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Buchdruck *** *** Steindruck 3106 • Sachlich* SAirtbelrrages finden kostenfreie Aufnahme Nr. 95 3 Buchgewerbe Buchbinderei * * *** Buchhandel Eingesandte Werke finden Besprechung Mitarbeiter und Berichterstattes erhalten angemessene Berahlung Buchgewerbe und Buchverlag in Berlin Der zur Berliner Gewerbe-Ausstellung im Verlag von Rudolf Mosse erschienene Spezial-Katalog für Buchgewerbe und Buch handel enthielt ein Vorwort, dem wir folgende, durch einige Angaben ergänzte Darlegung über die Entwickelung des Buch gewerbes und des Buchverlages in Berlin entnehmen: Das politische Leben eines Volkes ist bestimmend für sein Geistesleben. Das Geistesleben eines Volkes spiegelt sich wieder in seiner Literatur, und der gewerbliche Niederschlag der Literatur ist das Buchgewerbe und der Buchverlag. So ist auch die Ent wickelung des Berliner Buchgewerbes und Buchverlages mehr als irgend ein anderer Gewerbzweig abhängig gewesen von der politischen Geschichte des preussischen Staates, dem die Führung des Deutschen Reiches vom Schicksal bestimmt war. Heute, nachdem Berlin seit fünfundzwanzig Friedensjahren sein erstes Jubelfest als Reichshauptstadt feiert, steht es hinsichtlich der Zahl der von ihm in die Welt alljährlich hinausgehenden Verlagsartikel an der Spitze aller deutschen Druckstädte. Die Bedeutung der Buchhändlerstadt Leipzig beruht mehr auf kommerziellem Gebiete. Leipzig ist nach wie vor der Mittel punkt für den buchhändlerischen Versendungs-, Lager- und Abrechnungs-Verkehr, während das Schwergewicht Berlins in seiner Bücherherstellung ruht. Als die mittelalterlichen Druck- und Verlagsstädte in höchster Blüthe standen, ja, sie zum Theil schon überschritten hatten, als die Namen der berühmten Drucker und Verleger Koberger u. A. sich schon längst mit unverlöschlichen Buchstaben in die Geschichte des deutschen Buchhandels eingeschrieben hatten, war Berlin ein kleines, elendes, märkisches Landstädtchen. Nachdem schon lange die herrlichsten Erzeugnisse deutscher Druckkunst erstanden waren, kam es endlich im Jahre 1540, also 100 Jahre nach der angenommenen Zeit der Buchdruck- Erfindung, zum ersten, innerhalb der Mauern Berlins gedruckten Buche. Ein Hohenzoller war es, Kurfürst Joachim II., der im Jahre 1539 einen Wittenberger Drucker, Johann Weiss, nach Berlin berief, um eine neue Kirchenordnung drucken zu lassen, nach dem der Fürst sich der Reformation angeschlossen hatte. Weiss druckte und verlegte vier Jahre hindurch bis 1544 in Berlin, zog sieh aber dann wieder nach Wittenberg zurück. Während der folgenden drei Jahrzehnte war Berlin ohne Druckerei, bis Thurneysser unter dem Schutz des Kurfürsten Johann Georg der schwarzen Kunst an der Spree eine Werkstatt einriehtete. Doch noch einmal trat ein Stillstand ein, von 1593—1599. In diesem Jahre berief Kurfürst Friedrich Joachim den Drucker Christoph Runge aus Damm in der Neumark nach Berlin. Und von nun an, also erst seit dem Anfänge des siebzehnten Jahrhunderts, hatte das Buchgewerbe in Berlin festen Boden gefasst. Die Lettern mussten, obgleich Thurneysser auch hierin schon mit zeitweisem Erfolge zu Gunsten der Berliner Herstellung Versuche ange stellt hatte, bis zum Jahre 1743 von auswärts bezogen werden. Erst von da an, also fast 150 Jahre nach der festen Begründung des Berliner Buchdruckerei-Betriebes, konnte Berlin die von ihm gebrauchten Schriften auch in eigenen Giessereien her stellen. Wie wunderbar berührt gegenüber der Kläglichkeit dieser Verhältnisse die Thatsache, dass Berlin es war, in dessen Mauern die Buchhändler und Buchdrucker Decker und dessen Schwager Spener im Jahre 1823 die ersten Schnellpressen auf deutschem Boden unter einem Opfer von über 30000 Thalern in Betrieb setzten, nachdem die Buchhändler- und Buchdrucker- Könige des übrigen Deutschlands, unter ihnen Cotta, das Wagniss gescheut hatten. Und unter dem Zeichen eines solchen frischen und erfolgsicheren Vorgehens, das ihm zum Siege verhelfen hat, steht auch heute noch das Berliner Buchgewerbe. Es versteht sieh von selbst, dass ihm hierbei alle mittelalterlichen Erinnerungen feindlich gegenüberstehen. Der erste gewerbsmässige Buchhändler und Buchverleger erhielt am 18. Oktober 1594 vom Kurfürsten Johann Georg das I Privileg, »etliche Bücher aufflegen und drucken lassen zu dürffen.