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PAPIER-ZEITUNG der genau bestimmten Temperatur durch Vorrichtungen, deren zweckmässige Schaffung beim ganzen Bau die meisten Schwierig keiten verursachte, ermöglicht wird. Bei der Anlage der Fabrik wurden die neuesten Fort schritte der Technik berücksichtigt. Alle Maschinen werden durch eigene Elektromotoren getrieben. Die Trocknung und Heizung erfolgt durch Niederdruckdampf aus einem Kessel, der durch Hochdruckdampf aus der chemischen Fabrik geheizt wird. Im ganzen Gebäude giebt es keine einzige Feuerung, sodass Feuer- und Explosionsgefahr vermieden sind. Ein Elektromotor von 6 PS ist auf dem Dachboden angebracht und treibt einen Ventilator, der durch Kanäle die Luft aller Arbeitsräume er neuert. Die Aussenluft wird, bevor sie in die Fabrikräume eintritt, durch Baumwollgewebe filtrirt und an Heizkörpern vor gewärmt. Gut schliessende Thören, geräumige Gänge, Vor säle usw., die von Sauberkeit glänzen, sorgen für die Abhaltung des Staubes, was eine Hauptbedingung für gutes Erzeugniss ist. Die besondere Eigenart dieser Fabrik besteht jedoch in den erwähnten, fensterlosen dunklen Arbeitsräumen, in welchen nur die nöthigsten Stellen durch Glühlicht schwach erhellt sind. Der Neuling glaubt beim Eintritt in die grossen dunklen Säle in eine Teufelsküche zu gerathen, während sich die daran Gewöhnten gut zurechtfinden und die Arbeit sorgsam überwachen können. Eigene Photographen prüfen die Papiere und Platten auf ihre Güte während der Herstellung und vor dem Versand. Die Arbeitsräume der Fabrikverwaltung sind licht, hoch und ge räumig. Für die Vergrösserung der Fabrik auf das zwei- bis dreifache der zunächst beabsichtigten Erzeugung ist reichlich Raum gelassen worden. Unentgeltliche warme und kalte Bäder und Brausen und geheizte Speise-Räume stehen den Arbeitern zur Verfügung. Bei der Gediegenheit der Erzeugnisse und der Leitung ist es erklärlich, dass die Fabrik in so kurzer Zeit die Schwierig keiten des Anfanges überwunden hat. Sowohl auf der Berliner Gewerbe-Ausstellung, als auch auf der jüngst geschlossenen internationalen Ausstellung für Amateur-Photographie wurde den auf Scheringschen Platten erzielten Negativen und Dia positiven und den auf ihren Cellodin-Papieren »Ideal« und »Universal« und ihren Gelatoid-Papieren kopirten Bildern all gemeine Anerkennung zu Theil. Die Jury der ersteren verlieh dafür der Firma das Ehrenzeugniss und die der letzteren die goldene Medaille, die höchste Auszeichnung, die sie zu ver geben hatte. Kesselstein-Geheimmittel von C. Schneider Schluss zu Nr. 92 Neben den Geheimmitteln giebt es auch noch sogenannte Hausmittel zur Vertilgung des Kesselsteins, wie Kartoffeln, Stärke u. dergl. mehr. Von flüssigen Mitteln ist in letzterer Zeit Petroleum sehr in Aufnahme gekommen. Dieses ist an und für sich kein Geheimmittel, aber findigen Köpfen ist es doch gelungen, die Wirkung desselben auf den Kesselstein höchst geheimnissvoll zu gestalten. Nachdem man die Erfahrung gemacht, dass das Anstreichen des Kesselsteins mit Petroleum oder das Hineinpumpen mittels der Speisepumpe seine Schattenseite hat, ja nicht unbedenklich ist, verfiel ein besonders findiger Kopf in Amerika auf die Idee eine kleine Spritze zu bauen, mit deren Hilfe dem Kessel täglich kleinere Mengen Petroleum eingespritzt werden sollen, ähnlich wie das Heilserum dem Menschen. Als ich den Verkäufer dieser neuesten Erfindung fragte, wie er sich die Wirkung des Petroleums auf diese Weise denke, erwiderte er, dass er mir diese geheimnissvolle Thatsache nicht verrathen könne, es sei denn mit Zustimmung des Erfinders. Andeutungsweise theilte er mit, dass das Petroleum die Kohäsion und Adhäsion verhindere, wodurch der Kessel rein bleibe. Ich äusserte ihm gegenüber meine Ansicht dahin, dass durch die Einspritzung wahrscheinlich der Kessel jedesmal in das Stadium einer gewissen Erregung käme, und dass infolge der hierdurch hervorgerufenen Vibration der Kesselwandungen das Ansetzen des Kesselsteines verhindert würde. Er erwiderte mir, dass dies auch wohl möglich sei; übrigens sei er von dieser Idee so entzückt, dass er dieselbe in seinen Prospekten demnächst zum Ausdruck zu bringen gedenke. Den Mittelpunkt aller dieser Bestrebungen, d. h. den passiven [ Theil, bildet, wie schon erwähnt, der Kesselbesitzer, Ihm verursacht der Kesselstein oft schwere Sorgen und schlaf lose Nächte, insbesondere jedesmal, wenn die Zeit der Reinigung