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Wilsdruffer Tageblatt : 08.03.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-03-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192403082
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19240308
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19240308
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-03
- Tag 1924-03-08
-
Monat
1924-03
-
Jahr
1924
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 08.03.1924
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fessors von Freylag-Lormghoven, Dr. Stresemann stehe unter dem Einfluß seines Schwiegervaters, der in einer tschechoslowa kischen Waffenfabrik beteiligt sei. Zum Schluß weist Strese- snann die Angriffe Ludendorffs gegen den Heiligen Stuhl zurück. Am Freitag geht die Aussprache weiter. Sozialpolitik aer Kei<t>;arbeltr»imstm. Dresden, 6. März. Zu dieser Frage schreibt uns der Verband Sächsischer Industrieller: In mehrfacher Erörterung sozialpolitischer Fragen, insbesondere über die Arbeitszeit und das Schlichtungswesen, hat der Reichsarbeitsminister immer -wieder betont, daß sein Ministerium der Steigerung der Ar beitsleistung auch auf dem Wege der Arbeitszeitverlängerung zustimme. Diesem Zweck diene die Arbeitszeitverordnung, die in Anerkennung des Selbstverwaltungsrechtes der Arbeits parteien die Regelung der Arbeitszeit zunächst dem Tarifvertrag überlasse. In der Praxis hat sich jedoch erwiesen, daß zum mindesten die sozialistischen Gewerkschaften die in der Verord nung auf sie gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt haben, denn frei willige Tarifabschlüffe find fast nirgends erreicht worden und einige Verträge sind von den Gewerkschaften sogar unter Be zugnahme auf die Verordnung gebrochen worden. Schieds sprüche, die verlängerte Arbeitszeit vorschen, werden ebenfalls von diesen Gewerkschaften freiwillig nicht angenommen. Es scheint, daß sie sich nur staatlichem Zwang beugen wollen; das bedeutet aber den Bankrott der tarifvertraglichen Arbeitszeit- regelung des Reichsarbeitsministers. Diese Entwicklung hat die grundsätzlichen Bedenken der Arbeitgeber gegen die büro kratische Regelung des Schlichtungswesens nur verstärkt. So sehr der Absicht des Reichsarbeitsministers zuzustimmen- ist, daß die Ausgabe des Schlichtungswesens darin liegt, Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur verständnisvollen Zusammenarbeit zu bringen, so beweist aber das Verhalten der sozialistischen Ge werkschaften in der Arbeitszeitfrage das Gegenteil, für den Fall eines Zwangsschlichtungsverfahrens, wie es heute besteht. Wenn die Verantwortungsfreudigkeit, die die Voraussetzung aller Selbstvetwaltung der Parteien ist, von den Gewerkschaften nicht gefunden wird, so verlieren diese für die Arbeitgeber verbände die Bedeutung vollwertiger Vertragskontrahenten. Bei einem solchen Versagen der Gewerkschaften kann ihnen aber unmöglich tarifvertragliche Souveränität bei der Arbeitzeit regelung zugesprochen werden-. Die Arbeitszeitverordnung ist also in einem wesentlichen Punkte reformbedürftig. Ohne die Arbeitszeitverordnung wäre die Arbeitszeitfrage in den- letzten Wochen längst durch Betriebsvereinbarungen geregelt, die auf die Gewerkschaften höchstwahrscheinlich den Druck ausgeübt hätten, eine richtige Wirtschaftspolitik in der Arbeitszeitfr-age mitzumachen. Das Versagen der Gewerkschaften in dieser Hin sicht kann der