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Nr. 93 PAPIER-ZEITUNG 3027 Deutsche Papierindustrie Fabrik photographischer Papiere und Platten der Chemischen Fabrik auf Aktien (vorm. E. Schering), Berlin Die Chemische Fabrik auf Aktien in Berlin stellt seit Jahren Chemikalien für Photographen her und beschloss vor etwa Jahres frist die Erbauung einer grossen Anlage zur Anfertigung von photographischen Papieren und Platten. Mehrere Umstände sprachen dafür, dass dieses Unternehmen der Firma von Erfolg gekrönt sein wird. Sie besitzt in allen Ländern einen aus gedehnten Kundenkreis unter den Händlern mit photographischen Präparaten. Ihre reichen Geldmittel gestatteten ihr, die Fabrik gleich in grossem Maassstab zu bauen, mit Berücksichtigung aller Fortschritte einzurichten und den Schwierigkeiten des Anfangs ohne Zagen zu begegnen. Ihre Chemiker hatten für die Herstellung photographischer Papiere und Platten wichtige Erfindungen gemacht und patentiren lassen. Für Bau und Ein richtung der Anlage gewannen sie in Herrn Alfred Herxheim aus Düren, selbst Theilhaber von Fabriken präparirter Papiere in Düren und Berlin, einen vielerfahrenen und thatkräftigen Fachmann. Seit einigen Monaten ist die beistehend ab gebildete Fabrik in Be trieb. Sie wurde in der auch für Berliner Ver hältnisse kurzen Bauzeit von 7 Monaten errichtet. Der Kostenaufwand be trug etwa 400000 M., welcher Preis mit Rück sicht auf das Geleistete als mässig bezeichnet werden muss. Das Ge bäude bedeckt eine Fläche von 60 X 25 m und steht auf dem Grund stück Tegeler Chausse 28 der Charlottenburger Zweigfabrik der Firma, wo in gesonderten Ge bäuden Heilserum, Aether, Tannin, Jodoform und andere Chemikalien hergestellt werden. Es liegt unmittelbar an der Station Jungfernhaide der Berliner Ringbahn in fast ländlicher Einsamkeit, wohin der Lärm der so nahen Grossstadt nicht dringt. Unter der liebenswürdigen Führung Herrn Herzheims treten wir den Rundgang durch die Fabrik an. Zunächst gelangen wir in die Räume, wo photographische Papiere hergestellt werden. Das Rohpapier, sogenanntes Baryt-, d. h. mit einem Ueberztig von schwefelsaurem Baryt (blanc fixe) versehenes Papier in Rollen, wird fast ausschliesslich von der Aktiengesellschaft für Buntpapierfabrikation in Aschaffenburg geliefert. Von der gleich mässigen Beschaffenheit des Rohpapieres ist das Gelingen des Erzeugnisses in hohem Grade abhängig, da jede Unreinheit oder Ungleichmässigkeit der Oberfläche das seinerzeit auf dem Papier hervorzurufende Bild störend beeinflusst. Die Aschaffenburger Fabrik hat erst vor Kurzem eine besondere Abtheilung für die Herstellung dieser Rohpapiere geschaffen, die unter Leitung des Herrn Dr. Hans Dessauer mit Erfolg bestrebt ist, das Beste zu leisten. Papier wird dadurch lichtempfindlich gemacht, dass man es mit einer Flüssigkeit, in der die lichtempfindliche Substanz, zumeist ein Silbersalz, gelöst oder aufgeschlämmt ist, überzieht Diese Flüssigkeit muss auf dem Papier nach dem Trocknen eine dünne Haut zurücklassen, die der eigentliche Träger des Bildes wird. Es würde zu weit führen, wollten wir hier die Eigenschaften aufzählen, die dieses lichtempfindliche Häutchen haben muss; wir erwähnen bloss, dass sich vornehmlich drei Stoffe dazu bewährt haben, nämlich Eiweiss, Collodium und Gelatine. Eiweiss enthält stets Schwefelverbindungen, die sich durch atmosphärische Einflüsse zersetzen und das Bild verderben können; deshalb hat die Firma auf die Erzeugung von sogenannten Albumin-Papieren von vornherein verzichtet. Collodium wird durch Lösung von nitrirtem Zellstoff in | Aether-Alkohol hergestellt. Es ist nicht gleichgiltig, wie