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No. 7. PAPIER-ZEITUNG. 125 Mengen Nürnberger Siegellack namentlich auch nach Venedig ge schickt wurden. Dieser bestand aus besonders verfertigten sehr dünnen Stangen. Auch gegenwärtig wird die Siegellackherstellung in Nürnberg noch flott betrieben, wenn auch der Jahresbericht der Handels und Gewerbekammer für Mittelfranken sich nicht sehr lobend über das Geschäft im Jahre 1886 ausspricht. Es war schleppend und trotz aller Mühe konnte der Umsatz der Vorjahre nicht erzielt werden. »Das Geschäft wird täglich schwieriger, da verschiedene Hauptabsatz gebiete, wie Oesterreich, Italien, Schweiz, Spanien, auf Siegellack so hohen Eingangszoll gelegt, dass mit den einheimischen Erzeugnissen nur schwerer Mitbewerb ist. Ein weiterer Grund für den schlechten Geschäftsgang war auch der Rückgang des Silberwerthes, der das Geschäft nach Indien fast zur Unmöglichkeit machte.« Natürlich hat man auch schon nachgeforscht, wem eigentlich die Erfindung des Siegellacks zu danken sei; man ist aber bis jetzt zu keinem sicheren Schluss gelangt. Die Franzosen erzählen, dass ein in der Nähe von Auxerres gebomer Landsmann, Namens Francois Rousseau, der längere Zeit in Persien und Ostindien gereist, nach seiner Rückkehr nach Paris durch eine Feuersbrunst sein ganzes Vermögen verloren habe, wesshalb er auf den Einfall gerieth, sich und seine Familie durch Bereitung von Siegellack aus Gummilack, die er in Indien oft mit angesehen, zu ernähren. Eine Frau von Longueville habe den Siegellack bei Hofe bekannt gemacht und ver anlasst, dass Ludwig XIII. sich desselben bediente, worauf natürlich der Lack von ganz Paris gekauft und gebraucht worden sei. Ehe ein Jahr verflossen, soll Rousseau 50000 Livres damit gewonnen haben. Diesen Rousseau geben die Franzosen als Erfinder des Siegellacks aus; da aber seine Erfindung um das Jahr 1640 fällt, so ist er etwas zu spät damit gekommen. Andere vermuthen dass, entsprechend der Angabe in der vor hergehenden Erzählung, die wahre erste Erfindung des Siegellacks in Ostindien gemacht worden sei. Eine Bestätigung dieser Annahme finden sie in der Tavernier’schen Reisebeschreibung (Genf 1681) der im Königreich Asem (Assam, Indien), Stangen von Gummilack sah, die zum Siegeln dienten, eine Angabe, die in Dapper’s ausführlicher Beschreibung von Asien (Nürnberg 1681) wiederholt wird. Möglicher Weise stammt der Siegellack auch von dem uralten Kulturvolke der Chinesen her, die uns auf so vielen Gebieten voraus waren, und deren Siegellack noch in der Gegenwart als unerreicht bezeichnet wird. Sollte aber nicht noch eine andere Annahme über den Ursprung des Siegellackes näher liegen? Aus der Tegernsee’er Vorschrift zur Bereitung des Siegelwachses haben wir gesehen, dass man zu drei Theilen Wachs einen Theil heimisches Pech nahm; die älteste Vor schrift über die Bereitung des Siegellacks vom Jahre 1579 nimmt ebenfalls einheimisches Wachs. Wäre es nun nicht denkbar, dass man von erster Vorschrift von 1450 ausgehend, vom theuern Wachs nach und nach immer weniger verwendete und dafür den Zusatz des wohlfeileren heimischen Harzes erhöhte, bis man nach über einem Jahrhundert zur Augsburger Vorschrift von 1579 gelangte? Später nahm man dann noch fremde Harze, die allerdings schon zum Maltha verwendet wurden, und verstand es mit der Zeit, feinere Lacke zu liefern. Natürlich müsste aus älteren