Volltext Seite (XML)
Das Wilsdruffer Tageblatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Nossen. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. -Anzeigenpreis: die ^gespaltene Raumjoile 20 Doldpfennig, die 2gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Wold- pfenvig, die 3 gcspalteneReklamezeNe im textlichen Teile iso Doldpfennig. Nachweisungsgebühr 20 Goldpfennige. Dor- gefchrieb-neTrlch-inungs- c»- er tag-und Platzvorschriften werden nach Möglichkeit UerNsprScher: AM! WttSdrUff Nk. v berücksichtigt. Anzeigen annahme bis oarm.IOUHr —— Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Radattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingczogen werden muß oder der Auftraggeberin Konkurs gerät. Anzeigen nehmen all- Vermittlungsstellen entgegen. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, »«.Wilsdruffer Tageblatt- erscheint täglich nachm. 5 Uhr für den folgenden Tag. Vezugspreir: Bei Abholung in dar GrfchSftsstelle und den Ausgabestellen 2 Mk. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 Mk., bei Postbestellung !Hg. «LaVen Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Uilger und Geschäftsstellen nehmen zu j-d-r Zeit B-. »Älungc» entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung der Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto b-tliegt. Nr. 183 — 83. Aahrgang Tclcgr.-Adr.: »Amtsblatt» Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Donnerstag, 7. August 1924 ver zpringenae Punkt. Während Herriot es ablehnen mußte, bei dem jetzigen Stande der Londoner Verhandlungen nach Paris zu kommen, um dort vor der Kammer und dem Senat zu sprechen, hatte es Macdonald bequemer. Er brauchte sich nicht aus London zu entfernen und konnte dem Wunsch des Parlaments folgen, diesem recht ausführlich Rede undAntwort zustehen. Das ist denn auch amMontag recht gründlich geschehen, zumal die Fragelust, namentlich bei Lloyd George, recht rege war. Hier bewährte sich wieder in einem gewissen Sinne die englische Einrichtung, daß der verantwortliche Negierungsleiter sofort gestellte Fragen beantwortet, wodurch sich lange Jnterpellations- debatten, wie sie bei uns bei allen möglichen Gelegenheiten üblich sind, vermeiden lassen. Durch die jetzigen Verhandlungen im Unterhause ist die ganze Angelegenheit allerdings nicht viel weiter ge kommen. Macdonald gab nur Aufschluß über die Punkte, über die eine Einigung erzielt worden ist. Das einzige, was er positiv ausdrückte, war die Hoffnung, daß es gelingen werde, einen neuen Geist des Zusammen wirkens aus beiden Seiten zu schaffen. Der englische Premier gab weiter zu erkennen, daß sich seine Haltung zu den Hauptproblemen nicht geändert habe. Als Haupt ziel seiner Politik ließ er erkennen, in der S a n kt i o n s - frage ein unparteiisches Schiedsgericht unter Um ständen walten zu lassen und alle strittigen Fragen, die bei der Auslegung des Versailler Vertrages auftauchen, dem internationalen Schiedsgericht im Haag zu unterbreiten. Man muß sagen, daß das letztere ein immerhin erstrebenswertes Ziel ist. Hätte sich Frankreich schon früher dazu verstanden, wobei dahin gestellt sein mag, ob es sich jetzt dazu versteht, dann wäre der unsägliche Wirrwarr der letzten Jahre vielleicht zu einem Teil vermieden worden. Nach den Äußerungen Macdonalds will man auf der Konferenz hauptsächlich drei Vereinbarungen durchführen, eine zwischen der deutschen Regierung und der Reparationskommission hinsichtlich der Fragen, die innerhalb der Zuständigkeit der Reparationskommission liegen, eine weitere zwischen der deutschen Regierung und den Alliierten über die Fragen, die durch direkte Verein barungen zwischen