Reichsarbeitsminister auch nicht durch Zwangs tarife verhüllen, denn diefe Zwangstarife sind nicht vom freien Willen der Gewerkschaften getragen und ebenso unwahrhaftig wie die ganze Arbeitszeitverordnung selbst, die zu ihrem Häu figen Gebrauch leider Anlaß gibt. Der Versuch des Reichs arbeitsministers aber, die Arbeitszeitverordnung im Zusammen hang mit der Möglichkeit zur Schaffung von Zwangstarifen für die Arbeitszeit als taktische Maßnahme zu benutzen, um den Widerstand der Arbeitgeber gegen die Tarifzwangswirtschaft niederzukämpfen, muß von der Wirtschaft direkt als ein Miß brauch und als ein Verstoß gegen den angeblich auf Pro- dwktionserhöhung gerichteten Zweck der Arbeitszeitv-evordnung empfunden werden. Poincare „droht" «Leder mit seiner Demission. Paris, 7. März. Poincare, der am -kommendes Mon tag von der Finanzkommission des Senats in der Angelegen heit der Ermächtigungsgesetze gehört werden sollte, hat sich gestern in Begleitung des Finanzministers unerwartet im- Pa lais De Luxemburg angemeldet und verlangt, auf der Stelle von der Kommission angehört zu werden. Im Verlaufe einer kurzen aber lebhaften Unterredung erklärte Poincare, er be stehe aus die Ratifizierung sämtlicher seitens der Kammer an genommenen Dekrets. Falls die SenatskomMiffion ihre Arbeiten nicht für kommenden Dienstag erledigt habe und keine Gelegen heit zur Eröffnung der Aussprache gebe, setzte Poincare hinzu, werde er unverzüglich dem Präsidenten der -Republik seine De mission überreichen. Angesichts dieses Ultimatums ist die Senatskommission zu einer sofortigen Beratung zusammen getreten und hat dem Ministerpräsidenten mitgeteilt, daß sie bereit sei, am Freitag oder Sonnabend früh, wie er es ge wünscht, ihn anzuhören. Poincare hat hierauf schriftlich ge antwortet, daß de Lasterey heute früh der Kommission die ge wünschten Aufschlüsse erteilen werde. Die neue Militärkontrolle. Eine Noie an Deutscyranv. In Paris hat die Botschafterkonferenz unter dem Bei« sein des Marschalls Foch eine Sitzung abgehalten, in der sie sich über den Wortlaut der an Deutschland zu richten den Note über die Wiederaufnahme der Militärkontrolle verständigt hat. Das französisch-amtliche Bureau erinnert in einer Betrachtung zu der Sitzung daran, daß den Beratungen der Botschafterkonferenz die Vorschläge der englischen Ne- gieaung voin 25. Februar zugrunde gelegen haben, die die Botschafterkonferenz zur Begutachtung dem interalliierten Militärkomitee in Versailles überrmittelt hat. Die eng lischen Vorschläge seien heute, abgesehen von einigen Änderungen in den Einzelheiten, in großen Zügen angenommen worden. Die Note, die von der Bot schafterkonferenz an die deutsche Regierung gerichtet wird, sehe die demnächstige Wiederaufnahme der Mi litärkontrolle in Deutschland vor. Sie werde für die Interalliierte Militärkontrollkommission das Recht in Anspruch nehmen, mit Unterstützung der deutschen Be hörden in ganz Deutschland die Mannschaftsbestände nach zuprüfen, ob im Jahre 1923 Deutschland keine neuen mi litärischen Vorbereitungen unternommen habe, und ob zurzeit die Abrüstung als endgültig durchgeführt betrach tet werden könne. Die Note ist bereits dem deutschen Botschafter über-' geben worden. Wenn die deutsche Regierung zu dieser Nachprüfung die Hand btete und wenn ferner deren Er gebnisse günstig seien, würden die Alliierten bereit sein, an Stelle der Militärkontrollkommission ein Garantiekomitee oder irgend ein anderes