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MsdmfferTageM Das Wilsdruffer Tageblatt enthält die amtliche» Dekanntmachuuge» der Amtshauptmaunschast Meitze», des Amtsgerichts «nd Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Nasse». Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, »Wilsdruffer Tageblatt" erscheint täglich aachm. 5 Uhr für den folgende« Lag. Bezugspreis: Bei Abholung in d« WeschLstrstelle und de« Ausgabestellen 2 ML. im Monat, bei Austellrmg durch die Bote« 2,30 ML., bei Postbestellung L^Poftanstaltm Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Postboten un!ere§ü^ »I«« NN» »«schSstoftellen — — —- -- > — nehmen >u jeder Zeit Be» !»adm,rn entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betrieboftörungen besteht »ein Anspruch auf Lieferung »« Zeitung oder Kürzung des Bezugspreise». — Rücksendung eingesandter Schriftstücke ersolgt nur. wenn Porto beiliegt. für Äürgertum, Leamte, Angestellte u. Arbeiter. Pnzeigenprei»: die »gespaltene lliaumzrile W Goldpfennig, die rgespaltenegeile der amtlichenBeltanntmachungen40 Golk- psennig, di« 2 gespaltenerieklamezetle im teztlichen Teile lvo lSoldpsennig. Nachweisungsgebllhr 20 Goldpfennige. Do«- geschriebeneSrscheinungs- cvrr!. „ tage undPlatzoorschrifte» werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzeigen annahme di» oorm.1v Uhr ' Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Antigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabaltanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezo gen werden mutz oder der Auftraggeber in Konkur» gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Nr 215 83 Jahrgang Telegr.-Adr.: .Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2840 Sonnabend, 13 September 1924 Vas chinesische feuer. Der Schwerpunkt weltpolitischen Geschehens ist schon lange vom europäischen Kontinent hinübergewandert nach dem Pazifik. Während Europa sich im Weltkrieg zer fleischte und nach dem Kriege mit den aus diesem ent standenen Problemen nicht fertig zu werden vermag, hat sich das Gefahrenzentrum auf die andere Seite des Erd balls hinübergezogen und steht jetzt über dem 400-Millio- nen-Reich im Fernen Osten, China. Mit dem Sturz der Mandschudynästie riß das eiserne Band, das Nord- und Südchina, aber auch die Mandschurei mit den West provinzen umschloß; an die Stelle des einen Autokraten, der volkssremd war, trat eine ganze Reihe kleinerer, die tatsächlich selbständig gewordenen Provinzgouver neure, denen weder der nord- noch der südchinesische jeweilige Präsident irgend etwas zu sagen hatte. Auf stände und Selbständigkeitserklärungen ehrgeiziger Ge neral-Gouverneure waren an der Tagesordnung und jeder dieser kleinen Potentaten sorgte vor allem dafür, daß er ein eigenes Heer hatte; denn nur so weit reichte seine Macht, als er sie mit bewaffneter Hand schützen konnte. Jetzt rast wieder der Bürgerkrieg und diesmal gewinnt er besondere Bedeutung, weil das größte Fremdenzentrum, Schanghai, bedroht erscheint, was den „interessierten" fremden Mächten die erwünschte Gelegenheit gab, durch Truppenlandungen trotz Widerspruchs der eigenen in Schanghai ansässigen Landsleute in die Entwicklung ein zugreisen. Kenner des Landes behaupten, daß dies das beste Mittel sei, die Chinesen zu — einigen. Es ist aber das selbe, was wir im Nahen Osten früher mit der Türkei er lebt haben: der „kranke Mann am Bosporus" blieb am Leben, weil die Eifersucht der an der Türkei interessierten Mächte den Totschlag durch eine Macht verhinderte. Und wenn jetzt die Truppenlandungen aller Mächte in China erfolgt sind, so geschieht das deshalb, weil keiner den an deren traut, den Vortritt, ein Sondermandat überlassen will. Es wird das alte Spiel gespielt: interalliierte Noten an die machtlose chinesische Regierung und dann „gemein same Aktion" der Mächte zum