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MdmfferÄMatt für Lürgertuw/ Beamte/ Angestellte u. Arbeiter Das Wilsdruffer Tageblatl enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Nossen Nn,«igniprr1«: LI« «spalt»»» R»um,tilt ro Goldpsrnni,, Lie rgespaltknkZkU» Lee amtlichen Dekanntmachuna»" «a«oIL- piennig, die S,»spaI>rneReklam«,»N« im teltlichcn Teil» IvoDoldpIknmg. Nachweisungsgebühi 2V Goltplcnmge. D»»- seschriebeneLrsch»inung-- — . K '"S^ undPlatzomschristen werden «ach MSgl chükit kdLkN spke ly Sk t AM! WtlSVrUff Utr. V der!ichsicht><,t. An,ei«n>- onnahmedisoorm.IUUHr — — Richti^deii der durch Fernruf übermittelten An«ei,en übernehmen wir Heine Garanll». IrderRadattansprnch erlischt, wenn der Betraa Lurch Klag« eingezogen werden mutz oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Drrmitllungsftellen entgegen. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Da, »Wil-drusfer Tageblatt» erscheint täglich nachm. s Uh, für den folgenden Tag. «ezugspreio: B»I Abholung in dm, Geschäftsstelle und den Auogadeftcllen r MK. im Mona«, bei Zustellung durch die Boten r.MMK., bei Pvftdeftellung »Pfg.ÄM.^ Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend ö'°Ki.n L^ ULger und »«fchäftsftellen — nehmen zu jeder Zeil Be ¬ stellungen errgege». Im Falle bSherer Gewalt, Krieg oder sonstiger BetriedsftSrungen besteht kein Anspruch aus Ärserung der geitun, oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingtsandler SchriftftLche erfolgt nur, wenn Porto bestiegt. Nr 271 83 Jahrgang Telegr.-Adr.: »Amtsblatt- Wilsdruff-Dresden Pofstchech: Dresden LSI» Mittwoch, 19. November 1924 Tut Buße! Bedanken zum Bußtag, Wir Menschen haben es nötig, wenigstens einmal im Jahr uns auf uns selbst zu besinnen, uns über das was wir taten Rechenschaft abzulegen. Es braucht nichts Äußer, liches zu sein; mag Selbsterkenntnis nach des alten griechi- schen Philosophen Wort das Schwerste sein, so ist diese Selbstbesinnung, sogar der Versuch einer solchen Selbstbesinnung schon etwas, was den Menschen herous- hebt aus dem wüsten Taumel der Gegenwart. Wenn er sich selbst zum Gegenstand seiner Beobachtung macht, so gewinnt der Mensch Abstand von den Dngen, ist ihnen nicht mehr untertan, ist nicht Sklave des Geschehens, son dern wird wirklich einmal zum Herrn seines Tuns. Und mit dieser Selbstbesinnung kommt die Reue über Allzu- vieles, was im besinnungslosen Taumel des Lebens ge schehen ist, kommt die Zerknirschung des Herzens. Ein etwas lästerlich klingendes, aber doch nicht ganz unrichtiges Wort sagt, daß Reue immer zu spät kommt. Gewiß ist sie teilweise richtig, die banale Weisheit, daß geschehene Dinge sich nicht ändern lassen, bleibt aber aus der Oberfläche. Es kommt nicht darauf an, das, was ver gangen ist, nun in der Zerknirschung des Herzens unge schehen machen zu wünschen, sondern Bußtag begeben heißt, den Abstand vom Geschehen nicht zum Erlebnis eines Tages, sondern zum Grundsatz des Lebens zu machen. Woher kommt diese Notwendigkeit, daß wir alle im Fahre einmal wenigstens einen Bußtag haben müssen, an dem uns in unserer Gottähnlichkeit bange wird? Dos ist die Selbstgerechtigkeit, das von sich und von der Nichtig keit unserer Meinung überzeugt sein, die Verketzerung jedes andern, der es wagt, eine andere Meinung zu haben. Eelbstgerechtigkeit ist die böseste Frucht, die wir im Paradies gepflückt haben, weil wir des Mephisto pheles Muhme, der Schlange folgten: Das: Vanitasl Vanitatum Vanitas! eines Salomo, das: Alles ist eitel! des königlichen Denkers und Sehers, der bis zu dem Ur. grnnv der Dinge vordrang, ist für viele Menschen keine Erkenntnis mehr. Und doch ist es der Extrakt eines langen Lebens, es ist die höchste Weisheit eines Mannes, der die Höhen und Diesen des Daseins durchmessen hat. dem nickts Menschliches fremd war. Die Selbstgerechtigkeit dessen, was