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Die Sachsen-Zeitung enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meitze«, des'Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrcntamts Tharandt, Finanzamts Nossen «. a. Nr. 11 - 83. Jahrgang Sonntag 13. Januar 1924 Wilsdruff-Dresden. Postscheck: Dresden 2610 Tel.-Adr.: »Sachsen,ritnng' SötVw/vm, Swmke, K-rMMe v. Kt'SeSer' Anzeigenpreis: die » gespaltene Raumzelle M Doldpfennig, di« 2gespalt«neZeile der amtlichen Bekanntmachungen SgGold« pfennig, die 3 gespalten« Reklamezeile im textlichen Teile der Zeitung lvo Doldpsennig. Nachweisungsgebühr ro Dold pfennig. Dorgeschriedene Er- -L schcinungstage und Platzoor- schristen werden nach Möglich- "ls. V keit berücksichtigt. Anzeigen annahme dis vormittags 10Uhr. Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabattanfpruch erlischt, wenn derBetrag durch Klage eingezogen werden must oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Anzeigen nehmen auch alle Vermittlungsstellen entgegen. Ne ^Sachsen-Zeitung' erscheint täglich nachmittags ö Uhr sür den folgende» Tag. Bezugspreis: Bei Abholung in dni Geschäftsstellen und Ausgabestellen 2,60 Mark im Monat, bei Zustellung durch di« Boten 2,76 Mark, bei Postbestellung Sa zuzüglich Abtrag- gebühr. Einzelnummern lSPsg. Alle Postanftallen und Poft- boten sowie unsere Austräger Mid Geschäftsstellen nehmen — jederzeit Bestellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen hat der Bezieher keinen Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung der Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto deiliegt. Ei« «Uzes MOM in Wer Stunde: mW „Zitiert-Wehner" — nicht „ZMe-BmW"! llebergsbe Ser irsnröMchen Antwort an cten «teutlcden Leschäktsträger. Paris, 12. Jan. Bei -er gestrigen lledergade der fran zösischen Antwortnote an den deutschen Geschäftsträger Herrn von Hösch hatte dieser eine Aussprache mit dem politischen Di rektor des französischen Außenmimsterimns. Die Aussprache »ahm nahezu 50 Minuten in Anspruch. Im wesentlichen betonte Peretti della Pocca in dieser Unterredung, dah die französische Note mit Rücksicht auf den technischen Charakter des von Deutschland überreichten Memorandums auch einen rein tech nischen Charakter habe, daß es jedoch der Wunsch Frankreichs sei, die Aussprache auch auf allgemeinerem Gebiete sortzusetzen und alle Fragen zu diskutieren, die Deutschland zur Sprache bringen wolle. Peretti della Poeca legte Gewicht auf die Er klärung, dah mit der heutigen französischen Note keineswegs die Tür zu weiteren Verhandlungen verschlossen worden sei. Das französische Schriftstück, das nicht zur Berössentlichung bestimmt ist, um fotzt 14 Seiten und beantwortet Punkt für Punkt die deutschen Forderungen. Wie aus den Anspielungen einiger Abendblätter hervorgeht, enthält die französische Antwort, was übrigens schon seit mehreren Tagen vermutet werden konnte, im wesentlichen eine Ablehnung der deutschen Wünsche. In ju ristischen Kreisen wird die Auffassung vertreten, daß die in der Uebergadserkläruilg besonders stark betonte Bereitschaft Frank- zur Fortführung der Aussprache mit Deutschland vor allem den Wünsche« des Präsidenten Millerand entspräche. „Heute werden fie kommen..." (Eigener Fernsprech dien st der „Sachsen-Zt g.") Berlin, 12. Ian. Die Antwortnoten Frank reichs und Belgiens stich heute vormittag noch nicht beim Auswärtigen Amt eingegangen. Da sie durch Kurier überbracht werden, ist mit ihrem Eintreffen noch im Laufe des heutigen Tages zu rechnen. England „prüft- in der Pfalz. (Eigener Fernsprechdien st der „Sachsen-Zt g.") London, 12. Ian. „Daily