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AilsaruNerTageblatt r. Llstt Nn. 2-l Sonnsbenü, 13. vesembrr 1Y2L Wunsch. Ach, einmal noch mit vollen Händen, ehe der Abend naht, sich hinzugeben, zu verschwenden an irgendeine Tat! Kelen füß'rer Trost läßt sich auf Erden erfühlen und erdenken, als dieser: hast wir reicher werden, je mehr wir uns verschenken. Wolfgang Federa u. Zur MW des deutschen Mnerkehrs Durch den Versailler Friedensvertrag wurde die deut sche Lustschiffahrt, die im Weltkriege gezeigt hatte, was sie zu erreichen imstande war, für lange Jahre geknebelt und erdrosselt. Unsere Feinds hatten in richtiger Einschätzung gerade der Möglichkeiten bei Eroberung des Luftmeeres und der hier glänzend entfalteten deutschen Geisteskraft und -Zähigkeit den Wunsch, das „besiegte" Deutschland ein für allemal von der Konkurrenz über den Wolken auszuschalten. Während nun in den alliierten und neutralen Staaten fieberhaft gearbeitet wurde, um das Luftmeer immer mehr sich untertan zu machen, während mächtige Fluazeuge neu artiger Typen die Erdteile nach allen Richtungen über kreuzten, mußte sich Deutschland damit begnügen, das Lust- ösukekefluZkiLtungen IM. -ML — meer theoretisch zu bezwingen. Erst als die bestimmte Frist des Unfriedensvertrages abgelaufen war, war es auch für den deutschen Flugzeugbau wieder möglich, Flug zeuge zu bauen. Allerdings w" und ist die Einschränkung noch immer sehr erheblich, da nur ganz bestimmte Stärken zugelassen sind und dazu der Luftschiffbau nach Abliefe rung unserer letzten Z vveline überhaupt unterbunden wor den ist. Um so bemerkenswerter sind die Ziffern, die die deutschen Flugleistungen für das Jahr 1924 angeben. -Da nach wurden 35 880 Personen befördert. Die zurückgelegte Flugstrecke betrug 1666 855 Kilometer, d. h. eine Strecke, die insgesamt 4lLmal die Entfernung von der Erde zum Monde ausmacht. Fracht und Gepäck beförderten die deut schen Flugzeugs im gleichen Jahre 97 614 Kilogramm und Postgüter im Gewichte von 14 863 Kilogramm. Man darf mit Stolz auf diese Ergebnisse des mit allen Mitteln ge drosselten deutschen Flugzeugverkehrs schauen und daraus die Hoffnung schöpfen, daß es ihm vergönnt sein möge, recht bald ledig aller widerrechtlich ihm auferlegten Fesseln in friedlicher Konkurrenz mit den anderen Völkern den Platz einzunehmen, der ihm zukommt. Schwere Bluttaten in Hamburg. Hamburg, 11. Dezember. Hier wurde der 40 Jahre alte, in Smyrna geborene, Konimonn Rriü Westfeld verhaftet. Westfeld hatte m einem Granwarengefchäst eine Frau Heinemann, iyre 21 Jahre alte Tochter Harriet und ihren 14 jährigen Sohn durch Bauchschüsse schwer verletzt. Die Tochter ist bald darauf gestorben. Der Täter erklärte den Polizei beamten, daß er seins Pflicht getan habe. In seiner Wohnung liege ein gewisser Daleska, dem er den Schädel eingeschlagen und durch Messerstiche den Rest gegeben habe. Kriminalbeamte fanden in einem Hinter zimmer der Wohnung Westfelds den 37 jährigen in Serres geborenen Thomas Daleska ermordet auf. Der Ermor dete war der Bräutigam der ermordeten Harriet. Der Mörder sprach seine Befriedigung darüber aus, daß ihm seine Rache gelungen sei. Er hatte der Familie Heine mann Geld geliehen zum Ankauf des Geschäfts und konnte es angeblich nicht zurückerhalten. Die Aussage des AeiHMWdenlen. § Magdeburg, 11. Dezember. Der Vorsitzende verliest bei Beginn der heutigen Sitzung im Beleidigungsprozeß des Reichspräsidenten das Protokoll der gestrigen Nachmitlags.sitzung in der Wohnung des Reichspräsi denten. Syring wiederholt dabei seine vorgestrige Be kundung und erklärt weiter, der Güterbodenarbeiter Orschel habe im Gegensatz zu seiner Zeugenaussage vom Dienstag der Versammlung beigewohnt und sich bereit erklärt, Syrings Be hauptung als Zeuge zu bestätigen. Der Reichspräsident erklärte bei seiner Vernehmung: „Als ich bei meiner Vernehmung am 24. November 1924 nach dem Vorgang