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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.02.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-02-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19050209021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1905020902
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1905020902
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-02
- Tag 1905-02-09
-
Monat
1905-02
-
Jahr
1905
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Die 4 gespaltene Reklamezrile 75^. «nnahmefchluß («r Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittag- 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Extra-Beilagen (nur mit der Morgen- Ausgabe) nach besonderer Vereinbarung. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polj in Leipzig (Inh. I)r. R. L W. Kliukhardtt Nr. 73. Donnerstag den 9. Februar 1905. 99. Jahrgang. vsr Aickstigrte vom Lage. 'Adolph von Menzel ist heute früh kurz nach 7 Uhr gestorben. (Siehe Feuilleton.) * Die Siebenerkommission der streikenden Bergleute im Ruhrrevier empfiehlt Wiederaufnahme der Arbeit. (Siehe Deutsches Reich.) * Die Einbringung der Berggesetz novelle ist in 2—3 Tagen im preußischen Abge- ordnetenhause zu erwarten. (Siehe Deutsches Reich.) * Wie in R o m verlautet, wird Kaiser Wil- Helm im Mittelmeer an Bord der „Hohenzollern" eine Zusammenkunft mit König Viktor Emanuel haben. * Der Parlamentssekretär der englischen Admiralität Pretyman sagte in Grimsby, man könne die graste Erregung, die Lees Rede „unter unseren deutschen Freunden" erregt habe, nicht verstehen. (Siehe den Leitartikel.) * Tas „Schwedische Telegr.-Bureau" teilt mit, vast König Oskar nicht krank ist, sondern sich nur zu schwach fühlt, unter den gegenwärtigen schwie- rigen Verhandlungen die Regierung zu führen, und deshalb gedenkt, für einige Zeit in Saltsfobaden Erholung zu suchen. (Siehe Pol. Tagesschau). * Das Abkommen ber Vereinigten Staaten mit SanDorningo ist gestern unterzeichnet worden. (Siehe Ausland.) 6rsl Msm -lgrarprsgramm. Als der Telegraph gestern abend in später Stunde die Rede verbreitete, die Graf von Bülow kurze Zeit vorher (oder nachher?) beim festlichen Mahle deS deutschen Land wirtschaftsrats gehalten hatte, mag mancher kundige Journalist sich des Erstaunens nicht haben erwehren können. Auch Bedenken wegen der Authenlizität stiegen aus: In der ganzen Rede war nicht ein Zitat. Indessen können wir heute nach dem nun vorliegenden Wortlaut der Rede mit Genugtuung mitteilen, daß sie tatsächlich eckt ist und daß sie auch ein Zitat enthält, sogar ein modernes, von Hermann Lingg: Regen, Sturm und Hagelschauer, Schickt der Himmel mir herab, Doch ich bin ein alter Bauer, Der sich niemals noch ergab, Und ich trotz ihm bis zum Grab. Man ist empört, man muß eS sein. Welcher irreligiösen Ansicht der Linggsche alte Bauer huldigt, kann unS ja gleich sein, aber daß Bernhard Graf v. Bülow, Kanzler deSDeutschenReichs und vor allen Dingen Ministerpräsident deS Staates Preußen, solche Ansichten empfiehlt, ist doch zu stark und muß jedes ehrlich orthodoxe Gefühl verletzen. Wohin soll eS führen, wenn die Leute „dem Himmel trotzen", anstatt sich den Schickungen in Gestalt von Sturm nnd Hagelschlag löblich zu unterwerfen. Graf Bülow mag sich hüten, daß es ihm nicht gehe wie dem Pastor Fischer von der Berliner Marcus- Kirche! Der Kanzler hat dann von diesen Versen gesagt und damit den sachlichen Teil seiner Rede geschlossen: „Das ist eine Gesinnung, wie sie dem deutschen Landmann wohl anstebt. Vor allem, meine Herren, halten Sie fest an der Ueberzeugung, daß unser Kaiser und König, die verbündeten Regierungen