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No. 8. PAPIER-ZEITUNG. 139 Patent-Gesetzgebung. Bei Schaffung des deutschen Patentgesetzes wollte man sich mit Recht an das System anlehnen, welches sich am besten bewährt hatte. Da sich in keinem andern Lande der Erfindungsgeist so mächtig entwickelt hatte, wie in den Vereinigten Staaten von Amerika, so wurden die dortigen Einrichtungen den unsrigen zu Grunde gelegt. Im Anfang wurde auch nach amerikanischer Art nahezu alles patentirt, was sich nicht als bekannt nachweisen liess, bis Stimmen in der Presse und sogar im Reichstag verlangten, dass geringfügige Dinge nicht als Erfindung angesehen werden sollten. Allmälig, und besonders mit dem Eintritt des neuen Vorsitzenden, wurde die Prüfung ver schärft, d. h. es wurden immer mehr Anmeldungen mit der Be gründung zurückgewiesen, dass der Gegenstand nicht als Erfindung gelten könne. Aus den Kreisen der vielen in ihren Hoffnungen getäuschten Erfinder werden jetzt immer mehr Stimmen laut, welche mit dieser Art der Behandlung unzufrieden sind. Unter den behufs Verbesse rung des Patentgesetzes 1887 berufenen Sachverständigen waren die Ansichten getheilt; Manche fanden die jetzige Prüfung zu scharf, Andere wünschten sie noch strenger. Um eine gerechte Grundlage, eine gesetzliche Richtschnur für die Prüfung zu finden, suchte man festzustellen, was als Erfindung gelten solle, kam aber nach ein gehender Berathung zu dem Schluss, dass durch derartige Erläute rungen nichts gebessert werden könne. Da stets Menschen ent scheiden müssen, so ist dafür zu sorgen, dass die besten sachver ständigsten Kräfte mit solchem Amt betraut werden. Deren Ent scheidungen können dann das menschlich Erreichbare bieten, wenn sie auch so wenig wie richterliche Urtheile auf unfehlbare Richtigkeit Anspruch haben. Bei der jetzt in Vorarbeit begriffenen Umgestaltung des Patent gesetzes wird es sich empfehlen, wieder einen Blick auf das amerikanische Patentwesen zu werfen. Wir haben dasselbe aufmerksam verfolgt und finden, dass die betriebsame Bevölkerung jenseits des Oceans mit ihrem Patentgesetz im grossen Ganzen nach wie vor zufrieden ist. In letzter Zeit wurde nur verlangt, dass die mit der Prüfung der Gesuche betrauten »Examiners« mehr technische Kenntnisse be sitzen sollten. Man hatte sogar die Errichtung einer technischen Schule zu deren Heranbildung empfohlen. Der Patentschutz ist bei uns wie überall geschaffen worden, um den Erfindungsgeist zu wecken und dadurch die gewerbliche Thätig- keit zu fördern, und es wird allgemein anerkannt, dass das deutsche Patent-Gesetz schon sehr segensreich gewirkt hat. Amerika ist jedoch in dieser Hinsicht nach wie vor unerreicht, und die dortige Erfahrung desshalb werthvoller als die scharfsinnigsten Betrachtungen. Die Patentirung von Kleinigkeiten, von scheinbar unwichtigen Dingen hat der Industrie der Vereinigten Staaten nicht geschadet, fördert aber den Erfindungsgeist der sogen, kleinen Leute, der Arbeiter, erfüllt also den Zweck der Patent-Gesetzgebung. Damit die Patentirung von Kleinigkeiten keine schädlichen Folgen haben kann, muss man nach Möglichkeit dafür sorgen, dass der Umfang der geschützten Erfindung durch die Patentansprüche klar begrenzt wird, und dass jedes zu Unrecht ertheilte Patent ohne zu grosse Schwierigkeiten vernichtet werden kann. Durch Schaffung eines billigen Schutzes gewerblicher Muster — der in der deutschen Gesetzgebung jetzt fehlt — könnte ausserdem Verminderung der Patentgesuche auf Kleinigkeiten bewirkt werden. Bei der Neugestaltung des Patentgesetzes sollten auch die Stimmen nicht ungehört bleiben, welche eine Vereinigung der ganzen Gewerbeschutz - Gesetzgebung, des Patent-, Muster- und Marken schutzes in einer grossen Behörde empfehlen. Zur Beseitigung aller berechtigten Klagen wäre eine sachgemässe Einrichtung dieser Art am geeignetsten. Neuheiten. Unter dieser Ueberschrift werden alle von Abonnenten eingesandten Muster von Erzeugnissen der Papier- und Schreibwaaren - Industrie, welche Neues oder Bemerkenswerthes bieten, kostenfrei besprochen. Papier-Ausstattung. Die Osnabrücker Papierwaarenfabrik (A. Löwenstein) Berlin S.W. 68, legte uns eine Anzahl ihrer interessan testen Neuheiten für *88 zur Kenntnissnahme vor. Die verhältnissmässig junge Firma hat schon in den letztvergangenen Jahren gezeigt, dass sie entschlossen ist, eigene Wege zu wandeln und durch neue, aussergewöhnliche Ausstattungsformen bei Verwendung feinster Stoffe und bester Ausführungs arten die Beachtung verwöhnter Kreise zn erzwingen. Auch die dies jährigen Muster bekunden im Hervorsuchen und Ausarbeiten eigenartiger Effekte bemerkenswerthes Talent. Eine der interessantesten Nummern stellt eine Art Buchdecke dar, ir Aufnahme von Briefbogen und -Umschlägen ein gerichtet sind. Diese Buchdecke ist aussen mit dickem, alterthümlich gemustertem