mit dem Zettel gefragt worden bin, war ich aus eine solche Frage nicht vorbereitet. Die Frage war auch all gemein gehalten, und es ist auch häufig vorgekommen, daß dem Redner Zettel heraufgereicht wurden. Deshalb habe ich damals eine allgemeine Antwort gegeben. Nachdem nun heute der s Zeuge Syring in meiner Gegenwart den angeblichen Vorfall mit dem Zettel eingehend geschildert hat, kann ich mit aller Be stimmtheit erklären, daß ich den angeblichen Vorgang mit dem Zettel für unmöglich halte. Was die behauptete Äußerung zu meiner Rede anbelangt, wie der Zeuge sie dargestellt hat, so er kläre ich, daß es ausgeschlossen ist, daß ich diese Äußerung getan babe." Der Zeuge Syring blieb auch angesichts der Er klärung Les Reichspräsidenten bei seiner Aussage. Der Generaistaatsanwatt stellt den Antrag, als weitere Zeugen Oezel und den Güterbeamten Haase zu laden. Rechts anwalt Dr. Martin beantragt, die Beamten Mistler, Sergeant Heiles und Polizeirat Röber zu laden, die die Aussagen Syrings bestätigen sollen. Daraus wurde Ditt mann nochmals kurz vernommen. Er erklärt, vielleicht habe Ebert damals geäußert, daß er und sAne Freunde dafür sorgen würden, daß die Strafeinziehungen zurückgezogen werden. Richard Müller erklärt in einem Schreiben, das zur Verlesung gelangte, Ebert habe an fünf Sitzungen der Streikleitung teilgenommen und nicht gegen den Streik gesprochen. Rechtsanwalt Martin beantragt darauf die Ladung Richard Müllers. Der Bevollmächtigte Eberts widerspricht, da dieser Mann objektive Feststellungen nicht machen könne. Rechts anwalt Martin besteht weiter aus Ladung Richard Müllers, der bekunden soll, daß Ebert Ihm unter vier Augen gesagt habe, daß der Streik notwendig sei, um den Krieg klein zu be kommen. Das Gericht beschließt demgemäß. Stand der deutschen Wintersaaten. Anfang Dezember. Die Fortdauer des ungewöhnlich milden und trockenen Herbstwetters auch im November dieses Jahres war sowohl für die Beendigung der Herbstfeldarbeiten wie für die Aussaat und die Entwicklung der Wintersaaten über aus vorteilhaft. Dank der günstigen Witterung konnte die Aberntung der Nübenselder restlos beendet und die Be stellung der Wintersaaten zum allergrößten Teil zu Ende geführt werden. Soweit die jungen Saaten bereits aufgegangen sind, zeigen diese allenthalben eine gute Ent wicklung. Der Roggen ist kräftig bestockt und weist — namentlich auf früh bestellten Feldern — einen sehr üppigen Bestand auf. Für Weizen lauten die Begut achtungen nicht ganz so günstig; dieser ist wegen späterer Aussaat zumeist noch im Rückstand und vielfach erst im Auflaufen begriffen. Die Gerste steht durchschnittlich gut und hat sich, wie der Roggen, bereits kräftig und üppig ent wickelt. Unter Zugrundelegung der Zahlennoten 2 - gut, 3 — mittel, 4 — gering ergeben sich im Reichsdurchschnitt folgende Begutachtungen: Weizen 2,6 (im Vormonat 2,7), Svelz 2.5 (2.7). Roggen 2.5 (2.6). Gerste 2.5 (2.5). s politische Rundschau Aufgehobene Zollerleichterungen. Die in den Kreisen Eupenund Malmedy unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs zugestandcnen Zollerleichterungen (Zollerlaß aus Billigkeits gründen für Waren, die sich zur Zeit des Inkrafttretens des Versailler Vertrages in den genannten Kreisen im freien Verkehr befanden und für Erzeugnisse, die nachweislich in diesen Kreisen aus deutschen Rohstoffen hergestellt sind) fallen mit Ablaufdes 10. Januars 1925 fort. Waren der genannten Art, die nach diesem Zeitpunkt zur Zollab fertigung gestellt werden, unterliegen der tarifmäßigen Be handlung. Lipplsche Laudtagswahlen am 18 Januar 1925. Die Neuwahlen des Lippischen Landtages, dessen vier jährige Legislaturperiode sich ihrem Ende zuneigt, wurde vom Landespräsidium auf Sonntag, den 18. Januar 1925, festgesetzt. Am gleichen Tage finden auch die Neuwahlen zu den Gemeindevertretungen statt. Der bisherige Land tag setzt sich zusammen aus fünf