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124 PAPIER-ZEITUNG. No. 7. heiligen Messe, als Abendmahlsbrot oder Hostie. In einer von Wilh. Wackernagel herausgegebenen altdeutschen Predigt spricht der Priester: »Du solt och geloben (glauben), so der priester die oflaten gesegnet in der messe, so ist Unser herr in der kleinen oflaten also gross und also gewaltig als er ist in himelrich.« Dann führte auch dünnes, flaches oder zusammengerolltes Gebäck schon im 13. Jahr hundert den Namen Oblate (=Hippe). Vielleicht gerade wegen ihres kirchlichen Gebrauches scheute man sich früher, die Oblaten als Siegelstoff zu verwenden, und dadurch erklärt sich die späte Benutzung dieses für die früheren V erhältnisse ganz bequemen Siegelmittels. Die ältesten Schriftstücke, welche, sei es zur Bestätigung, sei es zum Ver schluss, mit Oblaten gesiegelt sind, stammen aus dem letzten Viertel des 16. Jahrhunderts. Nikolaus Kindlinger fand 1780—1789 in der Urkundensammlung der westfälischen Freiherren v. Heeremann einen Reisepass des Karl von Tisnacq, Obersten der königl. spanischen Leibgarde, vom Jahre 1579, der mit einer rothen Oblate gesiegelt war. In der fürstlich Essen’schen Sammlung entdeckte er Schreiben von 1590 und 1597, die gleichfalls rothe Oblaten zeigten. Die übrigen, welche er fand, gehören alle dem 17. Jahrhundert an, wo sie schon im ersten Viertel häufiger werden. Doch glaubte Kind linger annehmen zu dürfen, dass der Gebrauch der Oblaten in der ersten Zeit mehr bei Personen bürgerlichen Standes und aus dem niedern Adel als bei höheren Standespersonen eingeführt war, und dass nur der Reisepass ■ von 1579 als eigentliche Urkunde betrachtet werden darf. Im zweiten Viertel des 17. Jahrhunderts fand Kind linger den Gebrauch der Oblaten bei Ausfertigungen der Urkunden und bei Personen höheren Standes schon ziemlich verbreitet, ja man bediente sich derselben auch bei Kanzlei- und Kabinetsschreiben. Zu anderen Ergebnissen gelangte der brandenburgische Urkunden verwalter und Regierungsrath Spiess, der sich ebenfalls mit Unter suchungen über das Alter der Briefoblaten beschäftigte und in seinen »archivalischen Nebenarbeiten und Nachrichten« hierüber berichtete. Er fand das älteste Siegel mit einer Oblate, und zwar einer rothen, an einem Brief von 1624, den D. Krapf zu Speier an die fürstliche Regierung zu Bayreuth geschrieben hatte. Einige Jahre darauf hat der brandenburgische Faktor Forstenhäusser zu Nürnberg solche Oblaten an den Amtmann zu Osternohe geschickt, der sie aber wohl nur für eigene Zwecke benützte, da im ganzen 17. Jahrhundert in den brandenburgischen Kanzleien Oblaten nicht verwendet wurden. Nur im bürgerlichen Verkehr lässt sich der Gebrauch der Oblaten nach weisen. Erst im Jahre 1705 benutzte die fürstliche Kanzlei zu Bayreuth zum ersten Mal Oblaten, welche sie von der Wagenseil’schen Handlung zu Nürnberg bezog. Daneben siegelte man aber doch immer noch mit Wachs, von dessen Gebrauch man sich schwer trennen konnte, obgleich die Oblaten, ganz abgesehen vom Siegellack, viel zweckmässiger waren. Noch länger als in Brandenburg und Bayreuth war das Wachs im Weimarischen gebräuchlich, denn noch 1716 wurde die Verwendung desselben anbefohlen und diejenige der Oblaten verboten. Erst Herzog Ernst August hat 1742 diese Vorschrift auf gehoben und zwar durch folgende Verordnung an seine Regierung zu Weimar: »Wir verlangen, dass ihr bei Siegelung der unterthänigsten Berichte anstat des Wachses, als welches Wir nicht leiden können, euch der rothen, die Rentkammer blauer, das Oberkonsistorium violetter, die Aemter grüner und die Stadträthe gelber Oblaten be dienen sollen; begehren demnach hiermit gnädigst, ihr wollet euch hiernach richten und den anderen Collegiis behörige Nachricht er- theilen.