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aber zu viel geglaubten Morte: „Unser Deamtenheer srißt alle- z auf." Will man abbauen, so muß man zuerst überflüssige Arbeit beseitigen unb auf manches verzichten, was unter besseren Finanz- Verhältnissen erwünscht gewesen wäre. Dann erst kann man ab bauen an ben Beamten.. Wie viel oder wie wenig an diesen ab- göbaut wird, ist Sache -er einzelnen Länder. Wenn davon geschrieben wurde, daß im Personalabbau der Justiz versucht werden wird, der Rechtsorientierung des Reichs justizministers durch entsprechende Entlassungen Geltung zu verschaffen, so greift dies vollständig daneben. Im Beamtenab bau kann nicht die Hauptersparnis liegen, sondern, nur in der Einschränkung der Sachausgaben. Drk Emminger äußerte sich kn diesem Zusammenhang über die bisherige Verschwendung, be sonders in kleinen Sachen und Lappalien. Darin bringt die Strafprozeßnovelle eine wesentliche Neuerung: klebertretungen werden nicht verfolgt, wenn die Schuld des Täters gering ist und die Folgen der Tat unbedeutend. Bei Vergehen bedarf es unter den gleichen Voraussetzungen der Zustimmung des Richters oder des Gerichts. Diese Einsparungen Haden die Möglichkeit ge geben, in die Novelle zwei grundsätzliche Verbesserungen hinein zuarbeiten, die gleich einen Teil der Ersparnisse wieder aufzehren. Programmpunkte aller politischen Parteien heißen die Wün sche aller Prozeßreformer: In Zukunft (von den Reichsgerichts- unb Schwurgerichtssachen abgesehen) keine endgültige Verurtei lung mehr ohne die Möglichkeit der Nachprüfung in einer zwei ten Tatsacheninstanz; in Zukunft keine Strafurteile mehr ohne die Möglichkeit, daß Laien 'nitgesprochen haben. Die Bekämpfung des „Berufsverbrechertums" wird später einmal, und zwar in erster Linie unter den Gesichtspunkten der Sicherung und des Strafvollzuges eigens geregelt werden müssen. Daß die Laien versagt haben, kann ich aus meiner jahrelangen journalistischen Betätigung an einem großen Gericht nicht zugeben. Daß das Schwurgericht, ohne seiner überragenden Stellung beraubt zu sein, als großes Schöffengericht entscheidet, entspricht nicht nur den Gutachten fast aller praktisch tätigen Richter, nicht nur dem Votum des Reichsrates, in dem erfahrene Praktiker zum Worte kommen, sondern auch dem Wunsche vieler Hunderter von Ge schworenen selbst. Dr. Emminger führt Beobachtungen dafür an und stellt fest, daß die ausschlaggebende Beteiligung der Laienrichter beim Schwurgericht geblieben ist. Bei den Notmaßnahmen, die am 1. April wieder außer Kraft treten, sei es nieder-drückend sür das ganze deutsche Volk, daß es sich nur um einige wenige Goldmillionen handelt, deren Fehlen in der Ueberganaszeit, bis die Goldstcuern sich in den öffentlichen Kassen bemerkbar machen, solche Maßnahmen er zwangen. Aber wo blieb auf meinen Notschrei der Mäzen, der diese paar wenigen Goldmillionen stiftete? Der Gedanke, nur solch-e Schössen und Geschworenen zuzuziehen, die mit Rücksicht auf ihre Dermögensverhältnisse, auf Entschädigung verzichten wollen, wurde im Reichstag als bedenkliche Plutokratisierung der Statsrechtspflege abgrlehnt. Meines Erachtens mit Recht. Für die kurze jlebergangszeit wird man mit unserem zwar viel verkannten, aber sehr hochstehenden Berufsrichtertum auskommen können. Die Vorlage liegt, nachdem ihre Grundgedanken in Prak tik und Wissenschaft Jahrzehnte lang erörtert worden sind, in den Grundzügen seit Monaten dem Reichstag vor. Die Notmaß nahmen sind in diesem Entwurf zur Neuordnung der Strafge richte freilich noch nM vorgesehen. Zu der Zeit, wo wir noch die Notenpresse zur Verfügung hatten, wußten wir ja noch nicht, wie sehr wir sparen müssen. Daß die Geldnot die Verabschie