und der verantwortliche Leiter der Politik deS Reichs einig sind in dem Wunsche und einig sind in dem Be- stieben, der Landwirtschaft auch weiter zu helfen, die Landwirtschaft auch weiter zu fördern." (Bravo.) Und wo bleibt das Parlament? Wir meinen, es hätte nichts geschadet, wenn den Herren Agrariern recht eindringlich zu Gemüte geführt worden wäre, welcher Summe von Selbstverleugnung es bedurft hat, um diesem agrarischsten aller bisherigen Handelsverträge zuzustimmen. Denn einen Umstand vergißt man leicht bei der Beurteilung der neuen Lage: Zwar hatte die Landwirtschaft vor den Eaprivischen Verträgen schon etwa gleichen Schutz wie jetzt, aber in zwischen hat die Landwirtschaft in unserer nationalen Oekonomie infolge der vorgeschrittenen Industrialisie rung längst nicht mehr die Bedeutung der damaligen Zeit. Es ist deshalb nicht schwer zu prophezeien, daß ähnliche Ver träge nach dem Ablauf der abgeschlossenen überhaupt nicht mehr diskutabel sein werden. Was der Kanzler vorher als positives Programm für die nächsten zwölf Jahre der Ernte proklamierte, war im Wesent lichen dasselbe, was wir bereits im Sommer des vergangenen Jahres in die Worte zusammenfaßten: Intensivierung der Landwirtschaft. Drei Worte nenn ich euch inhaltsschwer: Entschuldung des Grundbesitzes, innere Kolonisation, Hebung der Landarbeiternot. Erfreulich wirkten davon die von modernem, sozialem Geist getragenen Worte: „Ich erinnere an die Landarbeiternot, die wir nach meiner An sicht nicht im Wege der Gesetzgebung, sondern nur durch großzügige Unternehmungen zur Seßhajtmachung der Landarbeiter werden be seitigen können." (Lebhafter Beifall.) Ob die Herren, die den „lebhaften Beifall" spendeten, in dem Moment sich völlig darüber klar waren, daß hier eine Absage an ihre agrarreaktionären Wünsche auf Beschränkung der Freizügigkeit erteilt wurde? Höchst ,unwahrscheinlich. Denn die Agrarier mögen an vielem leiden, an übertriebe nem Zartgefühl jedenfalls nicht. Um es kurz zusammenzufassen: Der Kanzler grollt der Landwirtschaft nicht, auch nicht wegen ihrer Un dankbarkeit. Er findet nichts darin, daß ihm kein Wort der Befriedigung entgegengebracht wurde, durchaus nichts. Er selber hätte „manches noch viel besser, manchen Ertrag nach Quantität und Qualität reicher gewünscht." Bei der ?Ulffassuuz> ist es erklärlich, daß der Graf be» Agrariern nicht zürnt. Aber der Kanzler gab auch der Industrie sein Wohlwollen zu erkennen und sprach die klas sischen Worte: Und wenn behauptet wird, das sei unter unerträglichen Opfern für die Industrie geschehen, so bestreite ich das auf das Allerentschiedenste. (Sehr richtig!) Wer das be hauptet, unterschätzt die Kraft der deutschen Industrie wie die Vorteile, die für Hanvel und Industrie in den neuen lang fristigen Verträgen enthalten sind. (Sehr richtig!) Wer nun noch nicht von der gleichmäßigen Verteilung von Licht und Schatten der Bülowschen Politik auf die zwei großen Haupterwerbsgruppen im deutschen Reiche überzeugt ist, dem ist nicht zu helfen. Sogar die Männer des deutschen Landwirtschastsrats haben, uninteressiert wie sie sind, das bestätigt. „Sehr richtig" haben sie gerufen. „Sehr richtig"! Vie Frttis in stu;;Iant>. Der Minister -es Innern Bulygin ist gestern von Moskau in Petersburg eingetroffen. Fürst Swiatopolk-Mirski erwartete Bulygin, um ihm die Ge schäfte zu übergeben. Ter Fürst begiebt sich sodann auf seine Güter im Gouvernement Eharkow. Die Zusammensetzung -er Ausschusses zur Durchsicht -er ^retzgesetze rüst, nach der „Köln. Ztg.", Befriedigung hervor, obgleich von mancher Seite erwartet war, die Vertreter der Presse würden von den Herausgebern und Redakteuren selbst