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Wilsdruffer Tageblatt : 20.06.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-06-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192406208
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19240620
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19240620
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-06
- Tag 1924-06-20
-
Monat
1924-06
-
Jahr
1924
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 20.06.1924
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Scyauungsprinzip m ver Weile, vap jcvcm Teilnehmer Ver öffentlichen Fernsprechnetzes durch eine einfache Zusatzeinrich tung die Möglichkeit gegeben werden kann, die Opern anzu hören. Bei Anruf des Teilnehmers wird der Anschluß an die Oper automatisch unterbrochen. Franz von Schönthan. (Zum W. Geburtstag.) Am 20. Juni jährt sich zum fünfundsiebzigstenmal der Tag, an dem der bekannte Lustspieldichter Franz von Schönthan in Wien das Licht der Welt erblickte. Schönthan hat teils allein, teils in Gemeinschaft mit seinem Bruder Paul, mit Gustav v. Moser, Oskar Blumenthal, Franz Koppel und anderen zahl lose Schwänke und Komödien geschrieben, und es dürfte in Deutschland kaum ein Theater geben, das diese unterhaltsamen Stücke nicht mit Erfolg — auch mit Kasfenerfolg — gespielt Hütte. Zu den bekanntesten unter seinen Lustspielen gehören: „Krieg im Frieden" (mit Moser), „Kleine Hände", „Cornelius Voß", „Zirtusleute", „Der Raub der Sabinerinnen" (mit seinem Bruder Paul), „Goldfische" (mit Kadelburg), „Komtesse GuSerl" (mit Koppel) usw. Franz von Schönthan starb im Jahre 1913. Blinddarmentzündung durch Unkraut. Die auffallende' Häufigkeit von Blinddarmerkrankungen in den hannoverschen und oldenburgischen Gegenden, wo Schwarzbrot aus sehr grob gemahlenem, noch ganze und halbe Roggenkörner enthalten dem Mehl genoffen wird, wird von Dr. K. Eick auf die- Sämenkörner der blauen Kornblume zurückgeführt. Sie werden sehr leicht unversehrt mit verbacken. Ihre keilförmige Gestalt ermöglicht ein Vordringen in die feinsten Darm partien, aus denen sie nicht mehr zurück können, da sich an ihrem stumpfen Ende ein Büschel feinster, gespreizter, etwa zwei Millimeter langer Borsten befindet. Diese wirken als Widerhaken; da sie wegen ihrer dicken Zellulosehaut von den Verdauungssäften nicht aufgelöst werden, bleiben sie als Fremdkörper oft im Blinddarm sitzen und führen zu Entzün dungen. Tatsächlich hat man denn auch verhältnismäßig HÄM bei Overationen dies« Saure«» t» WlinLdavm gesundet«. Die Fünftagewoche. Das Moskauer Zentral« rücits- amt hat einen neuen Kalenderplan ausgearbeitet. Danach soll das „Proletarierjahr" zwar nach wie vor in zwölf Monate eingeteilt werden, aber jeder Monat soll aus sechs Wochen zu je fünf Tagen bestehen. Das hat den Vorteil, daß jeder fünfte Tag ein Sonntag ist, so daß die Arbeitswoche also künftig nur aus vier Tagen bestehen würde. Zum Ersatz dafür soll allerdings die gesetz liche Arbeitszeit aus neun Stunden täglich erhöht werden. Stirn und Nase als Augenersatz. Der französische Schriftsteller Jules Romains hatte neulich in einem vicl- bemerklen Artikel der „Nouvelle Revue Fran-aise" die Be hauptung aufgestellt, daß der Mensch nicht nur mit dem Auge, sondern auch mit anderen Körperteilen zu sehen ver möge, eine Behauptung, die von der wissenschaftlichen Welt mit skeptischem Lächeln ausgenommen worden war. Jetzt ist indessen Romains in der Person des Mathematikers und Philosophen Jean Labadiö.ein Helfer