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Wilsdruffer Tageblatt : 03.07.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-07-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192407037
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19240703
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19240703
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-07
- Tag 1924-07-03
-
Monat
1924-07
-
Jahr
1924
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 03.07.1924
- Autor
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1. Der Parteitag erhebt schärfsten Protest gegenLieAnnahmeLesDawes-Gutachtens, weil es ewige Versklavung des arbeitenden deutschen Volkes und die Vernichtung der Selbständigkeit des deut schen Staates herbeiführt. Weil die Lüge von Deutschlands Schuld am Kriege die Grundlage für dieses Gutachten bildet, verlangt der Parteitag von Regierung und Volks vertretung die sofortige Zurückweisung dieser Lüge und Feststellung der Wahrheit im deutschen Reichstage, über Annahme oder Ablehnung des Gutachtens ist ein Volks entscheid herbeizuführen. 2. Der Parteitag erhebt schärfsten Protest gegen die nerie furchtbare Ausbeutung unseres Volkes durch den un geheuerlichen Zinswucher, der noch die letzten Erspar nisse verschlingt, die der Papiergeldschwindel übrig gelaffen hat. Die Regierung wird aufgcfordert, dem Reichstage sosort einen Gesetzentwurf vorzulegen, der den Zinssatz auf 3 beschränkt und diejenigen mit der schwersten Strafe belegt, die diesen Zinssatz überschreiten. s politifche kunaichsu - Eine deutschnationale Interpellation. Die deutschnaitionale Reichstagsfraktion hat mit einge hender Begründung durch Hinweis auf Fehler der Steuer politik, der Kreditpolitik der Rvichsbank, der Finanz- und Darifpolttik, der Eisenbahn- und der Postverwaltung, fol gende Interpellation eingebracht: „Wir fragen die Neichs- regierung, ob sie bereit ist, in eine eingehende Un 1 ersu - chung der kritischen Lage der Wirtschaft unter Zuziehung .des Reichstages sowie einiger wirtschaftlicher Sachverständigen einzutreten, schon vorher aber, und ohne den Abschluß dieser Untersuchung abzuwar ten, die schlimmsten der oben geschilderten Fehler in der Finanz- und Wirtschaftspolitik des Reiches abzu stellen" Gefährdung der grotzen Koalition in Preutzen Das parteioffiziofe Organ der Deutschen Volksparte', schreibt: „Ein großer Teil der Presse ergeht sich in Ver mutungen und Behauptungen über einen bevorstehenden Austritt Ler Fraktion der Deutschen Volks partei aus der großen Koalition in Preutzen. Es ist bekannt, daß eine Reihe von Umständen vorliegt, die das Verbleiben der D. V. P. in der bisherigen Regierung aufs äutzerste erschweren oder in Frage stellen. Daß hierüber in der Fraktion ein gehend gesprochen wurde, ist selbstverständlich. Beschlüsse smd jedoch noch nicht gefaßt worden. Die Fraktion wird sich alles weitere Vorbehalten. Dies zur Richtigstellung von Behauptungen, die es so darstellen möchten, als ob über diese Fragen irgendwelche Meinungsverschiedenheiten in der Fraktion beMnden. Das ist durchaus nicht der Fall." — Di« Schwierigkeiten, von denen hier die Rede ist, sind wohl hauptsächlich in Meinungsverschiedenheiten zwischen Zentrum und D. B. P. zu erblicken, die jedoch bereits wieder ausgeglichen sein sollen. Italien Der König über de« Mord an Maneotti. Vertreter von Senat und Kammer haben im Quirinal dem König als Ant wort auf die Thronrede die Ad reffen des Parlaments über- vncht. Der König erwiderte u. a.: „Ich bin sicher, daß, indem wir uns mit dem Gedächtnis an unsere gefallenen Brüder erfüllen, die Eintracht aller Italiener dem Opfer der Helden den Ruhm bereiten wind, sich nicht umsonst für die Größe und das Glück des Landes, das der besten und größ ten Bestimmung würdig ist, geopfert zu haben. Das von mir betonte Wort der Eintracht gibt den einmütigen Wün schen des