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140 PAPIER-ZEITUNG. No. 8. Buchgewerbe. Druckindustrie, Buchbinderei, Buchhandel. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme, Mitarbeiter und Korrespondenten erhalten angemessenes Honorar. Eingesandte Werke finden Besprechung. Einheitliche Bezeichnung der Druckschriften. Thema 2 der vierten Abtheilung des Internationalen Wettstreits zu Brüssel (siehe S. 1572 vor. Jhrgs.) lautet wie folgt: Wie könnte eine neue Bezeichnung der Druckschriften durchgesetzt werden? In der Benennung der Druckschriften herrscht unstreitig die grösste Ver wirrung; wäre es nicht angezeigt, auf die frühere Eintheilung zu verzichten, weiche, auf die Aehnlichkeit mit den Lettern aus der Anfangszeit der Buch druckerkunst gegründet, mehr und mehr verschwindet, und eine neue Ein theilung auszufinden, entweder auf Grundlage der Letterngrösse, deren Zeichnung oder anderer beliebigen Formenzufälligkeiten? Diese Angelegenheit, welche bei dem wachsenden Schriftreich thum der Gegenwart an Wichtigkeit gewinnt, ist auch in Fachkreisen Deutschlands schon wiederholt zur Sprache gekommen. Vor etwa drei Jahren beschäftigte sich die Berliner Typographische Gesell schaft damit; man verzichtete aber damals nach kurzer Berathung auf eingehende Verhandlung, weil bei den nach Landestheilen und Einzelgeschäften verschiedenen festgewurzelten Bezeichnungen die Annahme bestimmter Vorschläge aussichtslos erschien. Als Haupt grund für Absetzung dieses Themas wurde angeführt, dass die Wurzeln der betreffenden Bezeichnungen in den Schriftprobenbüchern der Giessereien ruhen, und dass man den letzteren nicht zumuthen könne, ihren werthvollen Vorrath von Schriftproben zu Gunsten einer neuen Ordnung umzudrucken. Andernfalls aber versprach man sich von Aufstellung fester Bezeichnungen keinen Erfolg. Die Angelegenheit ist indess wichtig und interessant genug, um von neuem besprochen zu werden, und die unmittelbare Anregung, welche der Wettstreit bietet, giebt dem Schreiber dieser Zeilen Ver anlassung, seine Ansichten hier niederzulegen. Aus der wenig bestimmten Fragstellung des Wettstreits sind zwei Theile scharf herauszuheben: 1. Bezeichnung der Schriftgrösse. 2. Bezeichnung der Schriftform. Der erste Theil, bei welchem sich überhaupt nur wenig Schwierig keiten ergeben konnten, ist seit Einführung des sogenannten Punkt systems in allen Ländern, welche dasselbe angenommen haben, voll ständig erledigt. Wenn man die Schriftgrösse nach typographischen Punkten bezeichnet, ist ein Irrthum nicht möglich. Auch die früher schwankenden Grössen der Schriften über Doppelmittel (= 28 Punkt): der kleinen und groben Kanon, kleinen und groben Missal und Sabon sind jetzt geordnet. Während man früher eine kleine Kanon von 32 und eine solche von 36 Punkt, eine grobe Kanon von 40 und von 48 Punkt kannte, bezeichnet man jetzt ziemlich allgemein nur die Schriften von 36 und 48 Punkt als kleine und grobe Kanon. Die selten vorkommenden kleineren Zwischengrade von 32 und 40 Punkt heissen entweder Doppeltertia und Doppeltext, oder werden einfach als Kegel 32, Kegel 40 bezeichnet. Auch dass man für einzelne Kegelgrössen in verschiedenen Landestheilen verschiedene Bezeichnungen hat, ist kein bedeutender Missstand. Jeder deutsche Buchdrucker weiss, dass Kegel 7 sowohl als »Colonel« als auch als »Mignon«, Kegel 10 als »Corpus« oder »Garmond« bezeichnet werden können. Irrthümer sind dabei ausgeschlossen, und dieser Theil der Frage ist für Deutschland wenigstens beantwortet. Und da im Ausland gesunde Zustände nur durch Annahme des Punktsystems geschaffen werden können, wird er auch für dieses binnen absehbarer Zeit erledigt sein. Anders dagegen liegt die Sache bei den Schriftbezeichnungen, welche sich auf die Formen der einzelnen Schriftbilder beziehen. Dabei herrscht allerdings noch grosse Verwirrung, und der Setzer, welcher eine neue Stellung antritt, muss sich fast stets erst einige ihm bisher nicht geläufige Bezeichnungen einprägen, ehe er die ge gebenen Anweisungen richtig befolgen kann. Diese Verwirrung ist besonders darauf zurückzuführen, dass viele Schriftgiessereien den aus gekauften oder sonstwie erworbenen Matrizen gegossenen Schriften mit Vorliebe andre Namen geben, als die Giesserei, welche die Stempel schneiden liess. Man sucht damit den Glauben zu