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Wilsdruffer Tageblatt : 20.08.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-08-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192408204
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19240820
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19240820
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-08
- Tag 1924-08-20
-
Monat
1924-08
-
Jahr
1924
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 20.08.1924
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Kerriot una srrejemann Äußerungen zum Londoner Vertrag. In einer Unterredung sagte der französische Minister präsident, das Ergebne der Londoner Konferenz werde bekämpft werden von allen denjenigen, deren Unvor sichtigkeit und deren Provokationen Frankreich mit der Gefahr eines neuen Krieges bedrohten. Es handele sich um ein ehrliches und friedliches Werk und be deute den Beginn einer neuen Ara. Frankreich sei nicht länger isoliert, aber die Londoner Konferenz werde nur fruchtbringend fein und könne die Fortsetzung gleichartiger Bemühungen nur ermöglichen, wenn die Völker, für die man gearbeitet habe, das Werk gegen die Angriffe derer — und ihre Zahl fei noch allzu groß — schütze, die von Krieg im Auslande und von Krieg im Innern träumten. Aus London wird berichtet, der deutsche Neichsaußen- minister Dr. Stresemann habe in einem Interview erklärt, er glaube, daß der Reichstag das Werk von London ratifizieren werde, aber er rufe die Welt an, dies mal Treue zu halten. Der Pakt von London kann einen neuen Zeitabschnitt für Europa einleiten, aber nur, wenn wirklich Treue gehalten wird. Wir erwarten, sagte Stresemann, daß die Räumung des Ruhrgebietes in weniger Zeit, als innerhalb eines Jahres verwirklicht wird, weil wir nicht glauben, daß die Finanz leute der Wett eine wirkliche Sicherheit für gegeben erachten, so lange fremde Truppen das Herz des Industriegebietes besetzt halten. f Meine Nachrichten j Die Aufwertungsfrage im Reichstagsausschuß. Berlin, 18. August. Der Reichstagsausschuß sür vle Aus- Wertungsfrage nahm heute Äußerungen von Vertretern der nächstbeteiligten Wirtschastsressorts sowie des Reichsjusüz- Ministeriums zu den von den Mitgliedern des Ausschusses zur Aufwertungsfrage gestellten Anträgen und zum Gesamlprobüm der Aufwertung entgegen. Wetterunbilden im Ruhrbezirl. Essen, 18. August. Seit gestern abend gehen hier starke Regengüsse, zeitweise von wolkendruchartigem Regen mit Hagelschlag und Gewitter unterbrochen, nieder, welche in der Stadt und auf dem Lande bereits großen Schaden ungerichtet haben. Handelsvertragsverhandlungen mit Belgien. Brüssel, 18. August. „Etoile Beige" meldet, die deutsche Negierung habe dorgeschlagen, daß die Verhandlungen zwischen Deutschland und Belgien zur Ausarbeitung eines Wirtschaft- lichen Abkommens am 1. September beginnen. Die Verhand lungen sollen in Berlin stattfindcn, da die Reichsminister und hm)en Reichsbeamten, die die Verhandlungen zu führen hätten, mit Rücksicht auf die bevorstehende Ingangsetzung des Dawes- Planes in Deutschland bleiben müssen. Die belgische Delegation wird von deni Direktor im belgischen Auswärtigen Amt, van Langenhove, geführt werden. Amerikanisches Urteil. Paris, 18 August. Eine amerikanische Persönlichkeit, die oie Arbeiten der Konferenz aus