entstanden, an dessen Autorität ein Zweifel nicht wohl gestattet ist. Labadiö hat in SüLfranlreich eine seltsame Künstlerfamilie entdeckt, deren Oberhaupt ein bekannter Bildhauer ist. Der Vater hat seine Töchter in der Kunst, bei geschlossenen Augen mit Stirn und Nase zu sehen, ausgebildet, und wie die De monstrationen beweisen, erstaunliche Erfolge erzielt. Die Darbietungen sind photographisch festgehalten, und man sieht auf den Bildern, wie die jungen Mädchen, vercn Augen durch mit Siegeln verschlossene Tücher fest verbunden sind, Tennis spielen und radeln. Labaviö hat die von ihm entdeckte Familie nach Paris gebracht, und die Experi mente, die er dort gemacht hat, haben alle, die ihnen bei wohnten, in Helles Staunen versetzt. Um jeden Zweifel, daß hier ein Trick mit im Spiele sei, auszuschließen, hat Ler Vater hinter dem Rücken der Töchter Zeitungen aus gestellt und die Mädchen konnten mühelos den Text der hinter ihrem Rücken befestigten Blätter lesen. Aber damit noch nicht genug. Der Bildhauer hat auch einen jungen Kriegsblinden in der Kunst des augenlosen Sehens ausge bildet, und er versichert, daß dieser es in Kürze in dieser Kunst zur Vollkommenheit gebracht haben wird. Fremden, widmen konnte. Jetzt verstand sie aber ein wenig den Reiz, der von dem Mädchen ausging. Wenn Malwe saß, merkte man nicht wie klein sie war. Sie hielt sich kerzengerade, das kraßblaue Kleid zeigte weit entblößte Schultern und Nacken. Die Lippen des großen Mundes leuchteten verführerisch. Sie beherrschte allein das Gespräch. Frau Seitgast sah von ihrem Teller gar nicht mehr auf, denn Lie „schönste Frau" schien durch eine andere in den Schatten gestellt zu werden, und Frau Landolf langweilte sich, sie gab sich kaum Mühe, es zu verbergen. Man sprach nur von Musik hier an dem Tische, an dem sonst Hochöfen und Gebläse das Gespräch beherrschten, an dem man sich mit den Leistungen eines Walzwerkes vertraut machen mußte, da sogar die Damen sich für die Schienenstraßen interessierten, für die Aufträge, die das Werk bekam und für die -Lieferungsfristen. Hier, wo man sonst nach Gicht der Kohlung und Schlacke fragte, schwirrten heute die Namen der großen Musiker durch den Raum, und alle Anwesenden gaben sich Mühe, zu zeigen, wieviel sie von der Kunst verstanden. Frau Weinhold war glücklich! Fast kam sie sich wie eine Beschützerin der schönen Künste vor. Sie lieh ihre Ringe im Lichte blitzen, neigte sich huldvoll zu Renate und fragte; „Sind Sie auch musikalisch?" Renate zögerte. Ihr war es zuwider, jetzt von ihrer Be gabung und Liebe zur Musik zu sprechen. Sie hätte ja die An wesenden damit überraschen können, wenn sie ihnen gestand, dah sie einst selbst die Laufbahn der Musikerin einschlagcn wollte. Aber sie schüttelte den Kopf. „Ich habe nur eine unglückliche Neigung zur Musik." „Wie sagten Sie, gnädige Frau?" rief Weinhold dröhnend, und in den gepolsterten Wangen verschwanden die Augen. „Eine unglückliche Neigung? Ach, der Ausdruck ist ja ganz kostbar, den habe ich noch nie gehört. Ich lache mich tot! Haha." „Richard!" mahnte Frau Ida. Sie war empört, 'daß gerade heute der Gatte wieder einmal ihr Erziehungswerk zuschanden machte. Sieben lange Jahre quälte sie sich bereits damit, ihm den Ton der großen Welt beizubringen. sind noch immer war er „bäuerisch", wie sie voll Verachtung ihm an den Kopf warf. „Sie müssen uns also denn auch etwas bieten," sagte Frau Weinhold gemessen und würdevoll, um den schlechten Eindruck der Worte wieder gut zu machen. Renate aber wehrte sich da gegen: „Nein, nein, wir haben heute eine Künstlerin hier, da müssen alle anderen zurücktreten." ,Aun, man kann nicht alles können," sagte die Gastgeberin sehr huldvoll. „Sie haben so reizende Sachen geschrieben, liebe Frau Storm, daß man von Ihnen nicht auch einen musikalischen Sieg beanspruchen darf!" Und nach eineer Pause fügte sie hin zu: „Aber etwas werden Sie spielen, eine Kleinigkeit." (Fortsetzung folgt.) Das erste Papiergeld. Der Erfinder des Papiergeldes ist der spanische Gouverneur Tendilla, der während der maurischen Kriege 1481 bis 1492 die Stadt Athelma Lis zum Falle von Granada verteidigte. Während der Belagerung wurden durch die Unterhaltung der gewaltigen Streitkräfte seine Mittel dermaßen erschöpft, daß er nicht mehr so viel-Gold und Silber besaß, um seinen Kriegern den täglichen Sold auszuzahlen. Da Lie Truppen endlich zu murren anfingen, verfiel Tendilla Mn einen eigentümlichen Gedanken. Er schnitt Papier in kleine Blätter und schrieb darauf größere und kleinere Summen, je nachdem « dieselben nötig hatte. Diese Zettel gab er seinen Soldaten statt des Soldes und versprach dabei, die Scheine. die Belagerung aufgehoben fein werde, mit Gold und cmzmoien. Len Burgern wuroe vewmen, me Papier- blättchen anzuerkennen und als Zahlung anzunehmen, waS unweigerlich geschah, und so wurden des Gouverneurs Geld verlegenheiten plötzlich beseitigt. Dieses Wertpapier, das 1484 ausgegeben und später treulich von Tendilla eingelöst wurde war das erste Papiergeld in Spanien. Laßt uns lachen. Ländliches Heiratsgesuch. Ich suche ein Mädchen zur Frau, das die Wirtschaft genau kennt und unter dem VieL ausgewachsen ist. Leberecht Ochs, Gutsvermalter. Kindliche Anschauung. Die fünfjährige Paula (mit ihrem Vater im Zoologischen Garten vor dem Elefantenhaus; erst ganz starr vor Erstaunen, bricht dann entzückt in die Worte aus): .Sieh' mal, Vater, Las Tier frißt ja mit seinem Schwanz." Der Vorsichtige. Junger Herr: „Geehrtes Fräulein, ich möchte mir nicht gern ein Körbchen bei Ihnen holen; ge statten Sie mir deshalb die höfliche Anfrage, ob Sie, wenn ich so frei sein würde, um Ihre Hand anzuhalten, geneigt wären, mir eine zustimmende Antwort zu erteilen?" Gedankenlos. Erster Student: „Du, Karl, was tust du denn heut' nachmittag?" — Zweiter Student: „Nichts." — Erster Student: „Wo denn?" Eingegangen. Parkwächter: „Ein paar reizende Kinder, die da aus dem Rasen spielen! Sind wohl die Ihrigen?" — Dame (geschmeichelt): „Ja, allerdings." — Parkwächter: „So, dann darf ich wohl um Ihren werten Namen bitten! Es steht doch da aus der Takel. Laß Las Betreten des Rasens bei Strafe verboten Utl" Unsere Singvögel. Von Dr. Fritz Skowronnek. Was wäre die jetzige Jahreszeit, der Frühling, Ler beginnende Sommer ohne Las Lied der Vögel? Ein schönes Gemälde, weiter nichts! Erst der Vogelgesang er hebt die Natur zu einem Singspiel voll Lust und Liebe. Denn es ist ja das ewige Geheimnis der Liebe, das jeder Vogel mit jubelnder Stimme besingt. Es ist dieselbe Kraft, die das schwache Geschöpf über Tausende von Meilen zu- rücksührt in die Heimat, wo es geboren ist, um hier den Lebensgefährten zu finden und Las eigene Nest zu bauen. Kein Wunder, daß von der ganzen Tierwelt die Vögel dem menschlichen Empfinden am nächsten stehen und unter Liesen wieder an erster Stelle die Singvögel, deren Stimme so deutlich zu unserem Herzen spricht. Sie sind nicht gleich begabt. Es gibt unter ihnen Künstler, wie die Nachtigall, die Drossel, die Amsel und die Lerche, die immer neue Me lodien erfinden, ohne sich