dung beschleunigte, wird jeder begrüßen, der nach den endlosen vergeblichen Reformversuchen die Hoffnung auf eine Neuordnung der Strafgerichte aufgegeben hatte. Wenn, wie ich nicht zweifle, die Behörden die Novelle im Sinne einer Verbilligung, aber auch .Verbesserung durchführen, so wird die Reform vor der Ge schichte bestehen können. . lieber den Begriff der Unmöglichkeit der Leistung beim Gat tungskauf heißt es in einem kürzlich ergangenen Urteil des Reichs gerichts: Die Unmöglichkeit einer Gattungsschuld, vielleicht einer auf den Lagerbestand der Beklagten beschränkten Gattungsschuld, ist grundsätzlich in einem wirtschaftlichen Sinne zu denken. Auch im Sinne des 8 279 BGB. kommt es grundsätzlich entscheidend darauf an, ob die Ware durch Mittel, mit deren Anwendung nach Treu und Glauben zu rechnen ist, beschafft werden kann. Regel mäßig wird es geschehen und vorausgesetzt, daß der Verkäufer die Ware am Markte ankauft. Dabei ist immer vorausgesetzt, daß die Ware am Markte vorhanden ist. Eine Ware, die sich bereits in ben Händen der Verbraucher befindet — hier der Holzwarenfabri kanten. die die Schrauben zu verwenden haben —, ist nicht mehr am Markte. « SMlalswege. Lwerkkrm. tlopzwigbt 1920 küt. Lur. N. lüllke, Vre8cken-21. Roman von Matthias Blank. »Aber die Fürstin muß darunter leiden!" „Sie besitzt nicht die Macht, sich frei zu machen. Ich glaube, der Fürst möchte sie am liebsten einsperren, damit er sie wie einen Schmuck besitzt, den er in einem diebessicheren Schrank verwahrt." „Das kann doch nicht dein Ernst sein?" „Es ist so, wie ich dir sage. Sie sollte daran denken, daß Gleiches durch Gleiches zu behandeln ist. Sie müßte erst recht seine Eifersucht reizen. So aber zittert sie vor ihm und denkt nur daran, sich seinen Launen zu fügen. Sie ist eine törichte Frau. Und ihre einzige Entschuldigung ist ihre Jugend." Heinz von Wallendorf antwortete darauf nicht; er dachte daran, wie verschieden Ena von seiner Schwester war, und wieviel Glück sie verdienen müßte. Aber gerade ihr schien es nicht vergönnt zu sein. Als er sich von Ada verabschiedet hatte, mochte er nicht länger bleiben. Was sollte er auch hier, wo ihm alles und alle fremd waren? So ging er, während seine Gedanken bald bei Ena weil ten, für die er Mitleid empfand, bald sich mit der eigenen Schwester beschäftigten, dann zu Mister Melbourne, über den er nachforschen sollte. Er hatte das Haus schon verlassen und stand auf der dunklen, stillen Straße. Er überlegte, welchen Weg er ein schlagen, ob er noch ein Kaffee besuchen oder gleich nach Hause gehen solle, als er einen Lichtschein bemerkte, der von dem rückwärtigen Ausgange der Dilla kam. Wer mochte diese auf so verschwiegenem Wege verlassen, obgleich der vordere Ausgang festlich beleuchtet und für alle Gäste bestimmt war? Sollte es trotzdem noch heimliche Be sucher geben? Mehr zufällig, als in der Absicht zu lauschen, war Heinz von Wallendorf tiefer rn den Schatten der Bäume getreten. Dann schaute er in die Dunkelheit: seine Augen erkannten die sehnige, hohe Gestalt von Axel v. Regensperg. Er war es, der einen Gast auf diesem ungewöhnlichen Wege au» der Billa führte. Weshalb geschah da»? Und wer war Der jüngere Kaehne in der Berufungsinstanz. Aus Berlin Wirtz berichtet: Gegen Karl v. Kaehne jr., ein Mitglied der durch ihre Schießaffären bekannt gewordenen Ritterguts- befitzersfamilie Kaehne auf Petzow bei Potsdam, wurde im Beruf ungsversahren verhandelt. Am 19. September vorigen Jahres war der jüngere Kaehne vom Schöffengericht in Werder wogen Körperverletzung, Nötigung, Beleidigung und unerlaubten Waffentragens zu 9 Monaten Gefäng nis und 6000 Mark Geldstrafe verurteilt worden. Gegen das Urteil hatte er