stark der Zellstoff nitrirt und aus welchem Rohstoff er dargestellt wird; die Firma glaubt hierfür das zweckmässigste Verfahren gefunden zu haben, und hat sich dieses sowie die dafür ge wählte Bezeichnung »Cellodin« gesetzlich schützen lassen. Zur Herstellung der Cellodin-Emulsionspapiere wird das Collo dium in grossen Glasgefässen mit Chlorsilber und anderen Chemikalien in mechanischen Schüttelapparaten durchgerührt, und die so entstandene Emulsion auf Maschinen, die den Papierstreichmaschinen ähnlich sind, auf das Barytpapier in dünner Schicht aufgetragen. Die Trockenpartie ist kurz und wird nur mässig gewärmt, da Aether und Alkohol leicht flüchtig sind. Die entweichenden Dämpfe werden durch einen kräftigen Ventilator so gut abgesaugt, dass die Luft im Arbeits raum rein bleibt. Gelatine, d. i. gereinigter Thierleim, enthält ebenfalls Schwefelverbindungen, diese können ihm aber durch geeignete Behandlung mit Kalkhydrat vollständig entzogen werden. Derart behandelte Gelatine hat als Unterlage für Photographien immer hin den Nachtheil, dass die empfindliche Schicht zu weich und leicht zer- fliesslich ist, sodass Temperatur-Einflüsse und Eingriffe beim Ver arbeiten dem Bild leicht schädlich werden. Wird die Gelatine, wie man es vielfach geübt hat, mit Alaun gehärtet, gleich sam gegerbt, so wird sie wohl widerstandsfähiger, aber sie lässt dann die Bäder mit Chemikalien nicht mehr genügend ein dringen. Die Chemische Fabrik auf Aktien hat ein Verfahren erfunden und patentiren lassen, Ge latine durch Behandlung mit Formaldehyd (CH,0) zu härten, ohne dass die Durchlässigkeit dabei leidet. Sie nennt die gehärtete Gelatine »Ge- latoid «, und dieses wirdin geeigneten Gefässen mit den nöthigen chemischen Stoffen gemischt und bei einer Temperatur, bei der die Mischung leichtflüssig ist, auf geeigneten Maschinen auf das Barytpapier aufgetragen. Da die Gelatine bei höherer Temperatur flüssig wird und vom Papier abfliesst, muss dieses vor der Trocknung gekühlt werden, was auf gerippten Kühlkörpern aus Blech ge schieht. Bei der Ueberleitung auf den Kühler und dann auf die Trockenvorrichtung wird cas Papier auf eine von Herrn Herzheim erdachte sinnreiche Art in richtiger Spannung er halten und das Bilden von Falten verhütet. Auf dem späteren Weg geht das Papier noch über einen flachen Sauger, der ganz ähnlich den Saugern von Langsieb-Papiermaschinen gebaut ist. Sodann legt sich das Papier ähnlich wie bei der Tapeten fabrikation auf Stäbchen in Falten, und wird in mässig geheiztem, gut gelüftetem geräumigem Saal endlos getrocknet. Die Ausrüstungs-Räume, wo das Papier in Bogen ge schnitten, sortirt, gezählt und verpackt wird, unterscheiden sich nur dadurch von ähnlichen Zwecken dienenden Räumen anderer Fabriken, dass das Tageslicht streng ausgeschlossen wird. Elektrische Glühlampen geben das Licht hier sowie in den soeben beschriebenen Fabrikations-Sälen. Chlorsilber verträgt das elektrische Licht ziemlich gut; Bromsilber würde aber davon in wenigen Sekunden geschwärzt. Die Trockenplatten, die ja so empfindlich sein müssen, dass auf ihnen bei einer Exposition von einer Sekunde und weniger ein Bild mit allen Einzelheiten entsteht, werden mit Bromsilber-Gelatine-Emulsion überzogen. Diese Fabrikation ist in unterirdische Räume verlegt, wo Doppelthüren jeden Lichtstrahl fern halten, und nur wenige mit dunkelrothem Glas umhüllte Glühlichter einen schwachen Lichtschimmer verbreiten, der für den daran nicht Gewöhnten fast völliger Finsterniss gleichkommt. Hier werden gereinigte und getrocknete Glasplatten mit der erwähnten Emulsion ver sehen und in Trockenkammern geschoben, wo die Festhaltung