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MsdmfferTageblaii T für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Das Wilsdruffer Tageblatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Nossen. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, A« »WilsdruGrr Tageblatt' erscheint täglich nachm. 5 Uhr für den folgenden Tag. Bezugspreis - Bei Abholung in der glieschSft-stelle und den Ausgabestelle» 2 Mk. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 Md., bei Poftbestellung AllePoft Ast-tten Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend PoswoienMdunsereAus" kkgermrdGeschäftsstellen —— - nehmen zu jederzeit Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung brr Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingefandter Schriftstücke erfolgt nur. wenn Porto beiliegt. 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Im Augenblick treten die Verhältnisse in Elsaß-Loth- - ringen auch in Frankreich wieder in den Vordergrund der ! Beachtung, denn die Regierung Herriot will in London von den Deutschen besonders günstige Ausfuhr- und Aus- tanschbedingungen für das frühere Reichsland erreichen. Nicht sehr gelegen kommt dabei den maßgebenden franzö sischen Männern die zweifellos bestehende Protestbe wegung in Elsaß-Lotbringen. Wenn auch die französische große Presse und die Nachrichtenagenturen sich bemüht haben, die Vorfälle mit eiserner Disziplin totzu- fchweigen, und wenn auch die Franzosen heute noch gegen über Deutschland eine fast undurchdringliche Sperre nach dem ehemaligen Reichslande ausrechtzuerhalten verstehen, so liegen doch so viele neutrale Berichte und Schilderungen der elsässischen Blätter vor, daß man die Vorgänge in allen Einzelheiten übersehen und bewerten kann. Es be leuchtet die Verhältnisse wie ein Blitz, wenn ein franzosen freundliches Schweizer Blatt die ihm zugegangenen Be richte unter dem Urteil zusammenfaßt: Wir dürfen uns nicht darüber täuschen: das Elsaß brennt! Die Franzosen hatten bisher Elsaß-Lothringen eine Sonderstellung belassen, die im wesentlichen derjenigen entsprach, welche es im Deutschen Reiche eingenommen hatte. Es stand unter einem besonderen Generalkom- missar, hatte eine Art eigenes Parlament, dessen Rechte allerdings viel geringer waren als die des Landtages in deutscher Zeit, das aber innerhalb des französischen un bedingten Zentralismus doch ein großes Zugeständnis darstellte; man beließ ihm die überlegene deutsche Kommu nalordnung und man hatte vor allem von der Durchfüh rung der Trennung von Kirche und Staat und der Durch setzung der französischen Laienschule Abstand genommen. Die Verwelschung suchte man mit anderen, wie man Wohl glaubte, wirksameren Mitteln zu beschleunigen. Als Herr Herriot Ministerpräsident wurde, kam der kritische Augenblick. Im Programm dieser Mehrheit steht die rest lose Vereinheitlichung Frankreichs, d. h. die völlige Ein gliederung von Elsaß-Lothringen, das hinfort nur noch drei Departements, genau wie alle übrigen, darstellen soll. Also die Abberufung des Generalkommissars — er wartete sie nicht ab, sondern ging selbst — und die Einführung der französischen Einheitsschule. Da brach der Sturm los! Gewaltige Massen von Manifestanten aus dem gan zen Lande strömen an den Sonntagen nach den großen Städten und veranstalten dort Prote st umzüge. Der Zug, der sich in Straßburg unmittelbar nach dem französischen Nationalfest zusammengefunden hatte, wird auf 50 000 Teilnehmer geschätzt. In Straßburg und in Metz kam es zu gewalttätigen Zusammenstößen, Ver haftungen usw., wobei bemerkenswert ist, daß die franzö sische