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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.02.1905
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-02-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19050207018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1905020701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1905020701
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-02
- Tag 1905-02-07
-
Monat
1905-02
-
Jahr
1905
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Di« 4 gespaltene Reklamezeile 75 Sn«ah»efchl«tz fitr AnzeMen: Abend-Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgab«: nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen sind stet« an die Lzpedstion zu richten. Extra-Beilagen (nur mit der Morgen« Ausgabe- nach besonderer Vereinbarung. Die Exvedttia« ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet voa jrüh 8 bl« abend« 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pal» in Leipzig (Inh. Dr. B., oi. L W. Klinkhardp. Nr. «8. Var lvicdtigrlr vom cagr. * Die Handel-vertriigr werden im Reichstag nun doch erst am Donnerstag zur Beratung kommen und einer Kommission überwiesen werden. (S. Bericht). * Auf sämtlichen Gruben der schlesischen Koh len- und Kokswerke ist gestern der Streik aus gebrochen. (S. Dtsch. Reich.) * Heute abend trifft der Prinz von Astmrien mit der spanischen Sondergesandtschaft in Berlin ein. - Die Mission des Grafen Julius An Präs sy gilt als gescheitert: er dürfte nicht einmal ein UebergangS- ministerlum zu stände bringen. (S. AuSlamd). * Nach einer Meldung aus Kattowitz hatte der Gendarmerieoberst v. Putt kam er aus BreSlau mit dem Offizier des russischen Wachtk ommandos Besprechungen über den russischen Grenzschutz. (S. d. Artikel Ülker Rußland.) * Gegen den Direktor Bloch vom französischen Kolo nialministerium, der nach dem Ausbruch das Mont Pcl6e nach Martinique reiste, schwebt Untersuchung. (Siehe Ausland.) Vie Lage Oer rurrirchen Arbeiter« i« offiriSrer velrucbtung. tVon umserm Korrespondenten.) u. Petersburg, 4. Februar. Als der Streik auf den Putilotv-Werken in Peters burg ausbmch und von dort aus immer bräbcve Dimen sionen annahm, wunderte man sich nicht weirig, daß das Finanzministerium — dem bekanntlich auch Handel und Industrie unterstellt sind — nichts tat. um imc Differen zen zwischen den Arbeitern und Arbeitgebern beizulcgen und eventuell einen kleinen Druck auf die Fabrikherren auszuüben. Eine Notwendigkeit, die sonst als gutes Steuerobjekt lvarm gehaltene Großindustrie weiter zu verhätscheln, lag gerade in diesem Falle nicht vor. Denn die Putilow-Werke sind ja eben mit Rcgterungsbestel- lungen reichlich gefüttert worden, so daß die Regierung ganz gut bei der Fabrikvcrwaltung einen kleinen Bruch teil von dem in Aussicht stehenden Mammon auch für die nicht wenig angestrengten Arbeiter hätte hevausroißen können. Daß das LoS des russischen Industriearbeiters durch die mißbräuchliche Ausnutzung der Ueberstunden- Arbeit noch elender und menschenunwürdiger wird, als es schon an und für sich ist, ist ganz bekannt. Erklärte dock, dem Schreiber dieses Briefes einmal ein Fabrikherr, daß er, wenn der Fabrikinspektor die Erlaubnis zur Ueberstunden-Arbcit gegeben habe, jeden Mann an die frische Luft befördere, der zur Leistung von Ueberstunden nicht bereit sei. Bei einet solchen nücksichtslosen Aus- Nutzung der wirtschaftlichen Macht kann es denn auch passieren, daß z. B. die Setzer in Petersburger Zeitungs- druckereien