zu wiederholen, und armselige Stümper, Lie nur eine kurze Strophe herauszuschmettern vermögen. Aber wer mag La kritisch die einzelne Stimme aburteilen, wenn sich Tausende zu eirrem Chor voller Har monie vereinigen. Wer diese Symphonie Ler Natur genießen will, muß sich frühmorgens in einen Laubwald begeben, in dem das Unterholz von Gebüschen Dickichte bildet. Kommt man dann auf dem Rückweg, Lurch einen Nadelwald, dann wird man mit schmerzlichem Erstaunen wahrnehmen, wie arm das Vogelleben in dieser künstlich hergestellten Versamm lung von Bäumen ist. Nur ab und zu hört man einen Buchfink schlagen oder ein paar Meisen zwitschern. Damit haben wir auch eine der Ursachen erkannt, die zu Ler offenkundigen Verminderung unserer Singvögel beitragen. Wir beklagen sie mit Recht, denn die meisten unserer Vogelarten sind unsere besten Verbündeten im Kampf gegen die unzähligen Insekten, die unsere Ernte in Feld und Garten bedrohen. Zu Len Vorbedingungen Les Vogellehens gehören auch Örtlichkeiten, «wo sie in einiger Sicherheit ihr Nest bauen und brüten können und in der Nähe Nahrung finden. Diese Bedingungen «werden von Gebüschen und Laubbäumen erfüllt, während sie im lichten Nadelwald, besonders wenn er nur aus Kiefern besteht, gänzlich fehlen. Das Deutschland früher viel mehr Laubwälder besaß als heute, davon künden noch die vielen Ortsnamen, die von Eiche, Birke, Esche, Linde abgeleitet sind. Es ist ja auch eine bekannte Tatsache, Laß Lie Forstwirte schon seit Jahrhunderten vorsätzlich Lie Laubwälder durch das Nadelholz verdrängt haben, weil dieses schneller wächst und höhere Erträge bringt. Dieser Standpunkt hat sich selbst gestraft, denn der Nadelwald, dem die natürlichen Be schützer, Lie Singvögel fehlen, erzieht sich selbst seine schlimmsten Feinde, die Nonne und Len großen Kiesern- spinner. Auch aus dem Lande wurde gegen unsere Sing vögel gesündigt. Als man sich von Lem alten Schlendrian mit Hilfe der Wissenschaft befreite und mit künstlichen Mitteln zu düngen begann, kam das Schlagwort auf, das Feld müsse „klar" gemacht werden. Das bedeutete die Ver nichtung aller Sträucher und Hecken. Ja, alte, schöne Baumgruppen wurden nicht geschont. Die tiefen Wasser gräben, deren Seiten meistens mit Gestrüpp bedeckt waren, wurden zugeschüttet ... O ja, das Feld -war klar, aber vielen, vielen Singvögeln war Lie Nistgelegenheil und ver Unterschlupf geraubt, wo sie vor ihren Feinden Schutz fanden. Eine kleine Besserung hat das WeiLwerk herbeigeführt. Schon seit Jahren führen die Jäger einen erbitterten Krieg gegen Las vierfüßige und geflügelte Raubzeug, das ihren Wildstand, besonders Hasen, Rebhühner und Fasanen zehntete. Daß die Verminderung der Raubvögel auch den Singvögeln zugute kam, liegt auf der Hand. Aber noch fehlte dem Kleinwild die Deckung. Die hohen Jagdpachten, die sie zahlten, gab den Pächtern die Macht, auch dafür zu sorgen. Sie ließen Topinambur, Dornhecken, Wils ob st, Ginster usw. anpflanzen und schufen nicht nur dem Wild, sondern auch den Singvögeln Unterschlupf. Zu den ärgsten Feinden der kleinen Vögel gehört die Katze. Sie ist zwar Haustier geworden, hat jedoch ihre Raubtiernatur nicht im geringsten geändert. Ihre Sinne sind alle gleichmäßig scharf. Ihre Nase ist sehr fein, ihr Gehör vorzüglich und am besten ihr Gesicht, das dem der Nachtvögel gleichkommt. Sie klettert ebenso gut wie der Baummavder und kann bei ihrem leichten Gewicht auch ganz Lünne Äste besteigen. Im Notfall scheut sie auch nicht einen Sprung hoch oben im Baum, um im Springen ein