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AttsaruNer Tageblatt 2.SlsttNr.lYL - Mittwocb. 20. «ugult 1-2» Ermahnung Bon MaxKretzer. Menn weh' -du einem Menschen hast getan, Der deinem Herzen selig nah' gestanden, Dann steh' dich selbst noch einmal prüfend an, Eh' Hand -und Hand zum Lebewohl sich- fanden. Hast du der Türe Klinke schon gedrückt Und willst für immer nun von dannen eilen, So banne deine Schritte zornentrückt Und last den Fust noch einmal traulich Meilen. Wer meist, ob nicht die Tür für immer schließt Sich hinter dir zu einem Totenhaine; Vielleicht hast du zum letzten Mal gegrüßt, Was treu dir war — und steh-st nun ganz alleine! Unler Nachbarplanet Mars. A. Hofmann, Unkersdorf. In diesem Monat lenkt unser Nachbarplanet, der Mars, in besonderem Maste die Ausmerlsvmkeit der Fachastronomen auf sich, denn am 23. August kommt er unserer Erde so nahe, wie es im 20. Jahrhundert nicht mehr der Fall sein wird. Diese Zeit ist für die astronomische Forschung ein wahres Paradies. Allerorts wird man auf den großen Sternwarten die besten Fernrohre nach dem Sternbilde des Wassermannes richten, von wo aus der Mars, das interessanteste der Geschwister unserer Erde, mit hellglänzen dem rötlichen Lichte zu uns herabstrahlt. Infolge seiner sehr großen Exzentrität ist feine Entfernung von der Erde recht verschieden. Er kann sich dieser bis auf 60 Millionen Kilometer nähern, aber auch um 400 Millionen Kilometer von ihr entfernen. Die letzten günstigen Erdnähen waren in den Jahren 1830 und 1877. Seine mittlere Entfernung 'vom 'Zentralgestirn beträgt 1,5237 'astronomische Einheiten (— 226,5 Millionen- Kilometer). Sein Durchmesser ist 6770 Kilo meter lang, etwas größer also als die Hälfte unseres Erddurch messers. Mit einer Geschwind^ von 24 Kilometern- in der Se kunde läuft er in einem Jahr 321,93 Tage um die Sonne. Ein Marsjahr dauert also 687 Erdenlage. Die ersten Marsbeobachter nahmen auf dem Planeten hellere und dunkler Flecken wahr, die, ohne ihre Form zu verändern, sich über die Scheide bewegten. Daraus folgerte man eine rotierende Bewegung um eine feste Achse, deren Umdrehungszeit 24 Std. 37 Min. 23 Sek. ergab. Der Marstag ist also nur wenig von -denen der Erde und Venus verschieden. Entferntere Planeten drehen sich -dagegen viel schneller, schreiten aber langsamer in ihren Bahnen fort. Ein Tag auf dem- 777 Millionen Kilo meter von der Sonne -entfernten Jupiter z. W. dauert trotz seiner Große — aus seiner Masse ließen sich über 300 Erdkugeln bil den — nur ungefähr 10 Stunden. Aus -der Verfolgung jener Flecken konnte man ferner die Lage -der Umdrehungsachse zur Bahn des Planeten: die Schiefe der Ekliptik berechnen, welche etwas größer als die unserer Erde ist. Von diesem Winkel sind Lage und Größe der klimatischen Zonen sowie Länge der Jahreszeiten abhängig. Die Marsbewohner, -wenn es welche geben sollte, erfreuen sich eines Frühlings von 199 Tagen, während Sommer 182, Herbst 146 und Winter 160 Erdentage zählen. Außer den Hellen -und dunklen- Flecken, die wir zweifellos als Kontinente und Meere betrachten Linnen, bemerkt man regelmäßig -in den Pvlarregionen des -wunderbaren -Planeten weiße Polar stecke, die sich zur Winterszeiat bilden, dann wieder immer kleiner werden und schließlich verschwinden-, je länger sie zur Sommerszeit von der Sonne beschienen werden. Mit Sicherheit kann ange nommen werden, daß es sich hier um Eis handelt. Da ferner das Spektroskop reichen Wassergehalt in der Marsatmosphäre an zeigt und auch Wolken und Nebelbi'l-dungen sehr -deutlich beobachtet