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Nr 97 PAPIER-ZEITUNG. 3175 driesslich blickender Schreiber, hält einen Bogen Papier in seinen Händen, grosse Tintenklexe bilden die Umrahmung. Ein am Boden liegender, grinsender rother Satan hält eine Tintenflasche zwischen den Beinen. Derartige Zeichnungen bewähren auf Plakaten immer ihre Anziehungskraft. Drei Faunköpfe, der eine in Blau, der zweite in Roth und der dritte in Schwarz, bilden ein Kleeblatt mit der Unterschrift »Tintenflasche«. Originell und packend. Sehr gut wirkt das Blakat mit dem Kennwort »0. H.«. Eine Dame versucht einen schwarzen Teufel mit Seife weiss zu waschen. Erheiternd ist das Plakat mit dem Kennwort »Faun«, worauf ein, auf einer Säule sitzender Faun den Zwirn in eine Nadel einzufädeln sucht. Ebenso köstlich und wirksam ist das Plakat mit dem Kenn worte »Schani«, auf dem zwei als Kellner verkleidete Faune diensteifrig laufen. Die Kinderwelt ist auf den Plakaten sehr schwach vertreten. Ein Plakat mit dem Kennwort »Einfach und schlicht«, das allerdings nicht ausgezeichnet wurde, verdient Anerkennung. Es zeigt ein Kind, das, neben Milchteller und Katze stehend, eine Milchflasche an den Mund hält. Alles ist in Schwarz und Weiss gemalt und von grossartiger Wirkung. Ebenso verdient ein ähnlich gemaltes Plakat alle An erkennung. Sechs gleich gekleidete Mädchen, die dem Be schauer den Rücken zukehren und den Kopf nach oben halten, sind in Schwarz und Weiss gemalt: die kleinen Wesen stehen vor einem Plakat und lesen es. Die Wirkung wäre schöner gewesen, hätte der talentvolle Künstler einige Kleinig keiten, z. B. Gürtel und Hutband mit Roth oder Gelb gefärbt. In Absonderlichkeiten fanden sich vor: Drei weisse Kraniche auf rothem Hintergrund, über sich eine weisse Sonnenscheibe; zwei sich küssende Blumen; ein Sensenmann, unter der halb offenen Thür stehend, winkt eine in Schwarz und Grau gemalte Frauenleiche zu sich (das Plakat hat Trauerwaaren zu empfehlen); ein Todtenschädel mit dem Kennworte »Ewige Zähne«; eine in obscöner Stellung liegende Dame mit einem emporgehaltenen Sektglas u. a. m. Eine grosse Menge von Plakaten war an Plätzen untergebracht, wohin sie wegen ihrer Minderwerthigkeit gehörten. Sehr befriedigt verliess ich die Ausstellung mit der Ueber- zeugung, dass in Deutschland eine gesunde und kraftvolle Strömung in der Plakatkunst vorhanden ist. Echte und falsche Kunst-Industrie auf der Berliner Gewerbe-Ausstellung Direktor Dr. P. Jessen hielt vor Kurzem im Verein für Deutsches Kunst-Gewerbe einen Vortrag über diesen Gegenstand, aus dem wir Folgendes wiedergeben: Der Umfang und die Arbeitsleistung der Berliner Kunst-Industrie hat auf der Aus stellung gerechtes Aufsehen erregt. Es ist ein weit verbreitetes Vorurtheil, dass die maschinell oder in grösseren Mengen her gestellten Waaren nicht ihrer Natur nach künstlerisch voll- werthig anzusehen sind. Dies Vorurtheil stammt nur daher, dass unsere Kunst-Industrie, beeinflusst von den Ansprüchen der Mode, der Konkurrenz und der Käufer, sich vielfach als einziges Ziel die Nachahmung der kunstgewerblichen Hand- Arbeit vorgesetzt hat. Auch die Industrie mit ihrer Maschinen- Arbeit kann vollendete Kunstwerke liefern, wenn sie die Be dingungen ihrer Technik und die des billigeren Materials berück sichtigt und hieraus einen eigenen Stil kunstindustrieller Arbeit entwickelt. Beispielsweise war auf der Ausstellung die Leder industrie in Erkenntniss dieser Grundsätze höchst erfreulich vorgegangen, indem sie ihr edles Rohmaterial in gesunden Färbungen und guter Ausführung mit maassvollem Zierrath rein zur Geltung brachte. Es ist anzustreben, dass überall, wie z. B. beim Metall, auch die billigere Waare nicht nach dem Schein der Handarbeit strebt, die sieh doch nicht be friedigend nachahmen lässt, sondern die maschinellen Verfahren, das Pressen, Schleifen und Poliren u. A., an breiten oder glatten Formen zu gediegener Wirkung benutzt. Für fast alle Gruppen lässt sich dieser Gedanke durchführen, wenn die Industrie, und namentlich auch die Käufer, ihnen Rechnung tragen. Darin wird auch die Massenarbeit sich künstlerisch immer höhere Achtung erringen. Ausgestellt waren interessante Knüpfteppiche von Johann Kneusels & Go., Crefeld, die durch die Güte der Arbeit und den Versuch, Pllanzenornamente zu verwerthen, Interesse erweckten. Abgebrochene Buchstaben Eine alte Buchdruckerregel