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MOmsserTageblatt I Das Wilsdruffer Tageblatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmaunschast Meitze«, des Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Nossen. Sonntag den 10 August 1924 Nr. 186 — 83 Jahrgang Tclegr.-Adr.: »Amtsblatt" 28 ilsdrusssDresdeu Postscheck: Dresden 2640 Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, ,,, Mlsdrnffer Tageblatt" erscheint tLglich nachm. 8 Uhr für ben folgende« Tag. Dezugoprei, i Bei Abholung in ber iveschSstrftcll« und den Ausgabestellen 2 Mk. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,so Mit., bei Postdeftellung ^.WeW°nst-Än Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Mger und »eschästsstellen — nehmen ,u jeder Zeit Be. ft^Nmgen entgegen. Im Falle höherer Gemalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch aus Lieferung der Zeitung oder Kürzung de- Bezugspreise«. — ALcksendung eingesandter Schriftstück crsolgt nur, wenn Porto deiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. 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Mit der deutschen Delegation wird er sich zwar etwas länger gedulden müssen, als er es sich vorgenommen hatte, aber die Verhandlungen machen doch von Tag zu Tag, von Nacht zu Nacht offensichtliche Fortschritte, und das berechtigt zu oer Hoffnung, daß es nicht nötig sein wird, sie ergebnislos abzubrechen. Denn natürlich, je mehr Disferenzpunkte schon aus der Welt geschafft sind, desto unmöglicher muß es erscheinen, nm der verbleibenden Schwierigkeiten willen das ganze Unternehmen scheitern zu lassen. Eine Empfindung, die ebenso wohl für wie gegen den deutschen Standpunkt sich auswirken muß. Verhandlungen dieser Art pflegen ja wohl stets und überall mit einem.Kompromiß zu enden, weil dieses sich als das kleinere Übel darstellt gegenüber den Möglichkeiten, die im anderen Fall un weigerlich am politischen Horizont auftauchen. Noch, werden und noch müssen sich unsere Delegierten das letzte Wort Vorbehalten, solange in der Räumungsfrage nicht ein entscheidender Fortschritt erzielt ist. Hier wird der englisüfe Ministerpräsident bei seinen französischen Freunden noch wesentliche Zugeständnisse für Deutschland zu erkämpfen haben. Ohne sie werden die deutschen Unterschriften nicht zu gewinnen, oder, wenn sie in London rrotzdem gegeben werden sollten, in Berlin nicht zu rati fizieren sein. Aber auch die englischen Verhandlungen mit Rußland haben plötzlich, unmittelbar nachdem sie als abgebrochen erklärt worden waren, ein freundliches Ge sicht angenommen. Hier hat sich der starke politische Wille der britischen Kabinettsleitung gegenüber den Verhand- lungsführern durchgesetzt, die sich seit Monaten um ein erträgliches Abkommen mit den Sowjetherren bemühten und doch nicht zum Ziele kommen konnten, weil der rechte Mittelweg zwischen der antikapitalistischen Einstellung Vieser Moskauer Unterhändler und ihrer unendlichen Sehnsucht nach ehrlichem Auslandskapital nicht zu finden war. Daß mit bloßen Sowjetrubeln die Räteherrlichkeit nicht länger anfrechtzuerhalten ist, darüber herrscht Wohl zwischen beiden Parteien volle Übereinstimmung. Aber Vie Anerkennung und die Bezahlung von Vorkriegs schulden ist und bleibt nun einmal für diese Volks kommissare eine sehr unbehagliche Sache, schon wegen der Folgen, die sich aus ihrer Nachgiebigkeit einem Gläubiger staate gegenüber für ihre sonstigen Schuldverhältnisse er geben müssen. Das schwerste Hindernis für jegliche Ver ständigung ist aber doch wohl auch bei diesen Verhand lungen das nur zu sehr berechtigte Mißtrauen in die Ehr lichkeit der Absichten und Versprechungen der Sowjet herren gewesen. Deutschland steht bereits seit dem berühmten Rapollovertrag in sozusagen normalen Ver tragsbeziehungen zur Sowjetrepublik und muß deshalb wohl oder übel so