diesen Negierungen geregelt werden müßten, und endlich eine solche unter den Alliierten selbst über Fragen, die die Alliierten selbst angehen. Als eine erfreuliche Tatsache kann man es ansehen, daß man aus den Ausführungen herauslesen kann, die englische Regierung sei nach wie vor von der Unrecht mäßigkeit der Nuhrbesetzung überzeugt. Für uns ist ein solches Zugeständnis allerdings nur platonisch und recht fragwürdig, zumal ja die englische Regierung nichts unternommen hat, um hier dem Bundesgenossen fein Unrecht recht drastisch zu Gemüte zu führen und ihn zu veranlassen, es möglichst schnell wieder gutzumachen. Da England in diesem Punkte nie ohne weiteres zu feinen Worten stand, so ist nicht anzunehmen, daß es in Zu kunft einen Druck ausüben wird. Im Gegenteil, man er klärt immer, einen wie großen Wert man auf die Freundschaft mit Frankreich legt. Dieser Freundschaft opfert man deshalb ruhig die Interessen anderer, obwohl man betont, wie berechtigt deren An sprüche sind. Herr Macdonald hat sich aus dieser für die englische Regierung unangenehmen Lage dadurch befreit, indem er sich die These zu eigen machte, daß die Frage der Ruhrbesetzung aus den Konferenzverhandlungen selbst auszuscheiden habe und eine Verständigung allein zwischen Frankreich, Belgien und Deutschland zu empfehlen sei. Das ist der springende Dunkt, bei dem die deutsche Delegation einhaken muß. Von der deutschen Negierung nahestehender Seite ist ja auch j schon in der Presse zum Ausdruck gebracht worden, daß ' man sich der französischen Formel nicht anschließen I kann, wonach die Nuhrbesetzung noch mindestens zwei l Jahre zu dauern habe. Die deutsche Regierung kann sich dabei auf englische Urteile berufen und schließlich selbst auf französische Stimmen, unter denen die von Poincarö nicht die unwichtigste ist, die besagte, daß die militärische Besetzung nur zum Schutze der wirtschaft lichen nötig war. Frankreich will diese letztere aber auch nur in Etappen abbauen. Bei seiner Kunstfertigkeit, die Dinge in die Länge zu ziehen, muß deshalb von deutscher Seite eine Garantie für schnellste wirtschaftliche Räumung verlangt werden. Nur so verstanden, wäre für uns die Formel tragbar, daß wirtschaftliche und mili tärische Räumung gleichzeitig erfolgen sollen. Günstiger Eindruck der Marxrede in London. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". London, 6. August. Die Schlußrede, die in der gest rigen Vollsitzung der Konferenz Reichskanzler Dr. Marr in Er widerung auf die Begrüßungsansprache des englischen Minister präsidenten Macdonald gehalten hat, hat in allen politischen Kreisen einen unverkennbar günstigen Eindruck hervorgerufen. Die erste WW.mit der deutschen Delegation. Marx erhofft Verständigung London, 5. August. Auf dem Liverpoolstreet-Bahnhof hatte sich heute eine große Menschenmenge angesammelt, um die deutsche Dele, gation einfahren zu sehen. Kurz vor neun Uhr lief der Zug ein. Zum Empfang waren mehrere Mitglieder des Auswärtigen Amtes, darunter Minister Wigram, von der deutschen Botschaft Botschaftsrat Dufour-Feronce, Graf Bernstorff, Baron v. Plessen, sowie zahl reiche Vertreter der deutschen und ausländischen Presse erschienen. Als erster stieg Botschafter Sthamer, der der Delegation nach Harwich entgegengefahren war, aus dem Zug. Es folgte Außenminister Dr. Stresemann und dann Reichskanzler Dr. Mar x. Die deutschen Herren begaben sich alsbald in Automobilen nach dem Ritz-Hotel. Einem Vertreter Reuters erklärte Reichskanzler Marx: „Wir kommen mit dem aufrichtigen Wunsche hierher, dabei zu helfen, die beste Methode zu finden, um den Dawes-Bericht unverändert und im Geist seiner Verfasser in