Nest mit jungen Vögeln Herunterzureißen. Ja, wenn sie sich auf den Fang von Mäusen beschränken würde! Aber viel besser schmecken ihr die jungen, fetten Nesthocker. Diese Untaten lassen sich selbst von Freunden der Katze nicht leugnen. Doch damit ist ihr Sündenregister noch nicht er schöpft. Am schlimmsten haust sie unter den- Singvögeln, Lie in unseren Gärten nisten. Kein Nest, selbst in der dichtesten Dornhecke, ist vor ihr sicher. Dazu kommt noch, daß man an vielen Orten die Katzen sich ungehemmt ver mehren läßt, nicht nur in den Bauernhöfen, sondern auch in Len Großstädten, -wo viele Katzen ohne Zugehörigkeit zn einer Familie leben und sich vermehren. Die allerschlimm sten Feinde unserer Singvögel sind die Bewohner der drei süveuropälsÄrcn Halbinseln und vor allem Vie Italiener, die den Vogelmord in der Zugzeit, im Herbst und Früh jahr, im großen betreiben. Die ganze arme Bevölkerung Italiens rechnet mit dem Eintreffen der Singvögel wie Mit einer ihr von der gütigen Natur gespendeten Volks nahrung. Gegen Liese uralte, eingewurzelte Volkssiite wird sich selbst bei besserer Einsicht der italienischen Ne gierung, als sie bisher vorhanden war, schwer ankämpsen lassen. Wir müssen uns damit abfinden, daß manche Vogelarten, wie z. B. Lie Wachteln, in einigen Jahrzebnten völlig ausgerottet sein werden. Um so mehr müssen wir bedacht sein, unseren lieben kleinen Vögelchen eine gute Ausnahme in der Heimat zu bereiten und die schlimmsten Gefahren von ihnen und ihrer Brut abzuwehrenl Vas große glück- Skizze von Ernst «Grau, Berlin. Adalbert Hildburg hatte wiederum Herrliches geleistet. Die tassendköpfige Zuhörerschaft war ihm mit einer Begeisterung gefolgt, wie nur je an seinen besten Tagen. Besonders wenn er, wie heute, den Marcus Antonius spielte, eine Rolle, die er mit Hingebung liebte, in die er sich immer wieber mit Körper und Geist hineinlebte, baß er schließlich nicht die Gestalt eines Dichters, nein, die eines in glühender Lebensbbjahung entflamm ten Menschen von Fleisch und Aut auf Lie Bühne stellte. Walter Heßler, der kleine, unscheinbare Statist, stand -dann immer, in eine Ecke gedrückt, in den Kulissen und sah unverwandt auf die Bühne. Aber seine Augen sahen- nicht den großen Kol legen, seine Ohren hörten nicht den rasenden Beifall, der wie eine wild aufrauschende Woge hereinbrauste. Sein Blick, glanz los und leer, schien nach innen gerichtet. Er sah sich selbst, kaum der Schulbank entronnen, wie er dort auf -der obersten Galerie gesessen, so oft es sein schmales Taschengeld erlaubt hatte. Und wie allmählich der Wunsch in ihm aufgekommen war, selbst ein mal auf den alles bedeutenden Brettern stehen zu dürfen, um tost von Lem jubelnden- Beifall der Menge, überschüttet von Blumen und Ruhmeskränzen. Wie dieser Wunsch bann zum drängenden Verlangen geworden, immer heftiger und eindring- - sicher nach Erfüllung schreiend. Und wie dann seine Leibenszeit über' ihn gekommen war. > Teure, fast unerschwingliche Unterrichtsstunden, große Hoffnun- - gen, noch größere Versprechungen und schließlich, als sein Vater stabb, bas große Nichts. Er wurde Statist, hoffend und Hof- - send auf das große, unfaßbare Glück, das ja doch -eines Tages kommen muhte. Ein kurzer, harter Husten kam gequält aus seiner schmalen Brust. Entriß- ihn seinen Träumen. Fast wie Haß glomm es dabei in seinen Augen aus, als er Zusehen mußte, wie Hildburg, der große Hildburg immer und immer wieder vor den Vorhang gerufen -wurde. Dann war die Vorstellung zu Ende. Langsam senkte sich die eiserne