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No. 9. PAPIER-ZEITUNG. 163 Druckpapiere der Gegenwart. Wie Herr A. Martens, Vorsteher der Königlichen Versuchsanstalt in Charlottenburg, in seiner Schrift: „Ueber Druckpapiere der Gegenwart“ mit vollem Rechte anerkennt, (No. 2, Seite 18 der Papier-Zeitung) haben Holz und Stroh-Zellstoff sehr viele Eigenschaften, welche sie vorzüglich für die Papierfabrikation geeignet machen. Herr Martens giebt auch zu, dass nicht einzusehen sei, wesshalb der aus einer anderen Pflanze gewonnene reine Zellstoff einer nachträglichen Veränderung in wesentlich höherem Grade unterworfen sein sollte, als der aus der Leinen- oder Hanf-Pflanze gewonnene, welcher, wie allgemein be kannt, aus zumeist stark abgenutzten und mürbe gewordenen Lumpen durch Laugenkochen und Chlorbleiche bereitet wird. Dessenungeachtet ertheilt Herr Martens den Verlegern den Rath, zu Druckschriften, denen sie eine lange Dauer sichern wollen, nur Lumpen papier zu verwenden; und zwar verlangt er, dass es nur bestes Lumpen papier sein soll. Praktisch liegt unseres Erachtens die Sache so: Papier wird in immer grösseren Mengen gebraucht. Das früher einzig zu seiner Herstellung be kannte und benutzte Lumpen-Material reichte bei weitem nicht mehr aus, selbst nachdem man bereits zu so geringwerthigen Lumpen hatte greifen müssen, dass die daraus hergestellten Papiere bald nach ihrer Herstellung den mässigsten Anforderungen kaum genügten, geschweige denn irgend welche Gewähr für längere Dauer versprachen. Die Nutzbarmachung von Holz- und Stroh-Zellstoff wirkte daher wie eine Erlösung. Durch dieselbe wurden die meisten Papiere schöner und sehr viele ganz erheblich fester. Hauptsache war aber zunächst: es konnte der Bedarf an brauchbarem und gutem Papier in reichlichem Maasse zu billigen Preisen gedeckt und da durch den geistigen Erzeugnissen grössere Verbreitung verschafft werden. Wir geben auf nachfolgender Tabelle die vor einigen Tagen ermittelte Reisslänge und Dehnung einiger Papiere, welche, ausgenommen X und XI, von uns hergestellt worden sind. No Gear beitet Stoffzusammen setzung Thon % lano an er mittel Bemer kungen*) Reiss länge in m Deh nung in °o Reiss länge in m Deh ¬ nung in Reiss länge in in Deh nung in 0/ I. 1873 Neue Flecke von Leinen u. Baum wolle 97% . . . 3,0 5299 1,57 3726 2,93 4513 2,25 11. 1873 Leinen u.Baumwolle 55,0 %, Fichten holzstoff 45,0% . 5,0 3994 1,25 3370 2,81 3682 2,03 111. 1873 Leinen u.Baumwolle 4,45 3792 1,31 2656 2,15 3224 1,73 IV. 1873 Strohzellstoff 94,06% 5,94 5651 1,50 3434 2,75 4542 2,12 V. 1874 Strohzellst. 45,25%, Holzzellstoff45,25% 9,50 6291 1,87 4639 3,37 5465 2,62 VI. 1878 Holzzellst. 42,50%. Holzschliff 42,50% 15,00 4391 1.09 1824 1,81 3108 1,45 VII. 1878 Holzzellst. 36,00%, Aspen - Holzstoff 54,00% 10,00 3947 1,00 2023 1,37 2985 1,18 VIII. 1882 Leinen 6,00%, Stroh- Zellstoff 94,00"/ — 4336 1,81 2853 3,93 3595 2,87 IX. 1884 Strohzellstoff 100% — 5528 1,68 3690 2,56 4609 2,34 X. 1884 HolzzellstoffSO.OO'Vo 20,00 4637 1,00 3112 2,12 3875 1,56 XL 1884 Holzzellstoff 85,50% 14,50 5513 1,12 2866 1,37 4189 1,25 XII 1885 Strohzellstoff 100% — 5071 2,25 3176 4,25 4124 3,25 ( Unters.- ; Result. v. (10.3.1885. 6411 2,10 3394 4 20 4902 3,15 XIII 1885 Strohzellstoff 100% — 5299 1,97 3682 3,50 4491 2,74 ( Unters.- { Result.. v. (8.6.1885. 