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MOmfferAgÄM Das Wilsdruffer Tageblatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmauuschast Meißen, des Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Nofle«. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8gefpaltene Raumzeile 20 Goldpfennig, die 2gespalteneZeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Gold pfennig, die 3 gefpalteneReklamezetle im textlichen Teile 100 Goldpfennig. Nachweisungsgebühr 20 Goldpfennige. Dor- Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 annahmebisvorm.lOUHr Für di» Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabattanfpruch erlischt, wennderBetrag durch Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Da» »WMdnrffn Tageblatt» erscheint täglich nachm. S Uhr für den folgenden Tag. Bezugspreis: Bei Abholung in der w-fchäftsftelle und den Ausgabestellen 2 Mk. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 Mk., bei Poftbestcllung Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend träger und Geschäftsstellen . ' -----— --- nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter SchriftstSLe erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. Nr. 16V — 83. Jahrgang Telegr.-Adr.: »Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Freitag den 11 Juli 1924 Postscheck: Dresden 2640 kl-Mngener MWnaentag Nun sollen wir Deutsche daran schuld sein, daß es der ostoberschlesischen, also polnischen Industrie Merans schlecht geht; und zwar bloß deswegen, Werl die Deutschen neun Stunden, also etwas mehr arbeiten,. So behauptet wenig stens der polnische Minister Belski den ostoberschlesischen Ar beitern gegenüber und droht Deutschland sogar, man werde es auf internationalem Wege dazu zwingen, den Acht-- Stunden-Arbeitstag wirklich ein- und durchzuführen. Diese polnischen Drohungen sind nur das Echo von Ausführungen, die in den letzten Tagen auf der inter nationalen Arbeitskonferenz in Genf gemacht worden sind. Dort haben belgische, französische, englische Vertreter erklärt, Deutschland dürfe unter keinen Umständen eine Verlängerung des Acht-Stundcu-Arbeitstages dulden, auch nicht etwa deswegen, »veil es auf seine Pflicht zur Leistung der Reparationen Hinweise. Poulton, der englische Delegierte, äußerte, Deutschland könne Zahlungen leisten, ohne die Arbeitszeit zu verlängern. Der deutsche Negie- rungsvertreier, Geh. Rat Leymann, hat dagegen eingewandt, daß die Erhöhung der deutschen Warenproduktion, also die Voraussetzung der Erfüllung des SachvcrständigeMerichts einfach undenkbar ist — namentlich wenn sie schnell erfolgen soll —, ohne mit dem Grundsatz des schematischem Acht-Stun- deni-Arbeitstages zu brechen. Er hätte dabei vielleicht auch cm das Wort Rathenaus erinnern können, daß die deutsche Arbeiterschaft täglich nicht weniger als 14 Stun - den arbeiten muffe, um die Anforderungen zu erfüllen, die tnan uns in Versailles aufgepackt hat. Und das, was der Sachverständigenplan uns auflegt, geht sogar nach englischer Ansicht noch über Ver sailles hinaus. Man wendet nun immer ein, daß eine Produktions- erhöhung zwecks Ausfuhrsteigerung mich auf anderem Wegs erreichbar sei, nämlich durch Einschränkung des Konsums im Inland Md durch erhöhte Rcntabilisierung der Betriebe durch Modernisierung und Umstellung. Das erstere, also Herabdrückung der Lebenshaltung im Innern, mag nach mancher Richtung hin noch möglich sein, wenn auch nur in sehr beschränktem Maße, das andere, das vor allem Geld und Zeit kostet, ist bei der entsetzlichen Kreditnot in Deutsch- land einfach eine Unmöglichkeit, kann höchstens schrittweise erfolgen und sicherlich erst dann, wenn die Geldknappheit durch Hilfe von außen her beseitigt wird> Aber gerade diese Hilfe von außen her ist über aus problematisch. Es wird besonders in England ganz offen ausgesprochen, daß man doch gar kein Interesse daran habe, durch Kredit- oder Anleihegewährung die dar niederliegende deutsche Industrie wieder