Schutz ihrer eigenen Staats angehörigen. In der Hauptsache sind Amerika, England und Japan „interessiert", aber auch Frankreich will sich schnell an den Tisch setzen, falls es etwa zur Aufteilung des chinesischen Bratens kommt. Japan, das in Korea und in der Südmandschurei ja schon seit zwanzig Jahren steht, paßt natürlich am allerschärfsten auf, daß in China nichts ohne seinen Willen geschieht, es nicht zu kurz kommt. Es arbeitet dabei natürlich — immer noch — mit dem Schlag wort der Rassengemeinsamkeit —, allerdings wollen die Chinesen am allerwenigsten von dieser „Bruderliebe" wissen, die ihnen seit Jahrzehnten so teuer zu stehen ge kommen ist. Amerika andererseits ist längst von der Monroedoktrin (keine Eroberungspolitik außerhalb Ameri kas) abgegangen und hat namentlich im Osten Chinas eine sehr aktive Politik getrieben, für die man das Schlag wort der „offenen Tür" erdachte. Wenn jetzt das Ein greifen des Gouverneurs der Mandschurei in die Kämpfe gemeldet wird, so ist das sicherlich nicht ohne Wissen und Billigung und — Waffenlieferung seilens der Vereinigten Staaten erfolgt. Wobei eingeschaltet werden mag, daß dieses ganze Kapitel der Waffenlieferung an die verschiede nen chinesischen Parteigänger jetzt in den Tagen eifrigster Debatten über Abrüstung usw. von einem besonders grotesken Humor ist. Denn die Staaten, die in Genf so wunderschön predigen konnten, haben alle sich an diesen Lieferungen beteiligt und die Kämpfe damit überhaupt erst ermöglicht. Was zweifellos in China die Zuneigung zu den Fremden bedeutend erhöht hat! Besonders scharfäugig schaut natürlich England auf die Vorgänge im Fernen Osten. Man kreidet es Herrn Macdonald als schweren Fehler an, daß er den Ausbau Singapores als militärischen Hauptstützpunkt im asiatischen Osten eingestellt hat. England hat ja als be sonderes Interessengebiet das Aangtsekiangbecken, d. h. — wie nicht anders zu erwarten — das beste, fruchtbarste und an Bodenschätzen reichste Stück Chinas. Irgendwelche Rücksichten aus Japan braucht es bei feiner chinesischen Politik nicht mehr zu nehmen, seitdem dieser „Mohr" gegen Rußland 1904 und gegen Deutschland seine Schuldigkeit getan hatte und dann gehen konnte; denn das frühere englisch-japanische Bündnis ist 1920 nicht wieder erneuert worden. Mit Frankreich, dessen chinesische Interessen wesentlich im Westen und Südwesten liegen, und mit Amerika, das seine Augen auf dem Osten ge worfen hat, kann man sich also ganz gut einigen und braucht dann auf Japan keine übermäßige Rücksicht zu nehmen. Nun ist aber ein anderer in das Konzert hineinge platzt: Rußland. Die Sowjetregierung hat sich ja im Fernen Osten bis nach Wladiwostock hin siegreich gegen die zahllosen Invasionen angeblich „weißer", also anti bolschewistischer Truppen durchgesetzt und besitzt in, Bolschewismus einen Ausfuhrartikel, der gerade im Osten von besonderem Wert sein kann. Nicht in Japan, sondern in China. Es ist sehr bezeichnend, daß Sunjatsen, der chinesische Präsident in Peking, die oben erwähnte Note der Mächte abgelehnt und sich auf den Boden des — Bolschewismus gestellt hat. Zweifellos in direkter Ver- WsW eines KW-WM.WelMckUS? Eigener Fernsprechdienst des ..Wilsdruffer Tageblattes". Brüssel, 12. September. Morgen reist -er Direktor der wirtschaftlichen Abteilung des Miniiterium des Auswärti gen Ferdinand van Langenhove nach Berlin ab, um Verhand lungen zum Abschluß eines Handelsvertrages einzuleiten. Er wird von dre, Beamten feines Ministeriums, die für Industrie-, Zvll- und Wirtschastssragen bestimmt sind, begleitet sein. Außerdem sind ihm vier Sachverständige beigegeben, die den InLustriellen- ausschuß des Verbandes belgischer Handelskammern und die Ant werpener Handelskammer vertreten. Der vierte Sachverständige ist ein Beauftragter des Großherzogtums Luxemburg. Wie man in unterrichteten