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ÜMsaruNerTageblatt! 2. LIstt Nr. 28Y vonnerstsg N. verember IY2L Die Sternschnuppe. Ich liege im Fenster um -Mitternacht. Die Sterne am Himmel stehen. Ich hatte noch einmal den Tag überdacht, wollt eben zur Ruhe gehen. 'Es war in meiner Heimat, am Rhein, gegenüber dem Niederwald. Hoch stand auf dem Berge im Mondenschein Germaniens stolze Gestalt. Auf dem Strom fuhr noch ein weißes Boot mit Männern in Khaki, in 'Braun, mit Männern in Blau ud in Hofen rot. Dazwischen Gelächter von Fraün. Germania sprach: „Wohin ich auch schau, seh ich nur den alten Feind!" Es war mir, als hätte die hehre Frau dann still vor sich hin geweint . . . Da habe ich plötzlich gerad' über ihr eine Sternschnuppe fallen sehen. Und was man sich wünscht in dem Augenblick schier, soll stets in Erfüllung gehen! Geno Ohlischläger. Beleiöigungsprozeß des Reichspräsidenten! Magdeburg, 9. Dezember. Vor dem erweiterten Schöffengericht des Magdeburger Landgerichts begann heute vormittag der Prozeß gegen den Schriftleiter Röthardt von der „Mitteldeutschen Presse" in Staßfurt wegen Beleidigung des Reichspräsidenten. Es wurde sofort mit der Vernehmung des Angeklagten be gonnen. Der Angeklagte hatte einen offenen Brief des Schrift stellers Dr. Gantzer veröffentlicht und mit einem beleidi genden Kommentar versehen. Dem Reichspräsidenten wurde darin der Vorwurf des Landesverrats gemacht, weil er im Frühjahr 1918 den Munitionsarbeiterstreik be günstigt habe. Der Reichspräsident läßt sich in dem Prozeß durch die Rechtsanwälte Wolfgang Heine und Lands, berg vertreten, die den Beweis erbringen sollen, daß er, wie überhaupt die Sozialdemokratie, jenem Munitions arbeiterstreik ferngestanden haben. Man rechnet mit einer Prozeßdauer von vier Tagen. Derkehrserleichterungen für das Saar- gebirt Die Regierungskommission des Saargebietes ya« einige Verkehrserleichterungenfür die Ein. reise ins Saargebiet zugelassen. In dringenden Fällen (Todesfall), in denen die schriftliche Einholung der Einreiseerlaubnis nicht mehr möglich war, wird auf der Station Mettlach, der Grenzstation, auf Antrag eine kurz- befristete Einreiseerlaubnis ausgestellt. Erforderlich hierzu ist die Vorlegung des Personalausweises und einer Be scheinigung der Heimatbehörde oder ein Telegramm, durch Welches die Dringlichkeit der Reise bestätigt wird. Das Reichsschtedsamt für Aerzte und Krankenkassen Das auf Grund der Verordnung über Ärzte und Krankenkassen vom 30. Oktober 1923 bei dem Reichsver sicherungsamt gebildete Reichsschiedsamt für Ärzte und Krankenkassen besteht aus dem Vor sitzenden, Seuatspräsident Dr. Spiegelthal, zwei unpartei ischen Beisitzern, Oberregierungsrat Bruno Kühne und Universitätsprofessor Dr. Kaskel, ihren Stellvertretern, Oberregierungsrat Dr. Traenckner und Universitäts- Professor Dr. Titze, und aus drei Vertretern der Spitzen bände der Ärzte und der Krankenkassen sowie deren Stell vertretern. Die Wahlen zur Bremer Bürgerschaft Bei den Bremer Bürgerschastswahlen gewan nen die Sozialdemokraten 11 Mandate, die Hausbesitzer partei 5, we Dcutschnationalen 1. Zentrum und Boden reformer bewahrten ihren bisherigen Besitzstand an Man daten. Von den anderen Parteien verloren: die Kommu nisten L, die Deutsche Volkspariei 4, die Nationalsozialisten 3, die Demokraten 2 Mandate. Ein Archivgesetz gefordert. Die Historische Kommission für das Reichsarchiv richtet in einer Entschließung an die gesamte Bevölkerung, vor allem aber an alle Persönlichkeiten, die amtlich oder militärisch an verantwortlichen cllen gestanden haben, die dringende Bitte, alle geschichtlich wertvollen Dicnst- papicre und Nachlässe dem Reichsarchiv zu überweisen. Angesichts unliebsamer Vorkommnisse, bei denen es sich um die Verschleuderung wertvoller Nachlässe und Dienst- papiere handelte, sei der Erlaß eines Archiv- gesetzes dringend notwendig. Italien Danzig vor dem Völkerbund. Aus Rom