Wenn man vom Eingang her die gummibelegten Stufen zum Saal herabschreitet, findet man links in der Ecke zahlreiche Beispiele einer alten, wichtigen Kunst, die in mancher Hinsicht als Verläuferin der Gravirkunst betrachtet werden kann: der Kalligraphie. Zwei grosse Glasschränke bergen die wichtigsten Schätze der früher im kgl. Kupferstichkabinet untergebrachten Sammlung alter kalligraphischer Vorschriftenbücher, welche jetzt der umfangreichen Ornamentstich- Sammlung des Kunstgewerbemuseums ein verleibt ist. Die Neben einanderstellung so zahlreicher Beispiele alter Schreibkunst hat für Interessenten hervorragenden Werth. Wer tieferes Interesse an den selben nimmt, kann sich nach den beigefügten Titelangaben ein Ver- zeichniss anlegen und ist später, nach Beendigung der Ausstellung, imstande, die gewünschten Bücher ohne Zeitverlust im Bibliothek- zimmer zum Studium zu erbitten. Die Vorlagen sind nach Ursprungsländern und Zeitaltern geordnet. Der eine Schrank enthält Erzeugnisse von Italien, Spanien, Frankreich, England und den Niederlanden, meist aus dem 16. und 17. Jahrhundert, der zweite Schrank ausschliesslich deutsche Musterbücher vom 16. bis 18. Jahrhundert. Ein Theil dieser kalligraphischen Meisterwerke zeigt kunstreiche, mit der Feder auf Pergament ausgeführte Originalschriften. Solche Arbeiten wurden von Schreibmeistern als Beweis ihrer Kunst fertigkeit oft in jahrelanger mühseliger Arbeit angefertigt und besitzen, da sie Unica darstellen, sehr bedeutenden Werth. Eine etwas grössere Zahl von Vorlagewerken ist in Buchdruck und Kupferstich ausgeführt. Diese Werke sind meist nichts andres als Kopieen eines ursprünglich in Handschrift hergestellten Musterbuchs, und sie bewahren daher in treuester Weise den Charakter geschriebener Schrift. Unter „geschriebener Schrift“ darf man sich natürlich nicht blos Das vorstellen, was wir gegenwärtig unter Schreibschrift verstehen, sondern insbesondere die kalligraphische Ausführung aufrechtstehender Buchschrift, deren Herstellung jetzt der Buchdruck fast ausschliesslich übernommen hat. Bei den romanischen Völkern überwiegen naturgemäss Antiqua formen, die oft in phantastischer, aber stets feinfühliger Weise verziert sind. Daneben kommen auch edle gothische Formen vor, aber wenig Kanzleischrift, die hingegen bei deutschen und niederländischen Vorlagen breitesten Raum in Anspruch nimmt. Besonders schön und zum Studium geeignet sind von italienischen Werken die von Fra Vespasiano, Lodovico Dolce, L. Antonozzi und der Tesauro des Ugo da Carpi. Von Niederländern und Deutschen ragen Samuel de Swaef, Jan van den Velde, Clemens Perret, Jacob Schwob, Paul Muscat, Caspar Rutlinger, sowie die fruchtbaren Nürnberger Schreibmeister Baurenfeind und Neudörffer hervor. Die spanische Schule, welche im 16. Jahrhundert Treffliches leistete, ist durch Juan de Yciar angemessen vertreten. In diesen kalligraphischen Werken, welche Schreiber Dieses im Jahre 1884 fast sämmtlich durchzuarbeiten Gelegenheit hatte, stecken noch zahlreiche ungehobene Schätze, die nur der kundigen Hand harren, welche sie ins Moderne übersetzt und den verschiedenen Zweigen graphischer Kunst nutzbar macht. Diejenige deutsche Anstalt, welche mit ihren graphischen Arbeiten am entschiedensten und merkbarsten an besten alten Mustern an knüpft: die Deutsche Reichsdruckerei, ist mit einer räumlich kleinen, aber inhaltlich bedeutsamen Ausstellung glänzend vertreten. Welche Fülle eigener Erzeugnisse im Laufe des letzten Jahr zehnts von der genannten Anstalt geschaffen wurde, lässt am besten das zur Ansicht aufgelegte, von uns wiederholt besprochene Proben buch der Reichsdruckerei erkennen. In vier Glaskästen sind Original- Gravirungen der Anstalt niedergelegt; darunter Prägestempel für Spar kassen- und andere Marken in Kupfer, Stahl und Messing, Stahl stempel neuerer Schriften und mehrere grössere Gravir-Arbeiten in Schriftmetall. Unter den letzteren befindet sich auch die auf Seite 5 von uns besprochene Kalender-Umrahmung, deren Herstellung durch Stichelarbeit somit klargestellt ist. An den Wandplatten sind farbig ausgeführte Arbeiten der