Volksbewußtseins Ausdruck. Heute, wo ein furchtbares Verbrechen meinen Abscheu sowie den meiner Regierung, des Parlaments und des ganzen Landes -ervorgerufen hat, ist es mehr als je nottoenLig, daß beide Beide Hände streckte sie ihm hin, sie sprach noch immer nicht . . . ohne daß sie mutzte, wie ihr geschah, lag sie an seiner Brust, sie küßte seinen Mund, sie bebte in seinem Arme. „Otto, mein lieber Otto," stammelte sie, „es macht mich un sagbar glücklich." Eine Minute stieg es ihm gleich einem Unbehagen aus. Wie er seine Frau lachend und weinend im Arme hielt, kam die Er innerung an Malme wieder, aber sie verlor den Reiz; er schämte sich in dem Augenblick, Latz er sich hatte Hinreitzen lassen, der anderen törichte Worte zu sagen. Und er nahm Renate an sein Herz, küßte das duftende Haar, der Zauber vergangener Wochen lebte wieder. Candida erschien plötzlich lautlos. Sie wollte, als sie die Frau in seliger Vergessenheit mit dem Herrn sprechen sah, die Tür gleich wieder schlichen, aber Otto ries froh: „Nun, was bringen Sie, Candida?" Das Mädchen sagte, ärgerlich über sich selbst, weil es gestört hatte: „Da sind Männer, die wollen Herrn Ingenieur selber sprechen." „Renate, sie holen mein Modell!" rief Otoo und war schon draußen in dem Garten. Sie folgte langsam und sah, wie er sie mit einer gewissen Feierlichkeit hineinfuhrte in die Werkstatt. Als sie behutsam und vorsichtig das Holzmodell fortschafften, war ihm, als sei eine Last, an der er lange und schwer getragen, von seiner Seele genommen. Er schlief nur wenig in der Nacht. Zusammen mit Renate malte er sich die Zukunft aus, wenn alles glückt, wenn die Paulinenhülte rascher als bisher zu ar- besten in der Lage sein wird. Renate vernahm Worte, die ihr fremd waren, deren Sinn sie nicht fatzte. Aber sie wollte ihn nicht durch Fragen unterbrechen, sie versuchte, sich allein ein Bild zu machen. Beide leibten in einer freudigen Erregung, als Otto sich^ an zog, um in die Hütte zu gehen. Renate legte ihm die schönste Krawatte zurecht, sie wußte, daß man mehr Mut habe, wenn man auch äutzerlich sich sicher fühlte. Der Regen hatte die Sonne verlöscht, tiefes Dunkel lag auf der Erde, wie er fortging. Und den ganzen Tag blieb es trübe, sonnenlos. Renale konnte sich nicht zu einem Strich an ihrer Arbeit entschliehen, ihre Gedanken weilten bei ihm. Sie zitterte nicht, sie fürchtete nichts, sie wußte, daß Lohe ihr beistehen würde, wenngleich sie ihn nie darum gebeten. Langsam, unerträglich schlich die Zeit. In dem Konferenzzimmer der Paulinenhülte waren um- drei Uhr nachmittags alle Flammen angesteckt, ihr sanftes Licht machte den Eindruck des unfreundlichen Tages vergessen. Kammern der Nation ein Beispiel der Weisheit und Versöh nung geben." Aus In- und Ausland. Berlin. Nor einigen Tagen ist hier einKlubderZen« trumspartei gegrünvet worden, der sich zunächst die Auf gabe gestellt hat, in Berlin ein großes Zentrumshaus zu errichten. Breslau. Hier Wurde der Führer des Stahlhelmbundes Im Kreise Heinau, der frühere Leutnant Rathsmann, unter dringendem Spionageverdacht verhaftet. München. In einer abgehaltenen Besprechung der Koali- tionssührer wurde das Regierungsprogramm sestge- legt und die Kabinettsbildung endgültig abgeschlossen. An der bereits gemeldeten Ministerliste ändert sich nichts. Saarbrücken. Der Landesrat hat in seiner letzten Sitzung das deutsche Kriegsbeschädigten- und Hinterbliebenengesetz einstimmig angenommen. Es bringt eme erhebliche Besserstellung der Kriegsbeschädigten mit sich. Wien. Der Bundeskanzler Dr. Seipel hat seine erste einstündige Ausfahrt im Auto nach Schönbrunn und Um gebung unternommen, wo er in einer Allee spazieren ging. Paris. Die Auslandskommission des Senats hat ein neues Mitglied erhalten: Raymond Poincarö. Er wurde für ein aus sche idendes Mitglied gewählt. - Hus Sem 6ericMssssI - Vie Mörüer Ser delgWen Lemnamr SraN. (12. Tag.) ß