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2782 PAPIER-ZEITUNG Nr. 86 Fabrik oder Handlung Es ist in Deutschland üblich geworden, dass die Händler, welche Waaren beziehen und zu liefern anbieten, sich als Fabrikanten dieser Waare ausgeben. Sie thun dies vielfach, indem sie auf dem Ladenschild, auf Briefköpfen und Rechnungen ihr Geschäft als Fabrik bezeichnen. Beinahe jede Tapeten- Handlung z. B. nennt sich Tapeten-Fabrik. Buchbinder, die nur auf Bestellung arbeiten, bezeichnen ihren Betrieb als Geschäftsbücherfabrik usw. (vergl. Nr. 80 Seite 2606). In England und Frankreich herrscht diese Gepflogenheit nicht oder doch in sehr geringem Maasse. Während der deutsche Händler auf seinem Ladenschild »Bronzewaarenfabrik« sagt, begnügt sich der Franzose oder Engländer mit dem Wort »Bronzewaaren« und verkauft deshalb wahrscheinlich nicht weniger. Die kleinsten Geschäfte fügen ihrer Firma häufig die Worte Engros«, »Export« usw. zu, obwohl andere Handlungen nichts bei ihnen kaufen, und die Bezeichnung nur einen erhöhten Begriff von dem Umfange des Geschäfts geben soll. Das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 27. Mai 1896 ist im Interesse von Treu und Glauben er lassen, es soll der Wahrheit auch im Geschäftsleben zu ihrem Recht verhelfen. Der erste Abschnitt von § 1 hat folgenden Wortlaut: „Wer in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mittheilungen, welche für einen grösseren Kreis von Personen bestimmt sind, über geschäftliche Verhältnisse, insbesondere über die Beschaffenheit, die Herstellungsart oder die Preisbemessung von Waaren oder gewerb lichen Leistungen, über die Art des Bezuges oder die Bezugsquelle von Waaren, über den Besitz von Auszeichnungen, über den Anlass oder den Zweck des Verkaufs unrichtige Angaben thatsächlicher Art macht, welche geeignet sind, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, kann auf Unterlassung der unrichtigen An gaben in Anspruch genommen werden. Dieser Anspruch kann von jedem Gewerbetreibenden, der Waaren oder Leistungen gleicher oder verwandter Art herstellt oder in den geschäftlichen Verkehr bringt, oder von Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen geltend gemacht werden, soweit die Verbände als solche in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten klagen können.“ Hiernach ist jede falsche Angabe über Herstellung und Bezug von Waaren strafbar und kann verboten werden. Von dieser Bestimmung ist auch schon verschiedentlich Gebrauch gemacht worden. Nach der Tapeten - Zeitung klagte z. B. der Vorsitzende des Frankfurter Lokal - Vereins gegen die Frankfurter Tapetenfabrik P. Rüttgers, die laut Adressbuch eine Fabrik »Bergerstrasse« und Detail-Verkauf »neue Zeile 27« be treibt. Die Gerichtsverhandlung ergab, dass der Angeklagte seit längerer Zeit Formen zum Druck von Tapeten stechen liess und auch echte Ledertapeten anfertigte, dass er aber erst in letzter Zeit und nur in kleinen Mengen einige Papiertapeten druckte; eine Fabrik im landläufigen Sinne scheint er nicht zu besitzen. Auf den Antrag des Vereins wurde von der Kammer für Handelssachen verfügt, dass er sich in seinen öffentlichen Mittheilungen des Wortes »Tapetenfabrik« bei einer Strafe von 500 M. für jeden einzelnen Fall zu enthalten habe. Vom Kläger wurde dargelegt, dass unter Tapetenfabrik allgemein eine solche verstanden werde, die Tapeten aus Papier herstellt, und auf Grund dieser Auffassung wurde der Widerspruch des Ver klagten gegen obige Verfügung in der gerichtlichen Verhand lung verworfen und der Beklagte in die Kosten verurtheilt. Wenn Beklagter neben Ledertapeten neuerdings auch geringe Mengen von Papiertapeten handwerksmässig herstellt, so be rechtige ihn dies nicht, sein Geschäft schlechthin als Tapeten- Fabrik zu bezeichnen, dadurch werde der Eindruck eines be sonders günstigen Angebotes hervorgerufen. Es könnte für viele Firmen sehr nützlich sein, wenn sie ihre öffentlichen Angebote daraufhin prüfen wollten, ob sie nicht irgendwie gegen obiges Gesetz verstossen. Jedenfalls wird es sich empfehlen, alles auszumerzen, was damit nicht in Einklang steht, da die spätere zwangsweise Beseitigung Kosten und viel Aerger verursacht. Es ist ein alter eingewurzelter Irrthum der Händler, dass sie glauben, durch solche Angaben Vertrauen zu erwecken und mehr Geschäfte zu machen. Die Käufer lassen sich dadurch nicht täuschen und wissen recht gut das Richtige zu erkennen. Die Unwahrheit in einem Punkte erweckt aber auch Misstrauen gegen alle anderen Angaben. Wenn die Käufer auf die Bezeichnungen »Fabrik«, »Export- Haus« und dergl. Werth legten, würden sie nicht die grossen Waarenhäuser und Bazare aufsuchen, welche den Verkauf in grossem Umfange an sich reissen und sich stets nur als Hand lungen bezeichnen. Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896 Die Leistungsfähigkeit der Berliner Papierverarbeitungs- Industrie wurde in Gruppe XVI durch zahlreiche Firmen be wiesen und fand auch allgemeine Anerkennung. Durch die dortselbst in Thätigkeit vorgeführten Briefumschlag-, Präge- und anderen Maschinen erhielten die Besucher Einblick in die Her stellungsart der Massen-Erzeugnisse der Papierverarbeitung. Doch abgesehen von den Fachleuten, gaben sich nur Wenige die Mühe, nachzuforschen, ob auch die für den guten Betrieb dieser Maschinen entscheidenden Schneidewerkzeuge ein heimisches Erzeugniss sind. Die Ausstellung der Gruppe III. Metallwaaren, bewies, dass die Berliner Industrie den Bedarf der Papierverarbeiter an guten Schneidewerkzeugen deckt. Die Werkzeugfabrik von Karl Weber, Sebastianstrasse 4, hat dort in einem Glasschrank eine Anzahl sehr genau gearbeiteter Ausstanz-Messer und Aussehlag-Eisen ausgestellt, von denen folgende besondere Erwähnung verdienen: Ein verstellbares Briefumschlagmesser, das zur Herstellung von Briefumschlägen jeder gangbaren Grösse benutzt werden kann, indem vier Messer auf stellbaren mit genauem Maassstab versehenen Stahl schienen gegen einander verschoben, und ausserdem jedes für sich unter beliebigem Winkel verstellt werden können. — Drei Stück Briefumschlagmesser, die 1000 Blatt Hanfpapier mit einem Druck derart stanzen, dass das oberste und unterste Blatt genau gleich gross sind, während bei minder sorgfältig gearbeiteten Messern fast immer das oberste Blatt etwas grösser wird. Dieser Umstand ist bei der Briefumschlagfabrikation besonders wichtig, denn die vollkommene Gleichheit der Umschlagblätter ist die Vorbedingung für gute Arbeit der Maschine. — Karton-Aus stanzmesser zum Ausstanzen von Faltschachteln. Diese Messer müssen sehr genau gearbeitet sein und erfordern viel Kunst fertigkeit beim Schmieden und Feilen, da man zu ihrer Ver fertigung keine Maschinen zur Hilfe nehmen kann und sich bloss der Handarbeit bedienen muss. — Lu xuskarten-Ausstanz- Messer für alle Arten von Gratulations-, Menu- und anderen Karten aus Glace-Karton und spröden Papieren. Bei diesen Messern ist die Erzielung sauberer glatter Ausschnitte das wichtigste Erforderniss, und deshalb müssen sie aufs Atterfeinste ausgearbeitet sein. Ein von der Firma ausgestelltes Messer in Kleeblattform darf als Meisterstück schwierigster und feinster Arbeit bezeichnet werden. Äusser diesen Gegenständen be merkten wir noch Etikettenmesser, Messer für Buchschilder, Cigarrenringe, Kalenderrücken, Reklameschilder u. a. m. Das Arbeiter-Pensionsbuch Einen Rückblick auf die Entstehung des Invaliditäts- und Altersversicherungs-Gesetzes nennt Friedr. Wilh. Abel in Magdeburg seine soeben unter obigem Titel erschienene Gedenk schrift. Im Vorwort wird erzählt, wie der Verfasser im Jahre 1880 einen Plan für die obligatorische gesetzliche Einführung der Alters- und Invaliditätsversicherung ausarbeitete und unter dem Titel »Das Arbeiter-Pensionsbuch« in mehr als 1000 Abzügen der Oeffentlichkeit übergab. Der Inhalt dieses Büchleins ist ab gedruckt, nebst den 1881 dazu erschienenen Nachträgen, die eine vollständige Zusammenstellung der für die Versicherung nach Abel’s Plan nöthigen Drucksachen liefern. Darunter findet sich auch das Urbild der heutigen Klebekarte, die fast genau dem Abel'schen Plan entnommen ist. Weiter folgen aner kennende Aussprüche hervorragender Männer über Abel’s Vor schläge, die zehn Jahre später durch die Botschaft Kaiser Wilhelms I. ihrer Verwirklichung entgegengeführt wurden. Das reich ausgestattete und geschmackvoll gebundene Buch im Format 24 : 33 cm enthält 28 Seiten und klingt in einer poetischen Verherrlichung der Errungenschaften der Arbeiterschutz-Gesetz gebung aus. Es gereicht dem Papierfach zur Ehre, dass einem seiner Angehörigen ein so wesentlicher Theil an der Aus gestaltung der Arbeiter-Versicherung zukommt. Die Filztuchfabrikanten der Vereinigten Staaten versammelten sich am 1. Oktober in New York, um über Maassregeln zur Hebung des Geschäftes zu berathen. Es wurde beschlossen, die Regierung zu ersuchen, Zollmissbräuche bei der Einluhr von Filzen zu verhindern. Ein Nasspressfilz gewöhnlicher Grösse kostet nämlich 75 Dollars und ein gleich grosser Filz für die zweite Presse 100 Dollars. Insbesondere die englischen Einfuhrhändler deklariren jedoch letztere auch als Nasspress- Filze und schädigen dadurch das amerikanische Zollgefälle und die einheimischen Filztuchfabrikanten. Den zweiten Gegenstand der Berathung bildete der Zusammenschluss zu einem Ring, um die Preise zu heben.