in die Höhe zu bringen rmd sich damit einen neuen Konkurrenten auf dem an und für sich schon an Warenüberfluß leidenden Welt markt heranzuzüchten. Bezahlen können wir aber die Verpflichtungen des Dawes-Planes nur durch Warenausfuhr Md man fürchtet draußen schon jetzt eine Überschwemmung der Welt mit deutschen Waren nach Unterzeichnung des Sachverständigenplanes und der darin festgelegten Kreditgewährung an Deutschland. Das Aus land muß unsere Waren laufen, wenn wir bezahlen sollen, da wir ja Gold nicht besitzen, mit dem wir zahlen können. Der Angriff auf die für Deutschland notwendige Ver längerung der Arbeitszeit und dir dadurch herbeigeführte Produktionserhöhung, alfo auf die zukünftige deutsche Kon kurrenz, geschieht NM von der Seite her, daß man die - Innehaltung des Acht-Stunden-Arbeitstages in Deutsch- s land erzwingen will. Nicht bloß» daß in Polen die sozia- ö Wischen Organisationen ihre Regierung veranlassen wollen, über das internationale Arbeitsamt in Genf auf Deutschland nach dieser Seite hin einen Druck auszuüben — sondern der englische und der französische Arbeitsminister haben sich kürzlich bei einer Zu sammenkunft in Paris dahin geeinigt, in ihren Parla menten vorzuschlagen, das Washingtoner Abkom men über die achtstündige Arbeitszeit von 1920 jetzt endlich zu ratifizieren. Auch in den anderen Ländern soll das geschehen Md Deutschland damit — und durch einen Druck von innen her, durch die deutschen . Arbeiterorganisationen nämlich — gleichfalls zu dieser Ratifikation gezwungen werden. Der deutsche Arbeit- nehmervert-reter in Genf, Hermann Müller, der Führer der deutschen Sozialdemokratie, hat sich mit diesem Vor gehen ganz einverstanden erklärt. Mehr noch: der eine Direktor des Arbeitsamtes hat in seinem Bericht sogar vor- tzeschlagen, eine Art internationaler Kontrolle über Deutschland zu verhängen, die aufzupäffen hat, daß bei uns nirgends mehr als acht Stunden gearbeitet wird. Da gegen allerdings hat der deutsche Regierungsvertreter schärfsten Protest eingelegt als eine Verletzung der deutschen Souveränität; vergebens hat der deutsche Arbeitgeber vertreter Voges darauf hingewiesen, in welch furchtbarer Notlage die deutsche Industrie sich befindet, die allein an Soziallasten dus Dreifache gegen früher zu tragen habe, und daß gerade die Arbeiter unter einer Drosselung der deutschen Produktion besonders ! zu leiden haben würden. „Eine Industrie, die in einer solchen Lage ist wie die in Deutschland, hat keinen beson deren Nutzen aus der Mehrarbeit: sie- bedarf der Mehr arbeit zu ihrer Eri sie nr." LrleheMrnes Ergebnis in Paris. „Wir brauchen Zeit und Geduld" Paris, 1v. Juli. Macdonald und Herriot empfingen gestern um drei Uhr die Preße. Der englische Premierminister schickte seinen Erklärungen voraus, daß das Mißverständnis zwischen Paris und London völlig unbegründet gewesen sei. Beiderseitssei der gleiche gute Wille vorhanden. Es werde übrigens eine Mitteilung an die Preße ergehen, die das gemeinschaftliche Empfinden der beiden Re gierungen darlegen werde. Welcher Art dieses Schriftstück auch sein möge, so gehe es nicht an, na Rißen und schadhaften Schellen zu suchen. Man müße es leidenschaftslos im Intereße der beide« Län der prüfen. Es sei eine Lösung möglich, aber sie brauche Zett, Geduld und eine gewiße Generosität. Man müsse beiderseits zu einer ersten Verständigung gelangen. Mac donald fuhr dann weiter fort: Wir find keine Feinde, die sich den Anschein geben, sondern Freunde, die den Versuch machen, die in den letzten Jahren entstandenen Schwierigkeiten zu beheben. Cs ist uns gelungen, den Anfang zu einem Zusammenwirken tatsächlicher Art zu schaffen. Wir brauchen Zett, um diesem Anfang einen guten Schluß zu geben. Wir müßen die Fragen eine nach der andern vor nehmen, und jede von ihnen führt in eine andere. Die Verständigung von heute wird den Schlüße! zu einer abschließenden Regelung lie fern. Aber es handelt sich dabei um sine Arbeit auf lange