wird berichtet: Von den Danziger Fragen, die diesmal auf der Tagesornung des Völkerbundes stehen, wurden am ersten Sitzungstage nur einige rein formeller Art behandelt. Der Nat nahm zunächst davon Kenntnis, daß in einigen Punk ten, die ursprünglich zur Verhandlung kommen sollten, im letzten Augenblick noch eine Einigung zwischen den streiten den Parteien — es handelte sich wie stets um Mei nungsverschiedenheiten zwischen dem Frei staat Danzig und der Nachbarrepulik Polen — zu- standegekommen sei. Dann bewilligte man die Kosten für verschiedene Sachverständige, die der Völkerbundkommissar benötigt hatte, um in Danzig polnische Streitfragen ent scheiden zu können. Großbritannien Die englische Thronrede. Am Vormittag des 9. De zember wurde die feierliche Eröffnung des neuen Parlaments vom König im Oberhause mir dem üblichen Zeremoniell vorgenommen. Die wesentlich sten Punkte der Thronrede lassen sich also zusammen- fassen: Das britische Volk verlangt eine ausreichende Sühne für die Ermordung des Sirdars. Die Negierung wünscht keine Unterbrechung des normalen Handels verkehrs mit Rußland. Die Negierung erbittet die Rati fikation des Handelsvertrages mit Deutsch land. Es werden die Grundlinien einer energischen Politik zur Lösung des Arbeitslosenproblems sowie zur Behebung der Wohnungsnot und der Teuerung umrisscn. An die Verlesung der Thronrede schloß sich nach einer kurzen Pause die Erörterung über die Antwortadresfe aus die Thronrede an. Aus In- und Ausland. Mülheim. Von der belgischen Besatzungsbehörde wird mitgeteilt, daß der Oberbefehl über das belgische Ruhrdepane- ment an den kommandierenden Generalmajor Baron de Renette de Villors Bervin übergegangen ist. Das Hauptquartier be findet sich in Duisburg. Paris. Das belgische Justizministerium hat die Abschiebung »er aus Frankreich ausgewiesenen Kommunisten über Belgien telegraphisch abgelehnt und die Grenzpolizei ange wiesen, den Kommunisten den Eintritt in das belgische Gebiet zu verweigen. Rom. Das spanische Völkerbundratsmitglied Quinones de Leon hat für Spanien das Genfer Protokoll unterzeichn«. Damit haben 16 Staaten das Protokoll unterzeichnet, von denen jedoch nur einer, die Tschechoslowakei, das Protokoll ratifiziert hat. Madrid. Von den drei zum Tode verurteilten Aufrührern tn Vera wurden zwei hingerichtet, der dritte verübte Selbstmord. Kairo. Nach Meldungen aus Port Sudan ist der Waha- ditcnsührer Ibn Saud am S. Dezember in Mekka einae- trosfen Seine weiteren Pläne sind noch nicht bekannt. s Neues aus aller Nell ) *»„»»»»»»»«»»»»»»»»»»«»»»»»»»»»»»»» Dvppelselbstmord. Spaziergänger fanden im Grune wald bei Berlin einen Mann und eine Frau tot auf. Sie halten beide Schußwunden an den Schläfen. Die Frau stielt noch eine Selbstladevistole in der Hand. Ermitte lungen der Kriminalbeamter« ergaben, daß das Paar der 26 Jahre alte Ingenieur Willy Bartels und die geschiedene Frau Charlotte Helma waren. Es scheint, daß die Frau zuerst den Mann und dann sich selbst erschossen hat. Daß dies mit dem Willen des Mannes geschah, geht aus einem Brief hervor, den man in der Tasche des Mannes fand und worin erklärt wird, daß es sich um keine Liebes tragödie handle, sondern wirtschaftliche Notlage das Paar zu diesem Schritt getrieben habe. Zum Andenken an den Grafen Spee. Der Chef der Marineleitung sandte an Gräfin Spee folgendes Tele gramm: Am zehnjährigen Erinnerungstage der Schlacht bei den Falklandsinseln gedenkt die Reichsmarine in Treue des ruhmreichen Führers des Kreuzergeschwaders und seiner Helden. Ihnen nachzueifern in Pflichterfüllung und Wagemut ist unser heiliges Gelöbnis zum heutigen Tage. Zenker, Admiral und Chef der Marineleitung. Ermordung eines Schankwirts. Der Schankwirt Ro bert Müller aus Magdeburg wurde in der Nacht, als er Feierabend gebot, von drei Personen bedrängt und durch M esser st iche getötet. Unterschlagungen auf einein Landratsamt. Der beim Landratsamt in Osnabrück