tun, als habe es mit einem anständigen Vertragspartner zu verhandeln. England steht jetzt erst vor der Entscheidung der Frage, ob es richtig sei, normale Beziehungen mit dem Rußland von heute herzustellen. Die Vorgänger von Macdonald haben es zwar an Versuchen nicht fehlen lassen, aus dem vertragslossn Zustand heraus zukommen, aber dabei ergab sich gewöhnlich nur ein nicht gerade durch übermäßige Höflichkeit ausgezeichneter Notenwechsel, der allenfalls zu unerquicklichen Begeg nungen führte, nach denen der Stand der Dinge sich nur zu verschlimmern pflegte. Jetzt plötzlich ist ein Ver- tragsabschluß zustande gekommen und der Premier- nnmster ze,gi sich willens, ihn unter allen Umständen noch .r A°ßen Sommerpause, die endlich auch für das englische Parlament beginnen soll, unter Dach und Fach zu bringen. Fragt sich nur, ob das Parlament ihm dabei Gefolgschaft leisten wird. Die vielen kleinen Niederlagen, die Macdonald seit seinem Regierungsantritt im Unter haus erlitten hat, konnten seine Machtstellung einstweilen nicht erschüttern. Denn wer mit so großen Dingen befaßt ist wie er, tut ganz recht daran, sich nicht um jeden poli tischen Quark zu bekümmern, der hinter seinem Rücken vorgeht. Ein Staatsvertrag mit den Russen ist aber natürlich eine Angelegenheit ersten Ranges. Das Unter haus zeigt sich ob der Nachricht über seinen Abschluß ordentlich alarmiert. Schon ist Lloyd George aufgestanden und hat ^ne scharfe Attacke gegen ihn ge ritten. Gbenso lassen die Konservativen erkennen, daß sie Macdonald auf diesem Wege nicht zu folgen gedenken, da iie aus leidvoller Erinnerung wißen, wer bei solchen Nüssenpakten der gewinnende und wer der verlierende Teil ist. , . . Macdonald aber steht offenbar auf dem Standpunkt, daß er nicht weniger berechtigt sei, auf eigene Kappe Staatsverträge mit fremden Negierungen zu schließen, wie irgendein liberaler oder konservativer Premierminister vor ihm. Hier tut sich also die Möglichkeit emes Zwie spalts auf, der eine Machtfrage ersten Ranges m sich schließt und nur als solche behandelt werden kann. Wenn Konservative und Liberale, was sehr möglich ist, m d.esem Punkt gegen Macdonald zusammenstehen, so würde das Schicksal der ersten Arbciterregierung in England ent- schieden sein. Loncloner krgebnMe. Unterhaltung zwischen Marx und Herriot. Es ist zwar noch alles im Fließen, aber es steht doch so aus, als wenn die Arbeiten in London sich einem be stimmten Ziele näherten. Wie wett sich dieses Ziel mit den berechtigten Wünschen und Hoffnungen des deutschen Volkes decken wird, ist allerdings vorläufig noch recht un klar. Aatsache bleibt jedenfalls, daß eine unmittelbare Be rührung zwischen dem deutschen Reichskanzler und dem deutschen Außenminister einerseits und dem französischen Ministerpräsidenten Herriot andererseits außerhalb der offiziellen Konferenz stattgefunden hat. Nach französischen Berichten habe Reichskanzler Dr. Marx zu Anfang der Unterredung gesagt, daß er nicht nur gekommen sei, um Herriot der außerordentlichen Wert schätzung, die er ihm entgegenbringe, zu versichern, sondern nm zur WicderhcrftellungdernormalenBe- ziehungen zwischen beiden Ländern beizu- iragen. Darauf erklärte Herriot, daß er von derselben Absicht beseeclt sei. Allerdings seien noch sehr viel Schwie rigkeiten zu überwinden, doch sei er von der Hoffnung durchdrungen, daß es gelingen werde, den Frieden in Europa wicderherzustellen, wenn die beiden Regierungen zusammen zu arbeiten vermöchten. Marx erwi derte hierauf, daß er weniger als Diplomat, wie als Mann acs guten Willens gekommen sei, und daß, wenn es Herriot gelinge, der zu bekämpfenden Schwierigkeiten Herr zu werden, er sich sagen könne, für die ganze Welt etwas Großes getan zu haben. Die Unterhaltung dauerte «ine Viertelstunde. Bald darauf machte Herriot einen Gegenbesuch bei den deutschen