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346 PAPIER-ZEITUNG. No. 18. Strohpappen. Aus Süddeutschland. Ich möchte anlässlich der Vereinigung der Strohpappenfabrikanten auf einen Umstand hinweisen, den die Herren in ihrem sonst durchaus wohlberechtigten Vorgehen seltsamer Weise ganz unbeachtet liessen: nämlich das richtige Verhältniss zu den grösseren Abnehmern, ohne welche doch keine Industrie mit Ruhe sich entwickeln und an Ausdehnung ge winnen kann! Statt sich nun diese Letzteren zu Freunden und Stützen der Konvention gegen Preisschleuderei und Entwerthung der Waare zu machen, fassen die Generalversammlungen Beschlüsse, welche geradezu ihre Spitze gegen die Grosshändler kehren und diesen es für die Folge nur möglich machen, an ihrem Wohnort, und da nur noch mit einem ganz geringfügigen Nutzen zu verkaufen. Wenn der Kunde, der am dritten Ort wohnt, nach diesen Beschlüssen direkt von der Fabrik in ganz kleinen Pöstchen, nur 25 Pf- den Centner theurer als der Grossist, dabei frei ins Haus geliefert, kaufen kann, so ist es dem Grosshändler, der viel mehr Fracht und Rollspesen von seinem Wohnort aus dahin hat, unmöglich, zu konkurriren! Der Artikel wird künftig unlohnend für ihn sein, und dann mag der Fabrikant sich mit allen kleinen Abnehmern herumplagen, seinen Geschäftsbetrieb durch unzählige kleine und umständliche Aufträge, sowie mit Vergrösserung seiner Unkosten und seines Risikos, der Zersplitterung seiner Ausstände, d. h. seines Kapitals, belasten, der wenig zuverlässigen Incassi gar nicht zu gedenken. Dass eine Industrie, die sich gesund entwickeln und gesund fort bestehen soll, auch nur auf ganz kurze Dauer einem derartigen Absatz betrieb sich nicht gewachsen fühlen kann, liegt auf der Hand. Die Folge wird sein, dass Einer nach dem Andern wieder von der Vereinigung abfällt und versuchen wird, den gegen baar kaufenden grossen Abnehmer wieder zu gewinnen, der nun einmal von jedem nur einigermaassen nennenswerthen Produzenten nicht entbehrt werden kann. Wie Einsender Dieses mitgetheilt wurde, hat sich auch der Vorsitzende, Herr Carl Eich horn, der sich ja um das Zustandekommen der Vereinigung das grösste Verdienst erworben, in richtiger Würdigung der thatsächlichen Verhält nisse (Herr E. war vor Errichtung seiner grossen industriellen Anlagen 7 Jahre lang Inhaber des bedeutendsten 'Grossgeschäfts in Strohpappen und Strohpapier in Westfalen), unterstützt von Herren aus Magdeburg und Berlin, die gleichfalls früher Händler waren, die grösste Mühe ge geben, diesen wichtigen Punkt des Verhältnisses zu den grossen Ab nehmern nach allen Seiten hin zu beleuchten und entsprechende Beschlüsse herbeizuführen. Die Mehrheit der Versammlung liess sich aber von einem einzigen kleineren Fabrikanten aus der Nähe Berlins ins Schlepptau nehmen. Dieser erklärte, er verkaufe seine Pappen in Posten von 15—20 Centnern direkt an Berliner Verbraucher, und könne solche nicht wesentlich höher als die Grosshändler im Preise halten, sonst kauften jene lieber bei diesen, und er verlöre dann seine Kundschaft. Dem kapitalkräftigen und im Vertrauen auf die Anhänglichkeit seiner sorgfältig bedienten grossen Kundschaft reell und rationell arbeitenden Grosshändler ist weit mehr gedient, wenn die Waare ihren richtigen Preis hat und nicht auf der Strasse liegt, zumal dann auch sein Umsatz und naturgemäss sein prozentualer Nutzen steigt. Aber er muss auch dann von dem Fabrikanten geschützt werden, dass er für seine grösseren Mühen, Auslagen und Unkosten, sowie sein grösseres Risiko die richtige Gegen leistung, den nöthigen Vorsprung nicht allein gegenüber dem Verbraucher, sondern auch gegenüber den kleinen Händlern hat, in deren Reihen die Hauptschleuderer und Veranlasser zur Preisdrückerei und Entwerthung zu suchen sind. Diese müssen häufig, um den Vorzug der Waggonladung zu geniessen, ohne die nöthige stetige Kundschaft dafür zu