allernächster Nähe beobachte, har mit dem Sonderberichterstatter des „Petit Paristen" über die Ergebnisse gesprochen und sich dabei wie folgt ge äußert. ^-ch bin vollkommen davon überzeugt, daß wir dies mal m ein neues Zeitalter des Friedens und der lovalen Hu- sammenarbeit getreten sind. Der Londoner Pakt ist der erste oem seit dem Kriege alle diejenigen, die ihn unterzeicbnet haben, freiwillig ihre Zustimmung gegeben haben. Von keiner Seite ist der geringste Zwang ausgeübt worden. Macdonalds Reife nach Paris. Paris, 18. August. Nach einer Meldung des „Newvori Macdonald, der am 29. August nach Genf^ab- rrist, sich zu einer Besprechung mit Herriot über die S cher- heitsfrage einen Tag lang in Paris aufhalten Der König gratuliert Macdonald. . . L"''dc.u, 18. August. König Georg sandte oem Minister präsidenten Macdonald für die erfolgreiche Beendigung der Londoner Kvmerenz ein im herzlichen Tone gehaltenes Glück- wunichtelegramm. Lv Erntearbeiter verbrannt. Bei Knights Landing in Kalifornien brannte eine Scheune nieder; 2 0 Arbeiter, die in der Scheune geschlafen hatten, sind dabei ums Leben gekommen. - Neuer aus aller Well Z Fünfzig Jahre Weltpostverein. Der in Stockholm ; versammelte achte Weltpostkongreß beging die Feier des - 50jährigen Jubiläums des Weltpostvereins. Bei dem ! Festakt in der Königlichen Oper huldigte der Vorsitzende ; des Kongresses, der schwedische Generalpostdirektor Julin, i in seiner Rede dem Andenken des „verehrten Meisters, j des deutschen Postministers v. Stephan, der dank feiner ; reichen Geistesgaben, seines Genies und seines kühlen - Willens den Weltpostverein geschaffen hat." Kundgebung des deutschen Handwerks. Zu der f großen öffentlichen Kundgebung des Mitteldeutschen ! Handwerkerbundes anläßlich des vierten mitteldeutschen s Handwerkertages hatten sich m Halle über 1000 Mitglieder aus der Provinz Sachsen, aus Thüringen und Anhalt zu sammengefunden. Nach Begrüßung der Ehrengäste ergriff der deutschnationale Reichstagsabgeordnete Biener das Wort zu seinem Referat über die Bedeutung des Hand werkes für das Staats- und Wirtschaftsleben. Haarmann-Prozeß im November. Die Vorunter suchung gegen den Massenmörder Haarmann, der sich gegenwärtig zur Untersuchung seines Geisteszustandes im Irrenhaus befindet, dürfte noch etwa 214 Monate in An spruch nehmen, so daß die Hauptverhandlung vor aussichtlich im November stattfinden wird. Raubüberfall im Schnellzug. Im direkten Schnellzug ' Warschau-Prag drang ein Einbrecher in ein Abteil des Schlafwagens, in dem sich ein polnisches Ehepaar befand. ! Dem Verbrecher fielen 8000 Dollar sowie Schmuck im ! Werte von 100 000 Tschechokronen in die Hände. Eisenbahnunglück in Marokko. Der Zug Taurirt— s Tasa (Marokko) ist auf einer abschüssigen Strecke einige Meter vor einer Brücke, die über eine Schlucht führt, ent - gleist. 