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289 dass das Congo freie Säure anzeigen würde. Diese meine Erfahrungen wurden von Brücke bestätigt (Centralblatt für Physiologie 1887, S. 357). Anderseits habe ich Filtrirpapier, welches gewiss säurefrei hergestellt war, das Congopapier bläuen sehen, nachdem dasselbe einige Zeit in einem Zimmer gelegen hatte, worin Gaslicht brannte. Da bekanntermaassen die Verbrennungsprodukte der Gasflamme Schwefelsäure und saure Oxyde des Stickstoffs enthalten, welche sich auf dem Papier niederschlagen und das Congoroth bläuen, so ist bei Anwendung von Congoroth zur Prüfung des Papiers immer erst der Beweis zu führen, dass die freien Säuren nicht erst durch die Untersuchung in der Anstalt in das Papier gelangt sind. Dem Leser wird das vorstehend Mitgetheilte befremdlich erscheinen, und er muss sich fragen, wie weit die exakten Methoden der wissenschaft lichen Untersuchung eigentlich in der Praxis zuverlässig sind, wenn solche für eine grosse Industrie wichtige Fragen in so unsicherer Weise behandelt sind. Die Zerstörung der Faser hat vielleicht während des Bleichens und im Laufe der Fabrikation oder schon in den Hadern, welche beim Lagern durch die Thätigkeit von niedern Organismen oder Pilzen mürbe und brüchig werden können, ihren Anfang genommen, ohne dass es nach dem Auswaschen oder der erfolgten Leimung noch möglich sein wird, Säuren und Chlor im Papier nachzuweisen. Der einmal veränderte Zellstoff verändert sich mit der Zeit weiter. Es wäre demnach Aufgabe der Sachverständigen, Verfahren aufzusuchen, welche es ermöglichen, den Einfluss der Zeit auf das Nachlassen der Festig keit nachzuahmen und Aufgabe der Behörden, nicht die Kosten der Papier- Prüfung durch zwecklose oder geradezu falsche Untersuchungs-Vorschriften zu vertheuern. Ich habe gefunden, dass Papiere mit durch Pilzwucherungen mürbe ge wordenen Lumpen oder durch starkes Bleichen verändertem Zellstoff besonders dann rasch brüchig werden, wenn dieselben einige Tage bei 100° Celsius, besser noch bei der Temperatur einer kochenden Kochsalzlösung, gehalten werden- Vielleicht könnten durch längeres Verweilen der mit mürben Hadern oder schlechten Ersatzstoffen hergestellten Papiere in solcher Temperatur und durch eine Bestimmung der Abnahme der Festigkeit einige Anhaltspunkte für die Haltbarkeit des Papieres zu erzielen sein. Jedenfalls wären nach dem oben Gesagten die Vorschriften für Unter suchung auf freies Chlor und Säuren zu streichen. Glaubt man, dass neu trale schwefelsaure Thonerde und basisch schwefelsaure Thonerde zer störend auf das Papier wirken, so wäre eine quantitative Bestimmung der schwefelsauren Thonerde im Papier am Platz, die bei der heutigen Unter suchung auf Säuren nicht nachgewiesen wird. Ich habe mit Alaunlösung und schwefelsaurer Thonerde getränkte Papierproben jahrelang aufbewahrt, und allerdings bei der grossen Menge Thonerdesalze, die ich anwandte, ein ganz geringes Schwächerwerden des Papiers beobachtet. Jedenfalls sollte man derartige mit neutraler und basisch schwefelsaurer Thonerde getränkte Papiere auf die Veränderung ihrer Festigkeit beim Aufbewahren prüfen. In Kapitel VIII folgt die Bestimmung der Leimung. Dem dort an geführten gelben Quecksilberoxyd, welches durch Reduktion die Anwesen heit von thierischem Leim nachweisen soll, wird der Chemiker wohl eine qualitative Stickstoffbestimmung durch