Stettin, 1. Frlü. Zwei Ärzte, Dr. Sondermann und Dr. Meyer, sollen sich darüber äußern, ob es möglich sei, daß Graff schon vor dem Schuß, der von außen kam und ihn traf, durch die von Kaws abgegebenen Schüsse, die nicht getroffen haben, infolge des Schrecks an Herzschlag gestorben sein könne. Die Sachverständigen wollen die Möglichkeit nicht bestreiten, halten die Sache aber sür unwahrscheinlich. Bei der darauf folgen den Vernehmung der Zeugin Jarcembowski, die Kaws in Oberhausen kennengelernt hat und mit ihm befreundet war, ereignete sich ein Zwischenfall. Die Zeugin hat vor einem Jahre vor einer deutschen Behörde ausgesagt, Kaws habe ihr vor seiner Abreise nach Stettin er zählt, daß er an der Erschießung des Leutnants Graff beteiligt sei. Als dann später das Schreckensuriei lvonAachen gemeldet und der Jarcembowski diese Meldung vorgelesen wurde, siel die Zeugin in Ohnmacht. Jetzt bestritt die Zeugin, daß ihr Kaws früher gesagt habe, er sei der Mörder des Graff. Sie wurde vom Vorsitzenden mehrmals ermahnt, die Wahr- heil zu sagen, blieb aber dabei, Laß Kaws das nicht gesagt habe. Der Vorsitzende gab ihr hierauf zehn Minuten Bedenk zeit. Die Jarcembowski geriet deshalb in solche Erregung, daß sie auch hier in Ohnmacht fiel. Einer der anwesenden Ärzte erklärte, daß sie nicht mehr vernehmungsfähig sei und ins Krankenbaus gebracht werden müll«. * Mnttermord. Die S4jSHrige Antoni« Sachtler winde vom Schwurgericht Dessau zu zehn Jahren 3 Monaten Zuchthaus verurteilt, weil sie nach einer Auseinander setzung ihre Mutter erwürgt hatte. Zuchthaus für einen Stadtrat. In dem Prozeß gegen den Kasseler Stadtrat Wittrock, der in einer Wohnungtausch sache einen Meineid geleistet hat, fällte das Schwurgericht Kassel nach dreitägiger Verhandlung das Urteil. Wittrock wurde wegen wissentlichen Meineids in zwei Fällen zu zwei Jahren Zuchthaus und fünf Jahren Ehrverlust verur teilt. Es wurde ihm ferner die Fähigkeit «besprochen, jemals als Zeuge oder Sachverständiger eidlich vernommen zu »oerden. Zum Tode verurteilt wurde vom Schwurgericht inFrank- furt a. O. der Schiffer Otto Wirth aus Aurich. Wirth hat im Februar dieses Jahres einen Mord an einem vierzehn jährigen Knaben begangen. Beleidigung des Reichspräsidenten. Pas Schöffengericht Raumburg verurieilte den Apothekenbesitzer Sturm we gen Beleidigung des Reichspräsidenten zu 300 Mark Geldstrafe. * vermilchler » Einstein und der Straße-nbahnschaffner. Auf Ler Plattform eines Berliner Straßenbahnwagens stand Pro fessor Einstein, per Entdecker der Relativitätstheorie, mit Frau und Tochter. Der Schaffner kam, kassierte und mußte auf eine Rentenmark herausgebeu. Dabei passierte es dem Professor, Laß er einen Fünfzigmilliardenschein für einen HundertnnlliarLenschein hielt. E machte den Schaffner auf den vermeintlichen Jrrtu. ausmerksam. Der Schaffner rechnete ihm umständlich vor, ch er richtig herausgegeben habe. Einstein sah das schließlich ein und entschuldigte sich. Der Schaffner aber wandte sich, mit leidig lächelnd, Lem nächsten Fahrgast zu und sagte: „Kopfrechnen schwach!" Gericht über Tolstoi. Im Leninklub in Moskau wurde Lieser Tage an Tolstoi Las Strafgericht vollzogen. Als Staatsanwalt fungierte Frau Krupskaja (Le nins Witwe). Nach kurzer Beratung verkündeten die Rich ter folgendes Urteil: „Ter seit 13 Jahren verstorbene frühere Offizier der Zarenarmee, Edelmann und Gutsbesitzer L. N. Tolstoi hat sich schuldig gemacht, Ler Verbreitung von Wer ken mit kleinbürgerlichen Anschauungen, unter Ver schweigen alles dessen, was in irgendeiner Beziehung zur Diktatur des Proletariats steht. In Anbetracht des Um standes jedoch, daß ihm die großen Ideen Les un vergeßlichen Jljitsch (Lenin) unbekannt blieben, hat Las Gericht ihm mildernde Umstände zugebilligt und beschlossen: 1. Entfernung seiner am meisten schädlichen Werke aus allen Bibliotheken. 2. Ein stampfen dieser Werke. 