ge wählt werden. Mit Ausnahme von Golenischtschew-Kutusow, dem Fürsten Merschtfcherskl und dem Redakteur des Kiewl- janinS, Pichno^ finden sämtliche Mitglieder Zustimmung. Von mancher Seite wurde gehofft, auch das fortjchrittliche Moskauer Blatt „Rußkija Wfedomosti" vertreten zu sehen. Wenn dies nicht geschah, so hat das den Grund in dem Um stande, daß das Blatt von einem Kreise von Professoren ge leitet wird und der zeichnende Redakteur, genau genommen, nur ein Sitzredakteur ist. Anderseits befriedigt die Gesell schaft, daß der Redakteur Gringmut von dem einst so mächtigen Blatte Katkows, .Acoskowskiia Wjed.", nicht herangezogen wurde, wohl aber Ltassjulewitsch von der vor nehmen liberalen Zeitschrift „Wjestnik Jewropy", von dem man bestimmt weiß, daß er die Interessen der Presse ebenso warm wie bedacht vertreten werde. Trepow. Ter Korrespondent des „Petit Parisien" will erfahren haben, daß General Trepow^ als er gestern die Gorods- kajastraße passierte, von einem Steinwurf im Rücken ge troffen wurde. Die Heftigkeit des Wurfes wurde, so heißt es, durch den dicken Pelz des Gouverneurs gemildert. Der Täter war nicht zu ermitteln (??). Das Attentat in Helsinassrs. Zum Morde an dem Senatsprokuralor Johnsson melden die Blätter noch, daß Hohen tal in Johnssons Zimmer alle sieben Patronen seines Browningrevolvers ab geschossen hat. Hierauf öffnete der im Vorzimmer in Livree gekleidete Geheimpolizist die Tür und schoß ins Zimmer hinein, Hohental schlug die Tür zu und lud, während er sich gegen die Tür stemmte, seinen Revolver von neuem mit sieben Patronen. Jetzt kam der Sohn Johnssons durch eine andere Tür ins Zimmer und schoß auf Hohental, der in das Vor zimmer lief, wo der Kampf mit dem Geheimpolizisten begann. Dieser gab sieben, der Lohn Johnssons sechs und Hohental noch fünf Schüsse ab: Hohental wurde an der Hand ver wundet und ließ den Revolver fallen' da er jedoch sah, daß der Polizist wieder lud, versuchte er seinen Säbel zu ziehen, stürzte jedoch ohnmächtig nieder und wurde durch hinzu kommende Personen überwältigt, die ihm auch noch einen Dolch abnahmen. In Sornswice. Entgegen allen Befürchtungen, die sich bisher erhielten, hat sich, wie aus Kattowitz gemeldet wird, die Situation in Sosnowice nicht verschlimmert. Unter dem Ein fluß des humanen, aber energischen Kommandos des Gene rals Jedziszep beginnen die Ausständigen nachzugeben. Es wird keinerlei Ansammlung geduldet. Tie Leute und den Zureden der Offiziere, die Lage nicht durch Widerstand zu verschärfen, stets zugänglich, so daß bisher kein Schuß abge- feuert zu werden brauchte. Gestern nachmittag ließen die Arbeitgeber Plakate anschlagen, daß die Voraussetzung für die Wiederaufnahme der Verhandlungen mit den Arbeitern die Wiederaufnahme der Arbeit sei. Aus einzelnen Gruben wurde hiernach durch Mordnungen der Arbeiter ungefragt, ob die Arbeit heute wieder ausgenommen werden könne. Der noch ungeklärten Situation halber wurde jedoch davon Abstand genommen politische cageszebau. Leipzig, 9. Februar. Von geschätzter Seite wird uns geschrieben: Wer die Rede des Zivillords der englischen Admiralität, Mr. Arthur Lee, in East-Leigh gelesen hat, denkt vielleicht, daß es sich hier um eine jener Drohungen handle, wie sie eng lische Staatsmänner auszustoßen pflegen, wenn sie eine schwächere Macht einschüchtern wollen. Neu ist nur das eine, daß man uns gegenüber einen solch herausfordernden Ton anschlägt, denn zu Bismarcks Zeiten wagte man das nicht. Freilich meinen andere, die den Dingen näher stehen, daß es sich bei jener Rede in East-Leigh weniger um eine grobe Takt- loslgkeit, als um eine große Dummheit handle, die den Leuten