23 Reisende, darunter 8 Militärversouen und 15 Eingeborene, wurden verletzt, 8 von ihnen schwer. Sumer streik thüringischer Hausbesitzer. In Eisen berg (Thüringen) sind die Hausbesitzer in einen Steuer streik eingetreten. Sie wollen so lange keine Aufwertungs- stcuer bezahlen, bis eine bessere Einschätzung durchgesührt sei, und stützen sich bei ihrer Stellungnahme darauf, daß z der ländliche Grundbesitz durch Landesgcsetz von - der Abgabe bereits befreit sei. Auch haben die Hnus- e besitzer Eisenbergs gegen die Einführung einer Wirtschafts' § abgabe in ihrer Stadt Protest eingelegt. Zwei Holzwerke vernichtet. In der Edelhölzer- f verarbeitnngsfabrik in Meppen (Hannover) brach in einem mit großen Holzvorräten gefüllten Lagergebäude Groß- H feuer aus, das in Rohstoffen und Fertigfabrikaten reich- s lich Nahrung fand. Drei Fabrikgebäude mit riesigen Vorräten brannten bis auf die Umfassungs mauern nieder. Der Betrieb mußte vorläufig eingestellt werden. Das Sägewerk Deutsch-Evern (Hannover) wurde mit großen Lagerbeständen völlig eingeäschert. Von den ausgedehnten Anlagen blieben nur kleine Mauer- refte übrig. Die Nettungsarbeiten wurden durch Wasser mangel sehr erschwert. In den Bergen erforen. Die seit einigen Tagen ver mißten Touristen Garrwels aus Bremen und Dr. Schick ans Wien, die als Kurgäste in Pontresina weilten, sind in den Bergen erfrorenaufgefunden worden. Der Führer Juon, der sie begleitete, wird vermißt. Der Privatsekretär der letzten englischen Könige ge storben. Viscount Knollys starb im Alter von 86 Jahren. 40 Jahre lang war er Privatsekretär König Eduards VII. Nach dessen Tod blieb er in derselben Stellung bei König Georg; als solcher war er von allem unterrichtet, was sich im Leben der königlichen Familie ereignete. Er war be kannt für seinen Takt und seine Diskretion und — aalt als der schweigsamste Mann in Europa. Bunte Tageschronik. Marburg. Der hervorragende Philosoph Prof. Paul Nalorp ist im Alter von 70 Jahren hier gestorben. Natorp, in Düsseldorf geboren, gehörte seit Jahrzehnten zu den hervorragendsten Vertretern der deutschen philosophischen Wissenschaft. Karlsbad. Das furchtbare Unwetter, das über vas Fichtelgebirge niederging, hat großen Schaden angcrichtet. In Fischern bei Karlsbad wurde die Schwimmschule, ebenso die in Karlsbad weggerissen. Die Umgebung von Franzensbad gleicht einem See. Moskau. Die Sowjetdelegation, die die englisch russischen Verhandlungen in London geführt hat, ist aus der Rückreise nach Moskau wie durch ein Wunder vom Tode bewahrt geblieben. Ihr Flugzeug hatte einen Motordefett, überschlug sich und ging in Trümmer. Die Mitglieder der Delegation blieben unverletzt. Peking. Wie gemeldet wird, ist der Damm des großen Kanals nahe bei Enhsien in Westschantung gebrochen. 1S0 Dörfer sind überschwemmt. - Rus unlerer Reimst ) Wilsdruff, am 19. August 1924. Merkblatt für den 20. August. Sonnenaufgang 4°- !i Mond ausgang g°» N. Sonnenuntergang 7" Monduntergang 1U V. 1639 Dichter Martin Opitz v. Boberfeld gest. — 1854 Philo soph Joseph v. Schelling gest. — 1914 Brüssel von den Deut schen besetzt. — 1915 Kriegserklärung Italiens an die Türkei. — 1922 Der Zoologe und Reisende Willv Kükenthal gest. * Die Regenperiode der letzten Tage scheint nunmehr end- s gültig überstanden zu sein. Sie hat ganz gewaltige Regenmengen j über Westsachfen herabgeschüttet, die überall in den betroffenen Gebieten große Uöbevschwemmungsschäden verursacht haben. Am s meisten wurde die Leipziger Gegend -betroffen, wo 155 Liter r Niederschäge auf den Quadratmeter gemessen wurden. Nach s Süden zu wurden die Niederschlagsmengen geringer: Fichtelberg 48 Liter, Eger 43 Liter. Die Regenzone war in ihrer stärksten Ergiebigkeit eng begrenzt; weder nach Thüringen hinein, noch 'weit nach Mittelsachsen erstreckte sie sich. Die weitere Wetter gestaltung ist noch schwankend, da neue Störungen bei Island austauchen. Doch scheint der -gestiegene Barometerstand zunächst noch einigermaßen günstiges Wetter zu verhißen. Tagesordnung für die Stadlverordnetenfitzung am Donners tag, den 21. August 1924, nachmittags 7 Uhr. 1. Eingänge und Mitteilungen. 