wir Wissen nennen, was sich uns als Erkenntnis vvr- spiegelt, ist aber gerade das, was uns selbst das Dasein erschwert. Wenn wir erst einmal zu dem Zweifel sorge- drangen sind, zum Zweifel an der Allgemeingültigleit dessen, was wir so gern als unumstößliche Weisheit und Wahrheit hinstellen und uns als Weisheit und Wahrheit so lange einreden, bis wir selbst daran glauben. Und dann jeden nicht bloß für einen Toren, sondern sür einen Schuft halten, der sich dieser sogenannten Weisheit und Wahrheit nicht gleichfalls hingibt. Das macht den p o l i ti sch e n K a m p s der Gegenwart bei allen Parteien so übel und innerlich verlogen, obwohl zweifellos jeder von der Unumstößlichleit seiner Meinung überzeugt ist. Gewiß sollen wir bis zum letzten für das kämpfen, für das uns rinsetzcn, was wir als Wahrheit uns errungen haben, aber nie sollen wir dabei die achselzuckende Pilatussrage vergessen: Was istWahrheit? Vielleicht haben wir doch noch nicht ganz vergessen, daß die Jahre des Krieges Jahre der Buße ge- wesen sind, weil sie Jahre der Erkenntnis waren. Beim Krachen der Granaten zerstoben die Hirngespinste, die Schlagworte, die überkommenen und übernommenen Meinungen und das kleine Menschliche allein blieb übrig. Beim Pfeifen der Kugeln hielt jeder Einkehr und es zer stob, was man für unumstößliche Weisheit hielt. Das war Einkehr; das war Selbstbesinnung; das war der Bußtag, den dann jeder im Granattrichter erlebte. Die Jahre haben über dieses letzte und höchste Erlebnis des Krieges bei vielen, allzuvielen einen Schleier gelegt; wem der Bußtag aber nicht etwas Äußerliches ist, sondern etwas Inner liches. der wird an diesem Tage den Schleier hinweg, ziehen. Der wird sich darauf besinnen, daß in den vier Jahren nicht Trennung, sondern Zusammen stehen uns groß und stark machte. Und wenn der Bußtag in rech; vielen Gliedern unseres Volkes die Erkenntnis an die Stelle der Selbstgerechtigkeit setzt, daß wir dieses größte Kriegserlebnis nicht vergessen dürfen, sondern zur Grund- läge unseres Zusammenlebens machen müssen, dann ist der Bußtag nicht ein äußerlicher bleibender Feiertag, son- dern ein Tag wirklicher Einkebr. Korruption im Serliner Fremdenamt. Der Leite, des Fremdenamts verhaftet. Berlin, 17. November. In der Erpressungssache gegen den in Untersuchungs haft befindlichen Russen Michael Holzmann sind durch die Untersuchung unaufgeklärte Beziehungen Holzmanns zu dem Leiter des Fremdenamtes, Regierungsrat Bartels, sestgcstellt worden. Daraufhin ist Regierungsrat Bartels unter Einleitung des Disziplinarverfahrens seines Po stens sofort enthoben worden. Die wahren Kriegsschuldigen. PoincarL und Iswolski. Paris. 17. November. In nächster Zeit erscheinen im Verlage der Zeitung „Europe" die Denkwürdigkeiten des ehemaligen sranzö fischen Botschafters in Petersburg George Louis. Die Zeitung „Oeuvre" veröffentlicht bereits daraus einige Mitteilungen. Louis wurde UU3 von seinem Posten in Petersburg auf Wunsch des russischen Ministers Jswolöli entfernt. Aus den durch „Oeuvre" belanntgewordcnen TagcbuchblSttcrn des ehemal. Botschafters ergibt sich, daß er den Hauptanteil der Kriegsschuld Poincars und IS wolöki beimißt. Die Aufzeichnungen beweisen auch, daß andere hervorragende französische Staatsmänner, wie Pichon und auch der ehemalige Botschafter in Berlin, Cambon, diese Ansicht teilten. Eines der Dokumente berichtet über eine Unterredung vom 1. November 1914 mit Cambon. Es heißt, Cambon habe wörtlich gesagt: Poineard ist zum Teil am Krieg schuld. Botsck-after Louis habe hinzugefügt: Zusammen mitIswolski. Cambon habe hierauf gefragt: Konnte der Krieg nicht verhindert werden? Botschafter Louis antwortete: Nicht Ende Juli, aber wir hätten ibn ver mieden, wenn 1912 unsere Regierung in anderen Händen gelegen hätte. Um zur Präsidentschaft der Republik zu ge langen, mußte die Reise nach