Telegraph" meldet, dah die englische Regierung trotz des Einspruchs der französischen Regierung den englischen Gene ralkonsul nach der Pfalz entsandt habe, um die Lage an Ort und Stelle zu prüfen. Abrücken der französischen Alpenjäger aus Oberhausen (Eigener Fernsprechdienst der „S a chsen-Ztg.") Oberhausen, 12. Ian. Die 5. Brigade Alpenjäger, die seit acht Monaten in Oberhausen lag, wird die Stadt ver kästen und nach Frankreich zurückkehren. Die neue Besatzung wird in den Baracken im Kaisergarten, in dem früher die Schupo untergebracht war, Quartier nehmen. Die belegten Schulen sind sämtlich freigegeben worden. AoAenlMblMe. Sozialistische Niederlage — „Utopia" — Bellamy und Bebet -Kühn durchs Weltall..." — „All-Schlaraffia" — Fried- rich von Gentz — Politische Nadelöhrchen — Revolutionen ,^ch will!" „Die Sozialdemokratie ist an ihrer kurzsichtigen Gering schätzung aller Erfahrungen gescheitert." So oder ähnlich las ich es dieser Tage irgendwo. Vielleicht im Zusammenhang mit Len Kritiken und Besprechungen über den am 6. Januar stattgefun- denen Landesparteitag der Sozialisten im Freistaate Sachsen? Ich weiß es nicht. Der Satz hat mir aber zu denken gegeben. Er genügt, um die Niederlage des ganzen sozialistischen Regimes zu kennzeichnen. Dah diese Niederlage gleichzeitig auch den Zu sammenbruch eines großen Staatswesens, einer Gruppe von Einzelstaaten, ja den Zusammenbruch eines ganzen Volkes herbei geführt hat, ist eine Tatsache, die nicht weggeleugnet werden kann. Sie besteht. Datz jene Niederlage die alleinige Ursache dieses Zusammenbruches ist, kann und wird gleichfalls nicht be stritten werden können. Eine Auftastung, eine Weltanschauung meinetwegen, die ganz und gar und allein nur auf einer Utopie sich aufbaut, ist kein Fundament, auf dem sich eine politische Partei ausrichten läßt. Wenn man Bücher liest wie Bellamy', Auch Belgiens Note überreicht. Brüssel, 12. Jan. Der Minister des Aeutzern hat gestern dem deutschen Geschäftsträger die Note der belgischen Regierung auf das deutsche Memorandum vom 24. Dezember übergeben. Die belgische Regierung sei bereit, auf dem seit der Einstellung und Beendigung des passiven Widerstandes einge schlagenen Wege sortzufahren. Ls mäste aber festgestellt werden, datz die Diskussion über einen „Modus vivandi" nur die Mo dalitäten der Behandlung der Pfänder behandeln könne, ohne am Grundsatz der Pfänder eüvas zu ändern und dah der Er folg von Verhandlungen im hohen Matze von der loyalen Ausführung des Vertrags von Versailles durch Deutschland adhänge. Oberst Eayre, der Sachverständige. (Eigener Fernsprechbien st der „Sachsen-Zt g.") Paris, 12. Ian. Rach dem „Journal" ist der Oberst Layre, stellvertretender Vorsitzender der Cleveland-Com panie, vom technischen Beirat für das Sachverstän- digenkomitee über das deutsche Auslands guthaben ernannt worden. Grotzes Schadenfeuer in Meiningen. (Eigener Fernsprechdienst der „Sa chfen ° Z tg.") Meiningen, 12. Ian. Das Volkshochschnlheim wurde von einem großen Schadenfeuer heimgesucht. An der südlichen Hälfte stehen nur noch die äußeren Mauern, an der nördlichen Hälfte wurde unerheblicher Schaden ungerichtet. Das Mobiliar, insbesondere die Bücherei, wurde infolge der opferbereiten Arbeit der Bevölkerung, der Angestellten und einiger ehemaliger Schüler, die unter Lebensgefahr geleistet wurde, zum grotzen Teil gerettet. Die Ursache des Brandes steht noch nicht fest. Noch eine große Feuerbrunst. (Eigener Fernsprechdienst der „Sachse n - Ztg.") Dramburg (Pommern), 12. Ian. Das Kreishaus ist von einer Feuersbrunst heimgesucht worden. Der ganze Dach stuhl wurde ein Raub der Flammen. Die Kreisverwaltung geriet wegen der Aufrechterhaltung des Dienstes in grotze Schwierig keiten, da auch das Miüelgeschoh durch Feuer und Wasser stark beschädigt wurde. Auch die Büroräume des Arbeitsnachweises sür Kriegsbeschädigte und des Wohlfahrtsanttes sind aus gebrannt. Verhaftung eine» Bäckerobermeisters in Westfale«. (Eigener Fern sprech dien st der „Sachsen-Ztg") Iserlohn, 12. Ian. (T.