5563 2,40 3500 5,30 4531 3.85 Nur von den Sorten XII und XIII sind am Tage der Herstellung Reisslänge und Dehnung ermittelt worden, sodass ein maassgebendes Urtheil über etwaigen Rückgang aller Sorten nicht möglich ist. Die Papiere haben aber sehr ungünstig gelagert, zeitweise in feuchten Räumen, zeitweise im Kontor in der Nähe des Ofens; es sind eben Proben, die wir zufällig noch besessen haben, und die lange nicht beachtet wurden. Die Papiere sehen jedoch noch unverändert aus, und da auch sehr oft frisch hergestellte Papiere aus solchen Stoffen kaum grössere Festigkeit und Dehnung zeigen, so haben die Untersuchungszahlen immerhin einen nicht zu unterschätzenden Werth. Als einzige Grundlage für seine Befürchtung, dass Stroh- und Holz- Zellstoff nicht gleiche Dauerhaftigkeit wie Lumpenstoff hat, führt Herr Martens ein von Herrn Professor Hartig untersuchtes Papier aus reinem Holz-Zellstoff an, welches nach 1 7 10 Monaten 3,25 3,43 3,65 km Reisslänge und 6,21 3,87 1,36 9/ Dehnung aufwies. Eine Veränderung ist nicht zu verkennen. Das Holz-Zellstoff-Papier ist fester geworden, jedoch in der Dehnung sehr zurückgegangen. *) Wo Bemerk, fehlen, sind die vor einigen Tagen ermittelten Resul tate angegeben. Wir möchten gleich hier als allgemeine Bemerkung einfügen, dass nach unseren Wahrnehmungen den Dehnungsermittelungen eine gar zu hohe Be deutung nicht beigemessen werden sollte. Die Dehnung hängt, wie uns viele Versuche dargethan haben, zunächst in hohem Grade von dem Feuchtig keitsgehalt des betreffenden Papieres ab. Jeder Papiermacher, der öfter Normalpapiere arbeitet, wird dies bestätigen. Manches Papier, welches, von der Maschine kommend, weit fester als nöthig war, aber eine ganz ungenügende Dehnung hatte, erholte sich auf dem Lager nach kurzer Zeit und genügte den Anforderungen reichlich. Es hatte aus der Luft Feuchtig keit aufgenommen und war dadurch elastischer geworden. Wir konnten dabei auch meistens die Wahrnehmung machen, dass die Reisslänge um eine unbedeutende Kleinigkeit zurückgegangen war. Ausserdem gelingt es dem geschicktesten Fabrikanten nicht immer, aus scheinbar gleich gutem Material mit Sicherheit stets Papiere mit gleich hoher Bruchdehnung herzustellen. Man hat auch auf diesen Punkt erst mehr Werth gelegt, seit die Papier prüfungen allgemeiner geworden sind und arbeitet jetzt bei der Fabrikation auf diesen Punkt von vornherein hin. Wenden wir uns wieder zu der Har tig’schen Untersuchung, so könnte also zunächst der Fall vorliegen, dass der Stoff sehr ausgetrocknet war. Ausserdem stammt der Holz-Zellstoff allem Anscheine nach aus der Kinder zeit dieser Industrie. Wenn bis etwa vor zwei Jahren viele Holz- und Stroh-Zellstoffpapiere trotz Feuchtens u s. w. sehr oft geringe Dehnung zeigten, so muss das auf unrichtige Behandlung zurückgeführt werden, die jetzt kaum noch in einer Fabrik vorkommen dürfte. Schliesslich soll auch garnicht in Abrede gestellt werden, dass trotz aller Erfahrungen und Fortschritte, trotz aller Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit immer noch manchmal schlechter Holz-Zellstoff vorkommen kann Solchen schlechten Stoff mischt aber kein praktischer Papiermacher in Papiere, wie sie die Tabelle des Schriftchens aufweist; und welche Thatsache spricht dafür, dass so schlechter Zellstoff in den von Herrn Martens untersuchten Papieren enthalten ist? Die Hadern, wie sie jetzt mit ganz verschwindenden Ausnahmen den Papierfabriken zu Gebote stehen, haben in Spinnereien, Bleichereien, Appreturanstalten und namentlich in den Waschküchen der Haushaltun gen hundertmal, aber viel unrationeller den Prozess zu erleiden, den man Stroh- und Holz-Zellstoff nur einmal und zwar mit weit grösserer Sorgfalt durchmachen lässt. Wer diese Fabrikation