gleichwertiges Organ mit beschränktem Personalbestand zu setzen, entsprechend den Vorschlägen, die die Botschafter- konferenz im September 1922 Deutschland gemacht habe. Laut Friedensvertrag hat, sobald die vollendete Abrüstung festgestellt ist, die allgemeine Aufficht überhaupt aufzu hören; nur der Völkerbundsrat behält das Recht der Untersuchung von Fall zu Fall. 5<Ws»er LaM-g. Dresden, 6. März. Vor Eintritt in die Tagesordnung macht Präsident Winkler angesichts der Anwesenheit der in der letzten- Sitzung wegen ihres unparlamentarischen Verhaltens ausgeschloffenen kommunisti schen Abg. Ellrodt und Zipfel auf 8 50 Abs. 8 der Geschäfts ordnung aufmerksam. Danach steht dem- Präsidenten das Recht zu, denjenigen Abgeordneten, die trotz ersolgten Ausschlusses in die Sitzungen- des Landtags einzudringen versuchen, den Auf enthalt im Landtagsgebäude zu versagen; er kann erforderlichen falls mit Hilfe der vollziehenden- Gewalt die gewaltsame Ent fernung aus dem Hause vornehmen lassen. Die ausgeschlossenen Abgeordneten bleiben trotz dieser Drohung im Sitzungssaale und verlassen denselben auch dann noch nicht, als der Präsident die Sitzung auf eine halbe Stunde unterbricht. Nach Wiedereröffnung der Sitzung stellt Präsident Winkler fest, -daß die Abg. Ellrodt und Zipfel immer noch anwesend sind. Er ordnet infolgedessen an, daß die beiden den- Landtag nicht mehr betreten dürfen bis zum letzten Tage ihrer Aus schließung. Er fügt hinzu, daß Abg. Ellrodt einen Antrag ein gereicht hat, in welchem er gegen seinen Ausschluß Beschwerde erhebt. (Abg. Ellrodt: Lesen Sie doch die Begründung des Antrags vor!) Präsident Winkl-er: Herrn Ellrodt kann ich das Wort nicht erteilen. Die Geschäftsordnung schreibt vor, daß über einen solchen Antrag sofort abgestimmt wird. — Dies geschieht. Der Antrag wird gegen die Stimmen -der -Kom munisten abgelehnt. Der Präsident vertagt die Sitzung aber mals um eine Viertelstunde zur Durchführung der Geschäfts ordnung und erklärt: Die Abg. Ellrodt und Zipfel sind aus gewiesen. (Abg. Zipfel ruft: Nimm uns doch gleich das Man dat weg!) Während der Pause kommt es im Saale zu einer heftigen Auseinandersetzung, zwischen der Sozialdemokratin Büttner und den Kommunisten, die sie mit allerlei Schimpf worten bedenken wie: Freches W-eib! Ganz gemeiner Provo kateur! Spitzel! Verbrecherin! Frau Büttner erklärt, die Kom munisten könnten sie nicht beleidigen.) Nach Ablauf -der Viertelstunde sucht der Oberbotenmeister des Landtags die beiden Abgeordneten zum Verlassen des Saales zu bewegen. Sie verbleiben immer noch. Darauf er scheinen mehrere Polizeibeamte in Zivil und fordern unter Vor zeigung ihres Ausweises zum Verlassen des Saales auf. Sie werden höhnend abgewiefen. -Es entsteht wieder eine längere Pause. Die Kommunisten umringen die ausgeschlossenen- Ge nossen. Auf -der Tribüne erscheinen Pokizeimannschaften in Uniform. Gegen 2.45 Uhr endlich betreten uniformierte Poli zisten den Saal und suchen die ausgeschlossenen Abgeordneten hinauszudrängen. Es entsteht eine ungemein widerliche Bal gerei, in die auch die kommunistische Abg. Frau Schlag ein greift. Abg. Schneller schreit: Sie können -sich alle Reden sparen. Es ist doch alles Unsinn. Zuruf von rechts: Hört doch nun endlich mit der Komödie auf! Abg. Renner: Komm -her, wenn Du- ein paar Schellen haben willst! Es entsteht ein unge heurer Lärm, an dem sich auch Tribünenbesucher beteiligen. Abg. Liebmann droht gegen