Wirksamkeit zu setzen. Wir beabsichtigen, unseren Teil beizutragen zu einer loyalen Erfüllung der Bedingungen des Berichts. Wir zweifeln nicht, daß wir den gleichen Geist in London vorherrschend finden werden, und wenn das der Fall ist, so kann man sicher annehmen, daß eine Verständigung bald erfolgen wird." Die vorgesehene Konferenz mit den deutschen Ver tretern wurde im Auswärtigen Amt kurz nach Mittag er öffnet. Macdonald kam zu Fuß. Als erste kam die italienische Delegation, dann die Japaner und Ameri kaner. Dann folgte die deutsche Delegation, im ersten Auto .saßen Reichskanzler Marx und Außenminister Dr. Stresemann, im zweiten Reichsfinanzminister Dr. Luther. Zuletzt kamen die Belgier und Franzosen. Die Verhandlungen dauerten nicht lange. Morgen wird eine weitere Vollsitzung stattfinden, und man hofft, daß die Deutschen bis dahin, wenn nicht vollständig, so doch wenigstens allgemein die von der Konferenz bisher ausgearbeiteten Dokumente geprüft haben. Obwohl die Delegierten es ablehnten, sich über die allgemeine politische Lage auszusprechen, so besteht doch kein Zweifel daran, daß keiner den Wunsch hegt, die Kon ferenz unnötig zu verlängern. In der Tat besteht in vielen Kreisen daK Verlangen, alle Fragen so schnell wie irgend möglich zu erledigen, wenn auch einer von den Delegierten erklärte: „Wir brauchen Zeit, um die Lage zn besprechen." * Rede« sss Mcdmld Md Marx. Bei Eröffnung der Konferenz hielt Macdonald eine kurze Ansprache, welche die deutschen Vertreter willkommen hieß, die nach London gekommen seien, um über dre Mittel zu verhandeln, die den Sachverständigenbericht m Kraft setzen sollen. Er hob hervor, daß die Verantwort lichkeiten, die der Dawes-Plan auferlege, angenommen werden sollten, nicht nur weil es nötig fei, sondern weil der allgemeine Wunsch bestehe, daß ein ernster und ehren hafter Versuch gemacht würde, die Verpflichtungen zu er füllen, die durch Unterschriften gedeckt seien, und daß nach Verhandlungen, in denen jede Partei gehört worden sei, Vie Hauptziele Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". London, 8. August. Ich erfahre soeben, daß die deutsche Delegation von Mac Donalds Worten über das gewünschte Ende am Sonnabend unangenehm überrascht war. Sie befürchtet, daß diese Eile einen schlechten Eindruck in Deutschland machen würde und machte nach der Vollsitzung dies gegenüber Mac Donald gel tend. Daraufhin wurden die betreffenden Worte Mac Donalds in dem offiziellen Kommunique über die Vollsitzung gestrichen. Die deutschen Vertreter erklärten, daß sie in erster Linie nur zwei Bestrebungen hätten: Die Freiheit der Ruhr und die Rege lung der Eisenbahnfrage in deutschem Sinne. Englische Kreise entnehmen aus den Gesprächen mit den Deutschen, daß die Deut schen mit den Franzosen und Belgiern Wer die militärische Räu mung des Ruhrgedietes in direkte Verhandlungen treten wollen. Nachtarbeit in Loncton. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". London, 6. August. Die deutsche Delegation wird die ganze Nacht an dem Studium der überreichten Dokumente ar beiten. neue Unterschriften erfolgen müßten. Die Alliierten hätten den Wunsch, der deutschen Regierung gewisse Ver einbarungen, die zwischen ihnen zustande gekommen seien, mitzuteilen, und sie wünschten, insoweit als dies eine Zu stimmung der deutschen Regierung erfordere, mit den Deutschen Verhandlungen zu pflegen. Macdonald erklärte, daß die Arbeiten der Konferenz durch die Erörterung des Dawes-Planes begrenzt würden, und gab der Hoffnung Ausdruck, daß der Geist der Zusammenarbeit eine baldige Vereinbarung ermöglichen würde, deren Folge von Vor teil für die freundlichen Beziehungen