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Wilsdruffer Tageblatt : 15.01.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-01-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192401150
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19240115
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19240115
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-01
- Tag 1924-01-15
-
Monat
1924-01
-
Jahr
1924
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 15.01.1924
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Aufgehobene Separatistenverordnungen. Die Verhandlungen zwischen der englischen und der französischen Regierung über die pfälzische Frage haben den Erfolg gehabt, dass Frankreich in die Suspendierung der Verordnungen der pfälzischen Separatsten eingewilligt hat. Diese von den französischen und belgischen Mitgliedern der Nheinlandkommission bereits registrierten Verordnungen wären am 13. Januar in Kraft getreten, wenn kein Ein spruch gegen sie erhoben worden wäre. Infolge des eng lischen Widerspruchs ist jetzt die Gefahr abgewendet, daß die Verordnungen der Separatisten vom 13. Januar rechts gültig werden. Vergeltungsmaßnahmen in Ludwigshafen. Als Vergeltungsmaßnahme für die Vorgänge in Speyer ist von den Franzosen Mittwoch die Verkehrssperre von 9 Uhr abends bis 5 Uhr morgens verhängt worden. Da der Verkehr zwischen Mannheim und Ludwigshafen sich aus den Eisenbahnbetrieb beschränkte, konnten die Züge den un geheuren Andrang kaum bewältigen. Der Personenverkehr auf der Rheinbrücke ist eingestellt. Wie ferner gemeldet wird, verlangen die Franzosen die Anlegung von zwölfneuen Truppenübungs plätzen und den Bau von drei neuen Kasernen auf deut schem Boden. Italienische« Urteil. DaS römisch« .Giornale d'Jtalia' schreibt über daS Regiment der Franzosen in der Pfalz, «S sei gleich dem des Herzogs Alba in den Niederlanden. Die bewaffneten sepa- ratistischen Banden seien nicht besser als die spanischen Landsknechte, und so etwas geschehe in einer Provinz die «rdeutsch sei. Die Speyerer Tragödie beweise, daß, wen» daS patriotische Gefühl eines großen zahlreichen Volkes herausgefordert werde, die Gegenaktion bald ein- fetzte und alle Hindernisse überwinde. Wenn in der Pfalz «ine gesetzmäßige Regierung vorhanden wäre, würden die Separatisten wegen Hochverrats verurteilt werden. Jetzt aber, beschützt durch fremde Bajonette, quälten Ile diejenigen ungestraft, die dt« Pflicht eines freien Bür* gers erfüllten. s -- SH/MKe KMWav « - Eine Note der Reichsregierung an Nollet. Berlin, 13. Ian. Die Note, die von der Reichsregie- rung am 9. Januar an die Interalliierte Militärkontroilkom- mission gerichtet worden ist, hat folgenden Wortlaut: „Ich beehre mich, den Empfang Ihrer Note vöm 30. v. M. zu bestätigen, in der Sie ankündigen, daß am 10. und 12. Ja nuar in Rostock, Berlin, Dresden, Stuttgart, München, Pader born, Breslau und Frankfurt am Main Kontrollbefuche vvr- genommen werden sollen. Die deutschen Verbindungsstellen und die für die Kontrolle selbst in Betracht kommenden Be- Hörden sind angewiesen, den Konttollofsizieren die Durchfüh rung dieser Besuche zu ermöglichen. Die Reichsregicrung hat mich indessen beauftragt, Ihnen, Herr General, bei dieser Ge legenheit zu erklären, daß ihrer Ansicht nach die Kontrollkom mission ihre Aufgabe, soweit diese sie mit militärischen Stellen ' in