Berufung eingelegt. Der Anklage lagen folgende Vorgänge zugrunde: Der Angeklagte traf am 17. März vorigen Jahres den Arbeiter Lukas beim Holzdieb stahl an. Kaehne schlug Lukas mit dem Kopf gegen einen Bann, und verletzte ihn dabei schwer. Schon vorher, am 28. Januar, traf Kaehne jr. mit einer Anzahl Wandervögel zu sammen, deren Führer er mißhandelte und mit Waffen be drohte. Der Anklagevertreter beantragte die Aufrechterhaltung des ersten Urteils. Das Urteil des Gerichtshofes ging dahin, daß das vorinstanzliche Urteil aufgehoben und der Angeklagte zu sieben Wochen Gefängnis verurteilt wurde. Herr v. Kaehne j!r. hat das Armenrecht der Stadt Werder nachgesncht und erhalten. Er klagt gegen seinen Vater wegen des Majorats, das ihm entzogen werden soll. Schwer bestrafter Fleifchwucher. Das Wuchergericht in Braunschweig verurteilte mehrere Schlächtermeister, obwohl nach Ansicht der Sachverständigen Preistreiberei nicht vorlog, wegen Fleischwuchers zu langen Gefängnis- und hohen Geld st rasen. In einem Fall wurde die sofortige Verhaftung ungeordnet. - -- Löt' Fass rmS -- l Die Erschaffung -er Frach In einer hübschen Form erzählt eine indische Legende, wie die Frau erschaffen wurde. Der Gott Tvasthri (der etwa dem Vulkan der Römer entspricht) war so eben mit der Arbeit der Weltschvpsung fertig geworden. Als eo nun jedoch die Frau ins Loben rufen wollte, bemerkte er, daß er bei der Erschaffung des Mannes schon sein ganzes Schöp- sungsmaterial verbraucht hatte. Er dachte nach, und bald hatte er gesunden, was er suchte. Er nahm die runden Formen des Vollmondes, die Windungen der Schlange, die Geschmeidigkeit der Schlingpslanzen, das Zittern -es Laubes und die Biegsamkeit der jungen Zweige, die Samtweichheit der Blumen, die Leich tigkeit der Feder, die sichenden Augen des Rehes, bas heitere Lächeln des Sonnenstrahles, die Tränen der Wolken, die Grillen des Windes, die Furchtsamkeit der Hasen, die Eitelkeit des Psaues, die Härte des Diamanten, die Grausamkeit des Tigers, die Kälte des Schnees, die Schwaksuckt des Papageis und das Gurren der Taube. Alle diese Eigenschaften mischte Toa durcheinander und schuf daraus das herrlichste Wesen — das Weib. Rousseau als Frauenkenner. Jean-Jacques Rousseau, der große Philosoph, der in seinen Schriften ein so seines Verstäub- nis für das Wesen -er Frau offenbart hat, hielt Anmut für ihre wichtigste Eigenschaft. Wenn man ihm von einer liebenswür digen Dame vorschwärmte, dann nahm er gewöhnlich sein Notiz buch und sragte: „Ist sie hübsch?" Aus die bejahende Antwort setzte er eine Null hin. „Geistreich?" wieder eine Null usw. Schließlich fragte -er: „Hat sie Anmut? Wieviel? Vierfach oder fünffach?". Die angegebene Zahl setzte er dann vor -ie Nullen und bestimmte so ben Wert. Der Habsburgische Vasenteppich in Privatbesitz. Der aus ehemals habsburgischem Hausdösitz stammende berühmte Vasen teppich aus dem 17. Jahrhundert, ein Wunderwerk altorienta- lischer Teppichknüpfkunft, ist mit Erlaubnis der Bundesregierung und der interalliierten Mission in Privatbesitz übergegangen. Der Teppich war ein Geschenk eines orientalischen Fürsten an das habsburgische Haus. Der Teppich erzielte einen außerordent das habsburgische Haus. Der Teppich erzielre einen außerordent lich hohen Preis. MM»»»»»»*«»»»»«»»»« »»»MI»»«»»»»»»»«««»»«»»* rbeamvrana in Neustrelitz Neustrelitz, 15. Januar. Vor Tagesanbruch brach heute im Gebäuckc ves LauveS- theaters Feuer aus, das in wenigen Stunden den ganzen Bau bis auk die Grundmauern ein äscherte. Uber die Ursachen des Brandes konnte bisher nichts er- inittclt werden. Am Abend vorher hatte eine Vorstellung nicht stattgefunden. Der größte Teil des wertvollen Theaterfunbus, Deko