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MsdmfferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, So« ,MU^>r«prr Tageblatt' erscheint au allen Werktagen nachmittag» i Uhr. Bezugspreis: Bei Lbhalnng in »ar »eschllslsstrU- unb beu Ausgabestellen 2 RM. lm Monat, bet Zustellung »uech die Boten 2,3» AM., bei Paftbestellung r«M. ^züglich Adtro^ es»,.. er ,e V «edühr. Einzelnummern »RPsg.MlePostanstalten Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegeno Postboten und »usereAus. trägeruubNcschäsisftelle» nehme» zu jeder Feit De- stell»«»» entgegen. Im Fall- höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht dein Anspruch aus Lieferung der Zetten^ »der Kürzung des Bezugspreises. — Aüeksendung eingesandter Schriststllche ersotgl nur, wenn Port» beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. An zeig kn preis: die 8 gespaltene Raumzeile 2V Rpsg», die 1 gespalten« Zeile der amtlichen Bekanntmachung« 4S Reichs pfennig, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. 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Kn fürchterlichster Erinnerung steht für Deutschland die Wirtschaftsblockade, die die übergewaltige Seemacht England während des Weltkrieges über uns verhängte. Nicht kriegerische Mittel, sondern dieser Wirt schaftsboykott ist es gewesen, der uns 1918 auf die Knie zwang. Wieder droht jetzt Kriegsgefahr, wenn es auch nur ein „Krieg im Urwald" sein sollte. Es ist zu Zu sammenstößen zwischen Bolivien und Paraguay gekommen und, wie es in dieser Art von Kriegen üblich ist, es wurde die Partei „Sieger", die die schnellste Telegraphenverbin dung besaß. Aber nun scheinen dort unten die Kriegs- sackeln wieder ausgelöscht zu werden, weil das modernste Kriegsverhütungsmittel, nämlich der Wirtschaftsboykott, eingesetzt hat. Es heißt nämlich, daß Argentinien, Chile, Brasilien und Peru eine Vereinbarung getroffen haben, wonach sie im Kriegsfall unbedingt neutral bleiben und Aber di« beiden streitenden Mächte eine Wirtschafts blockade verhängen wollen. Das ist eine Drohung, die ebenso Bolivien wie Para guay sehr erheblich zu denken geben wird, denn beide Staaten sind rings umschlossen von jenen vier Mächten, die durchaus in der Lage sind, die beiden Streitenden von jeder wirtschaftlichen Verbindung mit der übrigen Welt ab zuschließen. Das wird wie ein kalter Wasser strahl wirken, um so mehr, weil die übrige Welt den ganzen Streitfall für außerordentlich geringfügig hält. Auch in Vorderasien tobt der Krieg. Ein Bürgerkrieg sozusagen, und König Aman Ullah kämpft um feine Krone. Soll man auch hier einen „unterirdischen Krieg" vermuten? Annehmen näm lich, daß der Nachbar im Osten, das englische Indien, nicht so ganz unbeteiligt an diesem Aufstand der Stämme Afghanistans ist? Noch nicht zehn Jahre ist es her, daß Aman Ullah, soeben König geworden, sich von der reich lich drückenden Last des englischen Einflusses befreite. Sein überstürzter Reformeifer hat ihm zweifellos viels Feinde geschaffen und nichts läge näher, als daß Eng land „unterirdisch" diese Unzufriedenheit nährt und aus- nutzt, «m die verlorene Position wiederzuerobern. Viel muß der englischen Regierung daran gelegen sein, un mittelbar vor den Toren Indiens, dieser schönsten „Perle in der englischen Krone", die alte Machtstellung wieder einzunehmen. Auch hier ein Staat, den vom Weltverkehr abzuschneiden versucht werden kann. Freilich hat Aman Ullah als Rückenstärkung die russische Hilfe und er wird nicht zögern, sie zu gebrauchen, wenn er es für not wendig hält. Man braucht heute nicht mehr mit Geschützen, Flug zeugen und Tanks Krieg zu führen. Wirtschaftsblockade, finanzieller Boykott sind heimliche, aber vielleicht noch wirksamere Waffen. Ein Beispiel: England und das offizielle Amerika führen einen heimlichen, unterirdischen Krieg gegen Rußland, der Kapitalismus kämpft gegen den Kommunismus. Und nicht zuletzt daran liegt es, daß Rußlands Experimennerwirtschaft von einer Krise in die andere taumelt. Wohltätig sind derartige Waffen, wenn man mit ihnen derart überflüssige Streitigkeiten wie die in Südamerika unterdrücken kann. Mit Worten ist es nicht zu machen — und es bedeutet keinen Ruvmes- tag für den Völkerbund, daß man seine ernste Mah nung an die beiden streitenden Staaten dort einfach in den Aktenschrank legte. Eine außerordentliche Tagung des Völkerbundrates war in Paris geplant und soll ja schon in den nächsten Tagen