persönlichen Kontakt bringt, beendet hat. Diejenigen Aus- ! gaben, welche die Bolschafterkonferenz als noch offen betrachtet, und an deren Durchführung die deutsche Negierung mitzuwi.ken durchaus bereit ist, erfordern keine Besuche bei militärischen Stellen. Abgesehen von jenen noch offenen Aufgaben ist alles, was der Teil 5 des Vertrages von Versailles an Abrüstungs- forderungen enthält, längst erfüllt worden. Der durch diese Ab rüstung geschaffene Zustand unterliegt nach Artikel 213 des Vertrages von Versailles nicht dauernder Kontrolle, sondern lediglich der Möglichkeit einer etwa aus besonderen Gründen vom Rate des Völkerbundes anzuordnenden Spezialunter ¬ suchung. Wenn die deutsche Regierung gleichwohl für die für den 10. und 12. 1. in Aussicht genommenen Kontrollbefuche die Voraussetzungen geschaffen hat, so hat sie das getan in der gewissen Erwartung, daß ihre eben dargelegte Rechtsauffassung auch bei der Interalliierten Militärkontrollkommission volle Würdigung finden und daß von weiteren Kontrollbesuchen ab gesehen werden wird. Gez. Mvraht." Der Vvlkerbundskandal. London, 13. Ian. „Observer" nennt in einem Leit artikel über den Einfluß des Völkerbundes in Europa das Jahr 1923 bas schlimmste der vier Jahre, die auf den großen Fehl schlag von Versailles gefolgt seien. Es begann mit der Wieder aufnahme des Krieges gegen Deutschland seitens Frankreichs in schwerer Verletzung eines seierlichst unterzeichneten Vertrages. Die unblutige Annexion kostete in 12 Monaten fast 150 Ein wohnern des Rührgebietes und des Rheinlandes das Leben. Ueber 100 000 Menschen wurden von ihren Wohnstätten und aus ihrem Berufe vertrieben, Der Abschaum der Bevölkerung wurde ermutigt, organisiert und bezahlt, um die große Mehrheit ihrer Landsleute einzuschüchtern, bis die Not -sie zwingt, die Ab hängigkeit von einer Nation anzunehmen, mit der sie weder Sprache noch Gewohnheiten gemeinsam haben. Noch in letzter Woche habe die Ermordung von Deutschen durch Deutsche der augenblicklichen Politik Frankreichs eine neue Verantwortung auferlegt. Das Saargebiet sei in vieler Hinsicht ein noch dunk lerer Punkt als das Ruhrgebiet und das Rheinland. Auch dort werde aller Scharfsinn aufgewendet, um Besetzung in Annexion umzuwandeln. Dort sei der Völkerbund durch Duldung der in seinem Namen begangenen Mißbräuche direkt in den Skandal verwickelt. Der Fehlschlag des Völkerbundes könne an der Tat sache gemessen werden, daß er an den Hauptbewegungen des letzten Jahres überhaupt nicht teilgenommen habe. Er führe ein halbes Dasein auf dem Kontinent, der eine Million Menschen mehr in Waffen halte -als im Jahre 1914. Diese Tatsachen, so erschreckend sie seien, könnten nach Ansicht des „Observers" den wirklichen Bund, der noch geschaffen werden müsse, nicht zerstören. „Poineare mutz andere Politik treiben." Französisch« Reparattoxtzdestatt«. Patt», 1L JanE. In der französische« Kammer behandelte man wteder ein» mal die Außenpolitik, wobei der Führer der Radikalen, Herriot, eine große Rede hielt, bei der natürlich die Au»« einandersetzung mit Deutschland im Vordergrund« stand. Herriot sagt« n. a.: Wenn die Beratungen der Sachver-, ltändigenauSschüsse Erfolg hätten, dann ist der Friede nahe; wenn sie scheitern, dann werde Frankreich «ndgültiG isoliert sein. Es komme nicht nur darauf an, zu wissen^ wieviel der Besiegle zahlen kann, sondern es sei auch wichtig