trotz aller staatlichen Regulative 17 bis 18 Stunden täglich beschäftigt sind! Und das noch zu Hungerlöhnen! Denn während z. B. im den Ostsecpro- vinzeu die Seher schon langst 21 oder 22 Kopeken für 1000 Buchstaben erhalten, haben die Setzer in der tcuern ersten Residenz des Reichs beim lebten Streik ganz be scheiden um eine Lohnerhöhung auf 20 Kopeken für 1000 Buchstaben gebeten! Und das bei Zcitunzgcn, deren Re dakteure sich in liberalisierenden Leitartikeln und Tiraden nicht genug tun können. Kurz, ein Druck des Finanz- Ministeriums auf die Gewaltigen in der Industrie wäre ganz am Platze gewesen. Indes er blieb aus, und bald nach den barbarischen Vorgängen am 22. (9.) Januar tauchte im Auslande, wie im Inlande die Behauptung auf, die Regierung habe die letzte Arbeiterbewegung ab- sickstlich so anschwellen lassen, um dem Zarsn vor oinem liberalen Regiment bange zu machen und ein Säbelregi- ment einzuführen. Diese Behauptung scheint den Tat sachen durchaus zu entsprechen, da jetzt eine offizielle Persönlichkeit es offen ein- gestanden hat, daß daS Finanzministerium durch die Buroaukrntie der Pobjedonoszew-Plehweschen Richtung schon lange an durchgreifenden Reformen auf dem Gebiete der Industriearbeitersürsorge im allge meinen, und an Schritten zur Beilegung des PeterS- burger ArbeiterausstandeS im besonderen verhin dert worden ist. Die von Ssuworin dem Jüngeren herauisgegebene Aeitung „R u ß" veröffentlicht in ihrer Mittwochs-Num mer eine Unterredung eines ihrer Redakteure mit einem „sehr hohenBeamten der Finanzmintste- riumS". Die Art und Weise, wie die Stellung des Befragten als die eines „sehr hohen Beamten" hervorge hoben wird, legt die Vermutung nahe, eS sei der Finanz- Minister selbst oder sein Gehülfe, der vielfach ackS Nach- folger Swjatopolk-Mirski- genannte Fürst Obo- lenSki — (nicht zu vennechseln mit dem Gerwralgou- verneur von Finland!). Dieier befragte „hohe Beamte ' hat rum erklärt, do» Finanzministerium habe „i-n letz Dienstag den 7. Februar 1905. ter Zeit cko kueto keine Möglichkeit ge habt, etwas in der Arbeiterfrage zu tun. Tie vor kur- zem tagende Konferenz der Industriellen und Beamten des Finanzministeriums sei zu keinerlei Resultaten ge kommen, und zwar „vor ollen Dingen schon deshalb nicht, weil die Forderungen der Arbeiter etwas kategorisch gestellt wurden und auch nach ihrer Redaktion zu keiner Vereinbarung führen konnten, da eine volle Befriedigung ihrer Wünsche unmöglich war. Wenigstens erklärten das die Vertreter -er Industriellen und Fabrikanten dem Ministerium . . ." An dieser Stelle wurde der Beamte vom Interviewer mit dem Einwande unterbrochen: „Wir haben zuverlässige Beweise dafür, daß die De putierten der auf den Pntilow-Werken versammelten Ar beiter an dem Tage, wo sie mit dem Direktor Smirnow verhandelten, vor ihrem Weggange erklärten, sie würden sofort die Arbeit wieder aufnehmen, wenn die Fabrik verwaltung ihre Forderungen auch nur teilweise erfülle. Ist es so?" Und nun erfolgt eine Antwort, die zum Staunen ist, -a sie zeigt, daß das Finanzministerium nur durch die Fabrikherren einseitig über die Situation unter richtet war, eine Antwort, die von einer grandiosen Gleichgültigkeit gegen die Interessen der Arbeiter zeugen würde, wenn sie nicht durchblicken ließe, daß dem Finanz- Ministerium von anderer und zweifellos sehr mächtiger Seite die Hände gebunden worden sind. Tenn der „sehr hohe Beamte" erwiderte: „Unswurde das in ganzandererForm übermittelt, und zwar so -aß die Arbeiter