Herren. Einige Stellen in Loudon, die sich als gut unterrichtet bezeichnen, behaupten, daß sich an diese erste Fühlungnahme bald eine Einigung zwischen den franzö- Üschen und den deutschen Sachverständigen über die Mo dalitäten des Sachlieferungsverfahrens schließen werde. Das Pariser Blatt „Ere Nouvelle" schreibt, Reichskanzler Marx und Außenminister Stresemann befänden sich in einer parlamentarisch äußerst schwierigen Lage. Die Not wendigkeiten derinnerenPolitik seien für beide der maßen gebieterisch, daß die Alliierten und besonders die französische Delegation unrecht täten, wenn sie darauf nicht in weitestem Maße Rücksicht nehmen würden. Frankreich habe gar kein Interesse daran, daß im Reichstage eine starke Opposition gegen ein Abkommen über die Repara tionen hervorgcrufen würde. Später fand auch ein Besuchsaustausch zwischen den deutschen und belgischen Delegierten statt. (Tfsiv Konferenz-Resultate Die bisher in London erzielten Kompromißpunkte lassen sich wie folgt zusammenfassen' Das Sachverständigengutachten wird zehn Tage früher zur Ausführung gebracht, als zuerst beabsichtigt. Die Deutschen hat«« eine frühere wirtschaftliche Räumung der Ruhr durchgesetzt. Der erste Teil des Finanzplanes «Zölle) wird bereits am 24. September, statt am 1. Ok tober, der zweite Teil (Bergbau) am 1. Oktober, statt am 15. durchgeführt. Eine »Nichterfüllung der Neparations zahlungen kann nur dann Sanktionen nach sich ziehen, wenn sie absichtlich (bisher offensichtlich) ist i Die Abmachung über die politischen Ruhr- und Rhein l Verräter ist im deutschen Sinne geregelt worden I Die Alliierten schließen aus der Amnestie alle aus, die für Totschlag oder Sabotage oder für Taten verurteilt sind, nie mit Todesfall enden; die Deutschen schließen alle Separatisten aus. Zur Reparationskommissiön wird jedoch kein Deutscher zugelasfen Die Verhandlungen üb-"- die Anleihe für Deutschland, die Eisenbahn- und Verrechnungsfragen dauern an. Die Reparationskommission hat dem Entwurf über die Gründung der deutschen Goldnotenbank zu gestimmt " aü Meldungen aus Washington soll Präsiden Coolidge --"klärt haben daß die amerikanisch» Regierung nicht in : - Lage se> die Garantie für die Deutschland zu gewähren!?- Anleihe zu übernehmen, sondern daß vies ausschließlich Sache der die Anleihe zur Emission bringenden Banken sei. Vie beürovte Anleihe. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Berlin, 9. August. Nach zuverlässigen Meldungen des „Daily Telegraph" soll es gestern nachmittag im Rate der Sech zehn eins Sensation gegeben haben, als die englischen Bankiers i erklären ließen, daß sie wegen der von Macdonald im russischen Vertrag hinter ihrem Rücken zugesagten Anleihegarantie für die Sowjetregierung es ablehnen müßten, sich auf irgendwelche Ver- i Handlungen über die Placierung der deutschen Anleihe in Lon- l don einzulassen. Die deutschen Unterhändler sollen darauf so- : fort die Frage aufgeworfen haben, was in einem solchen Falle l der schlecht verhehlten Sabotage des Dawes-Berichtes auf seiten . der Londoner Finanz zu geschehen habe, da der Abschluß der Anleihe bekanntlich einer der fünf Punkte sei, die die Repara tionskommission als Voraussetzung für die Feststellung bezeichnet, daß der Dawes-Plan in Kraft getreten und somit auch die wirt schaftliche Räumung des Ruhrgebietes abgeschlossen sei. Der eng lische Ministerpräsident soll sich beeilt haben, seitens der ameri kanischen, belgischen und englischen Delegation die Versicherung abzugebcn, daß man alles nur Erdenkliche tun werde, um die notwendige Anleihe sicherzustellen. Die amerikanische Anleihe gesichert? London, 9. August. Ein führender amerikanischer Ban kier, der mit den Delegierten der Londoner Konferenz in engster Fühlung gestanden hat, erklärte gestern, die 800-Millionen-An- leihe wäre jetzt endgültig gesichert. Die