Gewebe überzogen, welches mit seinen schweren stumpfen Farben an moderne Vorhang- und Sophastoffe erinnert. Die Innenseiten tragen einen reichen Ueberzug von Büttenpapier in Mahdi-Farbe mit regelmässig verstreuten stilisirten goldenen Lilien. Hierauf sind dreieckige, ebenfalls mit Gewebe bezogene kleine Taschen angebracht, in welche die Ecken der Briefbogen und -Umschläge ge steckt werden. Die Briefstoffe selbst bestehen aus stumpflachsfarbigem, rauhem und starkem Bütten papier auf welchem gelungene Nachahmungen alter Glasmalereien als Ecken- und Klappenverzierung an gebracht sind. Die Briefbogen zeigen in gothischen Umrahmungen Damen des 15. Jahrhunderts in Brust bild und voller Figur, mit den eigenartigen Kopfputz formen damaliger Zeit, während die Umschläge auf den Verschlussklappen kreisförmige Verzierungen tragen, welche ebenfalls bunte Scheiben nachahmen. Die Farben sind sehr lebhaft, die Bleifassung ist durch Silberbronze und Hochpressung gut angedeutet, und ein gleichmässig aufgestrichener Lack-Ueberzug giebt den betreffenden Stellen glasartigen Glanz. Wir zeigen in Fig. 1. eine Briefbogen-, in Fig. 2. eine Umschlagklappen-Verzierung. Dicke gelbe Schnüre umschlingen die einzelnen Lagen, treten durch Schlitze auf den Deckel vor und tragen drei mächtige Siegel, von welchen zwei an der Vorderseite befestigt sind, während das dritte aus dem Innern heraushängt. Die Eigenart alterthümlicher Urkunden ist durch diese unbeholfenen Anhängsel wirksam angedeutet. Eine zweite Schachtel trägt auf dem diagonal getheilten Deckel die Inschrift: „Le jour et la nuit.“ Ein hübsch ge webtes rosafarbiges Band mit Schleife trennt die beiden dreieckigen Theile, welche mit silbergrauem und rosafarbigem Atlasstoffbezogen sind. Iminnernliegen 15/15 sahnfarbige Briefbogen und Um schläge mit hübschem durch Wasser zeichen erzeugtem Holzmasermuster. Auf den Briefbogen werden Tag und Nacht durch zwei Frauen gestalten dargestellt, von welchen die eine sich auf Blüthen- zweigen wiegt, während die andere fröstelnd auf einer Mondsichel sitzt. Dieselben Sinnbilder kehren auch auf den Umschlägen wieder. Ein Blüthenzweig deutet dort den Tag, eine hochgepresste silberne Mondsichel mit Sternen die Nacht an. Von solchen feinsten Papier-Ausstattungen wird, wie uns mitgetheilt wurde, nur eine kleine Auflage, etwa 500 Stück, fertiggestellt und in nume- rirten Exemplaren, nach Art der Künstler-Abzüge und Liebhaber-Ausgaben, meist an regelmässige Abnehmer zu festen Preisen , verkauft. Bei den zahlreichen, zum Theil künstlerisch ausgeführten Mustern kam in um fassender Weise Radirung und Stahlstich zur Anwendung. Durch Hinzufügung einer leichten Ueberarbeitung mit Tuschtönen, z. B. bei einigen trefflichen Karrikaturen modischer Herren und Damen, wurde sehr feine und an sprechende Wirkung erzielt. Die vorsichtig gewählten Farben sind über aus sauber und zart aufgetragen, und mit vollendetem Geschick sind hier und da kleine Glimmerstäubchen angebracht, welche den Glanz von Brillant nadeln, Stahlagraffen u. s. w. in gelungener Weise nachahmen. Ob die einzelnen Waaren Holz, Stickerei oder römische Mosaik nachahmen, — alles trägt den Stempel sorgfältiger Ueberlegung und zielbewusster, sach kundiger Ausführung. Die kennzeichnende Eigenthümlichkeit aller dieser Muster, unter welchen sich auch Speisezettel, Tanzkarten u. s. w. befinden, besteht darin, dass sie vom Alltäglichen abweichen. Dass dabei hier und da die Grundsätze reiner Zweckmässigkeit verlassen wurden, darf bei einer Firma, welche s. Z. das Mahdi-Papier herausgab und damit Erfolg hatte, nicht Wunder nehmen. Alle diese Absonderlichkeiten sind aber so zielbewusst und keck ausgeführt, dass an ihrem Erfolg kaum zu zweifeln ist. Auch die Erzeugnisse der eignen Buchdruckerei genannter Firma weichen von der Alltagsschablone ab. Hier ist amerikanischer Einfluss un verkennbar, und einige der zur Anwendung gebrachten Zierstücke, so be sonders eine mehrfach verwendete an chinesische Vorbilder erinnernde Bambus-Einfassung, sind ersichtlich amerikanischen Ursprungs. In schein barem Gegensatz hierzu stehen andere Druckarbeiten, welche sich der altdeutschen Richtung anschliessen. Alle diese verschiedensten Ausführungs- arten aber begegnen sich in dem gemeinsamen Streben, Ungewöhnliches und Neues in bester Beschaffenheit zu bieten. Dass dies der rührigen Firma gelungen ist, wird selbst ein Gegner einzelner Richtungen nicht bestreiten. deren Innenseiten Fig. 1. Höflichkeit und Zuvorkommenheit sind das beste Kapital, das man in einem Geschäft anlegen kann. Prächtige Geschäftsräume, vergoldete Schilder, auffallende Anzeigen verfehlen ihre Wirkung, wenn die An gestellten den Käufern schroff und unfreundlich entgegentreten. ' Je freund licher und verbindlicher Jemand ist, desto entgegenkommender wird in jeder Hinsicht auch seine Kundschaft sein.