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Wilsdruffer Tageblatt : 10.02.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-02-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192402102
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19240210
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19240210
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-02
- Tag 1924-02-10
-
Monat
1924-02
-
Jahr
1924
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 10.02.1924
- Autor
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Haltung", daß das „Leichenseld, dar ihre verdorrten Stämme deckt", er könnte glauben, daß alles das eitel Schwindel gewesen sei! Eitel Schwindel die „Papiernot und Papier oerteuerung", — eitel Schwindel die „Materialien-Knappheit", — Schwindel die „Notwendigkeit der Bezugspreiserhöhung", — Schwindel „das Fehlen der Anzeigen", — Schwindel „die be hördlichen Belastungen aller Art", — Schwindel endlich auch die durch die fortschreitende Geldentwertung erforderlich ge wesenen „privaten und sonstigen Zuschüsse der Presse", bloß um diese als so notwendigen Kultursaktor der Allgemeinheit wie jedem einzelnen auch durch die trübste Zeit hindurch zu erhalten! — Man vergißt ja so leicht, — man glaubt ja noch um so vieles leichter .... Seitdem die Rcntenmark (Heil! und tausendmal Heil! ihrem Erzeuger, dem Staatssekretär a. D. Dr. Karl Helfferich!) sich mählich zur Beweisführung ihrer Stabilität anzuschicken be gann, haben die Lebensmittelpreise eine erfreuliche Senkung er fahren. Die Erzeuger wie Großhändler, die Importeure, der Zwischen- wie der Einzelhandel konnten wieder kaufen, konnten wieder kalkulieren, konnten wieder verkaufen, ohne die erdrückend lähmende Sorge, daß morgen der Neueinkauf mehr an Bar mitteln erfordert als heute der Verkauf brachte. Ohne auch ihre Häupter durch Wuchergerichte und Bedrohungen anderer Art zu umdräuen. Wie dem Lebensmittelhandel wurde auch dem freien Handel, der Wirtschaftlichkeit aus den meisten anderen Gebieten wieder die Bahn frei gegeben. Ihre Freigabe bedeutet das Aufleben der längst totgeglaübten Regsamkeit zur neuen Entfaltung des Wettbewerbs. Des 'Wettbewerbs erste Zeichen spiegelt die Zeitung wieder in ihrem Mzeigcnteile. Die Anzeigen teile der Großstadtblätter und besonders der „volkstümlichsten" unter ihnen, der „General-Anzeiget" (auch wenn sie unter anderen Titeln erscheinen, so doch im tiefsten Innern in gleichem Maße Vertreterinnen dieser Spezies!) wimmelten denn auch in den schönen kalten Ianuartagen, die gleichzeitig zu Tagen und Wochen der ,/Saison"-, der „Räumungs"-, der „Winter"- und sonstigen „Ausverkäufe" wurden, von ganz-, halb- und viertel seitigen „Vvrzugspreise"-Anzeigcn. Den „Rennern" und „Als- bergern", den „Tietzen" und „Wertheimern", den „Schmöllern" und „Wronkern" als ersten taten es die „Benjamine" und „Löwensteiner", die „Iakob"- und „Samuelsöhne" nach. Ihnen folgten in dritter Staffel die ,^arstädte" und „Messowe", die „Waldschmidte" und „Katzensteine" und wie sie alle, nach Städten und Tiergattungen benannt, noch heißen mögen. Mit „Leinen"- und „Wäsche"-, mit „Blusen"- und „Restertagen". Ein Wettbewerb, — ein begreiflicher, ja ein fast allgemein er- s wünschter, wenn man der großen Masse folgt, die in dem > Wahne lebt, die Blusen und Mäntel und Schürzen und Rester halb geschenkt erstehen zu können. Jedenfalls ein Wettbewerb, auf den kein noch so rühriger