wurden, treten auf seiner Welt zweifellos Aehntichkeiten mit der unsern hervor. Es schneit, friert und taut wie bei uns. Wenn Niederschläge zu verzeichnen sind, so muß vorher Feuchtigkeit a-us großen Wasserbecken in -die Atmosphäre em-por- gestiegen sein, und wen man beobachtete, daß Eis auf Flächen räumen von -der Ausdehnung des halben europäischen Rußlands schmolz, so muß sich das Schmelzw-asser notwendigerweise in Sammelbecken ergießen. Darum müssen auf dem Mars Meere - vorhanden sein. -Wersen wir ein enBlick a-u-f die Märskarte, so sehen wir, daß -hier Wasser und Land wesentlich anders als auf unsrer Erde ver- j teilt sind: es ist mindestens noch einmal so viel Land als Wasser vorhanden. Jedoch sind -die Meere zum großen Teil sehr seicht, -stellenweise nur überschwemmte M-oorgründe. Ein viel besprochenes und sehr umstrittenes Gebiet sind die sogenannten Marskanäle,-die sich in dunklen Linien als ein wunderbares Netzwerk -durch die Festländer ziehen. Naturgemäß hielt man sie für Verbindungen- isolierter Meeresbecken. Auffällig ist jedoch ihre ungeheure Breite. Die allerseinsten Linien auf Photographien' entsprechen in- Wirklichkeit einer Breite von 30 bis 60 Kilometer, stärkere deuten auf eine Breite bis -zu 300 Kilo meter. Ganz gleich, ob man sie -als Bauwerke intelligenter Wesen oder Naturprodukte betrachtet: ihre Notwendigkeit und Nützlich keit lassen sich an irdischen Verhältnissen nicht ermessen-. Die Wunderbarste Erscheinung endlich-ist die Verdoppelung der Kanäle, welche der bekannte Mailänder Forscher Schiaparelli 1882 zuerst beobachtete. Zu Zeiten- großen Wasserreichtums bil det sich parallel zum ersten- ein zweiter Kanal. Die Verdoppelung vollzieht sich mitunter in- kurzer Zeit: in -wenigen Tagen, ja sogar in einigen Stunden. Die Annahme, es handele sich- um Resewe- kanäle, die bei Wasserüb-erslu-ß von -geöffneten' Schleusen gespeist würden, -entbehrt noch völlig wissenschaftlicher Grundlagen-. Eben so können optische und physiologische Täuschungen fälsche Tat sachen vorspiegeln, wenngleich -diese von gewissen -Forschern strikte a-bgelehnt werden. Noch interessanter wird uns die Marswest durch ihre beiden Monde, die erst -vor 47 Jahren am 11. und 17. August von Asaph Hall in -Washington mit dem damals größten Fernrohre der Welt entdeckt wurden. Man nannte sie wie die Begleiter des Kriegs gotes Mars Deimos und Phobos (Furcht und Schrecken). Auch heute noch sind -diese winzigen Lichtpünktchen nur mit den besten Instrumenten -zu erkennen. Ihre Beobachtung wird dadurch noch erschwert, daß sie dem leuchtenden Mars beständig sehr nahe sind. -Ein etwaiger Marsbewohner brauchte bis zum Phobus, -dem näheren -der beiden Monde, nur so weit zu reisen -wie wir Erdenmenschen von Berlin nach New Port. Durch Vergleich ihrer Mondlichtstärken mit -der Marsobersläche Hai man die Durchmesser des Phobus und Deimos auf etwa 10 Kilometer gefchätzt. Letzterer ist wahrscheinlich etwas größer. Ihre ge sa-mte Oberfläche wäre demnach 50-mal kleiner als unser Sachsen- lan-d. Infolge ihrer großen Marsnä-He (Phobus 60<D -Kilometer, Deimos 25 000 Kilometer) ist auch ihre Amläussgeschwindigkeit sehr groß. Phobus holt -den Mars -am Tage zweimal ein-, geht also am Tage zweimal auf und unter. Dadurch entsteht -eine weitere Eigentümlichkeit: er geht im Westen -auf und -im Osten unter. Gein Kollege Deimos ist seiner weiteren Entsernu-ng wegen nicht ganz -so hastig in seinem Lauf und bewegt sich in 1'/, Tag einmal um den Mutterstern. Mehrere Tage bleibt er am! Marshimmel sichtbar, ohne unterzugehen-, dabei -aber an einem Tage seine Phasen wechselnd. Von unserem astronomischen Geistesfluge kehren wir zurück in irdische WiMchkeit. Wir haben erkannt, daß unsere Nachbar welt manche charakteristische verwandtschaftliche Züge der Erde aufweist: Land und Wasser, Jähr und Tag, Wechsel der Jahreszeiten, Wind und Wetter, Schnee und Eis. And dennoch gab es dort oben- der Rätsel so viele. Diese zu lösen, ist vornehmste Aufgabe der Fachast-ronomen-, -die schon alle Vorbereitungen treffen u-Nd keine Kosten -scheuen. Glück -ihnen zur Lösung des Marsproblems und somit zum Ausbau der astronomischen Wissenschaft! Ser volülscben Parteitag«. Weimar, 18. August. Eine Entschließung des Parteitages wendet sich gegen die Annahme des Sachverständigengutachtens und sagt, daß alle hinter dieser Kundgebung stehenden Volksteile eine etwa von einer Regierung oder Reichstagsmehrheit beschlossene Einwilli gung in den Dawes-Plan nicht anerkennen und die daraus resultierenden Zinsverpslichtungen nicht als zu Recht bestehend ansehen werden. Dann sprach General Ludendorff über die Reichswehr and führte aus, die Reichswehr sei für die Nationalsozialisten die Fortsetzung des alten Heeres, berufen, die Tugenden und die Kräfte des alten Heeres hinüberzuretten, in eine Zeit, in der man wieder ein Volksheer habe. Die Versammlung drücke der Reichswehr ihre Achtung aus und ihre warmen Gefühle. Man erhob sich dabei von den Plätzen. Eine öffentliche Kundgebung mit einer Parade vor Ludendorfs schloß den Parteitag ab. Etwa 16000 Mann in Hitler-Uniform marschierten vorvet nno bildeten dann ein Viereck, zu dem Dr. Dinter eine Ansprache hielt und dabei auf das soeben bekanntgewordene Londoner Abkommen kam. Er sagte u. a.: „Das für unmöglich Ge haltene ist geschehen: unsere Reichsregterung hat, statt auf der sofortigen Ruhrräumung zu bestehen, nachgegeben. Ich klage hier an der Seite des größten deutschen Feldherrn die Parteien und die Regierung des Volks- und Hochverrats an! Wir verlangen, daß diese Hoch-, Volks- und Vatcrlandsverräter sofort vor dem Staatsgerichtshof abgeurteilt werden. Unsere Geduld ist erschöpft. Kameraden! Hebt die Fäuste zum Him. mel empor und sprecht mir den Schwur nach: „Wir schwören, unserem Führer Ludendorff, wenn er nns ruft, zu folgen btS in den Tod und nicht eher zu ruhen, als bis die November- Verbrecher ihrer gerechten Strafe vor dem Staatsgerichtshof zugeführt sind!" Die Anwesenden sprachen den Schwur nach und feierten General Ludendorff durch Heilruse. Dieser feierte Hitler mit einigen Worten. Nach weiteren Reden wurde der Parteitag geschlossen. MtttembeiMLe stegieningmllglleaer verunglückt. MinisterialratLinderertrunken. Friedrichshafen, 18. August. Die gesamte württembergische Staatsregierung u a der Staatspräsident Bazille, Minister Bolz der frühere Staatspräsident v. Hieber, Ministerialrat Ltnder, Negicrungsrat Vögele und einige weitere Herren statteten dem Institut für Seeforschung in Lanaen- "gen am Bodensee einen Besuch ab. Beider Rückfahrt nahm das Motorboot, in dem sich die Herren befanden eine scharfe Kurve und kenterte. Sämtliche Insassen würden ms Wasser geschleudert, konnten sich jedoch mit Ausnahme von Ministerialrat Linder, der vermutlich infolge Herz schlages sofortsank, retten. Die Leiche Linders wurde geborgen. Der Bootsunfall entstand dadurch, daß dcw Motorboot „Staufen", auf dem sich die Regierungs mitglieder befanden, in das Kielwasser eines Dampfers traten war und einen Zusammenstoß nur durch eine arfe Wendung vermeiden konnte. Bei der plötzlichen düng wurden