Ursiegeln das Vorhandensein eines solchen Ueberganges erst bewiesen werden. Die Einführung der Briefumschläge that der Erzeugung des Siegel lackes und der Oblaten grossen Eintrag. Das arabische Gummi hat dieselben aus einer lange Zeit behaupteten Stellung beinahe vollständig verdrängt, denn nur äusserst selten wird noch ein gewöhnlicher Brief gesiegelt, und selbst bei Paketen ohne Werthangabe genügen papierne Siegelmarken. Auch andere neuzeitliche postalische Einrichtungen, wie die Postkarten und besonders die Postanweisungen, haben die Verwendung des Siegellackes eingeschränkt. Den Siegellackfabrikanten dürfte es daher kaum mehr gelingen, den Umsatz früherer Jahre zu erreichen. Sie allein werden die-Verdrängung des Siegellackes vom Schreib- und Packtisch beklagen, während Tausende und Abertausende freudig von den viel einfacheren Neuerungen im Verkehrswesen Ge brauch machen, die ihnen Zeit und Geld sparen. Vielleicht gelingt es den Fabrikanten, durch erhöhten Absatz ihrer Erzeugnisse für tech nische Zwecke die Scharte wieder auszuwetzen. H. B. Vorzüge der Steinbauten. Von E. H. Hoffmann, Kgl. Kreis-Baumeister a. D. I. Hochbauten. Steinbauten aller Art, sowohl diejenigen aus dem Gebiet des Hochbaus, als diejenigen aus dem Gebiet des Strassen- und Brückenbaus, haben den durch mehrtausendjährige Erfahrungen wohl begründeten Ruf, die dauer haftesten aller Bauten zu sein. Gleichzeitig gelten sie aber auch, — mit welchem Recht werden wir später sehen, — als die theuersten Bauten. Richtig ist, dass viele Steinbauten sehr theuer sind; zwei-, drei-, vier mal so theuer als andere Bauten. Jedoch nothwendig ist’s nicht; sie können vielmehr recht billig sein. Sie können an Billigkeit wetteifern mit Bauwerken, welche von viel vergänglicheren Baustoffen, z. B. von Holz, und von dem unter manchen Umständen noch schneller vergänglichen Eisen hergestellt wurden. Dass Bauten von Eisen als vergänglicher gelten sollen, als solche von Holz, wird manchen Leser befremden. Dies ist aber thatsächlich der Fall: 1) wenn in einem Hochbau mit verbrennlichem Inhalt, dessen Decken aus Eisenträgern mit Holzbelag, eingespannten Gewölben oder Wellblech be stehen, Feuer ausbricht; 2) wenn in der Nachbarschaft eines Gebäudes, welches mit Eisendach oder Eisen wand ungen versehen ist, Feuer ausbricht. Das Eisen als vortrefflicher Wärmeleiter wird dann Ursache der Ver nichtung des Gebäudes, welches es schützen soll, selbst in dem Fall, wenn das letztere keinerlei oder nur sehr geringen verbrennlichen Inhalt hat. In New-York wurde auf diese Art um 1877 eine eiserne Kirche zer stört. 1868 brannte in St. Petersburg ein mit Steinwänden errichteter Speicher ab, weil sein aus Eisensparren und Eisenblech bestehendes Dach durch das Feuer eines benachbarten Speichers derart erhitzt wurde, dass es den unter ihm lagernden Hanf entzündete. In Pera kamen am zweiten Pfingst tage 1870 800 Menschen in den aus Eisen und Stein errichteten Wohn gebäuden der Franken um, welche diese in der Meinung, dass sie ihnen bei entstehenden, in Konstantinopel bekanntlich häufig vorkommenden Bränden Schutz gewähren sollten, errichtet hatten. Die in diesen Bau werken Rettungsuchenden starben einen qualvollen Tod, weil sie, als das Eisen sich zu dehnen und zu glühen anfing, nicht mehr entfliehen konnten. Die grosse Feuersbrunst 1866 in den Londoner Docks vernichtete mehrere palastartige, aus Eisen und