Regierung, nach den Feststellungen elsässischer Blät ter, Polizeiverstärkungen aus Jnnerfraukreich und Paris herangezogen hatte, weil ihr die einheimische Polizei nicht zuverlässig genug erschien. Als ein Polizeioffizier am Kleberplatz in Straßburg blankziehen wollte, wurde er von den elsässischen Bauern mit Totschlag bedroht. Bemerkenswert ist der Verlauf dieser Kundgebungen. Man vermied es, von der bedrohten deutschen Mutter sprache zu reden, aber man verschwor sich, „die heiligen Überlieferungen der Väter" bis aufs äußerste zu verteidigen. „Vis aufs äußerste!" war die immer wiederkehrende Aufschrift auf den Tafeln, welche den ein zelnen Gruppen der Manifestanten vorangetragcn wurden. Eine andere Aufschrift lautete: Hoch unsere Freiheit! Wir fordern unser Recht! Auch in der heimischen Mundart konnte man eine Inschrift lesen, das berühmte Wort: So stn m'r halt! (So sind wir halt!) Den Zorn der französischen Polizei aber hatten nicht diese ihnen wahrscheinlich unverständlichen Inschriften erregt, sondern eine, die in französischer Sprache abgefaßt war. Man schrieb nicht etwa: Nieder mit Frankreich!, sondern man schrieb, und das ist für die elsässischen Verhältnisse so bezeichnend: Nieder mit Jnnerfrankreich! und gerade diese Inschrift machte man französisch. Denn man meinte damit selbstverständlich nur den aufreizenden Gegensatz, den Frankreich geschaffen hat, indem es den aus Jnnerfrankreich stammenden Beamten und Lehrern, welche die deutsche Landessprache meist nicht einmal ver stehen, besondere Kolonialzulagen bezahlt. Genau so diplomatisch war man bei den Reden, die hauptsächlich von katholischen und evangelischen Landgeistlichen ge halten wurden. Kein Wort mehr davon, daß man zu dem „Mutterlande" Frankreich zurückgekehrt sei. Soudern man erinnerte nur daran, daß man 1918, als alle Welt Frieden erhofft habe, mit dem Lande vereinigt worden sei, welches „unseren Vätern teuer gewesen ist." Gleich zeitig aber erzählte man beredte Worte von dem Frei heitskampfe der — Iren, und wenn dann auch die Presse noch nicht geradezu geschrieben hat, das Elsaß sei ein zweites Irland, so genügt die Feststellung einiger führen der Blätter vollkommen: „Es gibt wieder eine elsaß- lothringische Frage!" Man darf diese Dinge nicht überschätzen, wir wollen ne aber auch nicht unterschätzen. Vermutlich werden es Ministerrat unter Vorsitz des Reichspräsidenten. Berlin, 14. August. Die hartnäckige Haltung, welche die Franzosen in den letzten Tagen zur Frage der Ruhrräumung ein nahmen, stellen das bisherige Werk der Londoner Konfe renz vor die Gefahr des gänzlichen Scheiterns, Der französische Ministerpräsident Herriot, anscheinend durch Rücksichten auf die innerfranzösische politische Lage veranlaßt, verbeißt sich darauf, nicht einen Zentimeter von seiner Forderung abzugehen, die Ruhr mindestens noch ein Jahr, und zwar von einem noch zu bestim menden Termin ab, b e s e tz 1 z u h a l t e n. Die deutsche Delegation bleibt aber ebenso entschlossen dabei, nur dann irgendeine Verpflichtung einzugehen, wenn der Räu mungstermin wesentlich früher angesetzt wird. Da sich in den direkten Verhandlungen zwischen Deutschen, Franzosen und Belgiern gestern in London keinerlei Aus sichten zu einer Einigung über den strittigen Punkt zeigten, fand Reichskanzler Dr. Marx es angemessen, den Reichspräsidenten telegraphisch von der Lage der Dinge zu unterrichten. Heute früh um 7s^ Uhr fand bereits in Berlin ein Ministerrat unter dem Vorsitz des Reichspräsidenten statt. Zur Erörterung stand die durch die Verhandlungen zwischen der deutschen, der französischen und