« Lange nicht von so ehrwürdigem Alter wie die Oblaten ist der Siegellack; doch hat er die frühere Verwendung als Siegelstoff vor aus. Die älteste Erwähnung des Siegellackes findet sich in dem Buch von Spezereien des Portugiesen .Garcia ab Orto, das 1563 zum ersten Mal erschienen sein soll. In demselben wird beim Gummilack ; ausdrücklich bemerkt, dass daraus die Stangen bereitet würden, welche man zum Versiegeln brauche. Hiernach wäre also der Ge brauch des Siegellacks bei den Portugiesen um 1563 nichts Besonderes mehr gewesen, sondern schon etwas allgemein Bekanntes. In der Wild- und Rheingräflich Dhaun’schen Urkundensammlung soll sogar ein Brief vom Jahre 1554 mit Lack gesiegelt sein, der aus England herrührte. Ein Lacksiegel soll sich auch an einem Briefe befinden, 1 der 1561 von Breslau aus an den Rath zu Görlitz geschrieben : worden war. Ferner enthielt auch die erwähnte Dhaun’sche Urkunden sammlung drei französische Briefe aus den Jahren 1566 und ‘67 mit ; Lacksiegeln. Dem Jahre 1563 gehörten zwei Briefe der landgräflichen i Urkundensammlung zu Kassel an, von welchen, nach den im vorigen i Jahrhundert vom Urkundenverwalter Ledderhose angestellten Unter- 1 suchungen, der eine mit rothem, der andere mit schwarzem Lack ge- s siegelt war. In Weimar befand sich ein mit Lack gesiegelter Brief vom Jahre 1571, zu Plassenburg oder Kulmbach, wo die markgräflich 1 Brandenburg’sche Urkundensammlung aufbewahrt wurde, einer von 1574, ; und in der Sammlung des Germanischen Museums habe ich die frühesten ‘ 1 Lacksiegel auf Briefen des Friedrich Behaim vom Jahre 1580 ge- r funden, die er von Altdorf aus, wo er den Studien oblag, an seine i Mutter nach Nürnberg richtete. Diese Briefe sind mit rothbraunem > Lack gesiegelt. In der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts war also der i Gebrauch des Siegellacks schon allgemein verbreitet. Doch beschränkte • sich seine Benutzung vorerst nur auf den bürgerlichen Verkehr, i während die Behörden noch bei ihren Wachssiegeln blieben. ; Die älteste Vorschrift zur Bereitung des Siegellackes enthält das ; 1579 erschienene Buch: »New Titularbuech — sambt etlichen hinzu- : gethanen Geheimnüssen und Künsten das Lesen und die Schreiberei betreffendt. Durch Samuelen Zimmermann, Burger zu Augspurg.« Bevor wir diese Vorschrift mittheilen, müssen wir bemerken, dass der Name des vorher ausschliesslich verwendeten Siegelstoffes, des Wachses, auch auf den Siegellack übergegangen war, den man aber zum Unterschiede von der seitherigen Siegelmasse, »hispanisches : Wachs« oder auch »hart Siegelwachs« nannte. In Nürnberg wird so gar heute noch hie und da der »Siegellack« als »Siegelwachs« be zeichnet. Die Augsburger Siegellackvorschrift lautet: »Härt Siegelwax zu machen, so man hispanisch Wax nennt. Darmit man Brief ver- sigeliern, die ohne Zerbrechung des Sigils niemandts öffnen kann, das wird also gemacht. Nembt schön klar Tannen- oder Spiegelharz (Spiegelharz ist das reinste, weisseste und glänzendste Harz), auf’s weissest, so es zu bekommen, zerlasst es auf geringem Kohlfeuer; so es wohl zergangen, nembt es vom Feuer und rührt in ein Pfund des Harzes 4 Loth klein ■ abgerieben Maler-Zinnober, lasset es also mit einander erkalten, oder giessets in ein kaltes Wasser, so habt ihr ein schönes roths härtes Siegelwax.