Staatsanwalt auch nur einen ein zigen Paragraphen des deutschen Reichsgesetzes vom 1. Juli 1896 mit Aussicht auf Erfolg zur Anwendung zu bringen ver möchte. Warum auch? Die Waren- und Kaufhäuser werden auch die ältesten und fadenscheinigsten ihrer Ladenhüter los, die Menge befriedigt restlos ihren lange ungestillt gebliebenen Kauf- s hunger, und die Zeitungen? — Nun, nach den vielen mageren - Jahren sollten ihnen doch einige fetteWochen von Herzen , zu gönnen sein. Ganz gewiß! Wer den Dingen etwas auf den Grund zu schauen vermag, wird aber unschwer erkennen, - daß sich dieser warme Anzeigen-Ianuarregen auf nur ach so wenige Zeitungen ergoß. Auf kaum 4—5 von hundert! Einige Seitenspritzer sielen noch da und dort auf ein Blättchen ab, das sich dem Regenherd in unmittelbarer Nähe fühlte, die andern gingen vollends leer aus. Sind Neid und Mißgunst die Hand führer dieser Zeilen gewesen? — Nein! — Und dennoch, den noch! — Die eingangs gestreiften Nöte der Zeitungen bestanden und bestehen noch unverändert weiter! Die Nöte der Zeitungen! (Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel.) Die gemein samen Nöte der Zeitungen, sie wurden gemeinsam ge tragen. Die tragunfähigsten Schultern brachen zusammen. Das ist der Welten Lauf, das wird er bleiben. Gemeinsam gingen die Zeitungen daran, ihre gemeinsamen Nöte zu beheben, sie zu lindern, zu mildern. Durch Haupt-, Provinzial-, Kreis- und Ortsvereine. Diese immerdar geführt und geleitet von den Besitzern und Vertretern der Zeitungen, denen die ge- me nsamen Nöte am wenigsten den wirklichen Lebensfaden be drohten. Und es wurden Beratungen veranstaltet und Reden gehalten und Eingaben abaesandt und Beschlüsse gefaßt. Und es wurde Treue gelobt und Beharrlichkeit gepredigt. Und wur- >u, ! den Bezugspreisstaffelungen geschaffen und Mindestsätze be schlossen. Und wurden Begriffe geprägt und Worte gedrechselt. Alles, alles im Zeitalter der — fallenden Mark, einer Zeit der vollständigen Unangemessenheit, der Zeit höchstgradiger Unver- i bundenheit, absoluter Irrelevanz .... Der Glaube an die Rentenmark („Heil Helfferich!") begann Wurzeln zu schlagen. Mit ihm der Glaube an die Wiedererstarkung des Wirtschaftslebens und — last not least — der Glaube an eine neue Anzeigenflut in den Zeitungen. Er scheint kein Irrglaube! (Dse Schürzen- und Wäsche- und Blusen- und Restertage der Aron- und Löwen- und Branden- und Frankensteine vom Januar 1924 sind Beweise.) Die „volkstüm- lichsten" unter den Großstadtzeitungen, das sind die Zeitungen der „Masse", die Blätter mit den breitesten Rücken, den gebläh- testen Segeln, den größten Windmühlenslügeln, dem weitesten und deshalb vielseitigsten.Gew—ähren: sind die zumeist Ge nießenden! — Neid, — Mißgunst? — Bewahre! — Vom Distelnstrauch lassen sich nicht Trauben ernten und der Wasser leitung entströmt nicht edler Rebensaft! .... Was an „Gelöbnissen" und „Treuschwüren", an „Tarifen" und „Mindestsätzen" die in den tiefsten Orkus gefallene Mark gebar, — als Wechselbalg zeigt es sich heute im Lichte der Fest mark! „Und die Treue, sie ist doch ein leerer Wahn . . ." — Was der Januar den „volkstümlichen" Grobstadtblättern (je „volkstümlicher" desto reichlicher) an Anzeigengeldern der Gvld- und Silber- und Lilien- und Vellchensteiner in den Schoß ge worfen, — im Februar schon wird es gegen die mehr vater ländischen, mehr Heimattreuen, mehr wurzelecht-deui^en Schwestern durch jedmöglichen Druck auf die