jenseits des Kanals einmal mit untergelaufen sei. Diese Lesung kommt vielleicht der Wahrheit am nächsten, denn in der Tat konnte John Bull keinen größeren Namensvetter finden, als diesen Mr. Lee, der vielleicht, wie es Bismarck sachgemäß bezeichnet, sein Souper einige Zoll zu tief unter Portwein gesetzt hatte. Aber die Umstände, unter denen jene Worte fielen, beeinträchtigen schwerlich ihren inneren Wert: der Haß gegen Deutschland, der aus ihnen spricht, ist echt. Augenscheinlich aber haben die Worte Lees noch einen viel tieferen Sinn, als man ihnen bisher öffentlich beigelegt Imt. Es handelt sich hierbei nicht um eine Drohung mit künftigen Möglichkeiten, sondern um ein Geständnis vereitelter Pläne und Absichten aus der allerjüngsten Vergangenheit. Mr. Lee hat aus der Schule geplaudert, und sein unzeitiges Ge plauder hat die verstörte englische Presse gezwungen, noch mehr auszuplaudern. Wir Wilsen jetzt, daß in der verschlosse nen Ordre der englischen Mittelmeerslotte, die z» Weih nachten, zur Zeit der Hullafsäre, mobilisiert wurde, der Name Deutschlands genannt war. Nach der von Mr. Lee ver- kündeten Maxime, daß die englische Admiralität im Ernst fälle gegen Deutschland losschlagcn werde, noch ehe die Zeitungen auf dem Kontinent von den« Ausbruche eines Krieges wüßten, hätte damals der große Schlag gegen die deutsche Flotte erfolgen müssen. Doch — es geschah nichts! Merkwürdig! Wie kam das nur, daß die englische Admira lität so gegen ihre eigenste Maxime sündigte? Der gute Mr. Lee Hal uns, ohne es zu wollen, auch dies verraten. Es fehlte die eine notwendige Voraussetzung, daß nämlich die Deutschen solche Schlafmützen waren, um nicht vorher zu merken, was man gegen sie im Schilde führte. Der ganze schöne Plan fiel ins Wasser, weil man in Berlin handelte und weil in Kiel alles klar zum Gefecht war, noch cl>e die engliichcn Schisse den Kanal erreichen konnten. Natürlich gab sich das stolze England nicht sofort, und die englische Presse motiviert fetzt die damalige Kriegsgefahr mit der „ge fährlichen Maxime der deutschen Politik", den Angriff für die beste Verteidigung zu halten. Mr. Lee aber mit seiner trunkenen Offenheit verriet uns die bessere Lesart. Bekannt lich ist es das Ziel der englischen Politik, sich unbedingt die Vprherrschatt aus dem Weltmeer zu sichern. Dabei wird der Grundsatz verkündigt, daß die englische Flotte immer der Koalition von zwei anderen Seemächten gewacheeu sein müsse. Dieses Ziel sestzuhalten, war England mit wachsender An strengung bemüht, allein bei dem fortschreitenden Ausbau der fremden Flotten »cheinl doch der Zeitpunkt bedenklich nahe zu rücken, wo cs dem kleinen Jnfelreich an der nötigen Mannschaft für seine Schisse mangeln dürfte. Da bleibt nur noch ein anderes Mittel: die Vernichtung der fremden Flotten. Dieses Ziel durch einen Seekrieg zu erreichen, hat die englische Admiralität vor Jahr und Tag mit dem Hm- weis abgclehnt, daß auch ein glücklicher Seekrieg England fo viel Schisse kosten werde, das; es in dem nämlichen Augen blicke aufhöre, die erste Seemacht zu sein. Jetzt aber hat der Bundesgenosse Englands, Japan, die russische Flotte auf sich genommen, und England hat in Europa eigentlich nur noch mit Frankreich und Deutschland zu rechnen. Das leichteste Spiel hätte es ja, wenn es jetzt diese beiden Mächte auf einander Hetzen könnte. Allein eS weiß, daß Deutschland viel zu friedfertig dazu ist, sich in einen zwecklosen Krieg zu stürzen, und daß Frankreich ohne einen starken Bundes genossen sich ebenso wenig dazu entschließen kann. Da blieb denn nur das von Mr. Lee verratene Rezept übrig, einen ungerüsteten Gegner mittels raschen Ucbersaus zu