3. Verwendung Les eingesiampften Papiers zur Herausgabe der Werke Lenins, Sinowjews und anderer Führer der Wellrevolution. Eine Berufung gegen dieses Urteil ist nicht zulässig." Der „frühere Offizier der Zarenarmee, Edelmann und Gutsbesitzer L. N. Tolstoi" ist jener Leo (Lew Nikolajewitsch) Tolstoi, den die übrigen, noch nirht „sowjetisiisch" infizierte Welt für einen der größten Dichter und Philosophen aller Zeiten hält. Der Gerichtshof im Damenschwimmbad. Einen eige«« artigen Lokalaugenschein hat dieser Tage ein Wiener! Strafrichter angeordnet. Es handelte sich um einen Pro zeß wegen Körperverletzung. Ein Fräulein Grünfeld war irr einem Damenschwimmbad von dem Sprungbrett ins Bassin gesprungen und hatte bei dieser Gelegenheit eine andere Dame verletzt. Eine Zeugin sagte aus, Fräulein Grünfeld sei sehr korpulent, und der Unfall sei nur da durch verschuldet worden. Fräulein Grünfeld wies den „Vorwurf" der Korpulenz entrüstet zurück, worauf die Zeugin erklärte, im Äadetrikot sei die Angeklagte ganz ent schieden korpulent. Da Fräulein Grünfeld die „ungeheuer liche Beschuldigung" nicht auf sich sitzen lochen wollte, ordnete der Richter einen Lokalaugenschein im Schwimm bad an, zu dem sämtliche in Frage kommenden Damen im Badetrikot zu erscheinen haben. Zu der Besichtigung sollen auch Sachverständige zugezogen werden. Das dürfte de» Herren eine Sommerreise an den Ostsee- oder Nordseestrand ersetzen Humor vom Tage. Überlegen. Zwei Bekannte, die sich nach längerer Zeit Wiedersehen, erzählen einander von ihren Erlebnissen. „Im vorigen Herbst," so beginnt der eine, „war ich von: Grafen Tassilo von Knusperberg zur Jagd eingeladen. Ich schoß 9SS Hasen." — „Warum sagen Sie nicht tausend?" — „Weil ich niemals lüge." — „Das ist schön von Ihnen. Aber so inter essant Ihre Jagdgeschichte auch ist — mir ist noch etwas weit Merkwürdigeres passiert. Fahre ich da letzten Sommer von Hamburg nach Helgoland. Nun stelle^ Sie sich vor: während der ganzen Zeit schwamm ein Mann hinter uns her und kam gleichzeitig mit dem Schiff vor der Insel cm." — überwältigt drückt der erste Erzähler dem zweiten die Hand und sagt: „Ich danke Ihnen. Der Schwimmer war ich! So ost ich diese Ge- schichte bisher erzählt habe, hat man sie mir nicht geglaubt. Von jetzt ab werd« ich mich auf Sie berufen." Auf Lem grünen Tisch stand in der Mitte ein wunderliches Ding aus Holz, wie man es noch nie gesehen, und vor jedem Stuhl lag eine Zeichnung auf weißem Papier, die das sonderbare Ding wiedergab, auf der man viele Zahlen und Buchstaben lesen konnte. Fast alle Herren waren schon versammelt, als Otto eintrat. Sie gaben seinen Gruß zurück und einzelne nahmen ihn sogleich in Beschlag, um ihn nach diesem nnd jenem zu fragen, damit sie auch genau orientiert seien, wenn Lohe von ihnen Rede und Ant wort wollte. Andere saßen vor ihrer Zeichnung, hielten den Kops darüber gesenkt und verglichen scheinbar Ergebnisse, die sie selbst herausgerechnet hatten, mit den Zahlen, die hier standen. Vom Fenster her kamen lebhafte Stimmen. Settgast, Lan- dolf, und die beiden Neulinge waren in ein heiteres Gespräch verwickelt, das sich scheinbar um ganz andere Dinge drehte, als um das Holzmvdell und Otto Storms Erfindung. „Ich versichere Ihnen," flüsterte Landolf jetzt, „jeder von uns hätte das auch gekonnt. Was ist denn da schon Besonderes dabei? Es sind zum Teil Dinge, die bereits hundertmal bage- wesen sind, und die er nun richtig auszunutzen verstanden." ,M, also, wenn es aushört zu regnen, dann wird die Sonne scheinen," sagte Settgast laut, um das Thema abzulenken. „Ich möchte nur wissen, was Lohe veranlaßt, sich so darauf zu stützen. Er ist sonst nicht neuerungssüchtig," sagte Landolf wieder, und Settgast meinte: „Er wird seine Gründe haben." Halmer lächelte in sich hinein, als wüßte er ein tiefes Geheimnis. Plötzlich wurden die flüsternden Stimmen