auf der vollen und sofortigen Bewilligung ihrer Forderungen be ständen. Aber auch im anderen Falle hätte das Ministe rium im gegebenen Augenblick (!) nichts zur Ausgleich ung des Geistes tun können. Ferner kam die Bewegung so unerwartet, daß wir nichts tun konnten. In Baku har der Streik einen für die Arbeiter so günstigen Ausgang genommen, weil beide Teile nachgaben und das Mini sterium beider Parteien seine Unterstützung gewährte. Das Finanzministerium bat schon längstdieNot- wendigkeitanerkannt, die Lage und die Lebens- bedingungen der Arbeiter zu verbessern. Leider wurde dos Ministerium durch das vorhergehende bureaukratischc Regime in seinem Beginnen gehemmt. Als Beweis führe ich Ihnen folgendes an: Zwei Jahre lang befand sich die Fabrikinspcktion, dieses einzige kompetente Organ in Arbciterangelegen- heiten, in einer ganz unmöglichen Position, so daß jede Möglichkeit zu einer lebendigen und fruchtbringenden Arbeit ausgeschlossen war. Tas Ministerium des Innern strebte auf jede Weise dahin, die Fabrikinspektion in sein Ressort überzuführen. Natürlich konnten wir das nicht zulassen. So wußte die Fabrikinspektion zwei Jahre lang nicht, wohin sie gehört. Die Folgen einer solchen Lage sind klar. Ferner: Ztveimal brachten wir bei der höchsten Instanz — (d. i. beim Reichsrat) — ein Projekt zur Arbeiterfürsorge bet Unfällen ein. Und zweimal sagte man unS: „Wartet, noch ist es nicht Zeit . . ." Erst im Jahre 1903 erhielt das Projekt Gesetzeskraft. Es ist klar, daß unter solchen Umständen oine furchtbare und energische Arbeit, wie sie erforderlich war, unmöglich wurde. Eine sofortige Bewilligung der Forderungen der Ar- beiter ist nicht möglich, da die Arbeiter sie als eme dauernde Einrichtung wünschen und diese nur auf legis latorischem Wege durchgeführt werden kann. Darauf ist aber jetzt da? Bestreben des Ministeriums gerichtet. Dieses weiß sehr wohl, daß die Ueberstundcn- Arbeit im allgemeinen für die Arbeiter sehr schwer ist und daß sie nur Gegenstand einer freien Vereinbarung zwischen Arbeitern und Arbeitgebern sein kann, forme daß wegen Nicht-Eingehens auf Ueberstunden- Arbeit eine Entlassung des Arbeiters — wie sie jetzt vielfach geübt wird — nicht erlaubt werden kann. Aber regulieren kann man diese Frage nur auf gesetzgeberischem Wege, anders nicht. Und auch hiermit wird sich das Ministerium in nächster Zukunft befassen. Genau dasselbe gilt auch vom Achtstundentage. Ihn in kategorischer Form durchzuführen, wie das die Arbeiter verlangen, ist unmöglich. Auch im Auslände besteht er fast gar nicht, meistens arbeitet dort der Ar beiter 9 bis 9l/z Stunden. Bei uns ist ein Achtstunden tag auch schon deshalb nicht gut möglich, weil wir nach dem russischen Kalender viel mehr atbeitßfreie Lage haben, das Ausland hat solcher um ein Drittel weniger. Nichtsdestoweniger boarbeitet daS Ministerium auch diese Frage, schon liegt ein reichhaltiges Material vor, und bald bringen wir auch hierzu ein Gesetzprojckt ein." Dann berührte der „hohe Beamte" die vom Minister Plehwe geschaffenen Arbeiterorganisationen, die, wie er bemerkte, bitzher nur Institutionen sind, die die LümimstrativgewrAt schuf, und die -s-hol- auch „von einem anderen Minister des Innern zu beliebiger Zeit" wieder aufgehoben werden können. Deshalb geht das Finanzministerium darauf aus, auch solche Organisatio nen durch die Legislative sanktionieren zu lassen. „Außerdem ist daS Ministerium", — sagte der Be amte — „bemüht, ein Gesetzesprojekt auszuarbei ten, nach dem