gestrigen Arbeiten der Konferenz Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". London, 9. August. Die alliierte Konferenz mit den Deutschen wurde gestern unter dem Vorsitz Macdonalds am Nachmittage begonnen. Sie besprachen etliche Fragen, darunter auch die militärische Räumung des Ruhrgebietes. Die beiden Kommissionen der Konferenz tagten gleichzeitig und trennten sich vor der Plenarsitzung. Herriot und Theunis blieben, nach dem die anderen Mitglieder sich zurückgezogen hatten, noch mit Macdonald allein. Sie besprachen die von Rollet gemachten Forderungen, die völlige militärische Abrüstung oder Entmili tarisierung dec Sipo, bevor das Abkommen über die deutsche Abrüstung dem Völkerbund zu übertragen ist. Die zweite Kom mission der Sachverständigen beschäftigte sich mit einigen Fragen, die auf eine Forderung der Reparationskommission zurückzusühren ist, die vor Beginn der Londoner Konferenz die fünf Punkte bestimmte, die erfüllt sein müssen, bevor die Ne- parativnskommissivn annehmen kann, daß der Dawes-Plan tat sächlich funktioniert, besonders über den fünften Punkt, der be stimmt, daß die Anleihe von den Bankiers vertraglich über nommen werden muß. Dagegen haben die Deutschen den Ein wand erhoben, daß Deutschland hierfür nicht verantwortlich gemacht werden kann, da nicht Deutschland den Vertrag mit den Bankiers abschließt. Dieser Einwand ist zum größten Teil als berechtigt anerkannt worden und der Bericht der zweiten Kom mission wurde heute neuerlich in diesem Sinne revidiert. So bald die Redaktion sertig ist, wird sie der Plenarsitzung unter breitet werden. Eine Havasnote über die Kölner Zone. (Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes".) Paris, 9. August. Eine offiziöse Havasnote aus Lon don bestätigt die Angabe über eine französisch-englische Verein barung hinsichtlich der Räumung der Kölner Zone. In der Note wird ausgcsühtt, daß die britischen Truppen in Köln ver bleiben müßten, bis die Verbündeten die Wiederausnahme der interalliierten Militärkontrolle in Deutschland und die Erzie lung einwandfreier Ergebnisse erreicht hätten. Die britischen Truppen müßten mindestens solange in der Kölner Zone aus halten, bis der Völkerbund ein wirksames System ausgearbeitet habe, daß anstelle der interalliierten Militärkontrvlle zur An wendung gelangen soll. Havas betont zum Schluß, daß eine definitive Verständigung erst nach der Rückkehr Herriots nach London erfolgen würde. Hukepsufe. (Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes".) London, 9. August. Das Wochenende hat sich durch gesetzt. Die Abreise Herriots und Macdonalds bedeutet eine Pause in dem Fortgang der Konserrnz, die wahrscheinlich dazu ausgenutzt werden wird, die erledigten Arbeiten zu prüfen und die Berichte für die Folgezeit spruchreif machen. Unter diesen Umständen ist cs möglich, daß Reichskanzler Marx und Dr. Stresemann einer Einladung des Lord Palmoor, dem Ver treter der Arbeiterpattei im Oberhause, auf seinen Landsitz nach Henley Folge leisten werden. Eine Konferenz über die interalliierten Schulden in Paris? Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 9. August. Wie der Sonderberichterstatter der Havasagcntur aus London meldet, hat Herriot noch gestern bei Macdonald durchgesetzt, daß Sachverständige sofort die Vor arbeiten zur Einberufung einer Konferenz in Paris in Angriff nehmen, auf der das Problem der interalliierten Schulden er örtert werden soll. Auf dieser Konferenz wird auch insbesondere die Frage der Verteilung der 23 geleisteten Reparationszahlun gen Deutschlands erörtert werden und ferner die Verteilung der Zahlungen nach der Durchführung des Dawes-Planes im ersten Jahre. Weiter wird darüber verhandlet werden, Fank- reich und Belgien die Unkosten der Ruhrbesetzung aus den Ein nahmen der Reparationszahlungen bestreiten zu lassen.