still, alle Herren eilten, ihre Plätze an dem Tisch einzunehmen, denn draußen auf dem Gange kamen Schritte näher; man vernahm die Stimme des technischen Leiters, der mit dem kaufmännischen Direktor sprach. Lieber Ottos Antlitz schlug eine flammende Röte, die aber gleich einer tiefen Bläffe wich. Er atmete tief und reckte seine Gestalt zur Höhe, als könne er sich dadurch Haltung und Sicher heit geben. Die Tür öffnete sich, alle Herren erhoben sich. Lohe rief ihnen einen Gruß zu, machte eine Handbewegung, die zum Sitzen einlud, während er selbst an Lem oberen Ende des Tisches Platz nahm. Erwartung und Spannung war in allen Gesichtern, eine seltsame Unruhe ging von dem blassen, jungen Männe aus, an den Professor von Lohe nun das Wort richtete. „Hier, Herr Storm, steht bas Modell Ihrer Erfindung, die uns in die Lage setzen soll, die Produktionsfähigkeit unserer Hütte zu.erhöhen. Ich habe sorgsam alle Zahlen geprüft und hoffe von 'den Herren, daß sie ein gleiches getan." Ein leises, zustimmendes Mürmeln machte sich hörbar. Ottos Schultern hoben sich in tiefer, unbeherrschter Erregung. Professor von Lohe neigte den Kopf zu dem Holzmvdell her unter; man sah nur die Schläfen mit dem ergrauten Seiten haar. Als er wieder den Blick auf die Versammlung richtete, hatten seine Augen etwas Forschendes und Fragendes, sib standen kalt und eisblau in dem klugen Kopf. Aus dem ver schlossenen Antlitz vermochte kein Mensch auch nur im entfern testen die Meinung seiner Gedanken zu lesen. ,Ach bitte die Herren, sich zu äußern. Herr Weinhold, Sie haben mit lHerrn Storm zusammen gearbeitet, er ist Ihr erster Assistent, Sie werden wohl am besten Gelegenheit gehabt haben, sich in alle Einzelheiten zu vertiefen. Wollen Sie die Güte haben?" Diplom-Ingenieur Richard Weinhold war durchaus nicht darauf vorbereitet, als allererster gefragt zu werden. Eine ferne Erinnerung an die Schulzeit, da er schlecht unterrichtet in einer Stunde von einem Lehrer aufgerufen wurde, kam ihm. Seine Augen in den Polstern der geröteten Wangen nahmen einen beinahe ängstlich-rührenden Blick an: „Ich — nun wohl," sagte er und räusperte sich, um eine kleine Pause auszu füllen, denn er wußte, es galt jetzt, mit keinem zu verderben: „Mir scheint, es fei diese vorgeschlagene Neuerung aus dem Grunde empfehlenswert — jawohl, wenngleich, nun weil — alle Vorteile, die eine Walzenstraße vereinigen soff, in glücklicher Weise zusammenwirken. Unsere Spezialprofile, so will ich meinen durch die wir ja einen bedeutenden, man darf wohl behaupten, einen Weltruf erhalten haben, werden in guter Ausführung und, wenn alles den theoretischen Angaben nach gelingt, auch in der erforderlichen Anzahl gewalzt werden können." Er schwieg. Ihm schien, als habe er sich sehr'glücklich aus der Affäre gezogen. Er versuchte, den Eindruck seiner Worte auf Lohes Gesicht zu lesen, aber der Direktor sah angestrengt vor sich nieder, und auch der kaufmännische Direktor verzog keine Miene. Die anderen Herren, die von Professor von Lohe nun ge fragt wurden, machten ihre Angaben nach dem Muster des Be- tliebsingenieurs vorsichtig und zurückhaltend, wenn auch einige von ihnen, um sich ein wenig hervorzutun, sich ausführlich und ins einzelne gehend ausließen. Die heutige Konferenz war die einzige Gelegenheit, um dem obersten Vorgesetzten einmal zu zeigen, was man zu leisten und zu denken imstande war. Und ein solches Glück wie der junge Storm hatte eben nicht jeder. Es war nur zu schade, daß man keinen Eindruck davon be kommen konnte, wie die Auseinandersetzung der einzelnen Mei nungen auf den „Gewaltigen" wirkte, denn er blieb stumm, sein Gesicht, seine ganze Haltung schien erstarrt, und die Er regung, was er zuletzt selbst sagen würde, wuchs von Minute zu Minute, steigerte sich, je mehr nun von den Herren das Wort ergriffen. (Fortsetzung folgt.)
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