« Es war Hans Werner. Das zweite Geschäft wurde vom Kurfürsten Johann Siegismund am 10. Mai 1614 privilegirt. Seine Inhaber waren die dem Buchbindergewerbe entstammenden Gebrüder Kalle. Die Handlung ist aus Berlin die einzige, die die Stürme des dreissigjährigen Krieges überdauerte und noch heute unter der Firma Haude & Spener als Verlags haus blüht. Die erfreulichen Ansätze, die das Berliner Buch gewerbe unter der Regierung des grossen Kurfürsten sowie des ersten preussischen Königs machte, es sei nur an Leibniz und die Begründung der Akademie der Wissenschaften er innert , gingen unter der Herrschaft des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. nahezu verloren. Das Jahr 1740 brachte mit der Thronbesteigung Friedrichs des Grossen, aus dessen Munde das geflügelte Wort stammt, dass »Gazetten nicht ge- niret werden dürfen, wenn sie interessant sein sollen«, dem literarischen Leben Berlins und damit auch dem Buchgewerbe die Wiedergeburt. Und nunmehr ging es in gewaltigem Auf schwünge vorwärts. Die Regierung Friedrich Wilhelms II. schuf mit ihren gesetzgeberischen Bestimmungen des preussischen Landrechts sowie den grundlegenden Nachdruck-Verboten dem Buchgewerbe eine sichere Grundlage, auf der viele Jahrzehnte hindurch in erfolgreichster Weise weitergebaut werden konnte. Die Krönung auf den Bau, der nunmehr seit seiner Wieder geburt erst auf 150 Jahre zurückblickt, setzten die Jahre 1866 und 1870 mit ihrem grossen patriotischen Aufschwung, und eng zusammenhängend hiermit ist die Thatsache, dass in den letzt- vergangenen Jahren eine bedeutende Anzahl Berliner hervorragen der Verlagsfirmen ihr viertelhundertjähriges Jubelfest feierten. Die Eigenart des Berliner Verlages beruht auf dem heutigen Grundsatz der Arbeitstheilung. Fast jede Wissen schaft und jeder Beruf ist durch Verlagsfirmen vertreten, die sich fast ausschliesslich dem Dienste dieser besonderen Inter essen widmen. Nur auf dem Gebiete grosser encyclopädistischer undKollektions-Unternehmungen steht Berlin noch hinter anderen Verlagsorten zurück. Dio Buchdruckkunst ist, wie bereits erwähnt, in der Mark Brandenburg und in Berlin erst lange Zeit nach ihrer Erfindung ausgeübt worden. Aus dem Jahrhundert der Erfindung ist nach Potthasts Geschichte der Buchdruckkunst in Berlin nur der von Joachim Westfael in Stendal gedruckte Sachsenspiegel von 1488 und das Marienpsalterium aus dem Kloster Zinna bei Jüterbog von 1494 bekannt. Wie zwei Werkchen aus dem Jahre 1502 beweisen, hat dann Martin Tretter in Frankfurt an der Oder eine Buchdruckerei betrieben, während Berlin erst 1540 durch Johann Weiss eine ständige Buchdruckerei erhielt. Dieser erste Buchdrucker Berlins hat während seiner nur wenige Jahre umfassenden Thätigkeit eine grosse Zahl von Werken gedruckt. In den folgenden drei Jahrzehnten mussten alle in Berlin er forderlichen Drucksachen in Frankfurt, Wittenberg usw. her gestellt werden; erst um 1574 erhielt Berlin durch den Alchy- misten Leonhard Thurneysser wieder eine Buchdruckerei, deren Erzeugnisse sich durch Reinheit und künstlerische Ausstattung mit Leisten und Verzierungen auszeichneten. Die folgenden Ziffern geben ein Bild der weiteren Ent wickelung der Buchdruckkunst in Berlin. Es bestanden im Jahre: (Schriftsetzer und Buchdrucker), 2400 Buchdruckerei-Hilfs arbeitern, 2200 Buchdruckerei-Hilfsarbeiterinnen. 1690 2 Buchdruckereien mit 9 Gehilfen 1782 16 » » 87 „ 1800 21 123 „ 1805 23 » 96 Pressen und 100—150 Ge ¬ hilfen 1830 34 M » 146 Pressen 1840 41 » » 489 Gehilfen 1854 62 » 113 Hand- u. 99 Schnellpressen 1864 88 » 1300 Gehilfen 1890 402 » » etwa 4000 Gehilfen 1896 430-450 Buchdruckereien mit etwa 5300 Buchdruckern