2. ObsSpachtung. 3. Kadav erfaß. 4. Feuerwehr- tag. 5. Stadtbad. 6. Besuch der sächsischen Gememdelchranstalt durch Beamtenanw-ärter Schneider. 7. -Stadtbauplan. Militärische Einqnarierung in Wilsdruff. Anfang Sep teniber dieses Jahres finden in Sachsen die H-erbstmanöver der 4. Reichswchrdivision statt. Das zu dieser Division -gehörige 1. Bataillon des Infanterieregiments Nr. 11 Garnison Frei derg wird -auf dem' Rückmarsch nach der Garnison unsere Stadt berühren und am 16. und 17. September d. I. hier Quartier beziehen. Vom 9. Deutschen Sängerbundesfest. Der Sächsische Ekb- gaw-Sängerbund wird sich in einer Stärke von '1400 Sängern am Deutschen Sängerbundesfest in Hannover beteiligen und in dem -Konzert am Hauptfesttage unter Leitung seines Bundeschor- Meisters, Musikdirektor Büttner, zwei Chöre: „Die Heimat" von Fischer und ,>Iungkönig Lenz" von Jüngst zum Vortrag dringen. Winterausgabe des Reichskursbuches. Die Nachrichtenstelle der Oberpvstdirektion teilt mit: Die Wimerausgabe 1924/25 des Reichskursbuchrs wird am 1. Oktober erscheinen. Der Verkaufs preis ist wieder -auf 7 R-entenmark für das 'Stück festgesetzt worden. Die Vollständigkeit, Zuverlässigkeit und U-ebersichttich- keit des Reichskursbuches wird- vom. In- und- Au-slande als aus höchster Stufe stehend anerkannt. Bestellungen nehmen alle Postanstasten und zustellenden Boten entgegen. Warnung. Der Verlag „Aurora" erläßt seit einiger Zeit in verschieden-en Tageszeitungen Annoncen, nach denen er h-auptpost- lagernd München -gute Buchmanuskripte und -Kompositionen zur raschesten Drucklegung und Herausgabe übernimmt. Dem Verleger ist es nur auf die Erlangung von Anzahlungen zu tun, die er ver braucht, vhe an eine Ausführung der Bestellungen- zu denken. Das Landeskriminaiämt warnt eindringlich, sich- mit dem er wähnten Verlag in -geschäftliche Verbindungen einzulassen und er sucht etwa schon geschädigte Personen Anzeige bei der nächsten KriminaldienWelle zu erstatten!. Kleiner Grenzverkchr. Für den Keinen Grenzverkchr kann die Grenze mit Tagesausw-eis noch bis 1. September überschüt ten werden. Der Gewitterbub. Skizze von K. Felscher. „Dös ist a Kreuz mit dem Bub", greinte die Tölzbäuerin, „a richtiges Kreuz." Die Nachbarin, die ihre Katunschürze glatt strich, seufzte aus Mitgefühl tief auf. Da stand er, der Toni, machte ein so weinerliches Gesicht, daß man schier glauben konnte, er wäre grab erst auf die Welt gekommen und war doch schon seine zwölf Jahre. „Halt di grad, du Tolpatsch!" fuhr ihn die Mutter an, „die schöne Milli hast wieder verschüttet bloß wegen dem bisserl Gewitter." Der Toni schaute schuldbewußt auf feine Holz latschen und scharrte mit den Füßen in dem weißen See. Draußen zuckte es derweilen immer wieder einmal, und ein brummelndes Grollen durchschütterte die Luft. Es war nicht grad schlimm mit dem Wetter, aber der Bub hatte nun mal eine damische Furcht. Der Bauer trat in die Stube, in der es schon dunkelte. Trotzdem ersah er mit einem Blick, was vorging. Sein lieber