« »Wollt ihr es schwarz haben, thut Kienruss oder schwarzen Aug stein (= Gagat, schwarzer Bernstein, schlackiges Erdpech) darein; also macht ihrs mit Schmalta oder Lasur blau, mit Bleiweiss weiss, mit Bleigelb oder Aurigpigmento gelb.« »Möget auch anstatt des Tannen- oder Spiegelharzes geläuterten Terpentin nehmen und zu einem Glas einsieden, und, wie zuvor ge lehrt, mit einer Färb, welche ihr wollt, färben. Dieses Siegelwachs wird viel härter und minder brüchiger dann das ander.« Noch im 18. Jahrhundert führte der Siegellack den Namen Spanisch Wachs oder Spanisch Lack, wenn auch schon der heutigen Tags gebräuchliche Name in Uebung war. Im 4. Theile der »All gemeinen Schatz-Kammer der Kauffmannschaft« (Leipzig, 1742) wird Folgendes darüber berichtet: »Es ist dreyerlei, das rothe, Schwartze ( und gelbe, unter welchen das erste das allergemeinste in Gebrauch ist. Das beste kommt aus China und ist braun-roth, weil es mit dem Gummi Sanguinis Draconis versetzet wird. Bei uns wird es nicht in Spanien, wie der Name lautet, sondern in Frankreich, Holland, Deutschland und am besten in Engelland gemacht. Man nimmt für- nehmlich das italienische Gummi-Lack darzu, wie auch Terpentin und Harz, mit etwas Zinnober, so ihm die Farbe, und Storax oder Benzoin, so ihm den Geruch gibt. Das gute Siegellack muss hart, glatt und spiegelglänzend, von schöner Farbe sein, leicht anbrennen, wohl abträufen und den Rauch von dem Lichte nicht annehmen. Von dessen Zubereitung hat Kunkel in seiner Glasmacher-Kunst etliche Vorschriften und eine besondere Hohberg in seinem Kunst büchlein mitgetheilt. Das gelbe Siegellack wird von weissem Schuster pech, Mastix und Sandarach mit etwas Bornstein und etwas Gummi- Gutt, wovon es die Farbe bekommt, gemacht und, wenn man will, etwas goldner Streusand dazugethan. Das schwarze ist bloss in. dei Farbe unterschieden und wird allein von denen gebraucht, welche sich in der Trauer befinden. Die Stangen von Siegellack sind theils halb, theils ganz rund, theils eckig, theils gewunden, und haben ihre besonderen Zeichen, als eine Krone, einen Bienenkorb, eine französische Lilie und dergl., oben aufgedruckt. Der Handel damit ist sehr gemein und es gibt auch hin und wieder in Deutschland einige Lackmacher, welche die Stangen bundweise und einzeln verkaufen, die sonst auch von allen Materialisten geführt werden.« Ein Hauptfabrikationssitz der Oblaten und des Siegellacks war und ist heute noch Nürnberg. Roth schreibt im 3. Bande seiner Geschichte des Nürnbergischen Handels vom Jahre 1801 Folgendes: »Es sind hier sehr viele Siegellack-Fabriken, die jährlich sehr grosse Quantitäten von allen Sorten verfertigen. Einige davon haben be sondere Kaiserliche Privilegien und treiben die Fabrikation in’s Grosse. Der Verschluss von dieser Waare ist hier sehr gross, und es wird ausserordentlich viel von hiesigen Kaufleuten auf auswärtigen Messen und Märkten abgesetzt und noch mehr von den Fabrikanten selbst und von andern Kaufleuten auswärts verschickt. Das hiesige Siegel lack ist auch wegen seiner Güte, Reinheit und Wohlfeilheit auswärtig sehr beliebt.« Die Siegellack-Fabrikanten mussten den Nürnberger Spezerei händlern, denen eigentlich das Recht zukam, Siegellack zu machen, alle Vierteljahre einen gewissen Geldbetrag geben für die Erlaubniss Siegellack herstellen zu dürfen. Ein Anderer schreibt, dass grosse