rationen, Garderobe, auch die Privatgarderobe der Künstler ist ven Flammen zum Opfer gefallen. Der Zuschauerraum, das Foyer, die meisten Räume sind völlig ausgebrannt. Dachstuhl und Kuppel sind heruntergebrochen. Der Schaden ist für Stadt und Land Strelitz sehr bedeutend, auch künstle risch, da die Leistungen des Theaters auf einer achtbaren Höhe standen. Aus allen Richtungen gingen allwöchentlich sogenannte Theaterzüge nach der Landeshauptstadt, wo dem Publikum ein reicher Splelplan von Opern und Schau spielen geboten wurde. Die Halloren beim ehemaligen deutschen Kronprinzen. Die historische Salzwirkerschaft der Halloren sandte früher regelmäßig am Neujahrstag eine Abordnung an den Kaiserhof in Berlin, um der kaiserlichen Familie durch Aeberreichung von Salz, Soleiern und Schlackwurst -ie Glückwünsche für das neue Jahr zu überbringen. Jeder preußische Herrscher dagegen mußte bei seinem Regierungsantritt den Halloren ein Pferd und eine Fahne schenken. Auch der berühmte Silberschatz der Halloren, der einen unersetzlichen materiellen und kulturellen Wert darstellte und der vor einiger Zeit nach Amerika verkauft werden sollte, stammt größtenteils von ben Hohenzollern. In diesem Jahr haben nun drei Abgesandte -er Halloren den ehe maligen deutschen Kronprinzen anläßlich seiner Rückkehr aus Holland auf seinem Schlosse Oels «begrüßt. Der Kronprinz gab seiner Freude Ausdruck, wieder in Deutschland zu sein, er vev- sicherte den Halloren ausdrücklich, daß er sich von jeder Politik fernhalten und lediglich als Privatmann in Deutschland leben, werde. Schweres Eisenbahnunglück in Polen. Auf der Strecke Lemberg—Stoblunow stießen in der Nähe der Station Michailowka zwei Personenzüge zusammen; vierzehn Personen wurden getötet und 31 teils schwer, teils leichter verletzt. Die beiden Lokomotiven und zwei Personenwagen wurden aänzlick zertrümmert. verkeMerleichterungen rwiscken besetztem «nü ««besetztem gebiet. Eine Verordnung des französischen Generals Degoutte gewährt eine Reihe weiterer Erleichterungen für den Per sonenverkehr zwischen besetztem und unbesetztem Gebiet. Danach muß jeder über 16 Jahre alte Einwohner des be setzten Gebietes im Besitz eines Personalausweises sein, mit dem er die Grenze zwischen besetztem uns unbesetztem Gebiet passieren darf. Für die Einwohner von Grenz bezirken ist ein besonderer Passierschein der zuständigen Militärkommandantur notwendig. Bewohner des übrigen, unbesetzten Deutschlands bedürfen jedoch nach wie vor eines besonderen Geleitscheines, auf den verzichtet werden kann, wenn es sich um eine Durchreise vom unbe setzten Deutschland nach dem Auslande oder umgekehrt handelt. Heine Mvatislekung Her HeiAzbabn Erklärungen SserS tn Stuttgart. Reichsverkehrsminister Oser war in Stuttgart an« wesend, um mit der württembergischen Regierung ins besondere laufende Verkehrsfragen zu besprechen. Dabei wurde neben der Frage der Gütertarife u. a. auch die Frage der Umgestaltung der deutschen Reichsbahn, die im Zusammenhang mit der Finanzierungsfrage in letzter Zeit öfter erörtert worden ist, eingehend behandelt. Der Neichsverkehrsminister erklärte, daß an eine Privati- sierungderNeichsbahnnichtgedachtwerde^ daß vielmehr beabsichtigt sei, die Reichsbahn nach wie vor im Eigentum des Reiches zu behalten und aus volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu betreiben. Wie die Reichsbahn im Nahmen eines allgemeinen Pro gramms umgcstaltet werden wird, und wie die Interessen der früheren Eisenbahnländer mit dieser Umgestaltung in Einklang gebracht werden können, bedürfe noch ein gehender Prüfungen. dieser Besucher gewesen? Eine lange, hagere Gestalt war es mit wiegendem Gange. Heinz von Wallendorf konnte kein Wort