Petersburg gelingen, und man mußte sich mit Hilfe der Geheimfonds »er Presse bemächtigen. Poincars hat sich zum Instrument Iswolskis gemacht, und dieser, der gemeinsame Sache mit Littoni sJtalien) machte, hat den tripolitantschen Krieg entfesselt und damit den Balkan krieg und den jetzigen Krieg. Jules Cambon erwiderte darauf: Wir haben uns seit zwei oder drei Jahren »ich! , gesehen, aber wir haben dieselbe Ansicht. In dieser Unterredung mit dem Außenminister von 1912, Pichon, sagte dieser: Wenn Sie in Petersburg ge blieben wären und ich Außenminister gewesen wäre, hätten wir keinen Krieg bekommen. Louis erwiderte: Gewiß, wenn Sie am Quai d'Orsay und Falliores im Elysee gewesen wären, wäre der Krieg nicht ausgebrochen. Im weiteren Verlauf der Unterredung sagte Pichon: Die beiden Botschafter, die Ihnen folgten, sind fehl gefährlich gewesen, besonders Palöologuc, aber auch DeUasf6. Pa lüologue hat die Russen zum Krieg getrieben, woraus Louis erwiderte: Das sieht man aus dem englischen Weiß buch. Der englisck-e Botschafter, der seine Negierung sehr gut unterrichtete, gibt das klar zu verstehen, worauf Pichon erwiderte, auch Declassd habe zum Ausbruch oes Krieges dadurch beigetragen, daß er die Russen uegen Deutschland aufhetzte. Die Engländer hätten sich darüber beklagt. Hirauf erklärte Louis: Die Präsident- schäft Poincarss ist verhängnisvoll ge- beklagt. Hierauf erklärte Louis: Und seine Tätigkeit am Quai d'Orsay ebenfalls. Louis fügte hinzu: Als Prä sident der Republik ist er noch viel gefährlicher gewesen weil er frei hat den Krieg entfesseln können. Auf ihn Hai sich Pal^ologue in Petersburg immer bezogen, um die Russen zur Unversöhnlichkeit zu treiben. Die Veröffentlichungen erregen ungeheures Aufsehen. PoincarS hat das . Bureau Havas aebeten. an^ureiacm vav er oer Presse Briefe von Pichon und Jules Cä-m'bon unterbreiten will, die die Äußerungen, die ihm durch die Veröffentlichungen der Zeitschrift .Europe" in den Mund gelegt werden, dementieren. .Oeuvre" bemerkt dazu, Bot- schafter Louis sei nach langer Wirksamkeit aus Petersburg nicht wegen seiner Unfähigkeit entfernt worden, sonder» weil er den Anforderungen der Krieasdeser nickt bettr«. Paincare vertcidigt sich. Eigener Fernfprechblenft des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 18. November. Die Blätter veröffentlichen ein« Rechtfertigung Poincarös zu den vom „Observer" und der Zeit schrift „Europa" abgedruckten Auszeichnungen und dem Tagebuch des früheren französischen Botschafters Henry Lonis. „Sch weiß, nicht," schlecht Poincars, „ob die Auszeichnungen, die unter dem Namen Henry Louis veröffentlicht werden und bereits seit län gerer Zeit von der deutschen Presse angekündigt werden, wirklich aus einem authentischen Schriftstück entnommen worden sind. S« enthalten aber viel Umvahrheten, wie tatsächlich« Unrichtigkeiten und die nachstehenden Zeugnisse beweisen, daß sie keinerlei Glau ben verdienen. Es folgt ein Bries von Jules Garbon. Mei» Bruder und ich haben mit Ihnen (Po ncarü) nach besten Kräf ten daran gearbeitet, die unmittelbare Kriegsgefahr zu beseitigen, und wir waren uns klar darüber, daß aus die sranzösrsche Re gierung nicht die geringste Verantwortung für die Ereignisse von 1914 geworfen werden könne. Weiter dementiert Duejchner, der gegenwärtige französische Botschafter in Washington, der 1912 Kcchinettschef im Ministerium des Auswärt'gen war, einige meist unsinnige und unglaubliche Behauptungen Louis. Pvincare habe der Presse keinerlei Zuschüsse bewilligt. Einer der Hauptgründe, der ihn bewog, 1912 nach Petersburg zu fahren, war, gewisse, zwischen der französischen und der russischen Regierung aufge tauchte Mißverständnisse zu beseitigen, di« durch die Schuld d«s damaligen russischen Botschafters in Paris entstanden wäre». Ein dritter Brief enthält ein energisches Dementi d«s