Bezugspreise zur Anwendung gebracht. Ein Wettbewerb, jenseits von gut und böse, ein solcher, der das Prädikat „lauter" ebenso wenig verdient, wie er auch nur einem einzigen Paragraphen des vorerwähnten Gesetzes vom 1. Juli 1896 Anwendung ver- stattet. Ein Wettbewerb aber, dessen üble Auswirkung tiefer liegt und dort, in der Tiefe, zu suchen ist: Die Anzeigenseiten der Abraham- und Levi-, der Isaak- und David-, der Iakob- und Seliasöhne schafft dickhandliche Zeitungsnummern, die auf schleichenden Umwegen, den Unkundigen nicht erkennbar, den Geist jener „Volkstümlichkeit" auch in die Reihen derer zu tragen eifrig bemüht sind, deren gesundes Empfinden jedem offenen Bemühen die ehrliche, deutsche Faust kosten ließen. „Michel, horch, der Seewind pfeift, Horch, und spitz' die Ohren ..." Jupiter. Assars« Mssn. (Von sehr geschätzter Seite erhalten wir noch nachträglich den hier folgenden „Nachruf". Red. d. S>Z.). Wilson soll nach Nachrichten von in Berlin lebenden Deutschamerikanern bereits während der Konferenz von Paris (1919) mit Clemenceau und Lloyd George leidend gewesen sein. Schon damals zeigte er Spuren geistiger Erschöpfung, die seine diplomatischen Gegenspieler, wie wohl jetzt jeder einge sehen hat, gründlich ausgenützt haben. Dazu kam, daß Wilson nicht französisch, der Italiener Orlando nicht englisch sprach, Clemenceau aber beide Sprachen meisterhaft beherrschte. So konnte sich die Ueberlegenheit des „alten Tigers", wie ihn die Franzosen gern nennen, voll auswirken. Man hat sich wohl in Deutschland gefragt, ob Wilson ein durchtriebener Heuchler und ehrloser Betrüger war, der uns gutgläubige Deutsche nur täuschen wollte, oder ob er ein Schwächling war, der sich mit Clemenceau und Lloyd George nicht messen konnte. Wir wollen uns sür den zweiten Fall ent scheiden, wie es auch einer seiner Landsleute getan hat. Bu- litt, ein Mitglied der Begleitkommission Wilsons, legte sein Amt nieder, als er sich in Paris betrogen fühlte. Mit den nach stehenden Worten verabschiedete er sich von dem Präsidenten: „Ich bin einer von den Millionen, die rückhaltlos Ihrer Führer schaft vertrauten und glaubten, daß Sie nichts Geringeres wollten als den dauernden Frieden der Welt auf der Grund lage restloser Gerechtigkeit. Aber die Regierungen haben sich nun entschlossen, die leidenden Völker der Welt' neuen llnter- drückungs- und Zerstückelungsangriffen auszusetzen und ein neues Jahrhundert der Kriege zu eröffnen." Und der Engländer Keynes, Professor in Cambridge, Mitglied der englischen Friedenskommission, fällt ein vernichtendes Urteil über den so genannten Verständigungsfrieden. Gleich Brüllt legte er fein Amt nieder. Er sagt in seinem Buche: „Die wirtschaftliche» Folgen des Friedensvertrages" (the economie consequences vf the): „Wilson war ein Mann mit guten Absichten, mit viel Schwächen und ohne jeden beherrschenden Verstand, der unb»- dingt nötig war, um in jene furchtbare Ränke- und Menschlich- keitswirtschast in Frankreich hineinzuleuchten." Und in einer anderen kleinen Broschüre sagt Keynes: „War Hamlet ei» Wahnsinniger oder Heuchler? War der Präsident krank oder falsch?" Der Gang des Weltgeschehens hat bisher gezeigt: Wilson war in Versailles nicht klug, er wurde betrogen. Er war wohl der einzige Staatsmann in Paris, der ideale Ziele verfolgte, aber er wurde nicht gehört. Schwer leidend kam Wilson nach der Unterzeichnung der Friedensvertrages in Amerika an. Er ruhte nun aber