-ll.) Eine aufsehenerregende Verhaftung nahm hier die Schupo vor. Die Bäckereien sabo tierten schon seit Wochen die behördlicherseits festgesetzten Preise und setzten eigene Preise fest. Die Erregung des Verbraucher publikums stieg von Tag zu Tag. Die Polizei griff ein und über reichte die Akten vorschriftsmähig dem Befehlshaber des Wehr kreiskommandos, das nun die Verhaftung des verantwortlichen Obermeisters und seine Ueberführung ins Sennelager anordnete. „Rückblick aus dem Jahre 2000" oder Bebel's „Die Frau und der Sozialismus", so klingt das, was beide Verfasser prophe tischen Auges schauen, ja sehr verheißungsvoll. Auf „Wissen schaft" erheben beide Bücher ja keinen Anspruch. Bellamy hat einen schönen Traum geträumt. An die jemalige Erfüllung seines Traumes aber hat niemand weniger gedacht, ja auch nur an die annähernde Erfüllung von Teilen dieses Traumes als Bellamy selbst. „Bebels Frau" — wie das Werk kurzweg genannt wird — bewegt sich schon etwas mehr auf dem Boden dermaleinstiger Möglichkeiten. Auch dieses Werk ist aber doch nichts anderes als eine einzige Utopie. Beide Verfasser aber haben in ihren kühnsten Erwartungen nicht daran gedacht, Latz die große Zahl ihrer Leser in der Mehrzahl an die dereinstige Verwirklichung dieser Ideen glauben würde. Sie glaubten aber daran, wie ja Kinder auch an die Märchen glauben, die ihnen Großmütterchen in der Dämmerstunde am traulich-warmen Ofen erzählt. ,Kühn durchs Weltall steuern die Gedanken, Fürchten nichts, als feine Schranken." Kühn durchs Weltall steuerten auch die Gedanken Bellamys und Bebels. Ihre Schranken sahen beide nicht, erlebten sie nicht. Bebel ist tot, Bellamy, der Amerikaner, dürfte kaum noch am Leben sein. Beide Bücher wurden von den Massen verschlungen. Ein „All-Schlaraffia" gaukelten sie den Lesern vor, die sich damit blenden ließen. Nun ist aber Philipp Scheidemann kein Edward Bellamy, Erich Zeigner kein August Bebel. Diejenigen, die sich berufen fühlten, die Weltalls-Gedanken in die Tat umzusetzen, sahen aber gleichfalls die Schranken nicht, sonst würden sie viel leicht doch die Finger hübsch davon gelassen haben, denn: „Dir Sozialdemokratie ist an ihrer kurzsichtigen Geringschätzung aller Ersahrungen gescheitert". „Unter allen Zweigen wissenschaftlicher Erkenntnis Hal von alters her keinen in solchem Maße das Los getroffen, von unge schickten Händen verstümmelt zu werden, als die Politik." Was Friedrich von Gentz, der Publizist und Staatsmann des 18. Jahr« Hunderts, in seinen Betrachtungen über die französische Revolu tion schon im Jahre 1793 aussprach, — triffts nicht auch mit gleicher Wucht die deutsche Revolution 1918? Ein „Gentz" dieser Revolution hat sich noch nicht gefunden. Wer die Ge schichte dieser Revolution schreibt, wird sie in einen ähnlichen Schlußakkord ausklingen lassen müssen, wenn sie ehrlich, getreu den Tatsachen entsprechend, gewissenhaft in ihren Ursachen und Wirkungen ausklingen soll. Dieser Schlußakkord wird aber bei allen Revolutionen der gleiche sein, wie bei der französischen und der deutschen, wenn die politische Macht in Hände gerissen wirb, deren grodgczogene Linien und ungelenke Fingerspitzen die fein gewirkten Fäden nicht in die passenden Nadelöhrchen politischer