die Polizisten. Abg. Arzt ruft: Das ist ein Skandal, daß Ihr das mitmacht. Auf Entgegnungen der Mitglieder -der Fraktionsmehrheit ruft Arzt: Ihr trau rigen- Brüder seid daran schuld durch- Eure Zustimmung zu dem Schandgesetz! — Nach und nach tritt einigermaßen Ruhe im Hause ein. Die Ausgeschlossenen find inzwischen von den Poli zisten trotz heftigster Gegenwehr unter Anwendung von Ge walt hinausbefördert worden. Als Präsident Winkler wieder -den Saal betritt, empfängt ihn die Linke mit höhnischen- Zurufen Abg. Schneller (-Komm.) ruft: Oberhausknecht! Ein anderer ruft: Dresche kannst Du kriegen! Der Präsident schlägt sodann Erledigung der Tages ordnung vor. Abg. Weckel (Linkssoz.) beantragt, angesichts der soeben erlebten Vorgänge die Sitzung zu vertagen. Dieser An trag wird abgelehnt. Abg. Siewert (-Komm.) beantragt, die Geschäftsordnung -des Landtags durch einen Anhang zu er gänzen, in dem bestimmt wird: Der Präsident hat zurückzutteten wenn es die Mehrheit des Landtags beschließt. (Gelächter.) Er bittet, diesen Antrag noch heute auf die Tagesordnung zu fetzen. Eine unvermutet rasche Vornahme einer Abstimmung -durch den Präsidenten ergibt Zustimmung -des Hauses zur so fortigen Behandlung des Antrags, der hierauf von den Abg. Siewert und Renner begründet wird. Das Parlament hörte ihre Angriffe auf den Präsidenten- geduldig aber teilnahmslos an. Der kommunistische Antrag wird gegen Kommunisten- und Linkssozialisten abgelehnt. In Erledigung -der Tagesordnung wird ein Antrag Bertz und Genossen (Komm.) auf Veröffentlichung -des amtlichen Wahlergebnisses über die am 13. Januar stattgefundenen Ge meinderatswahlen angenommen, nachdem ein Regierungsver- treter zugesagt hat, die Veröffentlichung werde in wenigen Wochen erfolgen-. Es folgt die Beratung über drei kommunistische Anträge aus Erlaß einer Verordnung, nach welcher die Ueberschreitung der täglichen achtstündigen Arbeitszeit in Sachsen verboten ist, auf Aufhebung einer Verbindlichkeitserklärung -des Re-ichs- arb-eitsministers gegen Einführung der 54stündigen- Arbeitszeit im Bankgewerbe und auf Aufhebung einer Verordnung der Reichsregirrung über Zuschläge -und Prämien für Notstands arbeiten. Nach stundenlanger Begründung der Anträge durch -den Abg. Bertz (Komm.) -antworteten zwei Regierungsvertreter, daß -den Wünschen der Antragsteller zum Teil nicht entsprochen werden könne, weil hier eine Angelegenheit des Reiches vor liege, über einen andern Teil der Fragen fänden noch Erörte rungen statt. Arbeitsminister Elsner verteidigt den- Landes schlichter Brand gegen die wider ihn erfolgten Angriffe durch den Antragsteller, Abg. Voigt (DVP.) beleuchtet die kommunistischen Quä lereien am Wirtschaftsleben- und spricht ihnen die Berechtigung ab, sich als berufene Verfechter der Interessen der Bankbeamten aufzuspielen. — Abg. Dr. Eckhardt (Dn.) befürwortet eine Arbeitsdienstpflicht für die jungen Leute. Das -Schlichtungs wesen wirke meist schädigend auf das Wirtschaftsleben. — Nach weiterer Aussprache werden die kommunistischen- Anträge ab- gelehnt. Die in der zweiten Beratung der Nachträge zum Haus haltplan 1923 gefaßten Einzelbeschlüsse finden in dritter Lesung Genehmigung, nachdem ein kommunistischer Redner sich wieder ausführlich dazu äußerte. Die Verhandlungen dauern bis in die späten Abendstunden. Nächste Sitzung Dienstag, 11. März, nachm. 1 Ahr. venüder lstiLittg. (106. Sitzung.) 