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Nr. 100 PAPIER-ZEITUNG Imitirte Schiefertafeln Die sogenannten imitirten Schiefertafeln fertigt man aus Schiefertafelpapier oder -Karton. Sie besitzen vor den echten den Vorzug, dass sie nicht zerbrechen, während man mit einem gewöhnlichen Schieferstift ebenso gut darauf schreiben und die Schrift mit Wasser abwaschen kann, wie bei den echten. | Auch Wohnungsschilder, Notizbücher usw. stellt man aus Schiefertafelpapier her. Für Buntpapier-Fabriken dürfte die Anfertigung dieses Papiers ein lohnender Artikel sein. Das dazu geeignete Rohpapier ist gewöhnliches, gut geleimtes, festes Packpapier, der schwarze Aufstrich kann mittels Färbmaschine oder auch mit der Hand aufgetragen werden. Eine bewährte Vorschrift für die Zusammensetzung der Farbe lautet: Man nehme 51 Wasser, bringe es in einem Kessel zum Kochen und thue dann in das kochende Wasser 500 g Borax. Wenn dieser gelöst ist, gebe man unter fortwährendem 1 Jmrühren 2 kg blonden Schellack hinzu, danach 1250 g ganz feinen Bimsstein und nach einigei- Zeit 500 g Kienruss. Nachdem alles gut vertheilt ist, wird die Mischung durch ein feines Messingsieb geseiht und erkalten gelassen. Cran pr'es Annecy. Wilhelm Reinick. Papier-Industrie in Ungarn Im Mittelalter und in der Zeit kurz nach Erfindung der Buchdruckerkunst verbrauchte Ungarn zumeist ausländisches Papier. König Karl Robert (1308—1340) war der erste Herrscher, der im Lande Papier herstellen liess und zwar durch italienische Papiermacher. Unter anderem bezeugen in den Archiven der Stadt Bärtfa aus 1532 aufbewahrte Urkunden, die als Wasserzeichen das Doppelkreuz des ungarischen Staats- Wappens enthalten, dass es um diese Zeit Papiermühlen in Ungarn gab. Nachweislich wurde 1546 in Brasso an den Ufern des Baches Vidom eine ziemlich bedeutende Papiermühle errichtet. Die Spesen trugen Johann Fuchs und Johann Benkner, und ein Pole namens Hanes richtete den Betrieb ein. Von hier bezog die damals blühende Buchdruckerei Honter ihr Papier. 1613 begründete Samuel Spilenberger. Arzt in Löcse in Oberungarn, in Teplitz, Komitat Zips, eine Papiermühle, die bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts betrieben wurde. Später entstanden längs der polnischen Grenze zahlreiche Papiermühlen, so die von Felka und Bärtfa. 1670 liess der Freiheitsfürst Rkczy eine Papiermühle in Makovicza bauen. Zu dieser Zeit bestanden schon im nördlichen Theil des Komitats Gömör an den Ufern des Flusses Csetnek zwei Papiermühlen, deren Erzeugnisse vortrefflich waren, und die den Stamm der heutigen Papierfabriken Nagyszlabos und Maszniko bildeten. Im 18. Jahr hundert entwickelte sich die Papierindustrie langsam, erst im Beginn des 19. Jahrhunderts begann man bessere Fabrikations- Verfahren einzuführen. Die erste nach englischem Muster ein gerichtete Papierfabrik wurde 1827 in Fiume an den Ufern des Flusses Rjeka durch die Firma Smith & Meynier begründet. •Das Unternehmen entwickelte sich trotz vieler Hindernisse glänzend, und gegen Mitte des Jahrhunderts verbreiteten ihre Erzeugnisse den Ruf der ungarischen Industrie in die entlegensten überseeischen Länder. KurzeZeit später wurde bei Beszterczebänya die Hermaneczer Papierfabrik begründet. Mit grosser Sorgfalt eingerichtet, wurde sie bald eine der wichtigsten Stätten der ungarischen Papierindustrie. Zur selben Zeit wurden die Papier- Mühlen von Nagyszlabos und Maszniko in Fabriken umgewandelt und mit leistungsfähigen Papiermaschinen versehen. Auf der Masznikoer Maschine wurde u. A. das Papier zu den Kossuth- Staatsnoten, dem Geld der 1849er aufständischen Regierung, ge macht. Nach Niederwerfung des Unabhängigkeitskrieges trat ein Stillstand in der Entwickelung der mit der Pressfreiheit in inniger Beziehung stehenden Papierindustrie ein. Die über mächtige österreichische Industrie verursachte die Abstellung vieler kleiner Papiermühlen. Gegen 1860 trat ein Aufschwung ein. In Zernest bei Brasso entstand die Fabrik von Copony, neue Anlagen wurden errichtet in Nagyszeben, Peterfalva und Diosgyör. Die erste Zellstofffabrik wurde 1880 in Horka, Komitat Gömör durch die Erste Ungarische Papierindustrie- Aktiengesellschaft erbaut. Dieser folgten die Zellstofffabriken von Zernest und Torda. Ungarischer Zellstoff wird nach Oesterreich, Italien, Rumänien, England und Deutschland aus geführt. Zahlreiche Holzschleifereien entstanden längs des waldreichen Karpathen-Gebirges und decken den Holzschliff- Bedarf der heimischen Papier- und