Sicht, denn wir können nicht hexen. Wir müßen mit der öffentlichen Mei nung und mit der der Parlamente rechnen. Wir sind praktische Leute, entschlossen, zwischen England und Frankreich eine Freundschaft von bauerndem Bestände zu sckassen. Die Londoner Konferenz ist nach wie vor aus den 16. Juli angesetzt. Es wäre sehr gesährlich gewesen, sie zu vertagen. Wir haben Amerika aufgefordert, daran teilzu nehmen. Wenn wir sie auch nur um einen Tag verschieben, so wür den Sie die Folgen erleben. Das Ergebnis unseres Zusammenwir kens hat Gestalt angenommen in einer gemeinsamen Note, die an die Stelle der beiden Memoranden, enthaltend den englischen Standpunkt einerseits und die französische Auffassung anderseits, tre ten wird. Im Anschluß daran stellte der Ministerpräsident Herriot fest, daß in der gemeinsamen englisch-französischen Note die Tagesord nung der Konferenz nicht endgültig geregelt worden sei und daß noch Fragen von minderer Bedeutung hinzugefügt werden könnten. Daraus richtete Premierminister Macdonald noch einmal das Wort an die Anwesenden und erklärte: Die französisch-englische j Note ist eine gemeinsame Erklärung über unsere Absichten. Sie wird ; sämtlichen übrigen Alliierten zugchen, nicht als eine endgültige Entscheidung, die sie bietet, sondern als eins Reihe von französisch-englischen Vor- f schlagen, die den Beweis liefern, daß auf diese Weise ein allge meines Abkommen unter den Alliierten möglich ist. Diese Note wird ; Deutschland nicht übermittelt werden, denn es betrifft nur die Alli- ! iertcn unter sich. krft eine Vorkonferenz. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, lO.Iuli. Der Temps deutet an, daß man sich aus I eine Konferenz gefaßt machen müsse, die sämtliche Einzelheiten des Programms sür die Londoner Konferenz auszuarbeiten hat. Sämt- i liehe alliierten Mächte sollen zu diesem Zwecke ausgefordert werden, > bereits Ende der Woche Vertreter nach London zu entsenden, da man i mit dieser Vorkonserenz am Montag beginnen wolle um bis Mitt- j woch fertig zu werden. Prügelszenen in der Pariser Kammer. (Eigener Fernsprcchdienst des „Wilsdruffer Tageblattes") Paris, 10. Juli. In der französischen Kammer kam es aus Anlaß der Amnestievorlage zu wüsten Tumultszenen. Die Opposition > veranstaltete lärmende Kundgebungen gegen Caillaux. Es entstand ein - regelrechtes Handgemenge. Einem Abgeordneten wurde der Kragen abgerissen, einem anderen die Nase blusig geschlagen. Nach Wider- - aufnahme der sofort unterbrochenen Sitzung erhob der Kommunist Marty heftige Anklagen gegen eine Anzahl Generäle, die sich im ! Weltkriege Mordtaten hätten zu Schulden kommen laßen. General j Rollet protestierte und schließlich wurde die Sitzung auf heute ver tagt. Vie MiiitSrkonIroHe. (Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes".) Berlin, lO. Juli. Dem deutschen Botschafter in Paris ist gestern Abend die Antwortnote der Botschasterkonserenz auf die deutsche Note über die Militärkonirolle übermittelt worden. Die Note nimmt mit Befriedigung zur Kenntnis, daß' die deutsche Regie rung sich mit der geforderten allgemeinen Revision einverstanden er klärt. Bei aller Rücksicht auf die Notwendigkeit einer endgültigen und schleunigen Beendigung wünscht die Botschasterkonserenz sich je doch auf den Endtermin des 30. September für die Kontrolle nicht festzulegen. * Wenn aber, wie der Direktor Thomas des Arbeits amtes in Genf an den Vorwärts schreibt, ein Sachverstän digenbericht „gleichmäßige ProduktLonsbedingungen" für ganz Europa, also auch in der Arbeitszeit, anstrebt, so ist das völlig unverständlich. Denn wir find doch die ein zigen, die im Jahre nicht weniger wie 2^ Milliarden zahlen sollen, was die anderen nicht zu tun brauchen. Es handelt sich also gar nicht mn einen Widerstand gegen einen sozialpolitischen Fortschritt, sondern um eine selbstverständliche Schlußfolgerung aus der Art, wie man uns behandelt. Wenn man uns die furchtbaren Lasten anferlegt, darf man uns nicht