besitzen, und um das nötbige Geld gleich wieder hereinzubekommen, den grössten Theil der Ladung wieder zum Kostenpreis verschleudern, verderben dem Gross händler die Preise und verleiden ihm das Geschäft. Deshalb ist es auch unbedingt nöthig, dass hier, wie bei allen anderen, auf gesunder Basis errichteten Konventionen, die sogenannte Umsatzprämie ins Auge gefasst wird. Demjenigen, der 400— 600 Ctr. monatlich bezieht, muss gegenüber dem, der 200 Ctr. im Monat oder gar nur alle 2—3 Monat braucht, ein entsprechender Vorsprung gewährt werden. Dann wird sich nach und nach auch wieder der Absatz in kräftigen Händen konzentriren, die ein Interesse an der richtigen Bewerthung der Waare haben und darum mit dem Fabrikanten jederzeit zusammenhalten. Dieselben Hände müssten im entgegengesetzten Fall zum Zweck der Selbsterhaltung alles thun, um die Beschlüsse der Fabrikanten zu durchkreuzen, wenn sie nicht vorziehen, ihr Kapital und ihre Thätigkeit lohnenderem Gebiet zuzuwen den. Ein Preisunterschied von 25 Pf. der Centner genügt kaum, um nur Abfuhr von der Bahn, Lagergeld, Feuerversicherung, Zinsverlust, Reise spesen und sonstige Handlungsunkosten, die jeder Grossist hat, und dann beim Versandt die neuen Verladungskosten zur Bahn zu decken, garnicht zu gedenken des grossen Risikos und der sonstigen Verluste bei kleinen Abnehmern. Da aber ohne Verdienst kein Grossist Geschäfte machen kann, so muss in diesem Punkt Wandel geschaffen werden, wenn die Einigung der Fabrikanten Bestand haben soll, wie es der Vorsitzende und mehrere andere bedeutende Fabrikanten und deren Vertreter am 30. Januar in Hamm so überzeugend geltend gemacht haben, dass nur eine einzige Stimme sich dagegen ausgesprochen haben soll. Diese Thatsache allein beweist schon die Richtigkeit meiner Darstellung. G. Unrichtige statistische Zahlen. Papierfabriken bei Jülich, 23. Februar 1888. No. 16 bringt Seite 318 die statistischen Aufzeichnungen über Einfuhr und Ausfuhr von Erzeugnissen der Papierindustrie, nebst Preisangaben des muthmaasslich erzielten Erlöses, welche aber gerade in den Hauptpositionen der Ausfuhr solch krasse Irrthümer enthalten, dass ich mich verpflichtet fühle, dieselben hiermit aufzudecken. Nichtfachmänner sehen diese statisti schen Angaben stets für richtig an, und die verlockenden Preisangaben mögen manchen Besitzer grosser Wälder, Nadelhölzer und Wasserkräfte veranlassen, noch weitere grosse neue Anlagen zu machen und die in fast allen Positionen bestehende Zuvielerzeugung noch zu steigern, obgleich gerade bei den exportirenden Hauptposten, nämlich Pappen und Druckpapier seit Jahren infolge der grossen Uebererzeugung Geld zugesetzt wird. Ich brauche wohl nur auf die Klagelieder hinzuweisen, die seit Jahren in der Papier-Zeitung über die Preise der Strohpappen, des Strohpapiers und Packpapiers, des Druckpapiers, Schreibpapiers und des Holzstoffes in allen Variationen gesungen sind; wie 1885, 1886 und die erste Hälfte 1887 Strohpappen auf 4‘/2 M. die 50 kg, d. h. bedeutend unter die wirklichen Selbstkosten herabgegangen waren, und selbst jetzt, seit der Einigung vom Juni 1887 kaum mehr als einen Zinsennutzen der Fabrikanlagen übrig lassen. Nach den Angaben vieler Aufsätze der Fachpresse wurde Druck papier in Massen zu 14—15 M. der Centner exportirt, nur um Geld dafür zu machen, und auch für Schreibpapier wurden kaum die 40 M. der Centner netto erzielt, die nach dieser statistischen Aufzeichnung Schreib papier und Druckpapier im Durchschnitt gebracht haben sollen. Bei Packpapier und Strohpapier besteht ganz dasselbe trostlose Ver hältniss. Letzteres ist in 1887 meist zu 6 oder 61/4 M. ab Fabrik verkauft, graues Löschpapier (sogenanntes Schrenzpapier) zu 71/2 und 81/2 M. der Centner, und Holzschliff wurde zu 6 M., feinere Sorten vielleicht zu 61/2 M. oder 68/4 M-, nicht zu 91 M. exportirt. Obwohl dies alles seit Jahren bekannt und in allen Fachblättern