der belgischen Delegation in London über die Frage der militärischen Räumung der vertragswidrig besetzten Gebiete entstandene Lage. Der Ministerrat erklärte sich mit der Stellungnahme der deutschen Delegation in vollem Umfange cin - verstanden. Der Ministerrat war einstimmig der Auffassung, daß die von französischer Seite in Vorschlag gebrachte ein jährige Räumungssrist für Deutschland nichtannehm bar ist. Die deutsche Regierung mutz an ihrer Forderung, datz die Ruhr alsbald geräumt werde, festhalten. Eine umgehende Festsetzung des Endtermins mutz erfol gen. Desgleichen müssen die Besatzungsmethoden auch für die Übergangszeit grundlegend geändert werden. Besprechung mit den Parteiführern. Die für heute Morgen angesetzten Weiterbesprechungen der Deutschen in London mit den Franzosen und Belgiern begannen zwar, schienen aber zur Aussichtslosigkeit ver urteilt zu sein. Aus der deutschen Delegation verlautete, daß für den Fall der weiteren Verschärfung zwischen Deutschen und Franzosen und Belgiern eine Reise des Reichs kanzlers und des Außenministers nach Berlin zu Konferenzen mit den deutschen Partei führern in Aussicht genommen ssi. Weniger glaubhaft Kang die weitere Meldung, unter Umständen käme auch eine Berufung der Parteiführer nach London zu Verhand lungen mit der gesamten deutschen Delegation in Frage. Herriot soll gestern dem britischen Ministerpräsidenten Macdonald erklärt haben, er würde, wenn die deutsche Delegation bei ihrem „Nein" bliebe, seine Koffer packen und nach Paris zurückreisen. So stehen zurzeit die Dinge wirklich auf des Messers schneide und die Möglichkeit, daß alle bisher aufgewandte Mühe sich als vergeblich erweist, scheint nahe. Die handelspolitischen Verhandlungen zwischen der deutschen und der französischen Delegation sind ins Stocken geraten. Da der französische Ministerpräsident erklärt hat, daß er die Räumungsfrage als eine durchaus für sich alleinstehende betrachte, glaubt die deutsche Dele gation keine Veranlassung zu haben, dem französischen Drängen nachzugeben und handelspolitische Be sprechungen abzuhalten. Macdonald vermittelt vergeblich. Der englischen Regierung ist der sozusagen im letzten Augenblick ausgebrochene Zwist sehr unangenehm. Macdonald macht alle Anstrengungen, eine Vermittlung sie Franzosen nicht aufs „äußerste" ankommen lassen, » und dann wird wieder Ruhe in Elsaß-Lothringen werden, denn das Land hat schwere wirtschaftliche Nöte infolge der Abschneidung feines Absatzgebietes nach dem Reiche und der Unterbrechung selbst des Kleinverkehrs nach Baden und der Pfalz. Hier sucht eine Kammer interpellation des elsässischen Abgeordneten Schumann Hilfe zu schaffen. Setzen jedoch die Franzosen ihren Willen rücksichtslos durch, dann bleibt den Elsässern i nichts übrig, als sich äußerlich zu fügen und sich, wie sie ! es jetzt schon tun, anzuklagen, daß sie sich 1918 nicht aus- § drücklicb unter den Minderbeitenickmü des Völkerbundes ? zu versuchen. Er konferierte mtt Herrtot, der dabei f aber nur hartnäckiger wurde, er ließ in der Nacht auf i heute sich Dr. Stresemann rufen und unterhielt sich s stundenlang mit ihm, ohne daß sich etwas änderte, j Stresemann hat nochmals die Gründe auseinandergesetzt, s aus denen die deutsche Delegation auf einer militärischen c Räumung in angemessener und darum weit ! kürzerer Frist bestehen müsse. Abgesehen davon, daß i die Besetzung unrechtmäßig sei, stelle die Durch- z führung des Dawes-Planes für Deutschland das Löse- geld dar, das es für die Befreiung der Sanktionsgebiete ; zahlen solle. Die unmittelbate Wirkung der Annahme i der Dawes-Gesetze