08. Berlin, 6. März. In der Fortsetzung der großen politischen Debatte kam als erster Redner zu Worte der Abg. von Naumcr (Deutsche Vp.). Er meinte, daß der Ruhrkanipf doch nicht ganz umsonst ge führt worden sei, weil sich Deutschland wieder die Achtung der anderen Völker verschafft habe, die geglaubt hätten, das deutsch« Volt ließe sich widerspruchslos alles bieten. Er prägte dabei das Wort, daß Essen a. d. Ruhr das Moskau des fran zösischen Franken geworben sei. Trotzdem hoffe er nicht auf eine wachsende Einsicht Frankreichs, das nur der zwingen den Macht der Tatsachen Weichen würde. In seinen weitere« Ansführungen warnte der Redner die Regierung dringend, aus irgendciue Finanzkontrolle des Auslandes cinzugehen. Deutschland könne nur aus eigener Kraft gesunden. In diesem Zusammenhänge wies er darauf hin, daß in den letzten sechs Monaten in -der Balancierung des Etats eine un geheure Arbeit geleistet worden sei. Im übrigen trat er für freie Wirtschaft auf allen Gebieten ein. Der Redner wandte sich dann gegen den von der Sozialdemokratie noch immer propagierten Gedanken des Klassenkampfes, der jetzt nicht mehr am Platze sei und nur den Klassenhaß fördern müsse, mit dem man keine Aufbauarbeit leisten könne. Abg. Dr. Helfferich sprach für die Deutschnationalen. Er polemisierte zunächst gegen den Zentrumsabgeordneten Kaas und meinte, daß über Deutschland die Gefahr eines zweiten und schlimmeren Ver- sailles hänge. Dagegen müßten sich alle Deutschen zu» fammenschließen, um die deutsche Unabhängigkeit und Einheit aufrcchtzuerhalten. Er bedauerte aus diesem Grunde die Vor gänge im Münchener Prozeß und diesen selbst und führte aus, daß nur heiße Vaterlandsliebe und brennende Scham über die Deutschland angetane Schmach einen großen Teil der Angeklagten geleitet hätte. Es kam infolge dieser Äußerung zu einem großen Zusammenstoß zwischen dem Redner und der Linken, namentlich mit dem Abg. Ledebour.der dem Dr. Helffe rich zurief, daß er am meisten an Deutschlands Elend Schuld trage. Wenn die Linke, so fuhr der Redner fort, über Hoch verrat schreie, so halte er dem entgegen, daß die Leute, die selbst Hochverräter seien, nicht von Hochverrat rede« dürften. Er erinnerte dann an die Stellung der Derttschnatio- nalen Volkspartei gegenüber den Äußerungen Ludendorffs im Münchener Prozeß über den Papst in der Parteikonferenz, worin gerade das Eintreten des Papstes für Deutschland ge würdigt wurde. Sollten die Äußerungen Ludendorffs wirk lich so gewesen sein, wie sie in der Presse wiedergegeben wur- den, dann würden sich in dieser Beziehung die Wege des Gene rals von denen der Deutschnattonalen Volkspartei scheiden. Dr. Helfferich rekapitulierte dann alle die Verhandlungen, die über die päpstliche Friedensaktion im Jahre 1917 verschiedentlich in der Nationalversammlung und im Reichstage stattgefunden haben. Abg. Dr. Helfferich wandte sich dann VM R?p«r«, tionsproblem zu und meinte, tatsächlich liege die Wurzel des Übels nicht an diesem, sondern an den Eroberungs- und Machtgelüsten der französischen Politik. Die französische Hinterhältigkeit dürfe nicht durch die Reden des Außenministers unterstützt merden, sondern Frankreich muffe die Maske vom Gesicht gerissen werden. Dr. Helfferich warnte dann vor mangelhaft durchdachten und darum gefähr lichen Experimenten in der Finanzfrage, wozu er auch die Ausprägung von Millionen von Silbermünzen und das Pro jekt einer Goldnoten-oder Goldkreditbank rechnete. Wenn seine Partei gegen