die zehn Insassen des Motorbootes gen das verhältnismäßig dünne Bootsgeländer ge- jchleudert. Das Geländer brach und die Fahrgäste stürzten in den Bodensee. Bei der Bergung der Verunglückten leistete ein Meisterschwimmer große Hilse, der sich an Bord des erwähnten Dampfers befand. i poliMckr kunaickiau 1 Offiziersbünde gegen General v. Deimling Der Deutsche Offiziersbund, der Nationalverband deutscher Offiziere und der Neichsoffiziersbund erlassen eine gemeinsame Erklärung, in der es heißt: General Deimling tritt neuerdings in der Öffentlichkeit für die schwarz-rot-goldene Fahne, für die Republik und den Ein tritt in den Völkerbund hervor, über seine politische Überzeugung wollen wir nicht mit ihm rechten. Daß er aber als früherer Kommandierender General seine anti monarchische Gesinnung öffentlich zur Schau trügt und gegen die schwarz-weiß-rote Fahne ankämpft, daß er es unternimmt, zum Eintritt in das Reichsbanner schwarz- rot-gold aufzusordern, welches er als in Wahrheit allein national und patriotisch anerkennt, zwingt uns fest zustellen, daß er selbst die Scheidung von seinen Kame raden von der alten Armee vollzogen hat. Die 26prozentige Neparationsabgabe. Dem englischen Bureau Reuter zufolge wird in amt lichen Kreisen Londons betont, daß die Wiedereinführung der 26prozentigen Reparationsabgabe, die Deutschland nach dem Dawes-Plan auserlegtrn Verpflichtungen nicht erhöhe, sondern lediglich die Beträge berühre, die der Generalagent für Reparationen von den Mehrforderungen gegenüber Deutschland abzuführen habe. Die Suche nach den Erzberger-Mördern hat noch keine einwandfreien Resultate ergeben. Während von der einen Seite aus Ungarn gemeldet wird, daß der eine am Morde Beteiligte, Schulz, festgenommen sei, Wird von der anderen Seite die Identität bezweifelt. Tat- Dar Probejahr der Dolorer Renoldi. 61 Roman von Fr. Lehne. Urheberschutz durch Stuttgarter Nomanzentrale C. Acker mann, Stuttgart. „Doch, ehe mein Mann fortging in den „goldenen Anker", hat er schnell 'eingeguckt! Und Fedor liest sie in seinem Verein, wo er doch heute ist! Ihre Lampe steht auf dem Vorplatz, Fräulein Dolly!" „Gute Nacht!" Dolores reichte auch Richard die Hand. „Gute Nacht, Herr Westermann!" Sie fühlte eine heiße, bebende Jünglingshand in der ihren. „Gute Nacht, Fräulein Dolly!" 14. Es verging jetzt selten ein Tag, an dem nicht der Hauptmann von Bruckhoff ein paar Blumen kaufte. Er richtete es immer so ein, wenn niemand im Laden war, Ao daß die schöne Verkäuferin nur ihn zu bedienen hatte. Dolores hatte es bald gemerkt; es war ihr fo peinlich, amd unruhig klopfte ihr Herz, wenn die hohe, breitschult rige Gestalt des Offiziers den Laden betrat. Er verlangte gewöhnlich ein Veilchensträußchen, ein paar Nelken, nicht viel; aber dennoch wußte er den Ein kauf in die Länge zu ziehen, indem er nach verschiedenem fragte, worüber sie ihm Rede und Antwort stehen mußte, und wenn es auch nur ganz gleichgültige, geschäftsmäßige Kragen waren. Der Blumenladen von Westermann Hätte jetzt, seit Dolores darin Herrscherin war, in jeder Großstadt mit Ehren bestehen können. Wie geschmackvoll die Schnittblumen geordnet, die Blumenkörbe gefüllt, die Kränze gewunden wurden — wie die Palmen und die blühenden Topfgewächse gediehen! Dolores hatte wirklich eine geschickte, glückliche Hand, und Frau Westermann pÄes den Tag, der ihr die junge trau- riae Waste ins Haus geführt! Dolores hatte es durchgesetzt, daß ein paar rote Korb sessel, auf die sie bunte Kissen gelegt, und ein kleiner run der Tst-b angeschafft wurden; so war dem