müsse deshalb die Räumung des ! Ruhrgebiets sein. Außerdem gelte für die deutsche Dele- ; gation dasselbe wie für Herriot: sie werde in der Heimat mit unüberwindlichen Schwierigkeiten zu j kämpfen haben und die Anwendung des Dawes-Planes ? würde ernstlich in Frage gestellt sein, wenn DeuEland zu all den schweren Opfern auch noch eine einjährige Fortdauer der Besetzung tragen müsse. Von unterrichteter Seite wird daraus hingewiese«, daß das erbitterte Ringen um die Räumungssrist zwischen Deutschland und Frankreich nur die Ausstrahlung ist eines anderen Streites, der zwischen Frankreich einerseits und England und den Vereinigten Staaten anderer seits um die interalliierten Schuldey geht * Die Bankiers für Ruhrräumung. London, 14. August. Zwischen den englischen und amerikanischen Bankiers besteht vollkommene Übereinstimmung. Soweit die amerikanischen und englischen Bankiers in Betracht kämen, haben diese von vornherein nichts Geringeres als di« Räumung des Ruhrgebietes gewissermaßen als Vorspiel zu der Flüssigmachung der deutschen Anleihe betrachtet. Die Bankiers betrachteten die Angelegenheit aus ihrem eigenen Gesichtswinkel heraus und insofern ohne Rücksicht aus die mit der Räumung verbundenen inncrpolitischen Fragen. Six. ga ben ihre Gutachten ab als Sachverständige und seien der Mei nung, datz es Sache der Politiker sei, diese Gutachten anzu nehmen oder abzulehncn, und sofern sie annehmbar seien, den notwendigen Ausgleich zu schassen. Ungünstige Lage in London. London, 14. August. Wie Reuters Bureau hört, war die Zusammenkunft der deutschen, der französischen und der belgischen Delegierten von sehr kurzer Dauer. Man erklärte, datz die Lage immer noch sehr unentschieden sei, datz aber die allgemeine Richtung der Unterhandlungen eher ungünstig als aünitia sei. Englisch-amerikanisches Diktat? Berlin, 14. August. Die „Telegraphen-Union" läßt sich von ihrem Sonderberichterstatter melden: Der englische Ministerpräsident Macdonald und der i amerikanische Botschafter Kellog haben die deutsche Dele- ° gation wissen lassen, daß sie die französische Forderung, die Ruhrräumung erst nach Jahresfrist vorzunehmcu, billigen und daß sie den französischen Standpunkt in dieser Frage für gerechtfertigt halten. Einigung über -ie Reichsbahnen. Nach den Beschlüssen des Zweiten Ausschusses der Londoner Konferenz ist folgendes über die Übergabe der Eisenbahnen im besetzten Gebiet beschlossen und von der deutschen Delegation gutgeheißen worden: Die deutsche Reichsbahn-Gesellschaft ist 35 Tage nach Annahme des entsprechenden Gesetzentwurfs im Reichs tage zu bilden. Vierzehn Tage später wird die neugebrl- dete Ncichsbahn-Gesellschaft die Regiebahnen auf ihre Rechnung übernehmen und im Verlauf von weiteren sechs Wochen wird die französische Negieverwaltung auf gelöst werden. Diese Auflösung wird unter Aussicht des Organisationskomsttees erfolgen, in dem die deutsche Ne gierung durch den Staatssekretär Vogt und den ehemali gen Staatssekretär Bergmann vertreten ist. gestellt haben. In diesem Falle wird der setzt ans genommene Kampf allerdings mit anderen Mitteln durch die Bevölkerung weitergeführt werden und das Land wird nicht zur Ruhe kommen. Dann kann der ameri kanische Oberkommandant im besetzten Rheinland, General Henri T. Allen vielleicht recht haben, der in seinen eben erschienenen Erinnerungen nach einem Be suche des Elsasses unter der Feststellung, daß dieses Land keinen französischen Eindruck mache, ahnungs voll schreibt, niemand wisse, ob sich die Geschichte des Elsasses nicht noch einmal in der umgekehrten Richtung enti»,laelv werde.