nicht, sondern unternahm eine große Rundreise, um seine Politik vor dem Lande zu rechtfertigen. Diese führte dann zu seinem geistigen und auch körperlichen Zusammenbruch, wie amevi- kanische Berichte jetzt besagen. Erholt hat sich seit jenen Tage« der Präsident nicht mehr. Bis zum Rücktritt hat seine Gattin die Präsidentschaft geführt. Wilson soll nach seiner Amtsniederlegung die Absicht ge habt haben, sich als Advokat zu betätigen. Es ist aber nicht bekannt, ob er diesen neuen Beruf ausgenommen hat. Nicht unerwähnt sei, daß sich der Expräsident noch in letzter Zeit bemühte, seinem erblassenden Stern zu neuem Glanz zu verhelfen. In einer amerikanischen Zeitschrift schrieb er: „Er, Wilson, habe sich durch Amerikas Haltung im Kriege große Verdienste erworben. Der Versailler Vertrag sei die vor züglichste Verkörperung der berühmten 14 Punkte." — Es klingt wie ein Spott auf feine eigene Perfon. Sein Stern ist erloschen. Ein trauriges Ende, vergessen und verachtet von der Welt. Das ist das Ende des Kriegr- präsidenten Wilson. R. H. P. s n LMM KüMM -- I Die bayerische Landtagefitzung. — Große Tumultszenen. — Demokratische Anklage gegen Herrn von Kahr. München, 8. Februar. In der -heutigen Sitzung de» Bayrischen Landtages richtete der demokratische Abgeordnete Dr. Müller, Meiningen, einen esvnders scharfen Angriff gegen die bayrische Regierung und Generalstaatskommissar Kahr un erklärte dabei: Wenn die Bayrische Volkspartei so schändlich« Dinge wie die Meuterei des Generals Lossow ohne weitere» deckt, könne keine Autorität im Staate bestehen. Mit der Schutz haft wird der schändlichste Mißbrauch getrieben. Es wird nicht eher in Bayern Ruhe werden, bis auch die Klage gegen Kahr, Lossow und Seißer erhoben fei. Die Stellung Kahrs fei unhalt bar geworden, fein drohender Zusammenbruch werde zu einem Debage für Bayern werden. Deshalb wiederhole er den Ruf: Weg mit dem Generalstaatskonunissariat. Geschehe das nicht, so trage die Mehrheit und die Regierung die Schuld für dar neue drohende Chaos in Bayern. München, 8. Februar. Im weiteren Verlauf der heu tigen Nachmittagssitzung des Bayrischen Landtages kam es zu stürmischen Szenen. Den Auftakt dazu gab die Forderung de» Sozialdemokraten Sänger, bah der Iustizminister über Ehrhard Auskunft geben solle. Der Iustizminister Dr. Gürtner nahm hierauf das Wort und erklärte, daß bei einem bayrischen Ge richtshof oder bei einer bayrischen Behörde kein Verfahren an hängig sei. Der Eeneralstaatskommissar habe bekanntlich ange- vrdnet, daß die Polizeibehörden vorerst den Vollzog des Re- publikkschutzgesetzes in Bayern einzustellen haben. Die Justiz- Verwaltung hat damit also gar nichts zu tun. Abg. Dr. Müller (Demokrat) fragte bann, warum die Beschlagnahme der Bro schüre des Prosessors Rothenbüscher erfolgt sei. Da sich weder der Minister des Innern noch der Iustizminister zum Wort meldet, erklärte Abg. Müller, daß die Beschlagnahme wegen Beleidigung der bayrischen Staatsanwaltschaft erfolgt fei, so daß also Herr von Kahr die Staatsanwaltschaft vorgeschoben habe, um seine eigene Person zu schützen. Es kam im Anschluß an diese Erklärung zu großen Tumultszenen, bei denen der Präsi dent trotz aller Mahnungen zur Ruhe nicht durchdringen konnte. Dann nahm der Minister des Innern Dr. Schweyer das Wort - NM MeMvc i Aariburg una Mlinar rwel Ser beaeuieuasien üemscben NutturMteli. Von Schuldirektor Spreer, Sicbenlehn. Immer wieder zieht es uns nach dem