Verkaufsraum das Nüchterne, Ladenmäßige genommen, und er machte mehr den Eindruck eines Blumenzimmers, der noch ver stärkt wurde durch Blumenkrippen, Ampeln mit Schling gewächsen, durch viele Vasen, schlanke, hohe Kelche und breite, flache Schale, worin Dolly die Blumen nach ihrem Charakter ordnete. Eines neuen hübschen Beleuchtungskörpers strahlen des Licht wurde gedämpft durch einen rotseidenen Lam penschirm, den Dolores angefertigt. Geschickt verkleidete Ampeln im Schaufenster, die Licht aus einer unsichtbaren Quelle spendeten, wirkten sehr eigenartig. Kaum einer ging an dem hübschen Schaufenster vorbei, ohne stehen zu bleiben, und wenn er dann das schöne, schlanke, dunkel äugige junge Mädchen im Laden hantieren sah, genoß er den reizvollen Anblick doppelt. Im Schaufenster stand, halb versteckt, wie zufällig, aber doch ins Auge fallend, eine Schale mit ausgesucht schönem Obst, das für jeden Tag für teures Geld seinen Liebhaber fand. Richard Westermann war beglückt über die Stütze, die die etwas altmodischen Eltern an dem neuen Fräulein hatten, und noch mehr, daß es sie zu Neuerungen hatte bewegen können, was ihm nicht gelungen war. Sobald der Dienst es ihm ermöglichte, sprach er im elterlichen Hause vor. Manche Abendstunde brachte er dort zu, und Dolores sah es gern, wenn seine hübschen, blauen Augen, indem er von seinem Beruf, von seiner Freude an der Natur sprach, in Begeisterung aufleuchte ten. Dann ging der stille bescheidene Mensch aus sich heraus. Fedor lächelte dazu herablassend; der junge, un reife, elegant sein wollende Buchhändlergehilfe mit den „dichterischen Aspirationen" kam sich dem älteren Bruder ungeheuer überlegen vor und widersprach ihm in jeder I Weise, so daß Dolores ihm entschieden cntgegentrat und sich auf Richards Seite stellte. Fedor schmollte dann, sah sie vorwurfsvoll an, stützte das Gesicht in die rechte Hand, an deren kleinem Finger ein Ring mit einem blitzenden, unechten Stein prangte, und murmelte etwas von Nichtverstandcn-, Verkanntwer den — — was ihn aber nicht hinderte, Dolly seine Ma nuskripte anzuvertrauen und sie um ihr Urteil zu bitten. Sagte sie ihm das in ehrlicher Weise und mahnte ihn, noch einige Jahre zu warten, bis er eine größere geistige Reife erlangt habe, schmollte er wieder und spielte sich als verkanntes Genie auf; der. Drang in seiner Brust zum Schaffen sei unwiderstehlich; man wolle ihm nur Steine in den Weg legen und ihn in der Tretmühle des Alltags halten. Manchmal sand Dolores vor ihrer Tür Gedichte — mit roter Tinte auf blauem Papier geschrieben, „mit feinem Herzblut geschrieben", wie Fedor elegisch bemerkte, und in überschwenglichster, verstiegenster Weise wurde sie darin angehimmelt. Herzlich mußte sie darüber lachen. Es war ihr alles so eigenartig, so fremd, dieses klein bürgerliche Familienleben, in dem die Familienmitglieder abends zur kargen Ruhestunde sich um die Lampe ver sammelten und des Tages Last und Sorgen und kleine Freuden durchsprachen. Es war eine ganz andere Welt, in die sie hier Einblick bekam, und ihre nachdenkliche ernste Natur ließ sie dop pelt das nichtige, leere, nur dem Vergnügen gewidmete Leben erkennen, das sie bis vor kurzem geführt. Das Wort „Pflichten" hatte sie nicht gekannt — bis jetzt, wo es ihre Stunden vom Morgen bis Wend voll ausfüllte. Und nie hatte sie so gut und fest geschlafen wie bei Wester manns, wenn sie nach vollbrachtem Tagewerk sich in ihr schmales Bett legte. Die Wunde ihres Herzens brannte ja noch immer, doch ihr Stolz hatte über ihre Liebe ge siegt. (Fortsetzung folgt».