Ueberführen des Leims in Cyan verbindungen mit Kalium und Nachweis als Berlinerblau durch Eisenoxyd und Eisenoxydulsalze vorziehen. Der quantitative Nachweis des Thier leims geschieht am besten durch eine Stickstoff Bestimmung nach Dumas oder eine Ammoniakbestimmung nach Kjeldahl. Zum qualitativen Nachweis von Leim führt Herzberg auch die Probe mit Millon’schem Keagens an, welche Wiesner bei seinen Untersuchungen vielfach benützt hat. Bei der quantitativen Bestimmung des Harzes wird das Verfahren beschrieben, das Harz aus dem Papier durch Erwärmen mit Natronlauge aufzulösen, durch Fällen mit Säuren das Harz abzuscheiden und auf ge wogenem Filter zu wiegen Wie viel Stärke bei dieser Behandlung mit Natronlauge, wie viel Extraktivstoffe aus dem Holzschliff in Lösung gehen, durch die Säure gefällt und als Harz mit gewogen weiden, ist eine offene Frage. Ob daher die Anwendung dieser Methode brauchbare Zahlen ergiebt, muss dahin gestellt werden. In diesem Abschnitt ist sodann noch der qualitative und quantitative Nachweis der Stärke mitgetheilt. Bei dem vom Schreiber dieser Zeilen angegebenen Verfahren wird durch Auskochen mit Alkohol das Harz, mit verdünnter Salzsäure die Stärke entfernt und in dem gleichen Papierstreifen auch die Asche bestimmt. Hierbei zieht der Alkohol nicht nur das beim Leimen zugesetzte, sondern auch das im Holzschliff enthaltene Harz aus. Dr. Müller hat diese Harzmenge bei den verschiedenen Holzschliffen be stimmt und noch vor kurzem auf diesen Punkt hingewiesen. Zur Bestimmung der Leimfestigkeit gelangt das durch Post veränderte Leonhardi’sche Verfahren in Anwendung. In der Versuchsanstalt befeuchtet man einen Flocken Baumwolle mit wässeriger Tanninlösung und fährt hiermit über die Rückseite des zu prüfenden Papiers, auf dessen Vorder seite vorher einige Striche mit Eisenchlorid gezogen waren. Das Tannin wird sofort mit Fliesspapier nachgetrocknet, so dass ein Eindringen seiner Feuchtigkeit in das Papier von der Rückseite her nicht zu befürchten ist. Ist das Papier schlecht geleimt, so kann die Eisenchlorid Lösung durch das Papier dringen, sie trifft mit dem Tannin auf der Rückseite zusammen, bildet damit Tinte, und die Striche werden dunkel. Ist das Papier hingegen leimfest, so findet die Tanninlösung auf der Rückseite keine Eisenchlorid lösung vor, und es entsteht keine dunkle Färbung; in der Durchsicht sieht man nur die gelben Striche der Eisenlösung. In Kapiteln X und XI ist die Reihenfolge angegeben, in welcher die Untersuchungen am besten ausgeführt werden, sowie die Verfügung für die Benutzung der Abtheilung für Papierprüfung an der Königlichen mechanisch-technischen Versuchs-Anstalt, nebst dem Gebührensatz und den Grundsätzen für amtliche Papierprüfungen. Herr Herzberg hat sich auch noch der Mühe unterzogen, eine Tabelle auszurechnen, auf welcher man bei Zugrundelegung einer Papierstreifen länge von 18 cm Länge die dazu gehörige Feinheitsnummer ablesen kann. Die Feinheitsnummer ist der Quotient aus der Länge und dem Gewicht des Papierstreifens. Um die mit dem Zugfestigkeitsprüfer erhaltene Zahl in kg umzurechnen, hat man dann zur Erlangung der Reisslänge in Metern nur die Feinheitsnummer, die auf der Tabelle abgelesen wird, mit der Bruchbelastung in Gramm zu multipliziren. Die ganze Arbeit, besonders aber der mikroskopische Theil wird Jedem, der sich mit Papierprüfungen befasst, sehr willkommen sein, und