Kreisen hört, gehen die Vollmachten der belgi schen Delegation dahin, Deutschland nur für bestimmte Artikel die Behandlung der Meistbegünstigung zu gewähren, wenn Deutschland seinerseits auf die Schutzzölle verzichtet, mit denen die belgischen Einfuhrprodukte vom 10. Januar des kommenden Jahres ab belegt werden sollen. Zur Sprache werden außerdem kommen die Fragen des Verkehrs deutscher Waren über den Ant werpener Hasen und die Einfuhr gewisser Produkte des Groß- Herzogtums. Die Aufbringung -er Anleihe (Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes".) Washington, 12. Septemiber. Nach Ansicht maßgeben der Persönlichkeiten erfordert die Unterbringung der 800-Mil- lionen-Anleche, wie das „Journal of Commerze" berichtet, große Geschicklichkeit, da die eventuellen Darlehnsgeber die Befürchtung hegen, daß die 800 Millionen vollständig zur Zahlung von Re parationen verwendet werden. Die maßgebenden Persönlichkei ten erklären, daß die deutsche Anleihe zu einem Emissionskurs von 95^ bis 979L bei einem Zinsfuß von 8 v. H. aufgebracht würden. Die Kupons sind nach zwanzig Jahren rückzahlbar. Die Zollschranke« an -er niederlän-ischen Grenze aufgehoben (Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes".) Essen, 12. September. Die belgischen Zollämter an der deutsch-niederländischen Grenze werden am 21. September auf gehoben werden. Die Zollkontrolle an der deutsch-niederländi schen Grenze im besetzten Gebiet wird gleichzeitig von den deut schen Behörden übernommen. Die ausgewiesenen Schupobeamten dürfen zurückkehren Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Essen, 12. September. Der Generalleutnant Burguet, der Kommandant der belgischen Besatzungsarmee, beschließt fol gendes: Unter dem Vorbehalt, daß sie sich den für den Personen verkehr herausgegebenen Anordnungen anpassen, können nach stehend genannte Personen in die von der belgischen Ruhrab teilung besetzten Gebiete zurückkehren. Es werden mehrere Per sonen genannt. Desgleichen können alle Beamte, Angestellte und Arbeiter, welche der im drehten Gebiet aufgelösten Schupo angehören und seit 11. Januar 1923 aus dem besetzten Gebiet ausgewiesen worden sind, in die von der belgischen Ruhrab teilung besetzten Gebiete zurückkehren, wenn sie sich den über den Personenverkehr erlassenen Vorschriften anpassen und besonders Artikel 8 der Verordnung Nr. 122 beachten. Die Verordnung tritt sofort in Kraft. Neubesetzung -es deutschen Botschafter- Postens in Washington Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdrusfer Tageblattes". Berlin, 12. September. Der endgültige Rücktritt des deutschen Botschafters in Washington Dr. Wietseld wird näch sten Montag erfolgen. Dr. Wietfeld beabsichtigt, seinen leiten den Posten bei Krupp in Essenz der ihm während seines Bot schafterpostens ausdrücklich Vorbehalten wurde, baldmöglichst wie der anzutreten. Die Kandidatur Dr. Cunos, des früheren Reichskanzlers, ist hinfällig geworden, da Dr. Luno den Ruf nach Washington ausdrücklich abgelehnt hat. Es werden ver schiedene Kandidaturen genannt und jetzt neuerdings auch Graf Brockdorf-Rantzau, Ler derzeitige deutsche Botschafter in Mos kau. Dr. Solf in Tokio ist kein ernster Anwärter, der aus seinem Posten für kaum ersetzbar gilt. 51 Ruhrgefangene freigelassen. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Koblenz, 12. September. Wie das „Echo de Rhine" aus Düsseldorf meldet, sind bis jetzt in Ausführung des Lon doner Protokolls 51 Deutsche aus den Gefängnissen des Ruhr gebietes in Freiheit gesetzt worden. Vor Ver Beendigung des Wiener Metall arbeiterstreiks Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Wien, 12. September. Heute wurden hier die Verhand lungen zur Beilegung des Metallarbeitersteiks fortgesetzt. Man hofft, daß es gelingen wird, eine Verhandlungsbasis zu finden, welche es ermöglicht, den Streik in kurzer Zeit zu beenden. Frankreich und die Anerkennung Sowjet-Rußlands. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Pari-, 12. September. Von maßgebender Sette wird bestätigt, daß die Bilduirg einer besonderen Kommission zur Prü fung der Voraussetzungen sür die De-Iure-Anerkennung Sow- jerrußlands unmittelbar bevorfteht. D>» Kommission wird sich aus fünf Mitgliedern zusammensetzen. Den Vorsitz dürfte wahr scheinlich, wie schon gemeldet, der Senat De Monzi erhalten. Ihm werden der frühere französische Botschafter in Rußland De Moules, ein Sachverständiger am Ouai d'Orsey und ein Mit glied des Abgeordnetenhauses beigegeben. bindung mit Moskau. Ein sehr geschickter Schachzug ist » das, weil die wirtschaftliche, „großkapitalistische" Habsucht l der Mächte eine Aufteilung Chinas in „Interessen sphären" anstreben und dadurch natürlich eine heftige Reaktion in der zum allergrößten Teil fast besitzlosen chine sischen Masse Hervorrufen muß. Ein Bolschewismus aber, der noch nationalistische „Korsettstangen" hat, kann eine ganz gewaltige Kraft entwickeln; das hat man im Kampfe Sowjetrußlands gegen die Ententetruppen uw" die anderen Jnvasionsarmeen erlebt. Es dürfte gar nicht ausgeschlossen sein, daß im Fernen Osten ein Feuer aufflammt, an dem sich allerhand Leute die habgierigen Finger verbrennen können. MerblO M DeuWM. Andauernde Diskussionen. In Gens verhandelt man nach dem Abflauen der großen Tage mit den Reden Macdonalds und Herriots weiter über mancherlei Gegenstände. Aber eine Frage steht, der Lösung harrend, hinter allen Worten und Be schlüssen: Wird Deutschland dem Völkerbund bei treten oder nicht? Lord Parmoor, der englische Ver treter, hatte wieder einmal über diese Frage gesprochen und ungefähr gesagt, England werde jeden Vorschlag unterstützen, der die Aufnahme Deutschlands zum Ziel hätte. Das war wieder einmal mißverstanden worden in der Weise, daß man folgerte, England werde be antragen, Deutschland aufzunehmen. Das berichtigte Lord Parmoor, als einige Aufregung entstand. Er habe nur sagen wollen, wenn Deutschland beitreten wolle, so müsse es selber den Antrag stellen. Der fran zösische Delegierte Boncour stimmte übrigens Lord Parmoor insofern zu, als er ausführte, daß die Sicher heit unmöglich dauernd geschaffen werden könne, wenn nicht alle Nationen, einschließlichDeutschlands, am Tisch des Völkerbundes säßen. übrigens fand die aufsehenerregende Rede des unga rischen Grafen Apponyi, der gleiches Recht für alle in bezug auf die Entwaffnung gefordert, ebenfalls ziem- lichen Widerspruch in Genf. Der belgische Vertreter Hymans lehnte jedes Eingehen auf die Wünsche Ap- ponyis ab, und Graf Bethlen, ein anderer ungarischer Delegierter, rückte von seinem Landsmann ab, indem er ausführte, die Arbeiten des Völkerbundes hätten in Ungarn keine unangenehmen Folgen gehabt, sondern im Gegenteil die geistige Abrüstung im Lande gefördert und eine Beruhigung herbeigeführt, die in der ganzen Welt notwendig wäre, um endlich zu der militärischen Ab rüstung zu gelangen. „Kein überstürztes Vorgehen". Die Zeit, das Berliner Blatt der Deutschen Volks partei, das allgemein als offiziöses Organ des Neichs- außenministers Dr. Stresemann betrachtet wird, be schäftigt sich in einer längeren Auslassung mit der be kannten öffentlichen Aufforderung des sozialdemokratischen Abgeordneten Loebe an Stresemann, sofort die Ini tiative zum Eintritt Deutschlands zu ergreifen. Das Blatt kommt zur entgegengesetzten Auffassung und weist daraus hin, es gäbe sachliche Gründe, die ein überstürztes Vor gehen Deutschlands und eine Erledigung dieser Frage im Eiltempo verbieten. Wäre Macdonald mit seiner Anschauung der beherrschende gute Geist des Völkerbundes, so ließe sich über Loebes Aufforderung zum raschen Han deln reden. Aber Herriot habe nach Macdonald be.