vernichten. So konnte man die unausbleiblichen Verluste eines Lew krieges ans ein Minimum reduzieren, so daß England auch nach dem Kriege unbestritten die Seeherrschast behauptet hätte Das ist unsere Lage nach der heutigen Auffassung der englischen Admiralität. Der schon einmal erwogene Plan, die deutsche Flotte durch Uebersall bei kurzfristiger Kriegs- erkläruna zu vernichten, besteht weiter, wie die neue For mation oer englischen Flotte zeigt, die jetzt ihren Schwer punkt in die Nordsee verlegt hat. Geschützt vor dieser Gefahr hat uns unsere Wachsamkeit. Was aber nützt auf die Dauer alle Wachsamkeit, wenn wir nicht eine Flotte modernster Schlachtschiffe haben, die auch einen übermächtigen Gegner so dezimieren, daß ihm die Lust am Handel vergeht. Ü80. Tarisgcmeinschasten und Organisationsterrorismus. Die bekannte Vorkämpferin der Tarifverträge Fanny Jmle er örtert unter der vorstehenden Ueberschrift in der „Lozialen Praxis" das Verfahren einzelner „neutraler" Gewerkschaften, beim Abschluß einer Tarisgemeinschaft mit den Prin zipalen festzusetzen, daß Nichtorganisierten keine Arbeit gegeben werden dürfe. Solche Abmachungen sind bisher erfreulicherweise ganz vereinzelt geblieben: sie kamen im Nürnberg-Schwabacher Schlägcrgewerbe und im chemi- araphischen Gewerbe vor. In der Hauptsache also handelt es sich mehr um bedenkliche Tendenzen als um bedenkliche Tat sachen. Mit Recht indessen will F. Jmle die Existenz dieser Tendenzen nicht auf die leichte Achsel nehmen, weil mit dem Erstarken der „neutralen" Gewerkschaften die Gefahr eines Mißbrauches der Tarifgemeinschaften zu egoistischen Organisationsz wecken wachse. Jene Tendenzen werden aber um so bedenklicher, je schwächer die nichisozialislischen Arbeitervcrbände sind: denn die Arbeit geber wollen sich als kluge Geschäftsleute bei ihren vertrag- ilchen Abmachungen auf Organisationen stützen, deren Kratt eine strikte Durchführung des Vereinbarten verbürgt. F. Jmle folgert aus den erwähnten Umständen, daß die Po sition der nichtsozialistischen Arbeiter gestärkt werden müsse, Feuilleton. Frauchen. R o tp an von Felix Freiherr von Stenglin. Nachdruck verboten. „Man verträgt's halt, man ist Soldat!" sagte er, indem er sich wieder hinsetzte. „Aber zum Narren halten laß ich mich auch nicht länger mehr." Hastig trank er sein Glas aus. „Das würd' ich Ihnen auch sehr verdenken. Ein sperren in geschlossenen Häusern wäre das beste. Die Türken haben das richtig erkannt, sollte mir leid tun, wenn sie davon abkämen. Wissen Sie, was mir immer sehr bezeichnend erschienen ist? Dar Ausdruck „Ehe krüppel". Krüppel werden sie alle." „Ohol" meinte Walter und hob den Kopf. „So weit soll es bei mir nickst kommen. Und ich wende verlangen, daß meine Frau vernünftig ist, — natürlich das, was ich unter vernünftig verstehe —" „Natückich! doch nicht etwa, was sie darunter ver steht „Und wäre das nicht, — ich will den Fall einmal an- nehmen, — dann würd' ich einfach die Folgerungen ziehen. Fortwursteln ist mir ein Greuel." „Schön, lieber Freund, ich sehe, daß Sie nach Mark in den Knochen haben. Aber wie wär's. wenn wir setzt eine ungleich wichtigere Frage orörterten? Dieselbe oder ein« andere Sorte?" Damit wandte Major Brandt die auf dem Tische stehende Weinflasche hin und her, um zu zeigen, daß sie leer sei. * * * Willy war nach Hause gekommen, umd Füsilier Lemm ging hinunter, um Minna ausfindig zu machen. Dem Jungen wurde es so allein in der Wohnung etwas ängstlich zu Mut. Er summte ein Lied, ging, die Hände in den Hosentascl)en, ein paar mal im Salon auf und nieder, stellte sich darauf breitbeinig hin und versuchte zu Pfeifen. Aus diese Weise hatte er schon