zwischen den euro päischen Mächten wäre. Reichskanzler Marr sprach in kurzer Erwiderung im Namen der deutschen Delegation seinen Dank für die freundlichen Worte, mit denen sie begrüßt worden seien, aus und bemerkte, daß die bevorstehende Ausgabe von ent scheidender und geschichtlicher Bedeutung sei. Die deutsche Delegation sei überzeugt, daß das Schicksal Deutschlands und Europas von der Lösung jener Aufgabe abhinge und daß dies nur im Geiste friedlicher Vereinbarung und unbedingter Aufrichtigkeit geschehen könne. In diesem Geiste wolle die deutsche Delegation verhandeln. Die Wiederher stellung gegenseitigen Vertrauens sei eine Lebensfrage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit der Völker. Die deutsche Delegation sehe in dem Sachverständigenplane eine Methode, die das deutsche Volk zu Freiheit und Frieden führen könnte und sollte. Sobald die wesent lichen Bedingungen für eine wirtschaftliche Tätigkeit wiederhergestellt worden seien, würde sich das deutsche Volk mit ganzer Kraft der Ausführung seiner von ihm verlangten schweren Verpflichtungen widmen. Der Reichs kanzler bestätigte die Erklärung der deutschen Regierung, daß der Dawes-Plan als eine geeignete Grundlage für die Lösung der Reparationsfrage betrachtet werde, und fügte hinzu, daß in Erwartung einer Vereinbarung während der Konferenz, seine Negierung damit einver standen sei, daß die Gesetzentwürfe, die durch die Organi sationskomitees auf Grund der Bestimmungen des Dawes-Planes vorbereitet seien, sertiggestellt würden. Macdonald gab darauf der Hoffnung Ausdruck, daß die Arbeiten der Konferenz Freitag abend beendigt sein möchten. Den deutschen Delegierten wurden die von der Konferenz ausgearbeiteten Schriftstücke überreicht mit der Bitte, ihre Einwendungen möglichst bald schriftlich nieder- zulcgen. * Finanzielle Bedenken. Aus London meldet der „Petit Parisien", daß es Pierpont Morgans erste Sorge gewesen sei, nach seiner Ankunft in London nicht nur Fühlung mit seinen Direk toren und den amerikanischen Sachverständigen, sondern auch mit den alliierten Delegierten zu nehmen. Das Blatt glaubt zu wissen, daß die Finanzleute der City zögerten, sich mit den von der Konferenz vorgesehenen Garantien zufrieden zu erklären, während Morgan diese Garantien als ausreichend erachte und zusammen mit den übrigen amerikanischen Kreditinstituten einen Anleihe abschnitt zeichnen werde, der bis zu 602S gehen könne. Ein Finanzmann sprach die Meinung aus, daß die französische Sanktionsfreiheit der Anleihe in England selbst viel Schaden tun werde. Er rechnet Amerika mit 60A ein und meint, England werde Wohl oder übel mit den übrigen 40 2S nachkommen müssen. Aber sehr einfach sei es nicht. Schuld trage allein die Vergewaltigung des Dawes-Berichts in der Sanktionsfrage. Mr Muttchen. 8 v H Zinsen für die Anleihe Paris, 6. August. Die „Information" erfährt aus Neu york, daß nach Ansicht maßgebender Finanzkreise der Walstreet der Zinsfuß der deutschen 8VO-Millionen-Anleihe nicht weniger als 8 v. H. betragen wird. Houghton nach London abgereist. Berlin, 6. August. Der amerikanische Botschafter Hough ton ist gestern früh nach London abgereist. Französische Zurückhaltung gegenüber Rußland. Pa ris, 6. August. Zum Abbruch der englisch-russischen Besprechungen schreibt das „Journal des Debats": sichere Re gierung, die in leichtfertiger Weise Anstalten zum Abschluß eines Abkommens mit den Sowjets getroffen hat, wird gut daran tun» über das Fiasko der Londoner Konferenz nachzudenken Wir haben den Sowjets nichts anzubieten und können die Bejpr.chun- gen mit ihnen zu keinem Ergebnis führen. Im Gegenteil, wir setzen dabei alles aufs Spiel.