Streiks nicht vom Gesetz be straft, sondern als Kampfmittel im Kampfe mit den Fabrikanten zu gelassen werden." Zum Schluß der Unterredung zählte der Beamte eine Reihe von arbeiterfreundlickxm Maßnahmen des Ministe riums Witte auf und stellte noch weitere auf dem Gebiet der Arbeiterfürsorge in Aussickzt. Dabei betonte er, daß die Ordnung der Frauen- und Kinderarbeit, die Schöpfung der Fabrikinspektion, u. a. ausgeführt worden sei — „trotz der Schwierigkeiten", die das „bureau- krat ssche Regime" — d. i. das Ministerium Plehwe — dem Finanzministerium in Len Weg gelegt hätte. So weit die Unterredung. Daß der „sehr hohe Beamte" mit leinen Erklärungen eine Wcißwaschung des Finanzministeriums von etwaiger Verschuldung bei den letzten Vorkommnissen versucht haben sollte, erscheint durchaus unwahrscheinlich. Sie bestätigen vielmehr, was sich ganz Rußland sagt, nämlich, daß die seit Jahrzehnten geübte, brutale Gewaltherrsckiaft der Männer vom Schlage der Pobjedonoszew, Plehwe und Ssipjagin. Bobrikow und Sinowjew e tutti guauli es auf eine Reizung der Gemüter anlegt. Und wenn die Putsche nicht kommen wollen, stempelt man aus eigener Initiative entsprungene und nicht auf höheren Befehl angeordnete, friedliche Arbeiterprozessio nen dazu. Jede einzelne „Maßregel" und „Reform", das ganze bureaukratischc und Polizeisystem, alle „Poloschenija" und „Normal-Ustaws" (Normal statuten, bcz.vecke.c nichts weiter, als eine uniforme, mög- lichst bequeme und möglichst mechanische Abhaspelung aller Verwaltungs-, Regierungs- und Kulturarbeit, so wie einen möglichst ungestörten Lebensgenuß in möglichst roher und flacher Gestalt. Schon Puschkin hat in einem Vierzeiler das Ideal des Russen in diesem Sinne treffend dargestellt. Bei einer solchen Lebensauffassung darf es nicht Wunder nehmen, daß der russische Tschinownik das unbeholfenste, ungebildeteste und unselbständigste Ge lschöps, der Herdenmensch «an» plirase, ist. Ohne einen Ustaw. der ihm jeden Schritt bis ins kleinste vorschreibt, ist er ein unglücklicher und verlorener Greis auf dem Dache, der sich nicht zu helfen weiß. Und das ist schlimm. Denn gesetzt den Fall, der Zar hätte die Stirn eines Cäsar und dekretierte eine liberale Nickstung, er fände auch wirklich aufgeklärte und aufrichtige liberale Minister, — wo nähmen diese für das Riesenhecr von Beamten die geeigneten und gebildeten Männer her?! Der stupide Tschinownik sitzt jedem Russen tief im Blute. Auch die vom Finanz ministerium geschaffene Fabrikinspektion, deren unser „hoher Beamter" rührend gedenkt, l>at das bewiesen, wie jeder Industrielle bestätigen wird, der jemals mit dem Fabrikinspektor zu tun gehabt hat. Für kein Reich gilt so wie für Rußland das Wort: rueu not measures* Männer, nicht Maßregeln. ver generalztteilr der vergarbeiter. Das bereits im gestrigen Abendblatt erwähnte Tele gramm des Arbeiter-Vertreter« Effertz an den Reichs kanzler Hal folgenden Wortlaut: Die von den streitenden Bergleuten im Ruürrevier gewählte Siebenetto m Mission wird sich erlauben, Ew. Exzellenz um- gebend eine Eingabe einzureichen bezüglich der Stellung bet Berg leute zu der im preußischen Landtag angetiindigten Novelle, betr. das preußische Berggesetz und zu dem dem Reichstag angetiindigten Gesetzentwurf betr. die Rechtsfähigkeit der Arbeiterberus-vereint. Ew. Exzellenz teilen wir dann ergebenst mit, daß die gesamte Siebenerkommission bei dem Verein für bergbauliche Interessen telegraphisch um eine Unterredung nachgcsucht hat zur Besprechung folgender ermäßigter Forderungen: 1) Eine löproz. Lohnerhöhung an Stelle des zuerst geforderten MinimalwhnS; 3) kommt ein Gedinge nicht zustande, so soll der DurchschNlttSlohn gleich- artiger Arbeiten gezahlt werden und nicht, wie bisher, der orts- übliche Tagelohn. 