kulturreichen Thü ringen. Die Wartburg: auf heherrschender, von Eichen- und Buchenwald umkleideter Höhe, die einst — um das Jahr 1070 — Ludwig der Springer mit den bekannten Worten zu seinem Wohnsitz kürte: „Wart', du Berg, du sollst mir eine Burg werden!" Und zu ihren Füßen, in flachem Talkessel aus- gebreitet, das herrliche Eisenach mit seinen hellroten Ziegel dächern und seinen sanft anstrebenden, villenbesäten Höhenzügen: die Stadt der Dereinstagungen und Kongresse. Tagte doch erst s vor kurzem in seinen Mauern die Vertieterschaft der evangelischen - Kirche. Uebrigens wiederum eine eindrucksvolle Kundgebung für Luthers Bekenntnis! — Lassen wir im folgenden einmal die Schattenbilder der Erinnerung an uns vorüberziehen: Kaum haben wir den schmucken Bahnhof Eisenach im Rücken, entbieten -uns schon von der jenseitigen Höhe die beiden stolzen Bergfriede der ehrwürdigen Feste den ersten Willkommengruß. In dem malerischen Stadttor oder Nikolaitor mit der originellen, dem weinfrohen Bachus geweihten „Turmschänke" sehen wir den letzten Ueberrest mittelalterlicher Befestigung. Zu kurzer Rast veranlaßt uns — in der Mitte des Karlsplatzes — das ehrwürdige Bronze st and bild Luthers. Den massigen Sockel schmücken drei Reliefs: Luther als Kurrendeschüler vor dem Hause der Frau Cotta, als Uebersetzer der Bibel und, in ritterlicher Verkleidung, als Junker Georg. Den geräumigen . Markt, dessen schlichte Umrahmung zum Teil von dem ehemaligen - großherzoglichen Schlosse, dem Nathause und der Ge - orgenkirche gebildet wird, ziert ein Jahrhunderte alter s Brunnen mit dem vergoldeten Standbild des hl. Georg. An der s Marktseite des erwähnten gotischen Gotteshauses interessiert uns ! das einzigartige, sinnvolle Kriegerehrenmal der Stadt Eisenach: ein in die Wand eingelassenes Sandsteinrelief, zwei Frauengestalten, deutsche Mütter, darstellend. Die eine in liebe voller Umarmung ihr Söhnlein lehrend, die andere mit zuver sichtlichem Blick ins Weite schauend. Darunter die sinnige In schrift: „Ihr habt sie dem Volke erzogen; sie haben euch nicht betrogen." Möchte auch die Nachwelt unserer Gegenwartsjugend ein gleiches, ehrendes Zeugnis in bezug auf deren Pflichttreue gegen Volk und Vaterland ausstellen können! Ein weiteres ehernes Standbild vor dem Haupteingang der Georgenkirche trägt die Namen: IohannSebastian Bach. Nach dem Verbrausen des dreißigjährigen Kriegsbrandes ging nämlich vom Fuße der Wartburg ein Meister aus, dessen Ruf ganz Deutsch land erfüllte: das größte Genie deutsch-religiöser Musik. Am „Frauenplan", in nächster Nähe des schmucken, im malerischen mittelalterlichen Stile erhaltenen Gasthauses „Harmonie", steht heute noch des Meisters Geburtshaus, in dem er 1685 das Licht der Welt erblickte. An feinen Kantaten, Passionen und zahllosen andern Ausdrucksformen musikalischer Meisterschaft erbauen sich heute noch Protestanten wie Katholiken. — Und nun den steilen Schloßbcrg hinan zur Burg. Da steht sie vor uns in jungfräu licher Schöne, die vornehmste Schöpfung thüringischer Land grafen! In den Jahren 1838—1867 wurde sie durch Großherzog Karl Alexander neu ausgebaut, gerade in jenen bewegten vier ziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, an deren Anfang Hoff mann von Fallersleben das Nationallied „Deutschland über alles" gefunden, in deren Mitte Richard Wagner seinen „Sän gerkrieg auf der Wartburg" geschaffen. In jenen Jahren ist der Neubau der Wartburg begonnen