stattfinden. Jetzt ist die Tagung vielleicht nicht mehr notwendig. Aber der Völkerbund läuft Gefahr, zum Kinderspott zu werden, wenn es ihm nicht gelingt, kriegerische Auseinander setzungen zwischen den eigenen Mitgliedern zu ersticken. Aman Achs Abdankung verlangt. Die Aufständischen in Kabul. Obwohl amtlich aus Afghanistan die Nachricht von der Flucht des Königspaares dementiert wurde, hat sich die Lage offenbar zu Aman Mlahs Ungunsten zugespitzt. Die Aufständischen haben Kabul erreicht. Es sollen dort heftige Kämpfe stattfinden. Die Funkverbindung ist unterbrochen, so das; jede genaue Nachricht fehlt. Der britische Lustdicnst in Indien trifft Vorbereitungen, um im Notfälle die britische Gesandtschaft in Kabul in Sicher heit zu bringen. Da sich fremdenfeindliche Tendenzen be merkbar gemacht haben, sollen die europäischen Kolonien in ihren Botschaftsgebäuden, die aber nicht befestigt sind, Zuflucht genommen haben. Die englische Politik, die Afghanistan zum befreun- geten Pufferstaat gegen Rußland ausbauen wollte, scheint ernste Gefahren heraufbeschworen zu haben. Aman ttllahs Bedrängnis. Das Königspaar soll sich in schwerster Bedrängnis befinden, weil der größte Teil der Armee, der Hof und die kriegerischen Bcrgstämme sich gegen den König erklärt haben und Aman Ullah sich nur auf einen kleinen Teil des Heeres unter dem GeneralstaSsches Omorkhan stützen kann. Das Heer verlangt die Verabschiedung aller Euro päer, Thronv erzieht Aman Ul la Hs zugunsten Jie ZeWlWtci in Mmerika mMM Bolivien nimmt Vermittlung an. Unter dem Druck der Nachbarn. Die bolivianischen Truppen sind angewiesen worden, ihren Vormarsch aufzugeben und die Feindseligkeiten einstweilen einzustellen. Das geschah nun freilich nicht ganz freiwillig, sondern auf die aus den Nachbarstaaten Chile, Argentinien, Peru und Brasilien kommende An drohung hin, dem vom Meere abgeschnittenen Bolivien die Zufuhr zu sperren, wenn es weiter gegen Paraguay vor gehe und keine der angebotenen Vermittlungen annehme. Das schwächere Paraguay hatte von Anfang an sich einer Vermittlung zur Entfernung der Streitpunkte und Her stellung des Friedens nicht widersetzt. Der bolivianische Kriegsminister Suarez veröffent licht eine amtliche Erklärung, in der er bestreitet, daß die Truppen Boliviens die Forts Valois, Rivarola, General Genes angegriffen hätten. Von den vor dem Einstellen der Kampfhandlungen erlassenen Sieges berichten von beiden Seiten braucht man nicht viel zu halten, ebensowenig von der in den Hauptstädten angeb- Zu den Wirren in Südamerika. lich herrschenden Kriegsbegeisterung. Das alles bewegt sich in dem üblichen Rahmen. Bolivien an den Völkerbund. Das Generalsekretariat des Völkerbundes veröffent licht ein Dienstag morgen eingetroffenes Telegramm des bolivianischen Außenministers Thomas Manuel Elio an den Ratspräsidenten Briand. In dem Telegramm wird Bezug genommen auf das von Briand von Lugano aus abgcsandte Telegramm, in dem er in seiner Eigenschaft als Ratspräsident die drin genden Empfehlungen zur Vermeidung neuer Zwischen fälle erneuert hat, durch die der Erfolg eines friedlichen Verfahrens in dem Streitfall zwischen Bolivien und Paraguay gefährdet werden könnte. In dem neuen Tele gramm des bolivianischen Außenministers heißt es: „Meine Regierung gibt unter Annahme dieser Anregun gen Eurer Exzellenz die Versicherung, daß sie dem Ches der Militärposten den Befehl erteilt hat, jedes Vorrücken und jeden Angriff ihrerseits zu unterlassen und sich auf das Ergreifen von Defensivmaßnahmen zu beschränken. Ich setze gleichzeitig den Völkerbundrat davon in Kenntnis, daß Paraguay die Mobilisation der Klassen im Alter von 18 bis 25 Jahren angeordnet hat. Bolivien beschränkt sich auf die für seine Sicherheit unerläßlichen Vorsichtsmaßnahmen." In Paris konferierte Briand mit dem eingetroffenen Völkerbundsekretär Sir Eric Drummond. Man nimmt an, daß nunmehr die geplante Einberufung des Völker- bundrates nach Paris möglicherweise unterbleibt. * Vorläufig keine Einberusuug des Völkerbnudrutcr. Paris, 18. Dezember. Am Dienstag mittag fanden am Quai d'Orsay Besprechungen zwischen dem französisch«« Außen minister Briand, dem Generalsekretär des Völkerbundes, Sir Eric Drummond und dem Direktor der politischen Abteilung im Völkerbund, Sugimura, über die Einberufung des Völkerbunds- Mes Mr Schlichtung des Streitfalles zwischen Bolivien und Pa raguay statt. Hieran schloß sich eine