Stein zusammengekittete Riesenspeicher, und die Besitzer grossartiger Baumwollenspinnereien in Amerika sahen sich veranlasst, wegen der für Eisengebäude unerschwinglichen Versicherungs prämie (2 1/ Prozent) zur Erbauung von Gebäuden mit Holzdecken zurückzukehren. Man bezeichnet in Amerika die Gebäude mit Holzdecken als „Langsambrenner“, während die Eisenbauten als „Schnellbrenner“ gelten. Die furchtbaren Brände der Städte Chicago und Boston wären in dieser Ausdehnung unmöglich gewesen, hätte man nicht unbegreiflicher Weise den aus Stein und Eisen hergestellten Bauten die Fähigkeit zu getraut, dem Feuer Widerstand zu leisten. Alle diese Beispiele und die von sehr erfahrener Seite ausgehenden Warnungen haben nicht vermocht, die übliche Benutzung von Eisenträgern u s. w- zu verhindern. Solche Träger waren beispielsweise in dem grossen, sechsstöckigen Speicher der Speditions- und Lagerhausgesellschaft der Kaiserstrasse 41 in Berlin S O. angebracht, welcher am 2. Oktober v. J. kurz nach seiner Vollendung abbrannte. Hier boten die eisernen Pfeiler und Stützen ein trostloses Bild der Hinfälligkeit. Sie waren geknickt, verbogen, geborsten, mehrfach gewunden und theilweise garnicht mehr wiederzuerkennen. Die Zerstörung war so gross, dass der Königliche Bauinspektor Launer im Berliner Architekten-Verein erklärte, keine nur annähernd zutreffende Beschreibung der Brandwirkung machen zu können, sondern die Mitglieder zu einer Besichtigung der Brandstätte einlud. Wir verfolgen hier nicht weiter, was sich den Augen der Beschauer als Rest eines in Zeit von etwa einer Stunde zerstörten Werths im Betrage von 1/2 Millionen Mark dort zeigte, sondern erwähnen als Erfahrungssatz, dass das Eisen noch schneller als Holz vergeht, je mehr es in möglichster Ruhe in dünnwandigen Formen der unbehinderten Einwirkung des Rostes unterliegt. Ohne nun zunächst von anderen Vorzügen der Steinbauten, als denen ihrer unbestrittenen Dauerhaftigkeit zu reden, ist die Frage von Wichtigkeit: „Wesshalb sind einzelne Steinbauten sehr theuer und andere sehr billig?“ Folgen wir, um uns zunächst mit Hochbauten zu beschäftigen, einer in No. 14, 1886 des Wochenblatts für Baukunde unter der Ueberschrift: „Decken in landwirthschaftlichen Bauten“ gegebenen Erörterung. Sie theilt mit, dass in dem vom jetzigen Geheimen Regierungs- und Baurath von Tiedemann herausgegebenen Handbuch des landwirthschaftlichen Bauwesens folgende Preisangaben für 1 qm Decke sich durch ein gehende Rechnungen begründet finden. 1. Wellblech auf Eisenträgern und Säulen 13 M. —Pf. 2. Gewölbe auf Gurtbogen u. Pfeilern 12, 21» 3. Gewölbe auf Eisenträgern und Säulen 4. Holzbalken, gerohrt und geputzt, mit gehobelten und gespundeten Dielen 9„ — „ 5. Holzbalken mit rauhem Fussboden für Speicher 5 „ 60 „ 6. Holzbalken mit gestrecktem Winkelboden 4 „ 10 » Hiernach ist also der Steinbau sehr theuer, denn er wird im Kostenpunkt nur noch von der Wellblechdecke auf Eisenträgern und Säulen übertroffen. Geheimer Regierungs- und Bau rath von Tiedemann ermittelt die Kosten mit Bezug auf ein bestimmtes als Beispiel in Abb. 1 im Grundriss dargestelltes Bauwerk, nach den Preiseinheitssätzen von a. 1000 Mauersteinen . . 35 M. — Pf. b. 1 hl Kalk 1 » — „ c. 1 cbm Sand .... 2 „ — » d. 1 Stunde Gesellenlohn . — „ 35 » e. 1 „ Handlangerlohn — „ 25 » . , , 12 M. 21 Pf. wie oben angegeben zu 1qm Wenn man jedoch, nach Abb. 2, nun von