Detailkunst zu drehen vermögen. Das erste Gesetz der Politik — so sagt Karl Iulius Weber — war schon von Anbeginn: Ichwill! Wie soll sich bei einen ganzen Komglomerat von Besitzern politisch ungeschulter, weil ungeschickter Hände dieses erste Gesetz durchringen? Kann es den Willen zu diesem „Ich will" aufbringen, wenn es, selbst niemals von längerer als nur nach Monaten zählender Dauer, als einzigen Dauerzustand den der inneren Uneinigkeit auszu bringen vermag? — „Ich will!" Wie es nach der französischen Revolution einem Napoleon nur möglich gewesen, diesem ehernen Grundsatz aller Sraatenkunst Geltung zu verschaffen, — wie es ihm unter diesem Zeichen nur gelingen konnte, das beruhigende Oel auf die durch unkundige Führer zu höchster Leidenschaftsentslammung aufge peitschten Volkswogen zu gießen, so wird und mutz auch uns der* maleinst dieser Geist wieder erstehen. Die Geschichte der fran zösischen Revolution ward als erstes Studium allen sozialistischen Führeranwärtern von ihren Lehrmeistern anbefohlen. Alle haben sich auch — mit mehr Eifer zwar als Denkfähigkeit — über sie geworfen. Das Endergebnis, das rechte, hat aber kein einziger von ihnen als Nutzanwendung erfaßt. Und nicht erfassen wollen. Es hätte jedem'ja die völlige Unhaltbarkeit ihres Wollens und die Irrwege ihres Strebens mit elementarer Wucht vor Augen führen müssen. Friedrich von Gentz hat den Schlußstein gefetzt in dem vorerwähnten Satze. Karl Iulius Weber hat gar nur zwei Worte gebraucht, ihn noch prägnanter zum Ausdruck zu bringen. Darum: Gebt frei die Bahn dem Tüchtigen, der die Gabe hat wie den Mut, zu fagen: „Ich will!" Jupiter. -W M gemeintlewablr Am 13. Januar sollen die Gemeindevertretei in Sachsen neu gewählt werden. Leider macht sich in allen Kreisen des Bürgertums eine Gleichgültigkeit gegenüber dieser Wahl bemerk bar, die außerordentlich bedauerlich ist. Die diesmaligen Wahlen haben eine weit größere Bedeutung als die früheren. Nach dem Kriege machte sich, begünstigt durch die neue Verfassung, in allen Zweigen der Verwaltung ein Streben nach Zentralisation bemerkbar. Die Selbständigkeit der einzelnen Gemeinden wurde aufs Aeuherste eingeschränkt. Vor allem dadurch, daß den Ge meinden das Besteuerungsrecht, die Steuerhoheit, entzogen wurde, waren ihre Verwaltungsapparate mehr öder weniger nur zu Tummelplätzen parteipolitischer Paradehengste herabgesunken. Positive, nutzbringende Arbeit ist herzlich wenig geleistet wor den. In den kleinen, ländlichen Gemeinden unterhielt man sich darüber, wie man mit dem wenigen Geld, das der Staat in ent werteten Passierscheinen gütigst verteilte, sich noch einmal einige Zeit über Wasser halten konnte. In den Städten beriet man, wie man wohl in edlem Wettstreit durch Druck von neuem Städtegeld die großartige inflatorische Geschäftigkeit der Staats- Notendruckereien noch überflügeln könne. Doch es scheint, als ob diese Zeiten vorbei seien. Sicher ist jedenfalls, daß den Gemeinden in nächster Zeit wieder größeres Besteuerungsrecht zugebilligt werden muß und wird. Damit ge winnen aber die Gemeindevertretungen wieder eine ganz andere Bedeutung und werden unter dem Kamps: Hie wirtschaftliche Vernunft, Verantwortung, Pflichtgefühl, hie Parteidoktrin, Futterkrippenwirtschaft und Korruption, oder: Hie Bürgertum, hie Sozialdemokratie! ausgefochten werden. Ueber fünf Jahre lang hat hier in Sachsen die Sozialdemo kratie allein die Macht in der Hand gehabt, fünf Jahre lang hat sie Zeit gehabt, nicht nur in der Staatsverwaltung, sondern auch in einem großen Teil der Gemeindeverwaltungen beweisen zu können, was sie zu leisten vermag. Mo sind die Erfolge? Gera