3) Nach Aufnahme der Arbeit soll keine Maß- regellmg der Streikenden vorgenommen werden. 4) Gute Devutat- kohle auch für die bedürftigen Invaliden und Vergmannswilwcn. k> Humane Behandlung. Auf Grund der beabsichtigten Verhand lung soll di« Arbeit eventuell ausgenommen werden. Dir Siebener-Kommission, Johann Esters Nlten-Essen, Karlstr. Der Reichskanzler hat Herrn Effrrtz heute morgen tele graphisch geantwortet: Ihr Telegramm habe ich «halten und danke Ihnen für die Mitteilung. Im allgemeinen Interesie halt« ich es für dringend geboten, daß die Arbeit jetzt, wie Sie am Schloß i» Aussicht stellen, sogleich wird« ausgenommen wird Für diesen stall bin ich auch gern berrit, Vertreter der Arbeiter uud der Unternehmer zu weiteren Verhandlungen zu empfange«. Reichskanzler Graf Bülow. Dieser Depeschenwecksel klärt zugleich eiue Differenz auf, die in den bisherigen Meldungen vorbanden war, sich aber aub Grund de« hi« gestern nüUaß »-»liegenden MaterralS 99. Jahrgang. nicht beseitigen ließ. Nach brr Essener Meldung handelt eS sich um vier vom Arbeitersekretär GieSvert an geführte Punkte, mit denen die Siebenerkommission beim Bergbauverein vorstellig werden wollte, nach der zweiten, uns aus Bochum zugegangenen Drahlmelvung um fünf Punkte. Das Telegramm der Siebenerkommission führt nun tatsächlich fünf Punkte auf, unter denen sich die von GieSbert angegebenen nicht befinden. Der Widerspruch löst sich so, daß die von Giesbert angegebenen vier Punkte den Hauptinhalt der Berggesetznovelle ausmachen werden. Praktischen Erfolg wird übrigens der Depeschenwechsel voraus sichtlich nicht haben, da die Bergleute nicht zu bewegen sein Werken, die Arbeit ohne weiteres wieder auf- zunehmen. Die Zusickerung der Zechenbesitzer, daß sie nach Wiederaufnahme der Arbeit gern bereit sein würden, „berech tigten" Wünschen der Arbeiter entgegenzukommen, ist doch zu un bestimmt, denn was sink „berechtigte" Forderungen? WaS den Bergleuten durchaus berechtigt erscheint, wird möglicherweise den Z chenbesitzern im höchsten Grade unberechtigt erscheinen. Auf die Hilfe der Regierung ist insofern kein Verlaß, al« sie noch keine direkten Machtmittel zur Verfügung bat, um Vie Zechenbesitzer zur Erfüllung irgendwelcher Forderungen ;u zwingen, mag sie auch noch so guten Willen haben, den Mißständen abzühelsen. Tatsächlich scheint nämlich die Regierung sich mit den Vorgängen im Ruhrrevier eifrig zu beschäftigen. Graf Posadowsly verließ am Montag, nach Beantwortung der freisinnigen Interpellation, den Reichstag, um auf Ver anlassung des Reichskanzlers an emer Konferenz teil- zunebmen, die sich laut „B. T." mit den neuesten Vorgängen >m Rubrrevier beschäftigte. Dabei ist nicht zu leugnen, daß sich die Situation immer mehr verschärft, und zwar durch daS hartnäckige Verhalten der Zechenbesitzer, die damit eine um so schwerere Verantwortung aus sich laden, als der Streik sich weiter auszudehnen beginnt. Daß in Belgien der General streik der Bergleute angesangen hat, ist bereit« erwähnt worden. Es haben damit sämtliche Arbeiter der Kohlen gruben von Gouffre, Centre de Jumet, Pierreau le Grand, County DourcelleS - Norv, Augustin uud Gilly die Arbeit niekergelegt. Teilweise in den Ausstand getreten find die Arbeiter von 13 Kohlcnwerkeu. 