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PAPIER-ZEITUNG Nr. 95 Es sei dabei noch erwähnt, dass jetzt in Berlin etwa 250 Steindruckereien mit etwa 2700 Steindruckern und Lithographen, 8000 Hilfsarbeitern u. Hilfsarbeiterinnen, sowie 10 Kupferdruckereien und 11 Schriftgiessereien bestehen. In Leipzig, dem Hauptorte des deutschen Buchhandels, waren: 1864 39 Buchdruckereien mit 110 Handpressen, 240 Schnell-! pressen und mit 1000 Gehilfen 1890 112 Buchdruckereien mit etwa 2200 Gehilfen. 1896 154 Buchdruckereien mit etwa 2800 Gehilfen. Aus den vorstehenden Ziffern ergiebt sich, dass Berlin, obgleich es erst etwa 100 Jahre nach der Erfindung Gutenbergs eine Buchdruckerei erhielt, heute der bedeutendste Druck ort Deutschlands ist. Aber nicht nur der Zahl der Buch druckereien und der darin beschäftigten Gehilfen nach, sondern auch nach dem Werth seiner Leistungen ist es berechtigt, einen der ersten Plätze zu beanspruchen. Diese Leistungen bewegen sich auf ganz bestimmten, zum Theil durch die Lohnverhält nisse geschaffenen Gebieten. Der Werk- oder Bücherdruck, der früher die erste Stelle einnahm und der noch vor einigen Jahrzehnten in Berlin bedeutend war, ist bis auf die Arbeiten, deren Lieferung in dem hastenden Treiben unserer Tage auf die Stunde berechnet wird, den Buchdruckereien in der Provinz zugefallen, deren geringere Arbeitslöhne den Verlegern ge statten, die Bücher billiger herzustellen. Was in Berlin noch an Werkdruck die Pressen verlässt, gehört zu den wissenschaft lichen, fremdsprachlichen, lexikalischen, mathematischen und künstlerisch reich ausgestatteten Werken, deren Anfertigung mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist. Durch diese Eigenthümlichkeit erhält der Berliner Buchdruckerei-Betrieb ein wesentlich anderes Aussehen, als der vieler anderer Städte. In Berlin bilden der Druck von Zeitungen und Zeitschriften sowie die Herstellung von besonders schwierigen oder prächtig ausgestatteten Werken, von Accidenzen und Kunstdrucken für den geschäftlichen Verkehr und für die Reklame die Haupt aufgaben des Buchdruckes. Eine grosse Zahl von Berliner Buchdruckereien ist aus schliesslich für diese Accidenzen des vielgestaltigen geschäft lichen Verkehrs eingerichtet. Die Ersten, die vor etwa dreissig Jahren dieses Gebiet mit Erfolg anbauten, waren Koepsei, Grunert und Büxenstein, Andere sind ihnen gefolgt, es sei an Elsner, Sittenfeld, Rudolf Mosse erinnert. Bei ihnen und manchem Anderen aus neuerer Zeit finden diese Arbeiten, die besondere Geschicklichkeit und künstlerisches Verständniss vor aussetzen, eifrige Pflege. Auch ausserhalb Berlins sind in den letzten Jahrzehnten eine Reihe von hervorragenden Berufs genossen, z. B. Wohlfeld in Magdeburg, Förster & Borries in Zwickau, Watzulik bei Stephan Geibel in Altenburg, vorbildlich auf dem Gebiete der Accidenzdruckkunst thätig gewesen. Das gefällige und wirksame Aussehen, das diese Arbeiten haben müssen, ist allerdings erst durch die Vervollkommnungen möglich geworden, die die Schriftgiesserei erfahren hat. Von den Berliner Schriftgiessern aus früherer Zeit hat Eduard Hänel sich um die Fortschritte in beiden Berufen ein grosses Verdienst erworben. Ebenso ist von der Reichsdruckerei in Berlin unter der Leitung des jüngst in den Ruhestand getretenen Geheimen Ober-Regierungsraths Busse ein Einfluss ausgeübt worden, der befruchtend und anregend auf weite Kreise der Buchdruckerei gewirkt hat. Die Reichsdruckerei liefert nicht nur Werthpapiere in mustergiltiger Ausführung, sondern sie hat durch Heraus gabe der Sammlungen von Zierleisten und Schmuckstücken, sowie von Nachbildungen hervorragender Druckschriften des 15. bis 17. Jahrhunderts Werke geschaffen, die dem gesammten Druckgewerbe Vortheil geboten haben und auch für die Accidenz-Ausstattung werthvoll waren. Auf dem Gebiete des Accidenzdruckes finden neben dem Holzschnitt alle Wiedergabe- Verfahren und besonders die photomechanischen Verfahren sehr vielseitige Anwendung. Gravirkunst und Kunstbuchbinderei helfen mit, durch gediegene äussere Ausstattung das Gebotene zu empfehlen und seinen Werth zu erhöhen. Dass man hierin in Deutschland und in erster Reihe in Berlin Vorzügliches zu leisten versteht, ist auf vielen Fach- und anderen Aus stellungen oft bewiesen worden. Neben diesem bedeutenden Theil der Berliner Buchdruck kunst steht ein anderer ebenso wichtiger, der in gleicher Aus dehnung und Vielseitigkeit, soweit die deutsche Zunge klingt, nicht wieder anzutreffen ist. Dies ist die Herstellung von Zeitungen und Zeitschriften. Vonden 11179 Zeitungen, die die 1 ostzeitungsliste enthält, erscheinen etwa 1000 