worden. Nun erst erhielt die Burg das festlich wirkende Aussehen, an dem sich heute Auge und Herz erfreuen: „Erspart bleibt fürder, willst du Schönheit schauen, Die Pilgerfahrt nach welschem Land und Meer; Wetteifernd mit dem Besten fremder Gauen Prangt hier ein Kleinod, kunstdurch-glänzt und hehr!" Man kann die glänzende Erstaufführung des Lifztschen Ora toriums „Die heilige Elisabeth", die 1867 auf der Wartburg ; stattfand, gleichsam als Festfeier zur Vollendung der Burg be- ! trachten. — Erwartungsfroh überschreiten wir nunmehr die ! in schweren eisernen Ketten ruhende Zugbrücke und treten durch ! das romantische Turmtor in den langgestreckten Burghof ein, an ; dessen südlichem Teile das älteste Bauwerk, das Land- j grafenhaus, sich erhebt, aus dem 12. Jahrhundert stam- i mend. Die Hofseite dieses ehrwürdigen Baues, aus gewaltigen ; Sandsteinblöcken aufgeführt, erfährt durch drei Reihen zierlicher, gekuppelter Rundbogenfenster eine recht ansprechende Gliederung. Unter kundiger Führung treten wir in das Innere ein. Wir finden uns zunächst auf einem längeren, schmalen Gange, der Elisabeth-Galerie. Der Wiener Künstler v. Schwind hat hier in großen, lebensvollen Wandgemälden das Leben und Wirken der heiligen Elisabeth dargestellt; denn mit der Wart burg ist ihr Name für alle Zeiten aufs engste verbunden. Als Tochter des Ungarnkönigs Andreas ll. kam sie, vierjährig, nach Eisenach. Mit 14 Jahren wurde sie mit Landgraf Ludwig IV. ver mählt. Wir ehren die Landgräfin Elisabeth als die größte deutsche Heilige, als die erste soziale Wohltäterin, die sich mit beispielloser Nächstenliebe der Armut hingab. Trotz ritterlicher, ja königlicher Abstammung stieg sie freiwillig zu den Armen hinab: eine edle Frauengestalt von seltener Herzensgüte. „Sie bedurfte nicht der Harfe, ihre Seele war ja selbst ein rein gestimmtes Saitenspiel." Nach dem Tode des Gatten trat sie als Vertriebene ins Kloster ein und hüllte sich in das Gewand der Grauen Schwestern. Aber bereits mit 24 Jahren sank die fürstliche Frau ins Grab. Der 19. November 1231 ist ihr Todestag. Bereits in den nächsten Jahren wurde sie heilig ge sprochen. Bei der feierlichen Erhebung ihrer Gebeine war Kaiser Friedrich II. mit zahllosen Erzbischöfen, Bischöfen und fürstlichen Personen anwesend. Eben von der Verteidigung des Heiligen Grabes zurückgekehrt, nahm er die eigene Krone ab und schmückte damit das Haupt der toten Heiligen. Es war eine Huldigung an die Kaiserin der Armen, eine Huldigung an das deutsche Herz. 300 Jahre später, am Sonnabend, den 4. Mai 1521, reitet zwischen gepanzerten und verkappten Rittern ein Mönch auf der Wartburg ein. Es ist Nacht. Fackelschein er leuchtet den Hof. Der Schloßhauptmann Hans von Berlepsch springt vom Sattel, lüstet das Visier und hilft seinem Gesun genen vom Pferde: „Willkommen auf sicherer Burg!" Als Nonne des französischen Ordens war Fürstin Elisabeth fernab gestorben; jetzt zieht ein bürgerlicher Ordensmann ein, der sich in einen Ritter verwandelt und hier oben sein umgestaltenb Werk treibt. Durch seine Bibelübersetzung gibt er der neu deutschen Sprache Ton und Gepräge und entwickelt sich zum wuchtigsten deutschen Religionsmann. — So tritt zur innigen Frauengüte einer Elisabeth die trotzige Willens- und Glaubens kraft eines Martin Luther. Wir treten in die Burgkapelle ein mit wertvollen Resten mittelalterlicher Wandgemälde und
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