srühe'-en Außemu'msters Pichon: Ich weiß sehr wohl, daß Sie als Mi nisterpräsident, als Außenminister und Präsident der Republik stets an der Aufrechterhaltung des Friedens gearbeitet haben. Pc-incars stellt zum Schluß die Veröffentlichung eines Buche, in Aussicht, das die Bestrebungen der aufeinanderfolgenden fran zösischen Kabinette um d'e Aufrechterhaltung des Friedens wäh rend der Vorkriegszeit erkennen lasse. Außerdem läßt Paleo- logue, der 1914 Botschafter in Petersburg war, dem „Temps" einen Brief z-ugehcn, In dem er die Behauptung, daß er in Ruß land zum Krieg gedrängt habe, in Abrede stellt. Die betreffend« Stelle lautet: Als der Kriegsausbruch am 28. Juni von Stund« zu Stunde drohender wurde, verlangte ich zuletzt von der rus sischen Regierung, daß sie im voraus jede Handlungsweise gelten lasse, die Frankreich und England Mr Aufrechterhaltung des Frie dens vornehmen würden. Als Sasanoff erklärte unter dem Vor wande, daß er im voraus kein Verfahren anerkennen könne, des sen Ziele und Modalitäten er nicht kenne, erw'derte ich ihm: Dann bitten Sie den Kaiser, daß er mich unverzüglich empfängt, denn Ich will sein Land nicht in den Krieg hineinführen lassen, solange die Sowjetregierung d'e geringste Hoffnung bewahrt, ihn zu be- sckwörrn. Nach kurzer Zögerung sagte mir Sasanoff seine Zu stimmung zu, d'e ich alsbald nach Paris telegraphierte. Jie FW m dem Mieder erslMeuden MUM. Die Schweiz ein Bollwerk gegen Deutschland Eigener Fernsprechdiensl des „Wilsdruffer Tageblattes". Bern, 18. November. Mussolini ging in seiner letzten Kammerrcde ausführlich auf den mit der Schweiz abgeschlossenen Vertrag «in und betonte, daß es für den europäischen Frieden und die Zivilisation notwendig sei, daß d'e Schweiz völlig un versehrt bleibe. Sie müsse ein Vollwork sein, um das schon wie der mäcdtg erstarkende Deutschland ein wenig fernzuhalten. Die Ausführungen 'Mussolinis werden in der deutschen Schweiz nicht gerade mit Sympathie ausgenommen. Luxemburg gegen die 26prozentige Neparationsabgabe. Frankfurt, 18. November. Der Widerstand gegen die Einführung der 26prozentigen Abgabe auf deutsche Importwaren ist in Luxemburg, wie die „Frankfutter Zeitung" meldet, ziem lich lebhaft. Die Handelsfreiheit würde schwer geschädigt und der Handel mit Deutschland ginge zum Schaden der Konsmnen- Lenwelt zurück. In der Presse ist der Vorschlag gemacht worden, die nachweislich für Luxemburg bestimmten Waren von der Re- parationsabgabe zu befreien und die nach Belgien gehenden Pro- butte nach belgischer Anweisung zu behandeln. Englische Lustschiffahetspläne. Eigener Fernfprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes" London, 18. November. Die Pläne der englischen Re gierung über den Ausbau des Luftverkehrs innerhalb d«s Reiches werden von der Oeffentlichlett mit großem Interesse verfolgt. Der Sachverständige für Luftverkehrsangelegenheiten Star gab we-iters Einzelheiten bekannt. In Kairo soll ein Ankennast er richtet werden. Man sei auch mit der Ausarbeitung von Plänen für die Lustverbindung mit London und Australien beschäftigt und habe eins Lustverbindung zwischen Kairo und dem Kap in Aussicht genommen. Das alte Zeppelin-Lustschiff R. 33 soll wieder instand gesetzt werden und demnächst eine Probefahrt machen. Herriot vor dem Auswärtigen Ausschuß. Eigener Fernfprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Varis. 18. November. Herriot hat gestern vor der Senatskommissioa für auswärtige Angelegenheiten ausführlich« Ä^ttei'ungen über die Inkraftsetzung des Londoner Protokolls gemacht. Auf Fragen eines Mitglieds gab Herriot eingehend Auskünfte über die bisher zur Ausführung des Protokolls er griffenen Maßnahmen. Weiter sprach Herriot auch über die Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund, die, w'e er erneut feststellte, ohne irgendeine Bevorzugung erfolgen könne.