zu wissen, wieviel Sachlieferungen der Sieger verwerte« könne, ohne sich selbst zu schädigen. Auf einem antiken Relief sei der Sieger abgeblldet, wie er de« Besiegten am Strick Hinte» sich her zieht. Heute seien Sieger und Veste,te durch den gleiche» Strick »usamme»- ,evunden. Frankreich sei an der Verwertung der Sachlieserungen ver hindert worden, weil e« sein« Aufmerksamkeit darauf ver» wendet habe, seiner eigenen Industrie Vorteil« zuzu schanzen. Die Nuhrbesetzung könne di« Reparation»- frage nicht lösen. (Zustimmender Zwischenruf Potncars»^ Eine andere Politik müsse eingeschlagen werden. Herriol rritt für Versöhnung mit England, Annäherung a« Rußland und Amerika ein. Frankreich solle sich in die sepa« ratistische Bewegung in Deutschland nicht «inmiscken. Mit einem Deutschland, da» der Anarchie verfalle, sei da» Reparationsproblem nicht zu lösen. Der Redner hielt es auch für falsch, auf die Rechbergschen Pläne kommend, eine Invnstriebeteiligung oder -Vereinigung zu bauen, solche Dinge führten zum Abgrund und von der wirtschaftlichen zur politische« Diktatur. Die Herstellung de» wirklichen Frieden», ohne de» deutsche» ^ndnstrielOn überwiegenden Einfluß zu geben, sei der. beste I »ea zur »er «keMkEomrzrey«. «e »ach»erfM«W« l müßten zunächst der deutsche» Großindustrie »a« »« - Gurgel springen', wenn etwa» erzielt werden solle. Auch ne Frankreich sei die großinbustrielle Macht übermäßig ent wickelt. (Poincarö rief dazu: ^Jch bin unabhängig!') Fran» reick müsse Mäßigung zeigen, dann könne man von Deutschta»» mir Reckt verlangen. Reparationen zu zahlen. - * M/rye M/WHe » - Einberufung des Reichstags? Berlin, 13. Januar. Der Reichstagspräsident hat seine Entscheidung über die Einberufung des Reichstags noch vor Ende Januar davon abhängig gemacht, ob eine Mehrheit der siiraktionen eine frühere Einberufung wünschen sollte. Die Serbisch-italienisch« Verständigung. Berlin, 13. Januar, über das in Belgrad zustande ge kommene Abkommen zwischen Nom und Belgrad lässt sich di« Sonntagbninmüer des Berliner Börsen-Lurirrs ans Mai land melden, die Wirkung bestehe im wesentlichen in der Ver einigung von Fiume mit Italien im Austausch von BaroS und des Deltas an Südslawien. Weitere Einzelheiten des Ver trages sind noch nicht bekannt; mit einem Besuch des serbi sche» Königsin Rom ist in allernächster Zeit zu rechnen. Kundgebungen gegen die Militärkontrolle. Stuttgart, 13. Januar. Hier wiederholten sich gestern abend die Kundgebungen gegen die Mitglieder der interalliierten Militärkontrollkommission, doch ohne daß e» zu ernsthaften Zwischenfällen kam. VHreacnstaten der Separatisten. Speyer, 13. Januar, vis gestern abend wurden von den Separatisten in der Pfalz 70 Beamte und Privatpersonen mit 130 Angehörigen ausgewiesen «nd 400 Personen verhaftet. Bei den Angriffen der Separatisten wurden bisher auf beide» Griten 30 Menschen netötet und über 100 verlebt. Politischer Mord in Berlin. Berlin, 13. Januar. Den Polizeipräsident setzt eine Be lohnung von 500 Mark auf die Entdeckung der Mörder des Friseurs Johann Rausch aus, der erschossen aufgefunden wurde. Festgestellt ist, daß der Mord aus politischen Beweg gründen ausgeführt wurde. Rausch war Mitglied der komm»»- nistischen Partei und wurde deS Patteiverrats bezichtigt. - Lohntarif für den Kalibergbau. Berlin, 13. Januar. Im Anschluß an die Regelung der Arbeitszeit im Kalibergbau