Besprechung mit den Pa riser Gesandten Boliviens und Paraguays. Wie verlautet, wer den die beiden jetzt genannten Staaten die Vermittlmlg einer dritten Macht, sei es der Vereinigten Staaten oder Argentiniens annehmen. Man erhofft hiervon eine günstige Lösung. Sollte es nicht gelingen, he« Streit aus diesem Wege beizulegen, so würde der Völkerbundsrat hiervon benachrichtigt werden und zu einem späteren Zeitpunkt zusammentreten. Am Augenblick jedenfalls wird, wie von allen zuständigen Stellen bestätigt wird, an die Einberufung des Vvlkerbundsrates zu einer außerordentlichen Session in Paris nicht gedacht. seines älteren Bruders und erhebliche Verlangsamung »es Tempos der Europäisierung. Am Montag haben die Aufständischen das Fort, in dem sich König Aman Ullah und die Königin aufhalten, in der Nähe, von Kabul, durch Flugzeuge beschossen. Die Regierung hat einen Aufruf an das Volk erlassen, in dem sie verlangt, daß sich alle Männer zu den Waffen melden und die Aufstandsbewegung bekämpfen sollen. Der in der letzten Woche in den Kämpfen bei Dfchellalabad ein getretene Waffenstillstand bezog sich anscheinend nur auf den Stamm der Mosmands. Die Negierungstruppen bei Dfchellalabad sollen von den Aufständischen cingeschlossen worden sein. 20 führende mohammedanische Priester haben ein Manifest erlassen, in dem das Volk aufgefordert wird, seinem König Gehorsam zu leisten. Neuer MuWr GemM gegen die deutsche Minderheit. Kattowitz, 18. Dezember. Der Vorsitzende deZ Ver bandes deutscher Lehrer in Polen, Rektor flrbanck, der Leiter der Minderheiken-Knabenschule in Kattowitz, ist am Dienstag aus Anordnung der Schulleitung der Wojwodschast plötzlich ohne An gabe von triftigen Gründen vom Amt bis auf weiteres enthoben worden. Offensichtlich soll durch diese neue Gewaltmaßnahme bin Kampf gegen die deutsche Lehrerorganisation in Polen geführt werden, der in Zusammenhang mit der Aktion steht, die in großem Maßstab gegen die Lehrkräfte an den deutschen Minderheits- schuien wegen angeblicher durchaus unzutreffender finanzieller Zuschüsse vom Deutschen Volksbund eingeleitet worden ist. Die neue willkürliche Amtsenthebung eines bewährten deutschen Schulamtsleiters, der selbst gebürtiger Ostvberschlesier und seit langen Jahren mit großem Erfolg dort als Schulfachmann tätig ist, gibt eine treffende praktische Illustration zu der letzten Rede Zaleskis in Lugano. Moderne Formen der Wirtschaft. Vortrag Henri de Peyerimhoffs im Reichstage. Das Komitee für Internationale Aussprache veranstaltete seinen dritten Vortrag im Reichstage Als Redner war dies mal der französische Großindustrielle Henri de Peyerimhoff de Fontenelle, der Präsident des französischen Kohlen syndikats, gewonnen Nach einer Begrüßung durch den Han- delskammerpräsidentcu Franz von Mendelssohn gab der Redner rin Bild von den modernen Formen der Wirtschaftsorganisa tion und ihren politischen und sozialen Zusammenhängen. Er entwickelte dabei die beiden Tvpenformcn der modernen Kon zentrattonsbewegung, die Konzerne vertikaler und horizontaler Struktur auf der einen, di,. Syndikate aus der anderen Seite und legte ihre Vorteile und Nachteile dar. Er bekannte sich m einem wirtschaftlichen Individualismus, der die persönliche Verantwortung und das unmittelbare Interesse jedes Be- ieiligten wach hält und die kollektive Leistung von diesen Eigen schaften abhängig macht, dem Staal aber nur Kontrollfunk tionen vorbehält. Der Redner gab im Verlaufe seiner Aus führungen eine Kritik der Auswüchse, die eiue Folge der Nachkricgscntmicklung und der Kriegszerstörungcn seien. Er schloß mit einem Ansblick auf die mögliche künftige Form der Zusammenarbeit zwischen Polittk und Wirtschaft und aus die Möglichkeiten einer zwischenstaatlichen wirtschaft lichen Zusammenarbeit. Die Ausführungen de Peyerimhoffs trugen ihm Aner kennung und Dank des zahlreichen Auditoriums ein, zu dessen Sprecher sich der Vorsitzende Franz von Mendelssohn machte. Unter den Anwesenden sah man u. a. vom Auswärtigen Amt oen stellvertretenden Staatssekretär Ministerialdirektor Dr. Köpke, Ministerialdirek or Dr. Ritter, Geheimrat Dr. Eisen- lohr und Graf Bassenheim, voni Netchswirtschaftsministerium Staatssekretär Dr. Trendelenburg, den französischen Botschafter de Margerie mit den Herren seiner Botschaft, die früheren Reichsminister Exzellenz Dernburg, Hamm und Dr. Köhler, Generaloberst von Seeckt und den Gesandten von Hindenburg.