vorliegende Schrift dürfte auch insofern günstig wirken, als sie die Fabrikanten zur Ausführung eigener Bestimmung der Festigkeit anregen wird. Berlin, 28. Januar 1888. Den Leitern der Versuchsanstalt, der ersten ihrer Art auf Erden, ist eine schwierige Aufgabe gestellt worden, da sie die meisten Prüfungsverfahren neu schaffen mussten. Sie sind sich dessen auch bewusst und haben wiederholt um Mitwirkung berufener und be fähigter Kräfte ersucht, da nur auf diesem Wege aus der in den Kinderschuhen steckenden Papierprüfung etwas Gesundes Kräftiges werden kann. Die Thätigkeit der Anstalt schneidet überdies zu tief in das Erwerbsleben des Papierfachs ein, als dass irgend welche Mängel der Vorschriften und Untersuchungen, sobald sie erkannt sind, un erwähnt bleiben dürften. Da in der sehr verdienstlichen Herzberg’schen Arbeit die jetzt benützten Prüfungs-Verfahren zum ersten Mal der freien Beurtheilung zugänglich sind, so ersuchten wir den in der Papierfabrikation und Prüfung erfahrenen Chemiker Herrn Dr. Wurster um eine sachliche Besprechung des Buches. Da nur freie Aussprache zur Klärung und Vervollkommnung führen kann, so dürfte die Wurster’sche Kritik allen Betheiligten erwünscht sein. Selbstverständlich stehen unsere Spalten jeder anderen sachlichen Beurtheilung offen. Vorzüge der Steinbauten. Von E. H. Hoffmann, Kgl. Kreis-Baumeister a. D. (Schluss zu No. 13.) b) Wehrbauten. In der einfachsten und heut noch in Gebirgsgegenden, z. B. in den Karpathen, am Harz, in westfälischen Flüssen, erhaltenen Weise werden Wehrbauten nur aus quer durch den Fluss gelegten Steinen hergestellt. Solche Stauwerke sind zwar von unbegrenzter Dauer und sehr billig, weil das Flussbett die zu seinem Bau verwendeten Steine selbst liefert, aber sie gestatten in dieser Urform nur die Erzielung geringer Stauhöhe,! weil die unregelmässigen Steine nicht dicht schliessen. Zu unterscheiden sind für den hier vorliegenden Zweck: Feste Wehre und bewegliche Wehre. Um höheren Stau zu ermöglichen, ist das Holz- Abb. 24. wehr entstanden, von welchem Abb. 24 einen durch Einfachheit der Anordnung hervorragenden, an der Mulde vielfach vorkommenden Querschnitt zeigt. Von der Art, wie die Abführung des Wassers erfolgt, heisst ein derartiges Wehr Ueberfallwehr, oder auch noch bestimmter: freies Ueberfall wehr, weil das Wasser frei, ohne jede Leitung vom Oberwasser in das Unterwasser überfällt. Je grösser die Höhe des Ueberfalls, desto verderblicher wirkt der üeberfall auf den Bestand des Wehres und auf die Erhaltung der Ufer, denn um so grösser sind—unter übrigens gleichen Verhältnissen — die im Unterwasser entstehenden Auskolkungen Daher ist das in Abb. 25, 26, 27 dar gestellte Rückenwehr, welches aus einem festen Holzverband mit dazwischen gepackten unregel mässigen Steinen besteht, um so mehr jenem vorzuziehen, je ruhiger nach Abb. 25 das angestaute Wasser, ohne freien Fall ins Unterwasser übergeht, und je mehr nach Abb. 26 der Holzbedarf, ins besondere der Bedarf an solchem Holz, welches abwechselnd feucht und trocken wird, somit bald fault, verringert wird, oder nach Abb. 27 wohl gänzlich aufhört. Diese Verringerung des Holzbe darfs pflegt Hand in Hand zu gehen mit vermehrter, der Stein verarbeitung zugewendeter Sorg falt. Gänzlicher Fortfall des Holzes kann nur erzielt werden, wenn das Bau werk bis auf den gewachsenen Fels hinabreicht In diesem Fall hat man dann,