ist gestern ein Lohntarifvertrag zum Abschluß gekommen, in dem der Häuerschichtlobn auf 4^30 Mark sestgesetz« wird Die Bischöfe für Hypothekenaufwertung. Breslau, 13. Januar. In einer Eingab« an den Reichs kanzler warnt Fürstbischof Bertram von Bre»lau in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Fuldaer Bischofskonferenz vor den Folgen einer gänzlichen Abweisung der Hvythelenauj- wertung. Eine solche Abweisung verstoße gegen alle Grundsätze der Gerechtigkeit und gegen das gesunde Rechtsempfinden, und seien verhängnisvoll für weite VolkSkreise. Arbeitsunruhen in Köln. Köln, 13. Januar. Au starke» Krawallen kam eS gestern «» mehreren Vororten infolge der Zwistigkeiten über die Dauer der Arbeitszeit. Sturmtrupps der Arbeiter drangen in einige Werke rin und richteten Zerstörungen an. Die Polizei muKe wiederholt einfchreiten. 120 Personen kamen wegen Land friedensbruch zur Anzeige. Der Direktor einer Aktiengesell schaft wurde schwer mißhandelt. Verhandlungen über die Arbeitszeit. Köln, 13. Januar. Morgen werden sich in Essen dir Ve» treter der nordwestlichen Gruppe der Eisen- und Stahltndw- striellen und die Vertreter der Arbeitnehmerverbände zu einem Meinungsaustausch über die Gültigkeit und Tragweite d«s Berliner ArbeitSzeitabkommens einfinden. Skonomierat Lensing gestorben. Köln, 13. Januar. Der frühere ZentrumSabgeordnete de» Weimarer Nationalversammlmm, Skonomierat Felix Lcnsina, ist nach längerem Leiden im Alter von 6ö Jahren aus de„ Gute Huethum bei Emmerich gestorben. i HMMaF ArmF ME/vr j hstlmaim von fattmftbr» Von Hans Denzmann. Des am 2. April 1798 zu Fallersleben im Lünoburgischen geborenen Dichters sollten wir gerade in dieser Zeit dankbar gedenken«; denn neben andern schwungvollen, warmherzigen und vielgesungenen Vaterlandsgcsängen und Studentenliedern wie „Treue Liebe bis zum Grabe", „Treu und unerschütterlich wuchsen unsere Eichen", ,-Zwischen Frankreich und dem Böh merwald" hat Hoffmann, von Fallersleben das jetzt so be deutend gewordene Nationallieh „Deutschland, Deutschland über alles" gedichtet. Hofsmann war eine typische und doch höchst individuelle Erscheinung im Zeitalter der Reaktion und Re volution, der Gelehrsamkeit und der romontifchen Wander seligkeit. Sein Empfinden wurzelte ebenso sehr in der Volks seele, in Volksart und Volkslied wie im Zeitgeist, im liberalen Bürgertum, im Nationalismus. Und sein Schassen ist geteilt zwischen einer volksliedartigen Liederpoesie (Kinderlieber, Soldaten- und Landsknechtslieder) und einer satirischen oppo sitionell und revolutionär gerichteten Zeitdichtung. Unzählige Liedersammlungen hat er herausgegsben. Und fast immer war er auf Wanderfahrten, auf Agitativnsreis-en begriffen, ein un- ermüdlicher Volksredner wurde er aus Festen und in Versamm lungen gefeiert, und er feierte selbst die Freiheit, das Deutsch tum, die Republik, wie auch wohl gelegentlich gastfreie Fürsten. Er studierte seit 1816 in Göttingen, seit 1819 in Bonn erst Theologie, dann aber ausschließlich Germanistik. Nachdem er die Rheinlande unh Holland zu Erforschung der Volksdichtung durchreist und eine Zeitlang in Berlin geleht hatte, wurde er 1823 Kustos an der Universitätsbibliothek in Breslau, 1830 Professor ber deutschen Sprache und Literatur an der Breslauer Universität. Neue Reisen treiben ihn weit umher durch Oester reich, Dänemark, Holland, Belgien und Nordfrankreich. Ueber- all sammelte er Volkslieder, unbekannte Bruchstücke alter deut scher Gedichte. Ueberall aber trat er auch für die nationale und freiheitliche Bewegung ein. Längst schon von der Regierung mit Mißtrauen beobachtet, wurde er, als die Zensur in seinen, „Un politischen Gedichten" üble Tendenzen erblickte, 1842 seiner Pro fessur ohne Pension enthoben. Rastlos zog er nun wieder, Reden haltend, gefeiert, Lieder sammelnd und dichtend, durch die deutschen Lande, ein Vagant großen Stils. 