verstehen; aber das vermochte er doch zu erkennen, daß Axel von Regensperg dem Fremden erregte Worte zuraunte. Dann trat Axel zu rück; der Mann eilte auf die Straße, und Heinz erkannte ihn. Aber dieser Besucher war nicht unter den Gästen gewesen. Das wußte er bestimmt. Weshalb wurde er von Axel emp fangen und warum aus dieser Seitenpforte entlassen? Der Fremde war der alte „Malefaz") Bonifaz Hellmannberger, der alte Diener des ermordeten Barons von Regensperg. Was hatte der von Axel von Regensperg gewollt? Und warum sollte er nicht gesehen werden? So seltsam erschien dies Heinz von Wallendorf, daß er dem Diener nachdenklich folgte. * Ein langer, schmaler, mit flachen Steinen gepflasterter Hof war es, den so hohe Mauern einschlossen, daß die Strah len der Sonne nur Men bis auf den Grund des Bodens fielen. Eine schrille Stimme rief von Zeit zu Zeit immer wieder die gleiche Warnung: „Nicht stehen bleiben, weiter gehen!" Die Gestalten in den graublauen Kitteln, die an ben größtenteils hageren Gestalten wie Säcke schlotterten, pingen dann hastender weiter, immer eine hinter der anderen: die Ketten klirrten, die an den Handgelenken hingen und die Füße umschlossen, damit die Schritte nicht zu groß gemacht werden konnten. Die Gesichter dieser Männer waren zumeist knochig und eingefallen, die Backenknochen vorstehend, die Bartstoppeln rauh und ergraut, so daß fast alle Gesichter schmutzig erschienen. In den Augen aller glomm ein scheues Flackern. Einer der beiden Aufseher schaute auf seine Uhr, ob die Zeit des Spazierganges nicht bald abqelaufen wäre. Aus dem Tore, das von den Jnnenräumen nach dem Hofe führte, war eine neue Gestalt gekommen, die sich dem einen Aufseher näherte und ihm ein paar Worte zuflllsterte. Der nickte und rief mit schriller Stimme: „Sechsundachtzig. Nummer sechsundachtzig." Unruhe entstaub in den Reihen der Gefangenen; einer blieb wie aufgeschreckt stehen, wodurch auch der hinter ihm , folgende anhielt, dann die nächsten ebenfalls: der Kreislauf r geriet in» Stocken. t „Nummer sechsundachtzig vortreten! Die anderen geht das nichts an, die sollen weitergehen." Ein Mann trat aus der Reihe; von dem graublauen Kittel hob sich die schwarze Zahl 86 ab. Die anderen schritten lässig schleppend weiter; die Lücke war bald wieder geschlossen. Der Gerufene, ein Sträfling mit fahlem, aschgrauem Gesicht, kurzgeschorenem Haar, großen, glanzlos erscheinenden Augen, in denen längst jeder Lebenswille erloschen schien, trat vor den Aufseher. „Führst du ihn selbst nach dem Sprechzimmer?" Der Angekommene nickte und ging dann voran, während ihm Nummer 86 folgte, den Kopf gesenkt, die Augen auf den Boden gerichtet. Nummer 86 aber war Anton von Regensperg. Wer ihn gekannt hatte in seiner leichtsinnigen Lebenslust, dem waren die roten Wangen in Erinnerung, das stolze Gesicht und das dichte, braune, gewellte Haar; von allen würde ihn kaum einer wiedererkannt haben. Nummer 86 folgte dem Aufseher. Nichts regte sich in ihm, weder Erwartung noch Neugierde, am wenigsten Hoff nung. Er dachte nicht nach, weshalb man ihn weggerufen haben mochte. In einem Jahre war das alles in ihm erstor ben; er grübelte nicht mehr über die Vergangenheit nach un fein Leiden wurde zusehends schlimmer, sein ganzes Wesen stumpfer und trüber. Der zweite Aufseher wies ihn in Has Sprechzimmer unv rief ihm zu: „Zehn Minuten sind erlaubt." Der Gefangene blickte gleichgültig auf. „Anton!" Bei diesem Ruf trat in die dunklen Augen des Sträf lings doch ein rasches, wenn auch ein mattes Aufleuchten. „Heinz! Denkst du immer noch an mich?" „Du weißt, daß ich mich nach wie vor als deinen Ver treter ansehe. Ich hoffe immer noch," sagte Heinz von Wallendorf. (Fortsetzung folgt.)