Gardine, der Lärm der aufbrechenden Zuschauer klang entfernt herüber. Heßler ging wie verträumt in die Statisten- ! garderobe, streifte sich mechanisch seine Alltagskleider über und ! verließ fast als Letzter den schmalen Bühnenausgang. Aber w^nn er dann nach solchen Abenden nach Hause kam, wenn traulicher Lampenschimmer sein bescheidenes Zimmer er füllte, wenn die leise schwingende Stille der Nacht ihn umfing, dann saß er mit glühendem Eifer über den unsterblichen Werken - der großen Dichter. Dann studierte und lernte er mit einer Hin- ' gäbe, daß er Zeit und Stunde vergaß, daß alles um ihn her ver- j sank, daß er nichts weiter sah, als die hehre Gestalt der Dichtung, - der seine eigene Kunst ein Nachschöpfer sein sollte. Und nicht selten geschah es, daß schon die ersten Sonnenstrahlen siegreich ! die weichende Dämmerung durchbrachen, während Walter Heßler noch immer an dem kleinen Mansardenfensterchen stand und sinnend hinaussah über die in der Morgensonne aufleuchtenden Türme und Kuppeln der Stadt, als müsse ihm von dorther das große, heiß herbeigesehnte Glück kommen. Bis es eines Tages wirklich zu ihm hereinhuschte. Das große, unfaßbare, unnennbare Glück, von dem er seit langen Jahren geträumt. , Wie es kam? - Adalbert Hildburg, der erklärte Liebling des Publikums, schien sich allzu sicher zu fühlen in der Ausnahmestellung, die das Volk seinen Auserkorenen gern einräumt. Er spielte mitunter nachlässig, kürzte eigenmächtig seine Rollen, versäumte Proben, kam zu spät zur Vorstellung, kurz, Erscheinungen, die man ge meinhin als Primadonnenlaunen abzutun pflegt. So war es auch an diesem Abend wieder. Vor einem aus erlesenen Auditorium, es tagte gerade ein Mediziner-Kongreß in der Stadt, sollte „Iulius Cäsar" in Szene gehen. Die Zeit des Beginnens war längst verstrichen, Hildburg jedoch noch nicht erschienen. Als dann aber schließlich die Zeichen der Ungeduld im Zuschauerraum immer vernehmlicher wurden, begann man das Spiel in der Hoffnung, daß Hildburg ja jeden Augenblick kommen müsse. Doch man hat sich getäuscht. Das erste Auftreten Marc Antons rückte in bedrohliche Nähe, eine lähmende Nervosität herrschte hinter den Kulissen, und da, als eben die peinliche Situation ihren kritischen Höhepunkt erreichen will, — steht Walter Heßler vor dem Regisseur. In fieberhafter Eile be gründete er sein langes Studium. Er wolle die Rolle übernehmen, keucht es von seinen Lippen. Der Regisseur zögert. Einige bange Sekunden. Dann sagt er zu! Kurze, erhabene Stunden des Triumphes folgten. Der Bei fall, erst zaghaft, dann lauter und immer stürmischer werdend, schwoll ihm entgegen wie Sphärenmusik. Und als Marcus An tonius seine große Rede gehalten, steigerte sich der Beifall zu einer spontanen Ovation. Flammenden Auges, hoch aufgereckt steht Walter Heßler auf dem erhöhten Podium. Seine Pulse stiegen, seine Brust keucht und seine Zunge stößt heftige Worte über bebende Lippen. Und jetzt, die Szene ist auf ihrem dramatischen Höhepunkt, Antonius hält den Römern das Testament des toten Cäsar entgegen, er schüttert ein tausendstimmiger Aufschrei den weiten Raum. In unbeschreiblichem Durcheinander drängt alles der Bühne zu. Mi- nutenlanq scheint es, als wolle eine Panik ausbrechen - - - Auf oer Bühne aber stehen sie dichtgedrängt um den toten Antonius. Mit einem gurgelnden Aufschrei war er von seinem Postament herabgestürzt. Auf der stolzen Höhe seines lungen Ruhmes hatte ein Blutsturz seinem Leben ein Ziel gesetzt.
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