1846 wurde er in Preußen rehabilitiert und bezog von da ab das gesetzliche Wartegeld als Pension. Seit 1849 lebte er am Rhein, zuerst in Bingerbrück und dann in Neuwied. 1854 folgte er einer Einladung des Grobherzogs nach Weimar, wo er dem Künstler- kreise Franz Liszt, Genclli u. a. angehörte und mit Schade das „Weimarische Jahrbuch" (1854—57) herausgab. Seit 1860 Bibliothekar des Herzogs von Ranbor, lebte er aus Schloß Correy an der Wesel, wo er i-n der Nacht vom 19. auf den 20. Januar 1874 starb. Hofsmann ist als Gelehrter, als Sammler und Interpret alter Lieder und Schriften nicht zu unterschätzen. Er vertritt als solcher -in durchaus vollkommener Messe den Typus des ge wissenhaften, unermüdlich sorgfältigen deutschen Gelehrten, er war der geborene Germanist, ein begeisterter Verfechter der deutschen Voiksart. Leidenschaftlich liebte er fein Volk und Vaterland, und diese Hingebung, die ihn auch in Zeiten der Verfolgung in der Heimat festhielt, zeugt von einer gewissen Größe. Unzählig sind auch seine literarischen und germani stischen Veröffentlichungen, von drnen nur genannt feien die Sammelwerke „Horae Delgicae" (1831—62), „Fundgrube für Geschichte deutscher Sprache und Literatur" (1830—37), „Alt deutsche Blätter" (1835—40), „Findlinge" (1859—60), „Ge schichte des -deutschen Kirchenliedes bis Luther" (1832), „Rei necke. Voß" (1834), „Schlesische Volkslieder und Melodien" (1842), „Niederländische Volkslieder" (1856) usw. Diese ge lehrte Tätigkeit Hoffmanns ist durchaus nicht zu unterschätzen. Wie sehr sie feinem tiefsten Empfinden entsprach, das beweist, daß sein eigenes mannigsaches Dichten der Weise des Volks liedes, der deutschen Tradition entsprach. Wo Hoffmann sich persönlich gibt, da wirkt er ganz unpersönlich, slach, nüchtern, hausbacken prosaisch. Eine künstlerische Persönlichkeit von eigenem Ausmaß und Stil, von starker Phantasie und sprach schöpferischer Gewalt war er keineswegs. -Und auch als Dichter kleiner Alltagsempsindungen wirkt er zumeist — in der Masse seiner Lyrik — unerträglich epigonal, ja banal. Immer wieder aber trifft er, auch mit natürlicher Anmut den unmittelbaren Ton des Liedes. Und Lieder wie „Alle Vöglein sind schon da", ,Kuckuck, Kuckuck, rust's aus dem Wald", „Ward ein Blümchen mir geschenkt", „Wer hat die schönsten Schäfchen", „O wie ist es kalt geworden" sind voll schlichtester, natürlicher und an- ; mutigster Poesie, von unvergänglichem Wert! Auch auf den alten Menschen üben diese reizenden innigen Lieder einen selt samen Zauber aus, mag die Erinnerung an die Jugend auch mitsprechen. Hoffmann hat freilich, wie schon angedeutet, auch sehr viele Wanderlieder und Lieder im Volkston gedichtet, in denen er gezwungen naiv und darum trivial wirkt. Es gelingt ihm infolge der simplen Art seines Talents und seines poetischen Empfindens nur das gewissermaßen an der Oberfläche der Seele vibrierende