fast seinen ganzen Mut wiedergefundcn, äls ibn bei einem Blick aus die große Stehlampe, der Gedanke, er könne fetzt ungehindert daran schrauben, mit plötzlicher Freude durchzuckte uud ihn jede Furcht vergassen ließ. Schleunig begab er sich an das blanko Gestell und schraubte den Docht zunächst vorsichtig ein wenig herunter, dann ebenso langsam wieder hinauf. Dieselbe Bewegung machte er dann schneller und fand dies plötzlickie Herabdämpsen des Lichtes sehr hübsch. Er steigerte die Schnelligkeit nach und nach und sah dabei rückwärts ins Zimmer, um die Wirkung zu beobachten. - Plötzlich ließ ar von der LaMPc ab, stieß einen weiner lichen Ton aus und verkroch sich hinter einem Sessel, von wo aus er mit großen Augen auf die Tür blickte. Dort stand eine wie ihm schien riesenhafte Erscheinung, mit langen schnurzen Kleidern angetan und sah drohend auf ihn her. WaS tvar daS doch für ein seltsamer Blick auS großen, bellen, etwas votkretenben Auaenk Willy fühlte sich so im Bann dieser Augen, daß er sich nicht zu bewegen wagte. Und plötzlich begann diese Ersckwinung mit lauter Stimme zu reden. Gewiß, cs mußte eine Riesin oder Zauberin sein, denn so laut sprach kein Mensch sonst, wollte es Willy dünken. „Jung, wer läßt denn bei Euch die Flnrtiir auf?" sagte die Stimme. „Da kann man Euch ja alle? weg tragen?" „Ach nein —" meinte Will» ängstlich. Jetzt kam die Erscheinung einige Schritte näher. „Nu, nu! Jung, hast du Angst vor mir? Komm doch nur raus da! Ich bin ja deine Tante, Tante Lotte!" Damit nahm sie ihren Hut ab und legte ihn auf einen Stuhl, zog ihre Jacke aus, wobei Willy bemerkte, daß sie eine goldene Ubrkettc um den -Hals trug, und brachte dann Hut und Jacke auf den Flur. Ter Um stand, daß sie wie andere Menschen den Kleidcrricgel aus dem Flur benutzte, und daß sic eine Uhr trug, schienen Willy immerhin Beweise für die Menschenähnlichkeit dieses Wesens. Und so kam er denn, während sie auf dem Flu-r tvar, aus seinem Versteck hervor. Als Tante Lotte den schlanken und doch stämmigen Jungen mit seinem lebhaft-klugen Blick da vor sich stehen sah, ging ein gütiges, freundliches Lächeln über ihre Züge. „Kennst du mich denn nicht? Bei der Taufe vom kleinen Schwesterchen haben wir uns doch gesehen? Und neulich haben wir ims ja auf der Straße begrüßt." Nun ergriff Willy die aus-gestreckte Hand der Tante und machte eine Derbeugllng. Sie fuhr ihm über den Kopf, und ihre Stimme klang so trostreich unb fest, als sie sagte: „Musst nicht solche Angst haben! Wer tut dir denn was, mein Jung?" Sie setzte sich und zog den Knaben zu sich lieran. Jetzt faßte er schon Vcrtixmen. „Dio Minna erzählt mir immer so grauliche Ge schichten", antwortete er mit Mißbehagen. „Schön sind sie ja, aber ich kriege manchmal solche Angst." „Ter Minna werd' ich's cintränken! Tu bist wohl gut Freund mit der Minna?" „Ach nein, ga- nicht. Sie lut mir meinen Flitzbogen zerbrochen. Ich strafe sie mit Achtung." „Daraus wird sic sich viel machen. Aber sage, wo ist Mutter?" „Weg!" antwortete er leise. „Und Vater?" „Auch weg." „Aber Ihr lubt dock' ein Mädclun und eine Köchin —" „Ja, ein Kindcrmädclvn", erklärte Willy. „Sie heißt Minna und ist noch ziemlich jung. Und eine Köchin, die heißt Auguste und ist schon alt. Sic wird schon sechsund- zwanzig Jahre. Darum kann sic nicht mehr so gut kochen." „Was du nicht alles »reißt! Und die beiden Mädchen sind auch weg?" „Ja." „Das -ist ja nett. Da besorgst du wobl das kleine Schwesterchen?" - „Ach nein, die braucht überhaupt nicht besorgt zu werden, sic kriegt nur manchmal drc Flasche." „So, so! Jedenfalls scheint mir, daß stch hier gerade
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