bestimmt: »Abgebrochene Buch staben gehören ins Zeug«. Trotzdem findet man häufig beim Setzen oder Ablegen Ausschlussstücke, die aus beschädigten Buchstaben gemacht worden sind und manchmal noch das Buchstabenbild tragen. Solche Stücke müssen unverzüglich beseitigt werden, denn sie sind meist nicht systematisch und daher störend bei unterführtem oder tabellarischem Satz, aber gefährlich können sie werden, wenn sie als Spiesse kommen und den Raum zwischen zwei Worten ausfüllen. Ein auf diese fast räthselhafte Weise entstandener Druckfehler ist gewiss eine Seltenheit, er kann indess um so grösseres Unheil anrichten, als er sich in der geschlossenen Form noch einstellt und während des Druckes nur durch Zufall zu entdecken ist. Kleine Ursachen — grosse Wirkungen: man vergesse also nicht, diese wieder in Erinnerung gebrachte Buchdruckerregel zu befolgen. Druckereien auf Madagascar Die schöne Insel im indischen Ozean, die unsere französischen Nachbarn nunmehr unter ihr »Protektorat« genommen haben, ist schon seit etwa 100 Jahren das Arbeitsfeld für verschiedene Missionsgesellschaften gewesen, und da die Eingeborenen vor jener Zeit die Kunst des Schreibens ebensowenig kannten wie die des Lesens, so hatten die Missionare äusser ihrer seel sorgerischen Thätigkeit auch die Pflichten des Schulmeisters auszuüben. Hierzu war es unerlässlich, dass man die biblischen Erzählungen wie auch Fibeln in der vokalreichen Ursprache der Madagassen herstellte. Angesichts der bis in das zweite Viertel dieses Jahrhunderts allein vorhandenen zeitraubenden Segelschifffahrt musste man davon abgehen, diese Bücher aus Europa zu beziehen, und die Londoner Missionsgesellschaft er richtete deshalb 1827 eine Buchdruckerei mit einer Handpresse in der Hauptstadt Tananarivo. Mit der grösseren Ausbreitung des Christenthums wuchsen auch die Anforderungen an die Buchdruckerei, sodass diese nach und nach vergrössert wurde, und die anderen Missionsgesellschaften gründeten ebenfalls Buchdruckereien, so die »Mission der Freunde« und die »Bibel- Gesellschaft«. Die Hova-Regierung hat sich in neuerer Zeit auch eine eigene Buchdruckerei zugelegt, ferner erscheinen unter strenger Zensur der Regierung englische und französische Blätter in eigenen Kunststätten, sodass man jetzt acht Druckereien in Tananarivo und zwei in Tamatave zählt. Die bedeutendste Druckerei ist die zuerstgenannte, die der Londoner Missionsgesellschaft, die über 50 Arbeiter beschäftigt, da sie ihren Arbeitskreis längst insofern erweitert hat, als sie äusser dem eigenen geistlichen Verlage auch allerlei Aufträge für Geschäfttreibende ausführt, und zwar sowohl in Buchdruck als in Lithographie. Auch Stereotypie und Buchbinderei werden hier gepflegt. Mit Ausnahme der eigentlichen Geschäftsleiter sind alle dortigen Gutenbergjünger Eingeborene, die ihre be scheidenen Lebensbedürfnisse von einem monatlichen Lohne von 7- 12 M. völlig decken; Accidenzkünstler bringen es auch wohl gar zu dem fürstlichen Einkommen von 20 M. — monatlich. Die Arbeitszeit ist neunstündig, von 7—12 und von 1—5 Uhr. Die Buchdruckerei der Jesuiten-Mission beschäftigt eben falls ein halbes Hundert Arbeiter, während die englische Bibel- Gesellschaft ihren Bedarf mit dreissig Leuten herzustellen im stande ist. Im Ganzen sind in Tananarivo annähernd 300 Buch drucker beschäftigt, die eine eigene Vereinigung haben. Bei den erwähnten niedrigen Löhnen ist es kein Wunder, dass Einfuhr von Drucksachen nach Madagascar, soweit es sich nicht um neue Erscheinungen der Literatur handelt, durchaus nicht gewinnbringend ist, sie ist deshalb auch ganz gering und beschränkt sich auf den Lesebedarf der auf der Insel lebenden Europäer. oiv Lohnverhältnisse in Berliner Buchbindereien Der Vorstand des Vereins der Berliner Buchbinderei besitzer hat uns ersucht, zu der Mittheilung über die Ver- Sammlung vom 16. v. M. in Nr. 94 folgende Berichtigung zu bringen: „Es ist irrthümlich, dass den Arbeitern bei den von uns festgesetzten Lohnsätzen die in der letzten Bewegung er zielten Vortheile fast ganz verloren gehen, im Gegentheil sind den Arbeitern bis auf einen wesentlichen Punkt fast alle Vor theile geblieben, und in diesem Punkt besteht die Differenz auch nur darin, dass statt eines minimalen Wochenlohns von 21 M. die Zahlung eines minimalen Stundenlohns von 39 Pf. (bei 6 X 9 = 54 Stunden, also 21 M. 6 Pf.) beschlossen worden ist.“