die weitere Zahlung der Be satzungskosten sich wende, so wolle sie damit nicht dis rheinische Bevölkerung belasten, sondern einmal vor aller Welt den Skandal aufdecken, der darin liegt, daß die Besatzungs armee in sinnloser Verschwendung das Geld des notleidewden Volkes vergeude. Frankreich betrügt mit diesen Besatzungs kosten seine Alliierten um die Reparationszahlungen. Als der Redner dann die Einstellung des passiven Widerstandes tadelte, die auf eine bedingungslose Verständigung mit Frank reich hinauslaufe, unterbrach ihn Außenminister Dr. Stresemann und machte auf di- Ant wort Englands aufmerksam, wo gesagt wurde, es sei töricht gewesen, den Widerstand über seinen Höhepunkt hinaus fort zusetzen. Jetzt stelle man es so hin, als hätte England Deutsch land nicht Helsen können, weil Deutschland den Ruhrwiderstand nicht aufgegeben habe. Dr. Helfferich meinte fortfahrend, nachdem die Rechts widrigkeit des Ruhreinbruches auch von England festgestellt worden sei, hätte das vor aller Welt klargestellt werden müssen. Die ganze auswärtige Politik Deutschlands mache jetzt den Eindruck, als ob man alles vermeiden wolle, was Frankreich irgendwie unangenehm sein könnte. Er wäre bereit, wenn er Verantwortlicher Reichsminister wäre, die letzten Konsequenzen Frankreich gegenüber zu ziehen. Er verlange außerdem, daß der Lüge über die deutsche Kriegsschuld energisch entgegengetreten werde. Das Projekt der Goldnotenbanik laufe darauf hinaus, daß die Deut sche Reichsbank und die Rentenbank dem internationale« Finanzkapital ausgeliefert würde. Wenn auch noch die deut sche Reichsbahn als Pfand gegeben werde, dann wäre ganz Deutschland schließlich nur eine internationale Nepara- tionsprovinz. Außenminister Or. Stresemann, der jetzt das Wort ergriff, erklärte die Diskreditierung der' deutschen Regierung durch Dr. Helfferich als nicht ge eignet, die Basis für die von ihm selbst gewünschte Volksge meinschaft zu schaffen. Man wisse in Deutschland, daß eine mächtige Partei in Frankreich nicht Reparationen, sondern de« Rhein wolle. Man würde aber geradezu die Geschäfte dieser Partei betteiben, wenn Deutschland die Repar-Lwnsfrage ganz beiseite schieben Würde. Er könne nicht eine ^vizöstsche oder mglische Richtung einschlagen, sondern müsse sich bemühen, bei ver ganzen Entente dafür Verständnis zu finden, daß die b-is- ber von ihr geführte Politik nicht nur Deutschland, sondern Europa und die ganze Welt zugrunde richte. Deshalb hätte die deutsche Regierung ihren Appell an die cealen Wirtschaftler der Welt gerichtet. In der Abwehr der Schuldlüge bestehe in diesem Hause überhaupt kein Unterschied. Ihm sei vielfach der Dank dafür ausgesprochen worden, daß er als rrster deutscher Kanzler sich gegen die Schuldlüge gewandt habe. In dieser Frage könne schließlich aber nur sachliche Auf- llärung wirkten, nicht Hypertrophie der Aktivität. Wenn das Kabinett Stresemann, so meinte der Munster unter allgemeiner Heiterkeit des Hauses, verantwortlich gemacht werden solle für von während seiner Amtsvauer eingstretcnen Marksturz, dann märe der sozialdemokratisch« Abg. Müller der beste deutsche Reichskanzler gewesen, denn unter seiner Kanzlerschaft Witte die Mark gestiegen. Der schlimme Währungsverfall sei weiter nichts als die Wirkung deS vom Kabinett Euno übernommenen Haushaltes zewcsen, bei dem die Einnahme« kaum ein Prozent der Aus- zaben ausmachten.
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