Deutschnationalen, vier Volksparteilern, zwei Demokraten, acht Sozialdemokraten sowie je einem Vertreter des Gewerkschaftsbundes und der Kommunistischen Partei. Kritische parlamentarische Lage M Bayern. Die durch Widerstände gegen das Konkordat und die Staatsverträge mit den evangelischen Kirchen geschaffene parlamentarische Lage in Bayern wird in parlamentarischen Kreisen als kritisch beurteilt. Für den Fall einer Ablehnung des Konkordats und der Verträge mit den evangelischen Landeskirchen rechnet man in parla mentarischen Kreisen damit, daß die Bayerische Volks partei ihre Minister aus dem Kabinett zurückziehen würde. Da eine Regierungsbildung ohne Bayerische Volkspartei unter den gegenwärtigen Mehrheitsverhältnissen als un möglich erscheinen muß, so wäre damit eine Lage ge schaffen, die zwangsläufig zur Selb st a ufl ö sun g des Landtags führen müßte. Schweiz. Der neue Bundespräsident. Die schweizerische Bun desversammlung wählte mit 172 Stimmen von 193 gültig abgegebenen Stimmen bei 25 Stimmenthaltungen den Bundesrat JeanMariaMusyan Stelle des ausschei- venden Bundespräsidenten Chuard zum Bundespräsi denten für das Amtsjahr 1925. Bundesrat Musy ver waltete bisher das eidgenössische Finanzministerium. Zum Vizepräsidenten für das Amtsjahr 1925 wurde Bundes rat H. Häberlein, der eidgenössische Justizminister, mit 182 von 296 gültig abgegebenen Stimmen bei 24 Stimment haltungen aewäblt. Nordamerika Amerika wünscht in Deutschland gebaute Luftschiffe. Eine Gruppe von .wohlhabenden amerika nischen Geschäftsleuten beschloß in Verhand lungen einzutreten mit dem Zwecke, in Deutschland gebaute Luftschiffe zu erwerben, die für den transatlantischen Handelsverkehr geeignet seien. Dem steht zwar die betreffende Bestimmung des Versailler Vertrages entgegen, aber man glaubt, daß die Zeit gekommen sei, sie abzuändern. Die an dem Plan interessierten Personen haben Schritte unternommen, um die Unterstützung des Staatsdepartements bei der Eröffnung von Unterhand lungen mit dem Botschafterrat in Paris, bei dem die Ent scheidung dieser Frage liegt, zu erlangen. Aus In- und Ausland. Berlin. Im Preußischen Staatsrat wurde ein Antrag auf Aufhebung der W o h n u n g s äm te r mit 33 gegen 32 Stim men abgetehnt. Vertin. Im Preußischen Staatsrat wurde ein Antrag an - genommen, der sich gegendasHandelsabkommen mit Spanien richtet. Berlin. Der Hauptausschuß des Deutschen Industrie- und Handclstages sprach sich in einer Erklärung gegen die Rati fizierung des Washingtoner Abkommens (Acht stundentag) aus. Was mein einst mar. 86 Roman von Fr. Lehne. Urheberschutz 1921, durch Stuttgarter Rvman»«ntrsle. C. Ackermann. Stuttgart. „Ich denke, daß wir am Montag die Einladungen ab senden werden!" „Ich bin mit allem einverstanden, wie du bestimmst!" 'entgegnete sie höflich. Wie Schluchzen saß es in ihrer Kehle; sie konnte den Verlobten kaum ansehen — beinahe Widerwärtig erschien ihr in diesem Augenblick sein hüb sches, leeres Gesicht. Sie las ihm die Namen vor; er überlegte und sann, Daß er nur niemand vergessen, und weitschweifig erging er sich in Erörterungen über die Verhältnisse und Ver wandtschaftsbeziehungen der einzelnen Familien unter einander, was ihr in ihrer Gemütsverfassung sehr gleich gültig war. Seine ein wenig ölige Stimmung ging ihr direkt auf die Nerven. „Heute abend werde ich mit Papa die Liste durchgehen; er soll mir seine Wünsche nennen, und dann ist das in Ordnung! — Uebrigens haben wir gestern von Vetter Thilo die Nachricht bekommen, daß er bereits Ende näch ster Woche hier eintreffen will. Er wird auch noch über unsere Hochzeit hinaus bleiben, worüber ich froh bin — Papas wegen! Dann wird er das Alleinsein nicht so empfinden; Thilo ist sehr unterhaltsam und voll guten Humors, obwohl er im Kriege den rechten Arm verloren hat —" Krampfhaft hielt Erdmute das Gespräch über leichte gesellschaftliche Dinge im Fluß, um ja keine