heranrückt, und ein Reservekessel doch nicht vorhanden ist. Wenn es irgend angeht, sucht man die Reinigung über Sonntag zu bewirken, was nicht selten mit einem völligen Miss erfolge endet. Es gehört auch keineswegs zu den Annehmlichkeiten des Lebens, einen erst Tags zuvor abgeblasenen Kessel zu be fahren, geschweige denn im Innern eine so anstrengende Arbeit, wie das Kesselsteinabklopfen, vorzunehmen. Meist herrscht im Kessel noch eine tropische Gluth und in weiterer Folge eine Luft, die den geringsten hygienischen Anforderungen Hohn spricht. Der Kesselbesitzer oder sein Beauftragter erscheint unter solchen Umständen womöglich alle Viertelstunden im Kessel hause, um nachzusehen, wie weit die Reinigung gediehen ist und nöthigenfalls die Leute zu neuer Thätigkeit anzufeuern. Diese Bemühungen erweisen sich leider nur zu häufig als völlig verfehlt, der Kesselstein ist nicht so schnell zu entfernen, es muss der Montag und womöglich der Dienstag herangezogen werden, um den Kessel nur einigennaassen rein zu bekommen. Man denke sich hier in die Gemüthsstimmung des Kessel besitzers hinein, und man wird es begreiflich finden, dass er nach einem Mittel lechzt, durch welches der Kesselstein in leichter und bequemer Weise entfernt wird. Tritt in solchem Augenblick der Verkäufer eines derartigen Mittels ins Kontor, so hat er meist gewonnenes Spiel. Das Geschäft ist bald perfekt, der Verkäufer sorgt für so fortige Lieferung, und da derartige Mittel sämmtlich auch die Eigenschaft besitzen, selbst den verhärtetsten Kesselstein in Nichts aufzulösen, so wird die Thätigkeit des Ausklopfens ein gestellt und die weitere Bearbeitung des Kesselsteines dem Mittel überlassen. Mit Rücksicht auf den alten, noch vorhandenen Kesselstein, und um ja sicher zu gehen, wird das erste Mal in der Regel das doppelte Quantum, als für die Pferdekraft angegeben, hin- eingeschüttet. Bei der nächsten Reinigung findet man zwar, dass der Kesselstein noch nicht ganz verflüchtigt ist, dass er aber schon in voller Auflösung begriffen sein muss, worauf die Veränderung seiner Farbe und die grösseren Schlammmassen im Kessel schliessen lassen. Natürlich wird unter so günstigen Auspizien der Versuch fortgesetzt. Der Bestellbrief lautet: »Ihr Kesselsteinmittel hat schon ausgezeichnet gewirkt, bitte senden Sie mir umgehend noch ein Fass davon.« — Bei der darauf folgenden Reinigung ist alles aufs Höchste gespannt; kaum ist das Mannloch geöffnet, so wird auch schon der Kessel befahren, wissen will man vor allen Dingen, wie es mit dem Kesselstein aussieht, aber hier trifft das Byron’sche Wort zu: »Wie fest man auf ihn starrt, verändert war er stets; doch was er war, ward keinem klar.« Trotz aller Veränderung gegen früher macht man die nieder drückende Entdeckung, dass all die schönen Hoffnungen sich nicht erfüllt haben, dass sieh der Kesselstein nach wie vor an setzt, dass »Brief noch lange nicht Geld« ist. Aber auch selbst der weniger gläubige, einsichtsvollere Kesselbesitzer wird in der geschilderten Gemüthsstimmung zu weilen zur Benutzung eines derartigen Geheimmittels verführt, er schwört zwar nicht auf das ihm angepriesene Heilmittel, aber hier trifft das Wort, jenes Küsters zu, der dem Fremden auf der Karlsbrücke in Prag auf die Frage, ob sich der heilige Nepomuk wirklich um Mitternacht dreimal um sich selbst drehe, lächelnd antwortete: »Bewahre nur ein bischen.« So einfach sich diese Erscheinungen im gewöhnlichen Leben abspielen, so schwer ist es, dagegen mit Erfolg anzukämpfen. Es giebt und wird immer Leute geben, die in der Hoffnung leben, einmal muss es doch ein Mittel geben, durch welches der Kesselstein ohne Weiteres beseitigt wird: in dieser Zeit der Erfindungen wird eben nichts für unmöglich gehalten: nun. warum soll man diesen Leuten nicht ihr Vergnügen lassen, wenn es sonst Niemandem schadet. Um dem Vertrieb der Kesselsteingeheimmittel entgegenzu treten, hat der Verband noch beschlossen, eine Broschüre her- auszugeben, welche die bis jetzt untersuchten Geheimmittel, ihre chemische Zusammensetzung usw. enthalten soll. Der artige Zusammenstellungen sind schon öfter herausgegeben worden, zuletzt vom Westpreussischen Verein in Danzig, worin über 100 derartige Mittel enthalten sind. Die neue Broschüre wird vielleicht einige Mittel mit prachtvollen Namen mehr ent halten, das ist aber auch alles, denn angesichts der vor liegenden Thatsachen ist es unerfindlich, was damit, mehr er reicht werden soll,