Bub! Er wußte, daß das Kind nichts für seine Schreckhaftig keit konnte. Die Muhme, die ihn vor Jahresfrist noch betreute, ehe sie die Augen für immer schloß, war zwar wie eine wahre Mutter zu dem Kinde gewesen, aber sie hatte es furchtsam ge macht mit ihrer eigenen Schreckhaftigkeit. Sein Weib war ja ganz anders; sie wollte durch derbes Zugreifen und Abhärten den Buben von seiner Furcht heilen, hatte es aber mit ihrem kurzen Wesen immer schlimmer gemacht. Dabei war sie eigent lich unlieb, die Stiefmutter, aber eben so ganz anders; ein strammer Mensch, der fest zupackte, wo es etwas zu richten gab. So kam sie mit dem Toni, dem Buben von des Tölzbauern seliger Frau nicht recht zusammen. Seit einem Jahre wirtschaf tete die neue Tölzbäuerin nun schon auf dem Anwesen am Hange und hatte all die Zeit versucht, dem Toni seine Gewitter furcht abzugewöhnen. Sie war längst an die häufigen Wetter im Sommer gewöhnt und scherte sich wie die anderen Talbauern nicht sonderlich darum. Nur der Toni war so ein Angsthase; der kam ja während des Sommers aus der Schrecknis gar nicht heraus. Sie hatte alles versucht. Ihn grad ans Fenster gestellt, wenn's draußen zuckte — der Toni hatte die Augen fest zuge kniffen und die Ohren mit den Fingern verstopft. Hatte ihn zum Selcher geschickt, grad wenn's donnerte. Der Bub war nicht wieder gekommen; und als sie ihn suchte, saß er unter der Treppe im Dunkeln; war gar nicht erst ins Freie getreten. Dann hatte sie es mit süßen Wecken oder gar mit einer Eierspeis versucht, ; die er gar gern schleckte — wenn er ganz tapfer sei, sollte er j sie kriegen. Der Toni hat zwar sehr verlangende Augen gemacht, aber gefürchtet hat er sich doch. Ein paarmal hat sie sogar den ' H-aselnußstecken tanzen lassen; -aber des Buben gottesjämmer- s liches Geschrei hak sie doch so gerührt, daß sie in Zukunft den Stecken Stecken fein ließ. An bas alles mußte bei, Bauer denken, -als er den Toni in der Mikchlache stehen sah. Wie würden die Buben und Mädel im Dorfe wieder über ihn lachen! And doch war er viel gescheiter - als sie -alle. Das wußte er vom Lehrer, und auch der Herr Pfarrer hatte es bestätigt und -gesagt, der Toni wär a B'sonderer. Aber was nützt alle Besondechest, wenn eins eine solche Gewitter- i furcht hat. Der Tölzbauer nahm sich seinen- Buben beiseite und strich ihm über -den Kopf. Das -half immer noch am besten, aber f weichen wollte die Furcht -aus den Augen des Toni nicht; jedes- i mal zuckte er zusammen und stöhnte, weNns draußen wieder rot -anfleuchtete. Wie sollte bas bloß einmal werden, wenn der Toni -die Kinderschuhe -ausgetreten -hätte! So ein schreckhafter Mensch war ja überall ein Ziel des Spottes und grad hier im Gebirge, wo -die Späße saftiger sind als drunten in- den Steinkästen der Städte. Sie sprachen noch am Abend -davon, den Tölzbauer und sein Weib, als sich das Wetter -längst verzogen- hatte, und der Toni wieder ruhig in seiner Bettstatt träumte. Aber einen Aus weg sanden, sie nicht. Die Zeit verging, und es ward wieder Sommer. Ein ganz heißen mit klarblauen Tagen- voll zitternder Glut aus Hängen und Halden und sternhellen Nächten, in denen- es -erfrischend kühl von den Firnen herabwehte. Keine Wetterba-Nk zog heraus, wie sonst so Vst im Sommer; und zeigten- sich w-iMch einmal ein paar Molken am Himmel, -dann segelten sie