in Berlin, Durch eine seit 14 Jahren bestehende Fachschule, die seit einigen Jahren unter städtischer Leitung steht, sorgen die Berliner Buchdruckerei-Besitzer für die gewerbliche Fortbildung der Buchdrucker-Lehrlinge. Für alle nach Vervollkommnung strebenden Berliner Buch drucker bietet die bereits mehr als 15 Jahre bestehende Typo graphische Gesellschaft stets den Sammelpunkt. Durch Veran- staltungvonVorträgen,Besprechungen aller wichtigen technischen Fragen usw. hat diese Vereinigung viel Gutes gestiftet. Ein be sonderes Verdienst hat sie sich im vorigen Jahre durch die Gründung einer Fachklasse für Buchdruckergehilfen an der I. Berliner Handwerkerschule erworben. Wie die Schriftgiesserei durch Schaffung künstlerisch voll endeten Zierraths die leichtere und feinere Form der heutigen Accidenzausstattung ermöglicht hat, ist bereits betont worden. Dabei haben sich neben einigen Geschäften in Leipzig, Frank furt a. M., München und Stuttgart verschiedene Berliner Schrift giessereien derartig hervorgethan, dass von hier aus ein grosser Umsatz im In- und Auslande erzielt wird. Auch für die Her stellung der Brod- und Zeitungsschriften ist seit Erfindung der sogenannten Komplettmaschinen, die Küstermann in Berlin in mustergiltiger Weise baut, eine wesentliche Vereinfachung der Arbeit entstanden. Die Handarbeit ist ganz durch Maschinen arbeit ersetzt und das Erzeugniss sehr verbessert worden. In der mit der Schriftgiesserei heute meist verbundenen Her stellung von Messinglinien sind die Leistungen und Ein richtungen des Kommerzienrathes H. Berthold in Berlin vor- bildlich gewesen für fast alle später entstandenen Anlagen; die Güte und Genauigkeit seiner Erzeugnisse war sprichwörtlich. Berthold hat sich auch durch seine Thätigkeit bei der Einordnung des typographischen Systems in das Metermaass ein bleibendes Verdienst um die Buchdruckkunst erworben. Deutsches Buchgewerbe-Museum in Leipzig. Neu ausgestellt sind die Tafeln des kürzlich erschienenen Werkes: Malerische Architekturstudien aus Rothenburg ob der Tauber, Photographische Originalaufnahmen nach der Natur in Lichtdruck, herausgegeben von Hermann Rückwardt, Verlag von Paul Schimmelwitz in Leipzig. Das Werk enthält eine Fülle von malerischen Einzel-Ansichten und Gesammt-Ansichten. Rothenburg hat sich, wie keine andere Stadt in Deutsch land , vollständig den mittelalterlichen Charakter bewahrt und ist namentlich deshalb in den letzten Jahren von Alterthums-Freunden besucht worden. Das Werk wird deshalb nicht nur diesen als Andenken an das so malerisch gelegene Städtchen willkommen sein, sondern namentlich auch allen Malern und Architekten. — Schon oftmals ist das Thier- und Menschen leben in humoristischer Weise vorgeführt worden, z. B. in den wundervollen Schilderungen Grandvilles und in den meister haften Zeichnungen des Leipziger Meisters Theodor Flinzer. ; Eine junge Künstlerin, Käthe Schönberger, hat in einem hübsch ausgestatteten Album 25 Federskizzen (Aus Thier- und Menschen leben, Wien und Leipzig, Verlag von Ludwig Schönberger) zur Erheiterung von Jung und Alt vereinigt, die sich durch drastischen Humor auszeichnen. — Ferner sind die bis jetzt er schienenen Lieferungen von Meurers Pflanzenbildern (Dresden, Verlag von Gerhard Kühtmann) ausgestellt. Professor Moritz Meurer, der durch seine frühere Thätigkeit als Lehrer am ■ Kunstgewerbe - Museum in Berlin weit bekannt ist, hat sich, (nachdem er von seinem Amt zurückgetreten ist, jahrelang mit dem Studium der Pflanzenformen befasst. Das Werk ist ebenso wie die »Pflanzenformen« des Verfassers dazu bestimmt, Architekten, Kunsthandwerkern, Musterzeichnern, Illustratoren, überhaupt dem bildenden Künstler pflanzliche Formen aller Art für die Gestaltung ornamentaler Aufgaben zu bieten. Es werden hier nicht, wie in dem Werke von Gerlach über die Pflanze, Stilisirungen gegeben, sondern nur Naturformen, die dem Be nutzer Anregungen zu kompositioneller Thätigkeit geben sollen. Die ersten Lieferungen des »Kupferstich-Kabinets« (Verlag von Fischer & Franke, Gross-Lichterfelde bei Berlin) liegen zur An sicht aus. Das Kupferstichkabinet will Nachbildungen von Werken der graphischen Kunst vom 15.—18. Jahrhundert geben. Die bis jetzt erschienenen zwei Lieferungen geben Nachbildungen von Holzschnitten, Radirungen und Kupferstichen von Lucas Kranach, Burgmair, Dürer, Zasinger, Rembrandt, Choffard, Klein und Anderen. Wir machen besonders aufmerksam auf eine Ge- sammtausstellung des Verlages der Firma Kegan Paul, Trench, Trübner & Co. in London und die jetzt zur Ausstellung ge langenden Neuerwerbungen für die Sächsische Bibliographische Sammlung.