hindern, alle unsere Kräfte anzuspannen, sie zu tragen — wenn man von uns ver langt, daß wir die Verpflichtungen erfüllen sollen. Der poinilch-ürutlche Konflikt Abweisung der polnischen Forderungöii. Von dem Vorfall in Allen st ein, der Polen veran» laßt hat, formelle Genugtuung von Deutschland zu verland gen, wird halbamtlich folgende Darstellrmg gegeben: Im Mätz d. I. war des Nachts in das Schlafzimmer des polnischen Vizekonsuls in Allenstein eine Kugel eingeschlagen. Von polnischer Seite wurde dies als ein planmäßiges Attentat auf den Vizekonsul aufgefaßt. Dieser Meinung winde auch in amtlichen und Pressekundgevungen Ausdruck verliehen. Die inzwischen beendete Unter suchung hat jedoch nichtdie geringstenAnhalts- punkte für das Vorliegen eines Attentats ergeben, vielmehr sprechen alle Feststellungen gegen ein Attentat. Selbstverständlich ist gemäß den diplomatischen Gepflo genheiten von deutscher Seite das Bedauern über den Vorfall an den zuständigen Stellen zum Ausdruck gebracht worden, und die Deutsche Regierung ist auch bereit, den internationalen Gepflogenheiten entsprechend, dieses -Be dauern durch eine mündliche Erklärung des Regierungs präsidenten in Allenstein wiederholen zu lassen. Dagegen erscheinen die polnischen Forderungen nach einer „Ge nugtuung" Md nach einem Beileidsbesuch, wie dies in der polnischen Beschwerdenote wörtlich verlangt wird, weder durch Len Sachverhalt noch durch die internatio- nalenGepflogenheitenbegründet. In -diesem Sinne ist die polnische Note durch den Reichsminister des Auswärtigen beantwortet worden. Macckonslcks vefucd in pari s Vor einem englisch-französischen Kompromiß. Mit einem gewissen Erstaunen liest man die Pariser Berichte über die Ankunft Macdonalds in der französischen Hauptstadt; sie rufen die Erinnerung Wack) an die früher in Mitteleuropa nicht seltenen Monarchewbegegnungcn, bei denen Küsse aus die Wangen und ähnliche Frermdschafts- bczeugungen eine große Rolle spielten. Ganz wie gekrönte Häupter haben sich die beiden demokratischen Minister präsidenten mehrmals umarmt. Hier eine drahtliche Schilderung, die typisch ist für alle: Ramsay Macdonald schüttelt nach seiner Ankunft auf desn NordbalMhof alle Hände, die sich ihm entgcgenstrccken. Fünf Minuten später langt Herriot ganz außer Atem au und fällt dem englischen Premierminister wortlos in die Arme. Die beiden Ministerpräsidenten umarmen sich ver schiedene Male. Auf der Straße kommt das Auto, in dem sie Platz genormnen haben, nur langsam vorwärts. Es ist dicht von Menschen umsäumt. Plötzlich bricht die Menge in die Rufe aus: „Es lebe Herriot!" „Es lebe Ramsay Macdonald!" und auch „Nieder mit dem Krieg!". Gegen - manifestanten rufen: „Es lebe der Versailler Vertrag!" und andere wieder „Es lebe der Friede!" Es ist kennzeichnend, daß sich die amtlichen Berichte aber die Zusammenkunft auf Nebensächlichkeiten beschränken, nebenher höchstens noch erwähnen, welche Personen außer den beiden Ministerpräsidenten anwesend waren, von dem sachlichen Inhalt der Beratungen aber völlig schweigen. Nun, das ist kein Uriglück; man weiß ja auch so, Mi was es sich handelt. Es soll ein Kompromiß zwischen den französischen und den englischen Anschauungen zustande gebracht werden, die besonders hinsichtlich der zukünftigen Stellung der Reparationskommission weit auseinandergehen. Vielleicht konrmt die Einigung aus der Grundlage zustande, daß die Reparationskommifsion für die Durchführung des Dawes-Planes durch besondere Sachverständige und Vertreterderdeutschen Gläubiger erweitert wird, um es Deutschland möglichst zu erschweren, „sich seinen Verpflichtungen zu entziehen". Ein französischer Vorschlag soll darauf hinausgehen, der Ne- parationskommissiou eine amerikanische Persön lichkeit beizugebeu, die nicht als Vertreter der amerika nischen Regierung, sondern als Vertrauensmann der ame rikanischen Inhaber von deutschen Obligationen zu betrach ten wäre Md die innerhalb der Revarationslomnnssion