erwecken, als sei die betreffende Schrift eignes Erzeugniss, überträgt auch vielleicht nur einen im Geschäft eingeführten Gattungs namen auf die neue Schrift. Die nachstehende Schrift z. B.: Papier-Zeitung führt in verschiedenen Druckereien folgende verschiedene Bezeich nungen: Magere Egyptienne, Englische Egyptienne, Jonisch, Schmale Jonisch, Clarendon. Schmale Clarendon, Unter diesen 6 Namen, durch welche die Zahl der gebräuch lichen vielleicht noch nicht erschöpft ist, hat nun der Buchdrucker die Auswahl. Soweit es sich um unverzierte, nicht manierirte Werk- und Aus zeichnungsschriften handelt, dürfte die Einführung einheitlicher Bezeichnungen noch nicht allzu schwierig sein. Man müsste nur für genaue Erklärung der Wortbedeutungen sorgen, so dass die charak teristischen Eigenthümlichkeiten der einzelnen Schriftarten nicht nur durch Beispiele, sondern auch durch Beschreibung festgestellt werden können. Die Aufstellung eines Systems, welches die gangbarsten Schrift arten in Abtheilungen ordnet, dürfte auch für Leser, welche von der Angelegenheit nicht unmittelbar berührt werden, interessant sein. Wir besitzen in Deutschland zwei ihrer Form nach grund verschiedene Schriftgattungen: Antiqua und Fraktur. Diese Schrift gattungen zerfallen wieder in zahlreiche Unterabtheilungen, welche aber theilweise nach ganz verschiedenen Grundsätzen ausgebildet sind. Die Unterabtheilungen der Antiqua beruhen nur auf Ver änderungen der Verhältnisse einer einzigen feststehenden Grund form, die Unterabtheilungen der Fraktur dagegen beruhen fast sämmtlich auf Veränderungen der Form selbst. Wenn z. B. Antiqua-H in verschiedenen Schriftarten folgende Formen annimmt: H H H H H H HHHHH H so bleibt in denselben doch immer die Grundform H erkennbar. Bei den Unterabtheilungen des Frakturstammes dagegen treten theil weise so starke Form Veränderungen ein, dass fast alle Aehnlichkeit derselben unter einander verloren geht: $6 52 218 85 16 Da somit die Unterschiede innerhalb des Frakturstammes viel charakteristischer sind als die innerhalb des Antiquastammes, so wird Fraktur leichter zu ordnen sein als Antiqua. Dies ist auch in der That der Fall, und die erwähnten Schwierigkeiten beziehen sich fast ausschliesslich auf Klassen-Eintheilung der Antiqua. Wir beschränken uns daher auf Besprechung dieser Schrift. Man kann dieselbe in drei Gruppen theilen, deren wesentliche Merkmale aus folgenden Beispielen zu erkennen sind: H II H 12 3 Figur 1 zeigt die einfache Grundform; nackte Züge ohne Ab schnittslinien. Weitere Vereinfachung ist nicht möglich, denn wollte man irgendwelchen Theil entfernen, so würde der Buchstabe nicht mehr als H erkennbar sein. Diese einfachste Form nennt man Block- oder Steinschrift. Figur 2 zeigt die gewöhnliche moderne Antiqua. Zu den Bestand- theilen von Fig. 1 sind Abschnittstriche hinzugekommen, welche die senkrechten Züge oben und unten abgrenzen und bei Aneinander reihung gleichartiger Buchstaben zwei waagerechte Parallelen ‘andeuten, zwischen welchen die Zeile eingeschrieben zu Sein scheint. Die Ab schnittstriche sind ohne oder fast ohne Vermittelung angesetzt und stehen scharf im rechten Winkel ab. Figur 3 dagegen, welche ebenfalls Abschnittstriche besitzt, zeigt zugleich eine den Kunstgesetzen entsprechende Vermittelung zwischen senkrechten und waagerechten Bestandtheilen durch eingeschaltete Bogen, an deren Stelle auch schräg gestellte gerade Linien treten können. Diese allmälige Ueberführung des Hauptzuges in den Ab schnittstrich, welche gleichzeitig deutlich ausgebildete Köpfe und Füsse erzeugt, entspricht den An- und Ablaufformen der Tektonik, verleiht den Buchstaben monumentalen Charakter und macht die dritte Schriftgruppe zu der künstlerisch durchgebildetsten. Ihr ge hören die sogenannten Renaissanceschriften an. Jede dieser drei Hauptgruppen zerfällt wieder in mehrere Unter abtheilungen, welche durch Veränderung der Verhältnisse von Höhe zu Breite und durch Verstärkung oder Abschwächung der Hauptzüge entstehen. Fortsetzung folgt Sei vorsichtig in der Beanspruchung von Gefälligkeiten. Erwäge vorher, oh man Deine Wünsche ohne besondere Schwierigkeit erfüllen kann, ob Du vorkommenden Falls Gegenleistungen bieten kannst, und ob Du in früheren Fällen Dich selbst gefällig zeigtest. Wer die Güte Andrer miss braucht, verliert deren Achtung.