Reichsdruckerei ausgestellt. Dieselben bekunden, dass namentlich die alte echte Initial-Ornamentik ver- ständnissvolle Pflege findet. Einzelne Arbeiten sind durch Malerei ergänzt. Unter den ausgestellten Schriftstempeln ist eine neue 3-Cicero- Einfassung mit dunklem Grunde und eine charaktervolle, mässig verzierte, in den Gemeinbuchstaben sich an Fraktur anlehnende Kanzlei bemerkenswerth. Äusser der Reichsdruckerei ist keine der zahlreichen graphischen Anstalten Berlins, der Schriftgiessereien und Stempelschneidereien, zur Ausstellung herangezogen worden. Verwandte Technik zeigen nur die Erzeugnisse von Albert Anklam, Berlin, Koloniestrasse 13 a., und von Wilhelm Laudahn, Berlin, Kochstrasse 68. Erste rer lieferte Schriften, Ornamente und Prägplatten für Buchbinderei, letzterer nur Abdrücke von Prägplatten. Die Firma R. Hofer, Gravirmaschinenfabrik in Berlin C., Nie derwallstrasse 35, zeigt ihre Matrizenbohrmaschine in Photographie und verschiedene Erzeugnisse derselben. Matrizenbohrmaschinen werden von verschiedenen Schriftgiessereien angewendet, um den umständlichen und kostspieligen Stempelschnitt zu umgehen. Statt einer Patrize, welche dasselbe Bild zeigt, wie später der gegossene Schriftmetall-Buchstabe, und welche erst in Kupfer eingeschlagen werden muss, um eine Matrize zu bilden, wird dabei unmittelbar eine Matrize erzeugt, aus welcher ohne weiteres gegossen werden kann. Die Bohrung wird erzielt durch Auf- und Niedergang einer schnell rotirenden kantigen Nadel, deren Weg mittels einer storch schnabelartigen Vorrichtung geleitet wird. Der Führungsstift wird dabei innerhalb metallener, meist in vergrösserter Zeichnung geätzter Schablonen hin- und hergeführt. Besondre Vorrichtungen sorgen dafür, dass die Gravirung eine stets gleichbleibende Tiefe erhält. Eine einzige Schablone genügt für Ausführung der Gravirung in mehreren Grössen. Die mit der Hofer’schen Maschine erzeugten Kupfermatern sehen sehr sauber aus, und die Abzüge zeigen tadellos glatte Oberfläche, wie sie nur bei sorgfältigster Arbeit des nadel führenden Mechanismus erzielt werden kann. Der nächste auf der Ausstellung vertretene Zweig graphischer Kunst ist die Radirung. Hierin hat namentlich die Firma Max Krause, Berlin, welche bekanntlich seit einigen Jahren diesen vornehmen Kunstzweig pflegt, Bemerkenswerthes geliefert. Ein grosser Rahmen ist mit derartigen Mustern angefüllt, die für verschiedenste Zwecke der Luxuspapier- und Ausstattungs-Industrie Verwendung finden. Recht hübsch sind z. B. einige Radirungen von Winkelmann, welche Ballscenen darstellen, ferner Rokoko - Bildchen und Landschaften von demselben Radirer. Zum Druck der Landschaften wurden mit Geschick solche Farben ver wendet, welche der Allgemeinstimmung der Bilder entsprechen. So wurde eine Winterlandschaft mit Mondschein in grünlichem Blaugrau, ein Seestück in Rostbraun, andere Landschaften in Violettbraun aus geführt. Auch einige Schlittschuhlauf und Radfahrbilder, sowie mehrere Kopieen nach niederländischen Meistern sind gut gelungen. Die Reliefpressungen, Monogramm- und Wappenprägungen, welche die genannte Firma in einem zweiten Rahmen ausstellt, leiten von der graphischen Industrie im engem Sinne zum Luxuspapier-Gewerbe hinüber. Dieses Gebiet ist ziemlich reichlich vertreten. Hervorragende Beachtung verdienen dieWappenprägungen, welche Gustav Hanneck in Braunschweig in einem prächtigen, mit Leder schnitt gezierten Bande vorführt. Die Prägung farbiger Wappen für Briefbogen ist ein Sonderzweig dieser Firma, und hier treten die von altersher gepflegten engen Beziehungen zwischen Gravirkunst und Heraldik klar zu Tage. Der umfangreiche Band enthält die Wappen zahlreicher deutscher Fürsten in reicher Ausführung mit bunten Farben, Gold und Silber. Die Prinzen der regierenden Häuser lieben es, ihre Brietbogen mit Initialen auszustatten, welche mit heraldischen Emblemen in Verbindung gebracht werden. So zeigt z. B. der Briefbogen des Prinzen Albrecht von Preussen ein prächtiges ver ziertes A mit den diesem Prinzen zukommenden Hoheitszeichen. Aehnlich sind die Namenszüge des Prinzen Heinrich und des Herzogs