menschliche Gefühl auszudrücken, daher sind seine Lieder arm an Nuancen, sie sind -weniger tief und innig emp funden; die eigentliche elementare lyrische Tiefe des Volksliedes hat er auch kaum getroffen. Von feinen Vaterlandsliedern wurden die bekanntesten be reits genannt. Hier trifft -er mit seinem starken treuen Gefühl für Heimat und Volk, mit seiner hohen Begeisterung bisweilen MMMDWV-'WWSWMWWWWWWvWMWMMVWWSSWWMWSWSWiM'- den edlen einfachen Klang und Schwung des feierlichen Volks gesanges. „Deutschland, Deutschland über alles" ist in der Tat ein einzigartig schönes und einziges Nationalstes. Hoffmann verfaßte das Lied am 26. August 1841 in Helgoland, wo er eben damals bas Seebad benutzte. Einige Tage später übergab er es Iulius Campe (dem Inhaber der Verlagsfirma Hoffmann u. Campe in Hamburg). Es erschien mit der Melodie von Joseph Haydn zu „Gott erhalte Franz den Kaiser" schon am 1. September 1841 als Sonderdruck (Flugblatt). Der Text ging bald in die meisten Kommers- und Liederbücher über. In den meisten wurde die Haydnsche Melodie beib-ehalten. Aber das Lied -ist noch viele Male vertont worden, u. a. v§n Franz Abt, Conradin Kreutzer, Franz Lachner, W. Neßler. Noch ein mal ward es als Flugblatt abgedruckt und über ganz Deutsch land verdienet, — das war zu Anfang des Krieges 1870. Seit dem ist es recht eigentlich Volks- und Vaterlandslied geworden. — Bon Hoffmanns vaterländischen Gedichten sind die rein satirischen, oft koupletartigen Zeitgedichte zu unterscheiden, die eben nur dem Tage dienen und damals gewiß eine, große Be deutung gehabt haben. In vielen Heften sind sie gesammelt. Wenn man jetzt diese Sammelmappen „Unpolitische Lieder" durchblättert, wird man sich kaum die Wirkung erklären können, welche sie zu ihrer Zeit hervorriefcn. -Sie haben nicht die scharse Zuspitzung des Heiiieschen Witzes. Sie sind mehr schalk haft verspottend, als unwiderstehlich treffend und sind in ihren Angriffen auf das staatliche Zopftum, auf Polizeigeist, Zensur, Orden, Titel, Adel ziemlich harmlos. Nur im einzelnen kam etwas wie eine republikanische Gesinnung stärker zum Durch bruch. Hebbels Warnung vor dem Dichterberuf. (Ein ungedruckter Brief.) Hebbel hat zwar selbst unter größten Opfern, die er sich und andern auferlegtr, die Reinheit seines Dich-terberuses gewahrt und sich niemals einer praktischen Beschäftigung zu gewendet. Aber bei anderen war er anderer Meinung, und natürlich mit Recht, sobald es sich um keine so große Begabung handelte, wie die seine war. Immerhin steht das, was er in einem bisher unbekannten, in dem „Frauenzimmer-Almanach" des Wiener Rikola-Verlages zum ersten Male veröffentlichten Brief einem Dichter rät, zu feinem eigenen Leben im Gegensatz. „Mein"Rat ist", schreibt er am- 23. Mai 1863, „unter allen Umständen- in Ihren jetzigen Verhältnissen auszuharren und sich zu bestreben, zunächst ein tüchtiger Kaufmann zu werden. Die Literaturgeschichte lehrt, daß selbst unsere größten Dichter nicht von der Poesie lebten; Goethe saß im Staatsrat und mußte arbeiten wie jeder andere Jurist. Glauben Sie gar nicht, daß es angenehmer war, den Ilmenauer Bergbau zu leiten und Militär-Kontingente auszuheben, oder den Studenten in Jena Vorlesungen zu halten, als auf einem Büro zu sitzen, und Rech nungen zu revidieren, warum sollten Sie also nicht Kaufmann
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