Liebesworte und Zärtlichkeiten aufkommen zu lassen. Mit Erleichte rung begrüßte sie es, als es anklopfte und Marie eintrat, die fragte, ob die Herrschaften den Tee im Garten oder auf der Terrasse nehmen wollten; Hochwürden der Herr Pfar rer seien eben gekommen. Erdmute wandte sich an den Verlobten. „Wie denkst du, Otto? Hochwürden sitzt gern im Garten, am For tunabrunnen —" „Selbstverständlich Lin ich damit einverstanden!" Während Erdmute Marie ihre Anweisungen gab, mu sterte Otto Felsen das Mädchen, das in dem schwarzen Kleide mit der Weißen Zierschürze sehr appetitlich und nett aussah. „Donnerwetter", dachte er, „ist das eine hübsche Krabbe!" Wie dfe dunklen feurigen Kirschenaugen aus dem frischen Gesicht leuchteten und in welch pikantem Ge gensatz sie zu dem ährenblonden Haar standen! Marie fühlte seinen musternden Blick; eine Sekunde sah sie ihn an; ein leises, verstecktes Lächeln huschte um ihre Lippen. „Donnerwetter!" dachte er wieder und wußte im sel ben Augenblick, daß er das Mädel schon öfter im Dorfe gesehen und daß sie ih mda bereits durch ihre üppige, sinn liche Schönheit aufgefallen war. Sie hatte etwas an sich, das einen Mann Wohl reizen konnte, und unauffällig be obachtete er sie, wie die Gelegenheit es erlaubte. Und Marie verstand es, sich ihm bemerkbar zu machen. Sobald sie das wohlbekannte Signal seines Autos hörte, richtete sie es ein, daß sie bei seiner Ankunft im Schloßhof oder in der Diele war und er sie sehen mußte. Sie fühlte, daß sie die Aufmerksamkeit des Grafen er regt hatte; es schmeichelte ihr sehr, und jedes belanglose Wort, das er ihr im Vorbeigehen zuwarf, quittierte sie mit einem schelmisch koketten Blick. Otto v. Felsen war ein Mann, der für jedes hübsche Mädchen immer noch Augen und Interesse hatte, auch wenn ihn der augenblickliche Gegenstand seiner Leidenschaft noch so stark beschäftigte. Eines tiefen Gefühls für eine Frau war er gar nicht fähig; waren seine Wünsche gestillt, so war auch bald jedes Interesse geschwunden. An Erd mute reizte ihn die herbe, unnahbare Mädchenhaftigkeit und ihre Vornehmheit; die zu besiegen, war ihm jetzt vor allem erstrebenswert, wenn ihn ihre große Zurückhaltung auch oft ärgerte und verletzte. Sie machte es ihm schwer, immer den Liebenswürdigen zu spielen. So spröde und stachlicht, wie sie jetzt so kurz Var der Hochzeit war, war sie während der ganzen Brautzeit nie gewesen! Graf Felsen hatte der Braut versprochen, am Sonn tag mit ihr zur Kirche zu gehen. Doch da er nicht pünkt lich war, wartete sie nicht länger, sondern ging mit dem Vater, als die Glocken zum Gottesdienst riefen. Und wieder sah sie Karl Günther an seinem gewohn ten Platz stehen — ein wenig hinter der Säule im Seiten gang; sie konnte ihn gut beobachten — und wieder war es, daß beider Augenpaare, wie von magnetischer Gewalt angezogen, sich suchten und festhielten. Tief und schmerzlich seufzte sie; sie neigte das Gesicht auf die gefalteten Hände, die "auf dem Gebetbuch lagen. Nach dem Gottesdienst ging sie langsam allein nach Hause, da der Vater mit dem Ortsvorsteher einiges be sprechen wollte. Im Schloßhof sah sie des Verlobten Kraftwagen stehen; er war also gekommen. Der Diener meldete ihr, daß der Herr Graf im roten Salon auf die Herrschaften warte. Sie neigte das Haupt; doch es eilte ihr nicht allzu sehr, den Verlobten zu Ls- grüßen. Sie begab sich darum zunächst m ihre Räume, die sich im ersten Stock befanden, um Hut, Handschuhe und das Gebetbuch wegzulegen. Für einen Augenblick trat sie auf den Balkon ihres Schlafzimmers. Traurig sah sie vor sich hin. Der Sonne Heller Schein tat ihr Weh; sie wollte nichts sehen von der Sommerherrlichkeit, die bereits den Höhepunkt überschrit ten hatte, wovon die abgemähten Kornfelder zeugten — es ging schon wieder abwärts — der Herbst kam bald und dann der Winter! Und sie hatte nicht einmal einen Früh ling gehabt! Sie schauerte leise zusammen.