bis zum Ueberdruss besprochen ist, finden wir jetzt in . dieser statistischen Aufzeichnung Preise, die bei allen vier Hauptpositionen 40 bis über 100 Prozent zu hoch angenommen sind! Strohpapier, Strohpappen und Packpapiere sind von mir, seitdem sie in Deutschland zuerst gemacht und in solchen Quantitäten hergestellt wurden, dass der Export dieser billigen Fabrikate lohnte, zuerst nach anderen Ländern ausgeführt worden, und bis auf den heutigen Tag kenne ich die Preise in allen Staaten aufs genaueste, weil ich ein eigenes Kontor in London habe, und die grösste Menge, welche eine deutsche Fabrik expor- tiren kann, von meinem Kontor verkauft wird. In Packpapieren habe ich selbst die grösste Produktion des Kontinents und kann somit positiv behaupten, dass für die Positionen graues Löschpapier. Packpapier und Pappen, wovon nach der Aufstellung in 1887 für etwa 101/2 Millionen Mark exportirt sein sollen, nach den wirklich erzielten Nettopreisen, loko Fabrik ge rechnet, keine 51/2 Millionen erzielt sind, wie es die vorstehend von mir ange führten Preise zweifellos darthun. Bei Pappen sind Asbest-, Dach- und Asphalt pappen, Papiermache und Pressspäne ganz ausgeschlossen, so dass zu den exportirten Pappen nur noch die Strohpappen und einseitig weiss beklebten Strohpappen gehören. Buchbinderpappen sind fast garnicht, oder in so verschwindend kleiner Quantität exportirt, dass sie bei der ausgeführten Menge von 345 112 Centnern noch nicht ein Prozent ausmachen. Ausserdem befinden sich in dieser Zahl vielleicht noch 6 bis 10 Prozent Holzpappen zu 8 bis 10 M. der Centner. Vergleicht man nun den für diese Position angenommenen Preis von 14 M. der Centner mit dem wirklich erzielten Netto preis von etwa 6— 61/4 M, ab Fabrik gerechnet (oder meist noch nicht so viel), so ergiebt dies einen Ausfall von weit mehr als der Hälfte der an genommenen Summen. Dasselbe Verhältniss wird bei der Position graues Löschpapier und Packpapier zutreffen, wovon 296 774 Centner exportirt sein sollen, und wovon der Centner zu 19 M. angenommen ist, d. h. in den meisten Fällen sicher um 100 bis 150 Prozent zu hoch. Holland und Belgien haben selbst Zuvielerzeugung in allen diesen Papieren und Pappen, und nirgends sind Strohpapier, geringe Packpapiere und Pappen billiger als in Holland und Belgien, und was dahin exportirt sein soll, ist wohl nur Transit-Gut für Grossbritannien, Spanien, Italien, Südamerika, Indien und den Orient. In Grossbritannien wird ebenfalls durch Zuvielerzeugung braunes englisches Packpapier schon zu 10 und 11 M. der Centner verkauft, festere Tauenpapiere und noch theurere Packpapiere werden von England nicht importirt, sondern exportirt. Es sind also nur die ganz billigen Strohpapiere und Packpapiere, die über Belgien und Holland, ostfriesische Häfen, Bremen und Hamburg aus geführt werden, und die nicht 19 M. der Centner, sondern 61/, bis etwa 12 M. kosten, so dass also auch kaum die Hälfte der angenommenen Millionen netto erzielt ist. Von dem allergrössten Posten: Schreibpapier, Druckpapier u. s. w, wird das Druckpapier jedenfalls den allergrössten Theil ausmachen, und dafür sind nicht 40 Mark der Centner netto erzielt, wie angenommen, sondern vielleicht netto 17—18 Mark, d. h. noch nicht die Hälfte. Selbst für Schreibpapier, Affichen-Papier u. s. w. werden im Durchschnitt die an genommenen 40 Mark kaum erzielt sein, und ich glaube hiernach annehmen zu dürfen, dass die wirklich gelöste Netto-Summe der 4 Hauptpositionen a) Holzstoff, Strohstoff, Sulfitstoff u. s. w., b) Graues Löschpapier, Packpapier und Pappen, c) Schreibpapier, Affichenpapier u. s. w,, d) Druckpapier, wofür ein Erlös von über 41 Millionen Mark angenommen ist, kaum 25 Millionen ausmachen wird, eher noch weniger als mehr! Bei jeder Industrie, und namentlich wenn dieselbe so bedeutend expor tirt, ist es unbedingt erforderlich, sich selbst keinen blauen Dunst vor-