12 Werke sind vom Ausstande nickt berührt. Ferner teilte nach dem „L.-A." der Delegierte Schröder in einer Versammlung zu Bochum mit, daß die englischen Bergleute seit gestern nur fünf Tage arbeiten würden zur Vermeidung der Ucbcrproduktion. Falls über Frankreich englische Kohle nach Deutschland eingeschmuggelt werden sollte, würde in England ebenfalls der Ausstand proklamiert werden. In Amerika würben große Gelbsammlungen ein geleitet. Bedenklich wird allmählich auch die Lage in Ober schlesien, wo ein allgemeiner Ausstand der Berg leute bereits ganz offen angekünbigt wird, wie folgende Meldungen erkennen lassen: * Breslau, 6. Februar. Die „Schles. Ztg." meldet an« Rybnik: Gestern hat in Niedobschütz eine Bergarbeiter versammlung stattgefunden, zu der etwa 250 Personen er schienen waren. Der Hauptinhalt der Verhandlungen, die zwei Stunden in Anspruch nahmen und ruhig verliefen, bildete ein Aufruf des Ausstandskomitees, betreffend den Ausstand in Westfalen, Neurode und Oberschlesiek mit den schon im Ruhrrevicr gestellten und hierorts noch verstärkten Forderungen. Es wurde ausdrücklich betont, daß ein Ausstand zur Zeit nicht vor teilhaft sei; es müßten vielmehr alle Bergarbeiter zu einer festen Organisation zusammentreten, und erst, wenn alles im Ruhrgebiet, im Waldenburger und Lberschlesischen Kohlenrevier festorganisiert sei, dürfe und müsse in den Ausstand getreten werden, um dann zu erzwingen, wenn keine Kohlen mehr geliefert werden können, daß die Forderungen der Bergarbeiter in weitem Maße angenommen werden. Die „BreSl. Ztg." meldet auS dem Waldenburger Revier: Die vereinigten Grubenverwaltungen im Walden burger Bergreoier haben in ihrer gestrigen Sitzung die Forderungen der Arbeiterschaft abgelehnt. Eine in Göllesberg gestern abgrhaltcn« Bergmannsversammlung beschloß auf Anraten der Vertrauensmänner mit knapper Mehrheit, noch nicht in den Streik einzutrcten, sondern nochmals mit den Direktionen zu ver handeln. Trotzdem ist heute auf sämtlichen Gruben der schlesischen Kohlen- und Koköwerke der Streit ausgebrochen, von 1358 Mann sind 80S nicht eingefahren. * BtUthen, 6. Februar. Auf der „Paulus-Grube" bei Morgenret sind heute früh von 440 Mann Unter Tage 164 im Ausstand. Die Ruhe ist nicht gestört. Auf der „Hohettzollern-Grube" bei veuthrn sind von 600 Schleppern 89 ausständig., Mr Krirlr In siuttlan». Vst, -er -eutfch-rusfischen Grenze. Au« Kattowitz meldet der „L.-A.": Gendarmerieoberft v. Puttkamer aus BreSlau batte heute nach einer In spektion des WachtschutzeS der über den Grenzfluß Brilnitza führenden preußischen Eisenbahnbrücke eine Unterredung mit einem Offizier des russischen Wachtkommandvs Die deutsche und die russische Grenzbebörde sieben angesichts der Unruhe» im Grenzdistrikt im engen Einvernehmen miteinander. Eine starke russische Greinwache wird das unbefugte Ueberschreiten der dcuischen Grenze mit aller Energie verhindern. Dies- seit« erfolgt eine Vermehrung der Gendarmerieposten an der Grenze Die Heranziehung von Militär bleibt bis zum äußersten stall ausgeschlossen. Nach einem Teltgramtn au« Sosnvwiee ist feit Sonn abend der Betrieb ans det Weichselbabn-Linie Soinowicr- Olkusck infolge de« Ausstande« der Eisenbahnarbeiter der Station StrzenneSzyce und Beschädigung de« Dege« eingestellt. Auf die Forderung der Ausständigen ist in de» Realschulen seit Mittwoch und in der Ha»del«fchule seit Freitag der Unterricht eingrstrll».
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