stillvergnügt über den -blauen Ozean und verschwanden, wie sie -gekommen. Den Tölz- -bauer dankte seinem Herrgott dafür, denn der Bub, der Toni, war nicht mehr so schreckhast und ängstlich, sondern ging mit helleren Augen in Haus und Schule umher. Eines Sonntags, Anfang August w-ar's, -da -wollte -der Lehrer mit seinen Buben- und Mädeln ins Gewände steigen und ihnen droben zeigen, wie schön der Herrgott die Welt geschaffen. Bald nach dem Kirchgang ging die Weltreise an, mit Sing und Sang, mit vollgestopften Taschen, prall von Eßwerk jeder Art, und einem Kaffeekrügei in der schwitzigen Hand. Das war -ein Geschwirr und Gesirr wie -in einem Immenstock, und der Herr Löhrer wüßte schier nicht, welche Frage er zueO beantworten sollte. Hinaus ging's durch Tau und Tann zur Ebenalp. Dort war ein weiter Wiesenplan zum Spiel wie vom lieben Gott ge schaffen. Dort stand eine alte Jagdhütte mit einem rußigen Stein- Herd; von dort hatte man einen Blick ins Dal, daß einem das Herz aufgchen mußte, wenn's nicht ganz versteinert war von Sorg und Müh. H-si, idas war eine Lust und Freud, und der Toni w-ar einer der lustigsten und ju-chheite mit den Buben und den Dirndln um -die Wette. Aur Mittagszeit gad's ein Schmausen und Schmatzen, viel besser schmeckt-en Brot und Kaffee -als daheim im heißen Talgrun-d. Freilich, so kühl wie sonst die Tage war's- hier oben Heuer auch nicht. Ein paarmal hatte der Lehrer schon ausges-chaut und' doch nichts bemerken können. Abert -endlich sah man, wie sMs -über dem Gewände blei-grau hinaufschob. Da wurde zum Ausbruch geblasen. Wenn man eilte, konnte man in einer guten Stunde -im Dal fein, -denn- hier oben in -der engen Hütte -war's dem Lehrer nicht recht geheuer. Die Kinder -sammelten sich, schlossen sich hier und da z-u- s-ammen und machten sich ein wenig bedrückt -auf den Weg. Des Tölzbauern Toni ging mit der Bachhauseu Bevi. Schon den ganzen Tag hatten sie miteinander -gespielt -und gesungen. Der Toni konnte nicht genug in die blauen Sterne schauen, die aus der Bövi rundem Gesichtlein leuchteten. Immer hatte er ein Ge- -schwisterl haben wollen. Nun hat er's gefunden. Die -Devi hatte ihn auch schon früher nie geneckt, wenn die andern „den Ge witterbub" foppten. Hand in Hand schritten sie den schmallm Fußsteig zu Tale. Schwül brütete Hochsommerglut über der regungslosen Bergw-elt. Nicht -eine Nadel an den schwarzgrünen Föhren, nicht -ein Blättchen -an dem Bvombeergerank bewegte sich. Da grollte es dumpf vom Hvchkalter hernieder, und plötzlich fuhr ein Brausen und Pfeifen- durch -den -eben noch so stillen Fluß. Lehrer und -Kinder fingen an- zu lausen; noch war man erst den halben Weg hinunter. Da fielen die ersten Tropfen, groß und schwer, und bald prasselte ein wüster Regenguß herm-öder. Der Toni und die Vevi blieben zurück. Schon beim Weggang hatte «das Dirndl über sein Fußerl geklagt, hatte sich ihn beim Spiel auf -der Alm -vertreten. Nun sollte sie lausen- wie die -andern. Die Bevi Halls- auch versucht, dann -ist sie mit einem Wehlaut zü- fammengesunken. Und der Toni, -der Gewitterbub? O freilich, -der war ein paarmai schon zusammen gezuckt und -versucht gewesen, die Augen zuzukneifen, um die Blitze nicht zu sehen. Aber wenn er dan in die blauen Sterne zu seiner Seite schaute, gab's ihm
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