Pappenfabriken. Gegen wärtig bestehen in Ungarn 40 Papier- und Papierstofffabriken mit mehr als 4000 Arbeitern. Budapest ist der Sitz einer ziem lich ausgedehnten Papierverarbeitungs-Industrie, und auch die Kartonnagen-Erzeugung ist dort, wie die Millenniums-Ausstellung bewies, durch leistungsfähige Firmen vertreten. Neuheiten in Luxus-Papier Eigenbericht Das Briefschreiben, diese zeitraubende und oft sehr über flüssige Beschäftigung, wäre vielleicht schon ganz aus der Mode gekommen, wenn die Luxus-Papier-Industrie uns nicht täglich mit künstlerisch ausgestatteten Neuheiten überraschte. Das zierlich geformte und fein bedruckte Briefpapier, meist in vor nehmen Kassetten ruhend, übt fabelhafte Anziehungskraft auf das kauflustige Publikum aus, und mancher Briefwechsel wird nur unternommen, um das schöne Briefpapier gegenseitig aus zutauschen. Sonst und jetzt! Als der Grossvater die Grossmutter nahm, als es noch keine Rohrpost, noch kein Telephon und noch keinen Fahrrad-Dienstmann gab, hatte man das Bedürfniss, viel zu schreiben und bediente sich daher eines Formats, das uns heut nur für die Korrespondenz eines Riesen zulässig er scheint. Unsere Grossmütter hielten die weisse Farbe hoch in Ehren, sie trugen weisse Kleider, weisse Strümpfe und schrieben auf weissem Papier. Unser phantastischer Geschmack dagegen kann sich mit dem absoluten Weiss nicht befreunden. Indigo blaues, moosgrünes, ziegelrothes Papier in schmaler englischer oder in quadratischer Liliputform erfreut sich heut grossen Beifalls. Auch die modernen Farben, das matte Lila, leicht ins Röthliche spielend, das helle Lederbraun und das trübe Lorbeergrün kommen bei der Herstellung von feinem Brief papier viel in Anwendung. Damals, als der Grossvater die Grossmutter nahm, wurden Liebesbriefe noch auf rosenrothem Glacepapier geschrieben. Wie kapriziös und fein sehen die heutigen »billet doux« daneben aus, wenn wir sie auch an Inhalt nicht mit jenen messen wollen. Hier ein grosses Monogramm in Alabaster prägung, dort eine Krone, die sich aus Perlen und Brillanten zusammensetzt, hier legt sich ein Fliederzweig mitten über das Papier, dort ruht zwischen schmal zugespitzten Schilfgräsern eine vollerblühte Wasserlilie, hier tanzt ein rother Glüekszwerg unter einem Kleeblatt, dort schaukelt eine Elfengestalt auf der Mondsichel: zartfarbige Streubouquets wechseln mit fein ge ränderten Farren, oder ein hochrother Grund ist mit knallgelben Sonnenblumen bedeckt. Wenn wir die neuen Kassetten betrachten, welche die Firma Kutzner & Berger, Berlin soeben auf den Markt gebracht hat, dann haben wir zunächst nur die eine Empfindung: wie schade, dass diese stilvollen kleinen Kunstwerke auch von Leuten ge kauft werden, die schlecht und unorthographisch schreiben. Das müsste eigentlich bei Strafe verboten sein. Anderseits darf man wohl hoffen, dass nur ein sehr feines und künstlerisch gebildetes Publikum für die hochvornehmen Erzeugnisse der genannten Firma Interesse hat. Selbst die bekannte Perlmutter- und Edelstein-Prägung wird von diesen lithographirten Kunst blättern in den Schatten gestellt. Da ist ein reizvoll ent worfenes Muster »Grandiflora-Post« in sechs verschiedenen Ausführungen. Nach Art der neuen Malmanier ist der Grund mit einer matten Farbe gedeckt, auf welcher sich ein Netz von Blumen ausbreitet. Willkürlich, regellos und doch durch ein zartes Geranke mit einander verbunden, sind die meist gross blättrigen Blumen über das Papier gestreut. Aufgeblühte wilde Rosen, blassviolette Chrysanthemen, Farren an schwankenden Stilen, verschwommen gezeichnete Margueriten, die sich nach dem Kelch zu dunkler färben, erheben sich auf matt getöntem : Grund. Ganz im Sinne der modernen Kunst ist jeder Gegensatz, jedes plastische Hervortreten vorsichtig vermieden. Alles rankt und windet sich regellos durch einander, ja die Farbtöne ver schwimmen so vorzüglich in einander, dass man sich der Täuschung hingiebt, ein Seidenblättchen sei über das Muster gelegt. Die Grandiflora-Post ist in langen und breiten Formen vorräthig, die Umschläge sind dem Papier entsprechend bedruckt, und obwohl Stephans Boten manches Mal brummen werden, wenn die zierlich geschriebene Hausnummer sich zwischen den Blumenranken verliert, darf dieses malerisch schöne Briefpapier doch auf den Beifall des guten Publikums rechnen. Haupt sächlich ist es ja die vornehme Dame, die solche Neuheiten kauft oder sich schenken lässt, und was ihr gefallen soll, darf I ein wenig bunt und mysteriös sein, muss aber immer jenen