angestellte Obersekretär Irrgang ist wegen Amtsunterschlagung in Höhe von 10 000 Mark verhaftet worden. Rettung eines Teiles der Mannschaft eines brennen- den Schiffes. Der Dampfer „Klara Kunstmann" traf im Ska- gerrak den schwedischen Dampfer „Siri" bei gewaltigem Orkan und hochgehender See brennend an. Bei der Art näherung des Stettiner Dampfers ging die Mannschaft des schwedischen Dampfers in zwei Rettungsboote. Das eine von ihnen, das mit dem Kapitän und sechs Mann besetzt war, kam durch die sehr hochgehende See außer Sicht, es gelang aber die Insassen des anderen Bootes zu retten. Ein Philanthrop als Betrüger verhaftet. Anton Bast, Bischof der Methodistengemeinde in Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland, Präsident des evangelischen Abstt- nenzlerverbandes, Mitglied des amerikanischen Komitees zur Linderung der Not in Zentraleuropa, wurde in Kopen- bagen wegen umfangreicher Betrügereien verhaftet. Eine englische Zuckerbäckerhochzeit. Großes Aufsehen erregte der Hochzeitszug von vier Angestellten einer großen Konditorei zur Kirche inActonin England. Die beiden Paare wurden geleitet von 24 Lehrlingen im Zuckerbäcker, gewand, die Zuckerhüte, riesige Kuchen und unwahrschein lich große Konfektstücke im Zuge trugen. Jeder Vorüber gehende durfte sich ein Stück von den Leckereien nehmen. Ein bemerkenswerter Erfolg deutscher Musik in Eng lanv. Vor einer Zuhörerschaft von 2500 Personen wurde in Edinburg Weingartners 5. Symphonie unter der Leitung des Komponisten aufgeführt und fand, den Blättern zu folae, eine begeisterte Aufnahme. Gattenmord. InAichegg in Steiermark hat eine 26 jährige Besitzersfrau ihren 54 jährigen Ehemann, während er im Bette lag, durch Beilhiebe ermordet. D'e Täterin gab an- ihre Ehe sei sehr unglücklich. Da ihr Mau» oft betrunken gewesen sei und am Mordtage nicht aufstebcn wollte, sei sie in sinnlose Wut geraten und habe ihn er- schlagen. Zigeunerplage in der Tschechoslowakei. Der tschechi- schen Staatsverwaltung bereitet die Zigeunerplage auf dem flachen Lande große Schwierigkeiten. In den letzten Monaten wurden wieder auffallend viele Morde und Naubüberfälle durch Zigeunerbanden verübt. Man will jetzt versuchen, die Zigeuner zu konskribieren, um halbwegs über diese noch halbwilden Nomaden eine Kontrolle zu erlangen. Wie schwer es ist, diese Leute zu beaufsichtigen, ergibt sich schon aus dem einen Fall, daß eine einzige Zigeunerfamilie, die den Namen Ruzika führt und deren Mitglieder ständige Gäste der tschechischen Gerichte sind, aus nicht weniger als 900 Köpfen besteht. Eine Fischerslotte mit 300 Mann Besatzung verschol len. Am vorigen Freitag ist die aus siebzig Kuttern bestehende Fischerflotte von Esbjerg, an der Nordseeküste von Jütland, zum Fischfang ausgefahren und bisher nicht zurückgekehrt. Man fürchtet, daß die ganze Flotte im Sturm gesunken und ihre 300 Mann starke Be satzung ertrunken ist. Plünderung einer mexikanischen Stadt. Die Stadt Tapalapa im Staate Jalisco (Mexiko) ist von einer Bande von 70 Räubern geplündert worden. Elf Einwohner wurden getötet und sieben schwer verwundet. Chinesische Räuber entführen Studenten und Pro fessoren. In der Nähe von Kanton haben chinesische Räuber 38 Studenten und Professoren der ckrtstlichen Uni- Was mein einst war. bS Roman von Fr. Lehne. UrtzcLerschutz 1V21, durch Stuttganer Romauoeutral«, T. Ackerman«, Stuttgart. And Erdmute war in Verzweiflung. Was sollte sie lun? Konnte, durfte sie Otto v. Felsens Frau wer den? Unniö glich war es doch! Bei dem bloßen Gedan ken schon schauerte sie zusammen. Sollte sie ihn nicht lieber bitten, ihr ihr Wort zurückzugeben, da sie sich in ihren Gefühlen für ihn getäuscht? Ehrlich wäre das wenigstens gewesen! Aber auch das war ihr unmöglich! Was hatte sie für Gründe! Niemand hatte sie doch in hisse Verlobung hineingezwungen ihr eigener, freier Wille war es gewesen! Und nur aus Laune einen Skandal hervorzurufen, das