kennt, wird wissen, dass die chemischen Prozesse bereits längst die von Herrn Martens gewünschte „vollkommene Anwendung“ finden. Giebt es aber nicht auch recht viel schlechte Hadern? Wie oft kauften Papierfabriken von Spinnereien oder Bleichereien neue Garne oder Garnabfälle, gebleicht oder ungebleicht, die total vermorscht und so mürbe waren, dass sie nur zu geringen Papieren verwendet werden konnten! Anderseits ist es schon dem vorsichtigsten Fabrikanten vorgekommen, dass aus festesten Hadern hergestellte Papiere durch irgend einen Fehler in der Fabrikation nach ganz unglaublich kurzer Zeit brüchig und mürbe wurden. Trotzdem das frühere Hadernmaterial bis Anfang dieses Jahrhunderts zweifellos besser war, als das jetzige, sind doch gewiss nicht alle Papiere aus jener Zeit haltbar gewesen. Wir kennen recht schlechte. — Es haben sich eben nur die wirklich guten so erhalten, dass sie heute zur Festigkeitsprüfung Anlass geben konnten. Dass ver schiedene Pflanzenfasern verschieden fest und dauerhaft sind, ist unbestreit bar. Ob aber Stroh- und Holz-Fasern weniger fest und dauerhaft als die von Baumwolle, Leinen oder Hanf sind, ist noch eine offene Frage. Wer den die letzteren so den Witterungseinflüssen ausgesetzt wie jedes Stroh dach oder jeder Lattenzaun, dann faulen sie meist schneller; z. B. hat sich das Holz der Mumiensärge noch besser erhalten als das zum Umwickeln benutzte Gewebe! Es bietet also an sich ein aus Hadern hergestelltes Papier keine Ge währ für lange Dauer. Bei weitem der grösste Theil des den Papierfabriken zur Verfügung stehenden Hadernmaterials liefert sogar ein ‘Fabrikat, welches dem mit Stroh- und Holz-Zellstoff hergestellten ganz erheblich nachsteht. Wer die Vergangenheit dieser Hadern berücksichtigt und die sorgfältige und sach gemässe Behandlung kennt, welche Stroh und Holz heute bei ihrer Um wandlung in reinen Zellstoff erfahren, wird diese Stoffe den meisten Hadern sorten vorziehen. Wenn bei einem Papier mit geringer Reisslänge die mikroskopische Untersuchung neben Fasern von Leinen oder Baumwolle solche von Stroh- oder Holz-Zellstoff aufweist, so ist noch nicht gesagt, dass die geringere Festigkeit den letzteren Fasern zuzuschreiben sei; sie kann ebensogut mit der Anwesenheit der Leinenfaser Zusammenhängen. Zum mindesten giebt das Mikroskop keinen Aufschluss darüber, welche Faser denn eigentlich die weniger feste ist. Schliesslich hiesse es auch jeden Fortschritt hemmen, wollte man neue Stoffe, welche alle guten Eigenschaften zur Papiererzeugung haben, nur desshalb verwerfen, weil sie noch nicht Jahrhunderte überdauert haben. Ferner fragt man sich vergeblich, inwiefern der Thon den Papieren schadet. Bei vielen hat er sich stets als sehr nützlich, ja fast unentbehr lich gezeigt, indem er die Druckfähigkeit ganz bedeutend erhöhte. Thon an sich ist dauerhafter als jede Faser; zur Erhöhung der Festigkeit des Papiers trägt er allerdings nicht bei. Wenn aber zwei Papiere gleich fest sind, von denen das eine keinen Thon, das andere hingegen 20 % enthält, so hat das letztere unbestritten die festeren Fasern. Vorläufig wird all gemein angenommen, dass äusser der sorgfältigen chemischen Behandlung hauptsächlich die Festigkeit der Faser die beste Gewähr für Dauerhaftig keit bietet. Daher werden für wichtige Dokumente Papiere mit möglichst grosser Festigkeit von den Behörden vorgeschrieben. Dann muss aber von obigen beiden Papieren gerade das thonhaltige als das dauerhaftere ange sehen werden. Herr Martens sagt, die Verleger sollten sehr vorsichtig sein und nur