würde ihr sonst so gütiger Vater streng verurteilen! Sie hatte gewußt, was sie ge tan — sie war kein unreifer Backfisch mehr, und sie mußte nun ihr Selbstgewähltes auch tragen! Aber daß es ihr jetzt schon zu schwer sein würde, hatte sie doch nicht gedacht! Glanzlos und trübe lag die Zukunft vor ihr. — Das Stubenmädchen auf dem Schlosse war plötzlich schwer erkrankt und nach Miltenbach ins Krankenhaus öä>racht. Da es viel zu tun gab, war ihr Fehlen emp findlich zu spüren, umsomehr, als brauchbarer Ersatz schwer zu beschaffen war. Erdmutes Jungfer machte den Vorschlag, die Marie Dangelmann, die doch schon einmal auf dem Schlosse gewesen, zur Aushilfe zu nehmen. Anfangs hatte Erdmute nichts davon wissen wollen, schließlich aber willigte sie doch ein — aus einem Grunde, über den sie siS im Innersten selbst nicht klar war. — Voller Genugtuung verkündete Marie Dangelmann dem Vater, daß sie auf dem Schlosse eine Aushilssstelle angenommen. Heimlich beobachtete sie dabei Karl Gün ther, was der zu dieser Neuigkeit wohl für ein Gesicht machte. Mer der war ganz gleichgültig, indessen Jakob Dangelmann gegen Maries Eigenmächtigkeit wetterte, jetzt zu einer Zeit, da die Ernte noch nicht ganz herein war, fortgehen zu wollen. „Ich bekomme einen schönen Lohn, Vater, das will ich mir nicht entgehen wssen — und ich brauche mich nicht so zu plagen wie Hierl Es ist ja nur auf ein paar Wo chen, bis die Fanny wieder aas dein Krankenhaus ent lassen wird — MinddarmentzüEung hat sie " „— und wir können derweilen hier verhungern — wer kocht uns denn das Essen —?" Marie zuckte gleichgültig die Achseln. „Für die kurze Zeit werdet ihr euch schon selber helfen können! Ich lasse die schöne Stelle nicht im Stich — und gerade jetzt, wo bald Hochzeit ist! Am Abend komme ich immer mal her, um nachzusehen —" fügte sie großmütig hinzu. „Und wer kümmert sich um die Hühner?" „Das tue ich, Bauer!" sagte Karl Günther mit sei ner tiefen, ruhigen Stimme. „Es ist eine Kleinigkeit für mich — und für unser Essen sorge ich auch! Im Felde hat man das alles gelernt! Ich bitte die Eder- Großmutter, daß sie sich während der Zeit em wenig um uns Männer kümmert! Dafür helfe ich dem Eder- Bauer am Sonntag; er hatte mich kürzlich gebeten, wenn ich mal Zeit habe — er ist mit seinem Weizen noch zu rück. Also unseretwegen kann die Marie ruhig auf das Schloß gehen " Schon am nächsten Morgen ging Marie in aller i Frühe fort, nachdem sie lick, sorsföltia frisiert und anae- ' zogen hatte; sie konnte die Zeit nicht erwarten — kaum, daß sie dem Vater seinen Morgenkaffee noch hincpsietzt; um Karl Günther kümmerte sie sich gar nicht. Freundlich wurde sie von Erdmuts Eggersdorf emp- mngen, die ihr dank'- daß sie zur Aushilfe gekommen. Marie knickste. „Ich freue mich, daß Baronesse an mich gedacht hatten —" „Ihr Vater kann Sie doch entbehren, Marie —? Er ist noch krank — ?" „Es geht immer so weiter, Baronesse! Im Hause kann er sich wenigstens behelfen, und Obacht geben kann er auch — und sonst besorgt unser Knecht ja alles —* Unser Knecht! Wie das aus Marics Munde klang! So herablas- send, nicht achtend — und galt dem Manne, an den Erdmute immerfort denken mußte! Siedendheiß über lief cs sie — sie preßte die Lippen fest aufeinander, und zwischen den feinen Brauen stand steil eine tiefe Falte. Von einer unglaublichen Lächerlichkeit war das doch! — Marie Dangelmann hatte es durch ihr gewandtes und einschmeichelndes Wesen verstanden, sich schnell bei der Dienerschaft beliebt zu machen — gegen alle war sie gefällig uiD zuvorkommend und bemüht, ihnen Arbeit abzunehmen. Bald hatte sie erfahren, daß Hubert Knappe, der Chauffeur, in Miltenbach einem Mädchen die Ehe ver sprochen, sein Wort aber nicht gehalten hatte, obwohl ein zweijähriges Kind von ihm da war — unter dem Siegel der Verschwiegenheit hatte die Jungfer es ihr an vertraut, die es ganz genau wußte, da das Mädchen ihre Freundin war. lFrtttt'cm.'nn ivlnrü